20 Oktober 2022

Wer ist Litauisch?

Bezüglich Litauen müssen wir uns wohl an neue Verhältnisse gewöhnen. Waren es bisher schöne Erlebnisse auf der Kurischen Nehrung, das Sommerhaus von Thomas Mann, die Geschichten der "Wolfskinder" oder vielleicht die polnisch-litauische Vergangenheit der Hauptstadt Vilnius, die uns bewegten, so sind nun neue Themen eingekehrt. Auch die Europäische Kulturhauptstadt Kaunas hätte sich natürlich in diesem Jahr einen großen Zuspruch und viele Besucherinnen und Besucher für ihr vielfältiges Kulturprogramm gewünscht.

Aber nein: da fällt es dem großen Nachbarn im Osten einfach mal ein, dass sie dringend gewaltsam Grenzen ändern wollen, damit das frühere Großmacht-Herrschergefühl sich wieder einstellen möge. Nun also ist zumeist von Militärischem die Rede, wenn in der deutschen Presse etwas von Litauen zu lesen ist. Und es gibt nicht einmal Grund zur Beschwerde (bei Putin ist die Beschwerdeannnahmestelle ja offenbar seit langem geschlossen). Litauen fühlt sich mit Recht erinnert an ähnliche Situationen in der Geschichte des eigenen Landes, als das Land zunächst militärisch besetzt wurde und dann diejenigen, die noch nicht tot oder geflohen sind, über die "Zukunft ihres Landes" abstimmen sollten. 

Man mag darüber lächeln, wenn Länder wie Litauen, ähnlich wie die baltischen Nachbarn, nun sogar Denkmäler beseitigen - es wird aber nicht der entscheidende Punkt werden im Verhältnis zwischen den "Balten" und den Russen. Auch das gesellschaftliche Kräfteverhältnis ist dabei, sich neu zu sortieren - bei wem bisher moderate Russland-Freundlichkeit anzutreffen war, entwickelt sich heute Putin-Treue. 

So wie mit Adolfas Kaminskas zum Beispiel. Der Name steht offenbar akuell für die vielfachen Verknüpf-ungen Litauens mit Russland. 2019 heiratete er seine Frau Yelena, geborene Shebunova. Das brisante dabei: sie ist die Ex-Freundin des aktuell amtierenden russischen Verteidigungsministers Sergei Shoigu - und aus dieser Verbindung stammen zwei außereheliche Kinder, Sohn Danila und Tochter Daria, geboren 2001 und 2008. 

Adolfas Kaminskas, bis dahin offenbar Verkäufer von Mopeds und Autoteilen in Vilnius, steht wohl auch wegen seinem plötzlichen Reichtum aus ungeklärten Quellen im Fokus der Ermittler. Er hatte nach seiner Heirat einen Antrag an die litauischen Behörden gestellt, und die beiden von der Frau in die Ehe eingebrachten Kinder als litauische Staatsbürger registrieren lassen. Nun haben die litauischen Behörden aber im Sommer 2022 Jelena (auch Yelena / Elena) Kaminska die Aufenthaltsgenehmigung für Litauen entzogen - sie stelle wegen ihrer intensiven Beziehungen nach Russland eine Gefährdung der Sicherheit dar und wurde zur Persona non grata erklärt.

Jelena Kaminskas (geborene Szebunowa), früher mal als Flugbegleiterin tätig, war seit 2017 im Besitz einer zeitlich begrenzten Aufenthaltserlaubnis für Litauen gewesen. Adolfas Kaminskas seinerseits hat in diesem Frühjahr einen russischen Pass erhalten und ist damit laut offiziellem Register Russlands russischer Staatsbürger geworden.  (The Insider / Newsweek / Tag24 / uawire.org / LRT / delfi.lt )
Aber Szebunova-Kaminskas klagt nun gegen den litauischen Staat - aber weshalb nur? Will sie nicht abgeschoben werden, oder ihre Vermögenswerte nicht verlieren? Oder nur Zeit gewinnen, um das Vermögen in Litauen zu einem guten Preis verkaufen zu können - und sich danach mit russischer Staatsbürgerschaft nach Russland zurückzuziehen? Auch in Russland verfügt sie über Besitztümer: allein ein Landhaus in der Nähe von Moskau soll 24 Millionen Euro wert sein.
Das zuständige litauische Ministerium meint, Kaminskas hätte es versäumt eine doppelte Staatsbürgerschaft den Behörden mitzuteilen (die litauische und die russische). Nach litauischem Recht ist eine doppelte Staatsbürgerschaft nur in Ausnahmefällen zulässig. 
 
Litauisch, russisch, oder beides? Besonders einige reiche Geschäftsleute, die bisher vom Taktieren zwischen beiden Ländern erheblich finanziell profitiert haben, scheinen besondere Schwerigkieten zu haben, sich nun eindeutig zu positionieren.