Mit 170.000 Litauerinnen und Litauern, die in Großbritannien registriert sind, bildet Litauen die zweitstärkste Gruppe von Ausländern im Vereinigten Königreich, nach Polen. Insgesamt seien es 1,4 Mill. Menschen aus Osteuropa, darunter 916.000 Polen (Guardian). Das britische Office for National Statistics (ONS) stellt in einer aktuellen Studie außerdem fest, dass die britische lebensmittelverarbeitende Industrie am meisten von Arbeitskräften aus dem EU-Ausland abhängt: bis zu 25%. Die Arbeitslosenquote stellte das Institut mit 4,3% fest.
Immerhin haben "Litauer in Großbritannien" ja auch schon einen eigenen Wikipedia-Eintrag. Inzwischen aber ist die Einwanderung nach Großbrittannien auf ein Rekordtief gefallen (so berichtet der "Telegraph"). Es kamen 2016 aber noch 248.000 - während Prime-Ministerin Theresa May mal davon sprach, sie strebe eine "Obergrenze" von 100.000 an. Was die "EU8” angeht - dazu zählen die Briten Tschechien, Estland, Ungarn, Lettland,
Litauen, Polen, die Slowakei und Slowenien - so fielen die Zuwandererzahlen um 25.000 auf 48.000,
während die Zahlen der Rückwanderung in diese Länder um 16.000 auf 43.000 stiegen (im Jahr 2016).
Auch die englische Presse interessiert sich für Litauen. Einen aktuellen Bericht aus Litauen bringt der "Economist" - aus Panevežys im Norden Litauens. 40 Arbeitsplätze habe dort ein norwegischer Investor im Bereich Textil geschaffen - er findet aber nicht genügend Mitarbeiter. Es gebe nur noch halb soviel Studierende in seiner Gemeinde, wird der Bürgermeister zitiert; Fachleute sagen daher den Litauern ein um 3-4% geringeres Bruttosozialprodukt für 2030 voraus, als es ohne die starke Arbeitsemigration der Fall wäre.
Berichtet wird auch über staatliche Programme, litauische Experten ins Land zurückzuholen ("Kurk Lietuvai" / "Create Lithuania"). Milda Darguzaite, eine der Programmverantwortlichen erzählt, das Programm habe 100 litauische Expert/innen zurückholen können - im Laufe von 5 Jahren. Unter diesen Rückkehrern sei ein Politiker, ein stellvertretender Bürgermeister und mehrere Berater des Regierungschefs gewesen; die Ärzte oder Ingenieure zurückzubringen, das sei weitaus schwieriger.
"Let's move to Wisbech" - diese Aufforderung scheinen besonders Litauer/innen gehört zu haben. Die kleine, mittelenglische Markt- und Hafenstadt an der Ostküste gilt als einer derjenigen Orte, wo viele Litauer/innen leben (bis zu 5.000, bei 28.000 Einwohner / The Sun). Als "Little Lithuania" bezeichnete es 2014 die örtliche Zeitung "Wisbeck Standard". Auch Polen und Rumänen prägen den Ort - aber damit sei keine Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit damit verbunden, urteilten die meisten Zeitungsleser. Allerdings in der Stadt bei den vergangenen Wahlen ein starker Zuwachs der Anti-EU-Partei UKIP zu beobachten gewesen. Im Oktober 2017 gab es dann den Fall eines Litauers, der erst seine Frau zu Tode geschlagen haben soll, und dann schlafend in einem Zelt im Wald nahe Wisbech festgenommen wurde. Litauer als Thema in der britischen Öffentlichkeit - inzwischen keine Seltenheit mehr.
Wie wird es mit den Litauern unter den Briten weitergehen? "Auch der Brexit hat nichts daran geändert, dass Litauen eine der am stärksten schrumpfenden Bevölkerungen in der EU hat," schreibt das Portal Bloomberg. Offenbar haben sich im Ausland an verschiedenen Orten litauische Gemeinschaften gebildet, die einfach den Zustrom aufrechterhalten und vereinfachen, vermutet dieser Bericht. Einem Beitrag bei "Euroaktiv" zufolge überlegt gegenwärtig die litauische Regierung, im Ausland lebenden Litauern unter gewissen Bedingungen eine doppelte Staatsbürgerschaft zu erlauben. "Wir wollen diese letzte Verbindung zum Heimatland nicht zerstören", wird Regierungschef Skvernelis zitiert.
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