27 Februar 2007

Wundersame Rückkehr. Ehemaliger Präsident nächster Bürgermeister von Vilnius?

Es ist nicht zu fassen: er war Bürgermeister von Vilnius (für die Liberale Partei). Er war zwei Mal Premierminister (ein Mal für die Konservativen, ein Mal für die Liberalen). Er war sogar Präsident der Republik Litauen - bevor ihm als erster Präsident der demokratischen Welt das Amt entzogen wurde. Überhaupt war sein Abgang in keinem der Fälle ehrenvoll... Aber egal: Er ist wieder da!

Rolandas Paksas, Beruf: Pilot.

So heißt der Gewinner der Wahl um die litauische Hauptstadt. "Litauen braucht heute am meisten Ordnung und Gerechtigkeit. Wählen Sie deshalb meine Partei 'Ordnung und Gerechtigkeit' (Liberaldemokraten)" So klang es mit der monoton-markigen Stimme die vergangenen Tage im Radio.
Und wie oft sie ihn auch niederschlugen: Er steht immer wieder auf.
An seiner Seite stehen die Rentner. Sie glauben fest an die Verschwörung der "korrumpierten Eliten" gegen ihren Präsidenten. An dieser Stelle muss man nur kurz daran erinnern, dass er "als Gefährdung der nationalen Sicherheit" vom Parlament aus dem Präsidentenamt entfernt wurde, da sein Wahlkampf im Wesentlichen von einem russischen Waffenhändler finanziert wurde...

Und natürlich ist diese Wahl alles andere als ein Lob der Demokratie:
Schon ihm vorneherein gab es mehrere Fälle von Stimmenkauf. Nach Aussagen der Staatlichen Wahlkommission wird die Wahl vielleicht in einigen Landkreisen auch für ungültig erklärt.
Überhaupt lag die Wahlbeteiligung bei unter 40 Prozent (in Vilnius 42,9%)

Die meisten Wahlaussagen hätten eher karnevalistischen Wert, wenn sie nicht ernst gemeint gewesen wären:
Während Noch-Amtsinhaber Arturas Zuokas die Idee einer Straßenbahn sowie kostenloser "Orangener Fahrräder" wieder hervorzog, forderten die Christdemokraten gleich eine U-Bahn ("nur der Wind ist schneller").
Die postkommunistischen Sozialdemokraten täumten von einer "Übername Vilnius" wie einst 1940 (als die Litauer es nach der Zerschlagung Polens durch die Nazis wiederbekamen).

Überhaupt ging es im Wesentlichen um ein Wer-GEGEN-wen: Alle gegen Zuokas, der sich in Korruptionsvorwürfe nicht nur verstrickt hatte, sondern sogar rechtskräftig verurteilt wurde. Und in Vilnius mischten neben Zuokas und Paksas noch Vizebürgermeister Masiulis (Konservative) und Petras Austrevicius mit, letzteret ehemals litauischer Chefunterhändler für den EU-Beitritt und jetzt mit einer neuen liberalen Partei.

Nun geht es um ein wer-MIT-wem: Auch der strahlene Sieger Paksas kommt in Vilnius auf gerade einmal 25 Prozent, gefolgt von der Vaterlandsunion/Litauens Konservative (rund 20 Prozent)
Schon kündigten Konservative, Liberale, Sozialdemokraten, Republikaner-Liberale, Liberademokraten und Liberalcentristen für verschiedene Koalitionen Verhandlungen an.

Und noch zwei Dinge gibt es zu bemerken:
Erstens: Landesweit die größten und einzigen stabilen Parteien sind die Konservativen (Vaterlandsunion), der Nachfolger der Litauischen Unabhängigkeitsbewegung Sajudis, die die meisten Stimmen auf sich vereinen sowie die Postkommunisten, die jetzt "Litauische Sozialdemokratische Partei" heißen, die insgesamt die meisten Mandate gewonnen haben.
Zweitens: In vielen Orten sitzen lokale "Fürsten" fest im Sattel. Deren Parteibuch ist egal, und so entsteht ein sehr bunter Flickenteppich.

