27 November 2011

Litauen-Rap

Je nach Stimmungslage konnten sich die Litauen-Interessierten in der vergangenen Woche aussuchen, welche litauischen Nachrichten das Litauen-Bild am meisten beeinflusst haben.
Grämen Sie sich mehr über die Snoras-Bank und deren zweifelhaften Geschäften? Zumindest für die Kontoinhaber bei dieser Bank war es die Hauptsorge der vergangenen Tage.

Oder finden Sie es beachtenswerter, dass in Belorussland der Regimekritikter Ales Bjaljatski verhaftet und nun zu viereinhalb Jahren Haft im Straflager verurteilt wurde? Dass dies in der "letzten Diktatur Europas" möglich wurde (so wie viele das von Lukaschenko mit harter Hand regierte Land bezeichnen) ist auch litauischen Behörden zu verdanken, die bereitwillig die Kontodaten des Betroffenen an die belorussischen "Kollegen" weiterleiteten. Die litauische Regierung entschuldigte sich dafür bei den Angehörigen - kein Meisterstück litauisch-belorussischer Beziehungen also.

Oder möchten Sie das alles lieber hinter sich lassen und schlichtweg einmal ein Lied auf Litauen singen?
Dann ist vielleicht der Wettbewerb des "British Council" zu den Sprachen in Europas interessant. Unter dem Motto "Speak up" gewann Deividas Jakavičius einen zweiten Preis mit seinem Litauen-Rap. Leider ist der Text dieses Songs nirgendwo aufgeschrieben - ob es und was es von Litauens aktuellen Themen erzählt - in Litauisch, Englisch und Russisch - wir müssen es Deividas von den Lippen lesen.

20 November 2011

Bücher, Grenzen und ein Fluß

Rasa Miškinytė
Eine Menge Erfahrung als Dokumentarfilmerin bringt die litauische Filmemacherin und Produzentin Rasa Miškinytė in ihre Projekte. Sie gilt als diejenige, die in den vergangenen Jahren am erfolgreichsten damit war, Auslands-Koproduktionen nach Litauen zu holen (siehe ERA-Film). Ob Japan oder Dänemark - Filme werden selten im nationalen Alleingang hergestellt. Dennoch zeigte sich Miškinytė überrascht, als eine Anfrage von Jeremiah Cullinane für ein neues Filmprojekt kam. "Ein Ire? Ich habe mich gefragt: was wissen Menschen in Irland über litauische Geschichte?" so beschrieb sie ihre erste Reaktion als sie von der Idee zu dem Film "Der Bücherschmuggler" hörte.

Gegenwärtig wird der Film als litauischer Beitrag auf einigen internationalen Filmfestivals gezeigt (außer Lübeck auch Vilnius, Belfast, Riga, Tallinn, Kapstadt und Chicago). Jeremiah Cullinane's Filmthemen waren bisher Kriminalgeschichten oder Keltenmythen.
Und die naheliegende Vermutung, Cullinane habe wohl mit einem der vielen litauischen Arbeitsmigranten in Irland Kontakt gehabt, muss auch nicht unbedingt stimmen. Der 1967 geborene Cullinane wuchs bei seinen Eltern in Kanada auf und schloß ein Studium in Paris an. Erst seit 1995 gab es den Einstieg ins Filmbusiness, und nach weiteren Paris-Aufenthalten auch Gastspiele als Theaterregisseur. Seit 2005 ist er Miteigentümer der Filmproduktionsfirma "Planet Korda Pictures" und hat die "Bücherschmuggler" mit produziert.

Kommen wir zur eigentlichen Geschichte. Miškinytė und Cullinane schicken gewissermaßen ihre Alter Egos auf eine Reise durchs Memeldelta: der gälische Poet Gearóid Mac Lochlainn, bekannt durch sein Buch "Stream of Tongues" (Sruth Teangacha), und der litauische Theaterdirektor Albertas Vidžiūnas suchen die Spuren der Bücherschmuggler, die in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhundert den russischen Bann gegen die litauische Sprache überwinden halfen und Gedrucktes von Preußen über den Nemunas brachten. In einer der schönsten Szenen des Films, in dem Mac Lochlainn und Vidžiūnas in einem kleinen Boot nahe der Mündung auf dem Fluß unterwegs sind, versucht es der Litauer dem Iren so zu erklären: "Weißt du, damals war auf der linken Seite Preußen und auf der anderen Seite Russland. Heute ist auf der linken Seite Russland und auf der anderen Seite Litauen."

