19 Juli 2017

In Litauen herrscht Krieg. Im Internet

 #Кремльнашуисториюнеперепишешь
Die Sieger schreiben die Geschichte. Stalin

In Litauen steht die Front. Es herrscht Krieg. Die Krieg in Zeiten des Internets ist hybrid. Er wird an neuen Fronten gekämpft. Und die Front steht auch im Internet.

Was ist passiert?
1. Die NATO hatte auf ihrer Internetvertretungen (https://www.facebook.com/NATO/) einen Film verbreitet, in dem es um die sogenannten "Waldbrüder" geht, also junge Männer, die am Ende des Zweiten Weltkriegs in die Wälder zogen, um gegen die Sowjets zu kämpfen.




2. Das wiederrum veranlasste das russische Außenministerium die folgende Darstellung zur veröffentlichen in der es um die "unschuldigen Opfer" der baltischen "Banditen" (so die offizielle sowjetische Bezeichung der Partizanen) und "Terroristen" (ein Begriff, der sich in den letzten 15 Jahren großer Beliebtheit erfreut) geht


3. Und jetzt kommt Litauen ins Spiel:
Der überaus beliebte Journalist Andrius Tapinas (https://www.facebook.com/andrius.tapinas) forderte die Litauer dazu auf, auf der Facebook-Seite des russischen Außenministriums den Hashtag #Кремльнашуисториюнеперепишешь übersetzt "Kreml, du schreibst unsere Geschichte nicht um" hinzuzufügen und die Seite hinabzustufen.
Andrius Tapinas ist Frontmann des Internetkanals "LaisvėsTV" (TV Freiheit) und seine Sendung "Laikykitės Ten" (Halten Sie sich dort! Untertitel "Intellektuelle satirische Abendshow") hat einen unglaublichen Erfolg bei jungen Litauern.
Resultat: Über 15.000 Menschen kamen der Aufforderung nach, die Seite fiel auf einen Stern hinunter.

Warum geht's?
Im Zuge des Propagandakrieges um die Ukraine geht es um die "richtige Geschichtsschreibung": Die Litauisch-Baltische Geschichtsschreibung verklärt die Waldbrüder zu patriotischen Märtyrern.
Inwieweit bei sich bei den "Waldbrüdern" Überreste der Nazi-Kollaborateure befanden, die am Holocaust beteiligt waren, wird völlig ausgeblendet.

Die Russen sehen sich in der Tradition der Sowjetunion und halten sich für die "Befreier vom Faschismus". Jeder Widerstand und jede andere Meinung kann es nicht geben
Es gibt eine Tendenz die stalinistischen Opfer, die wahrlose Massendeportation von ganzen Familien nach Sibirien hinwegzureden, zu relativieren und / oder zu verschweigen.

Beide Seiten sehen sich als Opfer: Die Litauer als Opfer der sowjetischen Besetzung, die Russen als Opfer der Nazis und ihrer Helfer (!). Ein Dialog ist nicht möglich und - schlimmer noch - andere Opfergruppe wie die litauischen Juden kommen in der Diskussion unter die Räder. Sie hatten nämlich sowohl unter der Nazis, als auch unter Sowjets und Litauern zu leiden ...

Ein differenziertes Geschichtsbild sieht anders, aber gerade im Zuge der neuen Konfrontation zwischen Russland und dem Westen, welche die russische Führung geschickt für die Re-Patriotisierung ihrer Bevölkerung nutzt, sind die Fronten verhärtet.


Lehren aus dem Konflikt über die Waldbrüder
1. Am wichtigsten für die Litauer war, dass sie nicht wehrlos sind.
15.000 Menschen machten bei der Aktion mit und verneinten damit russische Spekulationen, dass heutzutage im Ernstfall die Balten nicht mehr um ihre Unabhängigkeit kämpfen würden.

2. Die Russen möchten "ihre Sichtweise" durchsetzen. Dabei ist schwer zu sagen, wie sehr die  Propagandamedien des Kreml wie "Russia Today" Einfluss auf die Meinungsbildung in Westeuropa haben.

3. Ja, es gibt auch bei den Balten einige "Leichen im Keller", Fakten die bei den Waldbrüdern nicht differenziert gesehen werden und einiges muss noch besser aufgearbeitet werden.

Sicher ist jedoch, dass die Litauer durch diese Propagandaschlacht wieder mal dichter zusammen gerückt sind und die Russen unter einer dauerhaften Rotlichtbeleuchtung des Kreml leben.

Die Diskussion geht weiter. Ich persönlich kann einen Blick auf die Seite des russischen Außenministeriums empfehlen, dass weiterhin "Fakten" über die litauischen Partisanen verbreitet - interessanter finde ich allerdings die Kommentare dazu, in denen diese "Fakten" dann kritisch hinterfragt werden (zumeist auf Englisch).

