09 Juni 2020

Coranse Brilonas

Briloner, hanseatisch gestimmt (mit
Mantel aus Rüthen?)
Nein, Zentrum der Hanse war Litauen nie. Aber Kaunas war zu mittelalterlichen Zeiten immerhin etwa 100 Jahre Mitglied des Städtebundes - und hat sich nun auch der sogenannten "Neuen Hanse" wieder angeschlossen. Als 2011 Kaunas der inter-nationaleTreffpunkt war (siehe Bericht), Ausrichter der "Internationalen Hansetage der Neuzeit", da werden vielleicht auch einige weitere Litauerinnen und Litauer diesen Zusammenhang begriffen haben. Und auch Berichte einiger damaliger Besucher*innen aus Deutschland erinnern noch daran (Soest, Frankfurt, Neuss, Kalkar, Lüneburg).

Auch 2020 wollte Kaunas beim Internationalen Hansetag vertreten sein - neben Tallinn und Pärnu aus Estland und Riga aus Lettland. Diese Berichte werden nun fehlen, denn schon vor Wochen wurde der gesamte Hansetag abgesagt - wegen der Corona-Krise und der damit entstehenden Unmöglichkeit sicherer Planungen. Zwar erklärte der Veranstalter, die Stadt Brilon im Sauerland, das Ereignis kurzfristig als "Ersten digitalen Hansetag in der 660-jährigen Geschichte der Hanse". Doch ob sich die Waldstädter, die Partnerschaften in Frankreich, Belgien und Schottland unterhalten, damit wirklich einen Gefallen getan haben, bleibt offen: allzu kümmerlich gerieten die vorgefertigen Image-Filmchen, die nun eilig online gestellt wurden. Als Empfänger*in von hunderten Beileidserklärungen der Partner im Hansebund hatte man es dagegen leichter - nur die interne Vernetzung unter den Mitgliedern der "Neuen Hanse" wird wohl ziemlich normal gelaufen sein, ob nun aus dem "Homeoffice", oder als digitale Delegiertenkonferenz.

Internationales war "analog" in den Tagen vom 4.-7. Juni 2020 in Brilon nun nicht mehr zu entdecken. Die "Hansestädte, die im Stadtbild auftauchen" - es blieb bei billigen Roll-Ups aus einigen nahegelegenen Städten des Rheinlands und Westfalens. Aber wer mochte es den Brilonern übel nehmen? Die "Internationalen Hansetage" schrumpften so zu einem Gefälligkeitssonntag für die heimischen Unterstützer*innen. Fast schon wieder lustig der Gegensatz zur aktuell gültigen Stadtwerbung: während Brilon eifrig um Radler-Tourist*innen wirbt, war die Austeilung von "Überraschungstaschen" (Hanse-Souvenirs) ausschließlich Autofahrer*innen vorbehalten: eine anderthalbstündige Autoschlange, mit laufendem Motor wartend, vor der Verteilstation mit Bürgermeister.

In Litauen werden also die Kenntnisse über das Städtchen Brilon wohl weiter sehr begrenzt bleiben - Presseberichte zum "1. Digitalen Hansetag" gab es in Litauen offenbar keine. Und nicht nur das: in litauischer Sprache sind, bei Eingabe in entsprechende "Suchmaschinen", außer einem allgemeinen Wetterbericht, Hotelsuche und Autoverleih auch nicht einmal minimale Informationen über das Sauerlandstädtchen vorhanden.
Da ist es schon fast erstaunlich, dass im litauischen Online-Shop "Winnersport.lt" ein Damen-Wintermantel ausgerechnet mit der Bezeichnung "Brilon" angeboten wird - um 50% heruntergesetzt wartet er auf Käuferinnen. Wohl kein Hansetags-Souvenir.

Nun ja. Für die nächsten Jahre sind die Veranstalter der Hansetage bereits festgelegt - die Warteliste geht über mindestens 10 Jahre. Daher konnten die Hansetage 2020 auch nicht verschoben werden - die Briloner werden sich nun wieder "hinten anstellen" müssen, und 2021 in Riga, 2022 in Neuss, 2023 in Torun oder 2024 in Gdansk versuchen müssen, ihre Stadt international bemerkbar zu machen. Die "Coranse Brilonas" (Corona-Hanse) wird niemand wiederholen oder nachahmen wollen, das ist sicher.
(Eindrücke Hansetage 2020, Teil 1) 
(Eindrücke Hansetage 2020, Teil 2)
 (Eindrücke Hansetage 2020, Teil 3)