Albertas und Gearóid auf den Spuren der Bücherträger
Dabei fließt der Film beinahe so gemächlich dahin wie auch der Fluß. Langsam tauchen die beiden zwischen den Wassern wandernden Besucher ein in die Thematik. Sie besuchen eine der Kirchen, in der Antanas Mackevičius tätig war, Schulkinder, die über die Geschichte der Bücherschmuggler lernen, und junge Baumpflanzungen, ein jeder einem der Bücherträger gewidmet. Sie besuchen die Universitätsbibliothek von Vilnius, wo schon die Eingangstür das Thema aufnimmt, und sie nehmen Teil an einem Freilicht-Theaterspiel, mit dem Einwohner der Region Geschichte nachspielen. Dabei wird vielfach darauf geachtet, die auch in den handelnden Personen verkörperte Sprachenvielfalt wiederzuspiegeln, sei es durch Gedichte Mac Lochlainns, oder durch Untertitel: Englisch, Litauisch, Gälisch. 

Dann ein Satz, der aufschreckt: "Wenn Du glaubst, Du könntest mit einer anderen Sprache leben, und trotzdem Litauer bleiben - das ist eine pure Illusion." Ausgeprochen von einem Nachfahren der Bücherschmuggler, hat die Radikalität dieser Aussage offenbar auch das Filmteam überrascht - so jedenfalls die Aussage von Rasa Miškinytė bei den Lübecker Filmtagen. Die Aussage gilt natürlich den Vorfahren, die ein Leben mit einer aufgezwungenen fremden (Herrschafts-)Sprache für nicht erträglich hielten. Aber sofort kommt auch die Problematik des heutigen Litauen in den Sinn, wo Zehntauende zumindest vorläufig lieber die fremde Sprache in Kauf nehmen als eine Zukunft im eigenen Land. Aber nach Auffassung von Miškinytė geht diese Thematik ganz Europa an - nicht nur Russen und Litauer, Iren und Englischsprachige.
Ein Film, der weit entfernt davon ist, ein nationalistisches Monument darstellen zu wollen, sondern der zum genaueren Hinsehen verleiten möchte. So genau, wie es die Verschiedenheit von Kulturen, Sprachen und Mentalitäten nötig haben."Wir haben bringen Bücher mit über die Grenze, möchten Sie sie vielleicht beschlagnahmen?" fragen die beiden Filmakteure den Grenzbeamten an der heutigen russisch-litauischen Grenze scherzhaft. Nein, ganz verschwunden sind Sprachzwänge auch heute noch nicht, gerade an den Grenzlinien zwischen Russland und Europa. Und am Nemunasdelta sind die Erinnerungen an die Bücherträger offenbar, wie der Film zeigt, auch identitätsbildend. In ihrem nächsten Film möchte Rasa Miškinytė den Themen Belorusslands nachspüren - man darf gespannt sein darauf.
Homepage zum Film
Filmtrailer bei YouTube

16 November 2011

Rette die Milliarde oder: Bankenkrise auf Litauisch

Schlange vor einer Snoras-Filliale (Quelle: ELTA)
Die litauische Regierung hat nach einer Dringlichkeitssitzung heute beschlossen die viertgrößte Bank des Landes - "Snoras" - zu verstaatlichen. 

Überraschung? Einerseits belegte "Snoras" noch im Banken-Rating des Politikmagazins Veidas - veröffentlicht am Montag - den zweiten Platz. Am Dienstag gab's in der Tages-Zeitung "Lietuvos Rytas" einen Bericht darüber, dass große Werte abgezweigt werden sollen.

Eine Milliarde - einfach weg?

Eine Überprüfung ergab, dass eine Milliarde Litas (rund 300 Mio. Euro) vom Gesamtwert der Bank in der Höhe von 8 Milliarden "weg" sein. Schwer vorstellbar, aber 1 Mrd. Wertpapier im Ausland existieren einfach nicht, das ergab eine Nachfrage der Litauischen Staatsbank bei ausländischen Geldinstituten.