18 Juli 2017

Sportlermarkt: sind Litauer halbe Wikinger?

Litauer erfreuen sich steigener Beliebtheit in Deutschland - das scheint vor allem im Sport zu gelten. Vor allem im Handball und im Basketball. "Einen Litauer einkaufen" - damit bereiten sich gleich mehrere Bundesligisten auf die neue Saison vor. Der 24-jährige Marius Grigonis, der jetzt bei "Alba Berlin" unterschrieb, absolvierte zu Anfang seiner Karriere ebenso die Alvydas-Sabonis-Basketballschule wie Žygimantas Janavičius, der mit seinen 28 Jahren bereits ein erfahrener Spieler ist, und es jetzt bei den "Basketball-Löwen" in Braunschschweig versuchen wird. Im Interview wird deutlich, dass auch der deutsche Basketball vielleicht noch etwas von Litauen lernen kann: "Ich bin bereit, meine Erfahrungen aus der litauischen Basketballschule und aus den besten Klubs in Litauen, für die ich gespielt habe, nach Deutschland und zu den Löwen zu bringen."
Würzburgs Trainer Dirk Bauermann beantwortet
Fragen nach dem Wert litauischer Basketballspieler
Erst 18 Jahre alt war Eimantas Stankevičius, als er 2016 als Jugendnationalspieler nach Weißenfels zum MBC (Mitteldeutscher Basketball Klub) kam - auch er aus der Arvydas-Sabonis-Basketballschule in Kaunas.

Richtig fündig werden wir aber bei "S.Oliver Würzburg", wo gleich zwei Litauer neu hinzugekommen sind. Hier muss Trainer Dirk Bauermann (der selbst schon als Trainer in Litauen tätig war) schon Fragen beantworten muss, warum er so viele Litauer holt (diesmal zwei: Osvaldas Olisevičius und Vytenis Lipkevičius). Seine Antwort: es sind einige der talentiertesten Spieler Litauens, sie passen zu unserer europäischen Ausrichtung, und: "Sie gehen auch schon mal mit blutigen Knien und blutigen Ellenbogen nach Hause." Außerdem seien sie "halbe Wikinger" meint Bauermann mit dem Verweis seiner eigenen Erfahrungen in Litauen. Bauermann war 2013 bei "Lietuvos Rytas Vilnius" tätig, wo er jedoch nach nur wenigen Monaten entlassen wurde (siehe "Spiegel").

Es gibt natürlich auch Basketball-spielende Litauerinnen in Deutschland: gerade eben erst sicherte sich der deutsche Meister TSV Wasserburg die Dienste der Litauerin Santa Okockytė (ovb-online). 2016 holten die "Veilchen Ladies" in Göttingen die litauische Nationalspielerin Inesa Visgaudaite und stiegen in die 1.Bundesliga auf.

Einige weitere deutschsprachige Medien und Portale haben eher wegen "Yellow-Press"-Schlagzeilen Interna der litauischen Basketball-Liga entdeckt: so ging zum Beispiel Ex-NBA-Spieler Linas Kleiza kürzlich als neuer Vizepräsident zu Lietuvos Rytas (LR) (BBLprofis). Allerdings wird die eigentliche Ursache des Vorgangs nicht immer mit genannt: Kleiza erwarb ein ordentliches Aktienpaket vom Eigentümer, Ex-Pokerspieler und Politiker Antanas Guoga (weitere Anteile hält die Stadt Vilnius sowie der Unternehmer Darius Gudelis). Die Tatsache, dass Guoga überhaupt der Mehrheitseigentümer ist, verdanken wir wohl (außer seiner eigenen Selbstdarstellung) der Tatsache, dass er sein Vermögen durch Pokerspielen erwarb und die entsprechenden Seiten immer noch über ihn berichten (siehe "PokerFirma") - "Die Welt" sortierte ihn mal unter die "schillernsten EU-Ageordneten"; Guoga verdient gewissermaßen doppel am Basketball: das eigene Portal "Tonybet" nimmt die Wetteinsätze entgegen.
Guogas Vorgänger im Amt des LR-Präsidenten, Gedvydas Vainauskas, (derselbe, der auch Bauermann frühzeitig rausschmiss) war mit der Aussage aufgefallen, nie mehr als zwei "Schwarze" in seinem Team haben zu wollen, weil diese dann "Gangs bilden" würden. Die öffentlichen Proteste, vom litauischen Basketballverband wie auch von litauischen Ex-NBA-Spielern waren so groß dass er sich genötigt sah, seine Anteile zu verkaufen und zurückzutreten.