04 November 2022

Vilnius first!

Bei Aufzählungen in deutscher Sprache landet das Land oft an dritter Stelle: Estland, Lettland, Litauen. Und auch Riga wurde schon öfters für die Hauptstadt Litauens gehalten als anders herum. 

Wie das litauischen Nachrichtenportal LRT meldete, sei nun aktuell durchgezählt worden: amtlich bestätigt seien es in Vilnius 615.242 Einwohnerinnen und Einwohner, in Riga seien aber nur noch 605.802 Menschen gemeldet. Damit habe sich der Trend bestätigt, der bereits seit etwa 10 Jahren zu beobachten gewesen sei. Auch Remigijus Šimašius, Bürgermeister von Villnius und nach eigener Aussage "passionierter Denker und Macher", habe das bereits auf seiner Facebook-Seite bestätigt. 

Noch aber wird an diesen Zahlen gezweifelt. Quellen sind teilweise Einwohnermeldeämter, andere Zahlen stammen von Statistikinstituten. Laut litauischem Statistikamt liegt die Einwohnerzahl von Vilnius erst bei etwa 576.000 Menschen. Als Mensch mit ständigem Wohnsitz in Vilnius seien alle gezählt worden, die mindestens seit 12 Monaten in der Stadt leben. 

Auch die lettische Presse hat das Thema aufgenommen, und zumindest den Trend als korrekt bestätigt: Schätzungen von Fachleuten zufolge wird, wenn die Entwicklungstrends in beiden Städten so weitergehen, Vilnius im Jahr 2025 größer sein als Riga. Aber gegenwärtig liege die Einwohnerzahl in Vilnius eben doch nur bei 552.787 Menschen, während die Zahl 605.802 als Einwohnerzahl von Riga auch von lettischer Seite bestätigt wird. Und angesichts des Zustroms ukrainischer Flüchtlinge sei der Bevölkerungsrückgang in Riga höchstwahrscheinlich vorerst gestoppt. (nra)

Aber wie Analysen bestätigen, geht die Bevölkerung Rigas beständig zurück, die Sterblichkeit übersteigt die Geburtenrate, und es ziehen mehr Menschen weg als es Neubürger/innen gibt. Wer eine Familie gründe, der tue es lieber außerhalb von Riga - nach Vilnius dagegen ziehen auch viele jüngere Leute. (Makroekonomika)

In einem Kommentar zum Thema meint der lettische Journalist Bens Lakoviskis, eine typischer Schilderung in den sozialen Medien lese sich in etwa wie folgt: "Geschäftsreise nach Vilnius: - beim Betreten fühlt man sich wie in einer Großstadt; das Zentrum wimmelt von Touristen; alles ist aufgeräumt; die Preise für Essen ähneln dem lettischen Niveau, Bier ist billiger - und rings herum Neubauten." Da hinke Riga doch wirklich hinterher. Und wer von Riga aus nach Tallinn fahre, der fühle sich sowieso wie jemand der in eine Zeitmaschine gestiegen sei. (NRA)

"Vilnius will die Metrople der gesamten baltischen Region werden!" - solche Schlagzeilen rufen die Trends des schrumpfenden Riga und wachsenden Vilnius schon seit einigen Jahren hervor. Nach Meinung lettischer Journalisten liegt es eben daran, dass Lettinnen und Letten eher im "Speckgürtel" rund um Riga leben und dort hinziehen - Litauerinnen und Litauer aber zunehmend ein Leben direkt in der Hauptstadt suchen (jauns). Zahlenmäßig ist Vilnius also - Stand heute - noch nicht größer als Riga. Aber dass Bürgermeister Šimašius Gegenteiliges als Gezwitscher verbreitet - es folgt wohl den gesellschaftlich inzwischen verankerten Kommunikationswegen. Ganz nach dem Motto: ein bischen Wahres ist tatsächlich dran.