Ungewöhnlich rasch handelte die Regierung: Heute wurde ein staatlicher Verwalter eingesetzt, die Bank verstaatlicht. Wahrscheinlich werden die "guten" Anlagen der Kleinanleger in eine neue Bank überführt, die "faulen" in eine "Bad Bank" ausgelagert. Bald nach  Gerüchten um die Bank bilden sich Schlangen an Bankautomaten und Fillialen - viele versuchten panisch an ihr Geld zu kommen.

Kein Geld mehr an Automaten (Foto: R.Danisevičius)
Bis Montag bleibt der Laden zu!

Aber das gesamte Geschäft der Bank war bereits gestoppt, die Regierung hat ein Moratorium bis Montag verhängt, dann soll das Geschäft wie normal weiter laufen. Der Staat will die Privateinlagen garantieren, die nach EU-Vorschriften bis zur Höhe von 100.000 Euro abgesichert werden.

Nur - wo ist die Milliarde hin? Fehlspekulation oder doch wie viele mutmaßen - russische Geldwäsche? Größte Anteilseigner sind der russische Milliardär Vladimir Antonov (68%) und der Litauer Raimondas Baranauskas (25%). Aber niemand aus der Bankenführung hat sich bis jetzt zu den Vorgängen geäußert, die meisten weilen gar nicht in Litauen.

Der vorerst letzte Bankrott einer Bank in Litauen war 1999 die Litimpeks Bankas.

Quelle: Litauische Medien (www.lrt.lt, www.alfa.lt, www.lrytas.lt)

03 November 2011

Erinnerungen zum Geburtstag

drei Fotos aus
dem Adamkus-
Archiv:
Dem "Donaukurier" ist es zu verdanken, dass wir heute rechtzeitig an einen Geburtstag erinnert werden: Valdas Adamkus, zwischen 1998 und 2003 sowie zwischen 2004 und 2009 zweimal Präsident der Republik Litauen, wird heute 85 Jahre alt.
Weniger bekannt sind vielleicht die Details seiner Zeit in Eichstätt nördlich von München, die jetzt auch im Donaukurier nachzulesen sind. Im dortigen Kloster Rebdorf hatten litauische Flüchtlinge nach Kriegsende 1946 bis 1949 ein eigenes Schulwesen aufgebaut, vom Kindergarten bis zum Gymnasium - als nächster Nutzer zog in den 50er Jahren übrigens die Bereitschaftspolizei ein. Im 19.Jahrhundert beherbergte dieselbe Anlage auch schon mal Zwangarbeiter.
1946 organisierten die Litauer zum ersten Mal in Rebdorf eine Abiturprüfung: unter den Abiturienten saß Valdas Adamkus, in der Parallelklasse Alma Nutautaite, seine spätere Ehefrau.

Romantik mit
Alma,
Eichstätt und Rebdorf haben in den vergangenen Jahren mehrfach den später bekannt gewordenen litauischen Gästen gedacht - 2008 besucht das Präsidentenpaar Adamkus die Stadt.

Ein anderes, weniger angenehmes Thema ist noch heute mit dem Namen Adamkus verbunden: es gilt inzwischen als sicher, dass Litauen nach Beginn des Krieges der USA im Irak dem US-Geheimdienst CIA Räumlichkeiten zur Etablierung geheim gehaltener Gefängnisse zur Verfügung stellte - eines in Vilnius und ein weiteres im Ort Antaviliai.
in Nixons
Diensten (alle
drei zu sehen auf
www.adamkus.lt

Die Abstimmung in diesen Fragen und die Erbaubnis dazu soll damals vornehmlich über Präsident Adamkus gelaufen sein. Inzwischen liegt dem Europäischen Gerichtshof in Straßburg eine Klage eines ehemaligen Häftlings vor, der angibt unter anderem in Litauen gefoltert worden zu sein (siehe Bericht Süddeutsche Zeitung).  Die litauische Justz hatte erst kürzlich neue Ermittlungen zu den mutmaßlichen Geheimgefängnissen der CIA abgelehnt und Kritik unter anderem von Amnesty International hervorgerufen (siehe Presseerklärung). Ja, ein Geburtstagsrückblick kann sehr unterschiedlich ausfallen.