Quellen:
Staatliche Wahlkommission
Internetnachrichten DELFI.LT
Litauisches Radio und Litauisches Fernsehen

22 Februar 2007

Litauen digital vorn - oder wo?

Über Litauen ist nicht gerade viel in Deutschland bekannt. Man könnte die Frage stellen: welches der drei Länder (Estland, Lettland, Litauen) wird noch immer am häufigsten mit einem der anderen verwechselt?

Sagen wir mal, es steht 1 : 0 für Litauen (oder gegen Litauen)? DIGITAL FERNSEHEN stellte am 21.2.07 einen so genialen Beitrag ins Internet, der sollte als Modellbeispiel fachidiotischer Schnellschreiberei in die Archive eingehen.

Satz für Satz ein Genuß.

Die Überschrift: "Litauen startet DVB-T und IPTV"
das klingt ja schon mal vielversprechend.

Doch dann, Satz 2: "Riga, Litauen -Nun gibt es auch in Litauen digitales Fernsehen via Antenne und Breitbandinternet. Eine entsprechende Vereinbarung traf der Rigaer Telekommunikationskonzern TEO mit Scientific Atlanta."
Riga in Litauen? Oder ist von Lettland die Rede? Wir müssen den Beitrag zu Ende lesen - und werden leider nicht schlauer:

"TEO, der landesweit größte Anbieter von Festnetztelefonie und DSL, greift dazu auf das digitale Headend des Content-Providers zurück. Zunächst umfasst das Programmangebot 20 Sender, die in MPEG-2 komprimiert werden. Technisch ist aber auch MPEG-4 möglich. TEO gab zudem den Ausbau seines WiFi-Netzes auf 20 000 Hotspots im Jahr 2009 bekannt. Grund sei die rapide gestiegene mobile Internetnutzung in dem baltischen EU-Mitgliedsstaat. Allein im Januar 2007 habe es 130 000 Hotspot-Zugriffe gegeben, während es im Januar 2006 nur 9 000 gewesen seien. Vorteile soll es für TEO-Festnetzkunden geben, die bei der Benutzung eines 'Zebra'-Hotspots nur 9,99 Litas, also zirka 2,90 Euro pro Monat zahlen sollen."
Viel Fachchinesisch, das uns nichts über Zusammenhänge sagt. Kein Link angegeben, keine Quelle, kein Bezug. Aber Litas? Also doch eher Litauen?

Da hilft nur ein Hinüberwechseln zu Google. Und siehe da, die Autoren hätten es besser wissen können: beim Manager Magazin (Spiegel online) steht ein Beitrag zum selben Thema in aller Ausführlichkeit. Wer bis hierhin vorgedrungen ist, lernt, dass tatsächlich Litauen gemeint ist (Die TEO LT, AB Group ist der größte Anbieter von Festnetztelefonie und Internet-Diensten in Litauen).
Weitere korrekte Zitate derselben Information:
- Finanztreff.de
- Westdeutsche Allgemeine Zeitung
- InfoSat

Also: Man hätte es wissen können! (es liegt in diesem Fall nicht an Litauens Image in Deutschland, oder?).
Bei DIGITAL FERNSEHEN war wohl ein Hobby-Literat am Werk, der sich mit dem Dazu-Dichten ein klein wenig verhauen hat ...

11 Februar 2007

Zuokas blogt, Paksas lauert, Uspaskich schmollt - Litauen wählt

Litauen im Wahlkampf. Aber im Gegensatz zu den Nachbarländern Estland oder Lettland erzeugt offensichtlich ein litauischer Kommunalwahlkampf keinerlei internationale Schlagzeilen.
Ausnahmen stellen nur durch andere Ereignisse bereits bekannte Personen dar: Zuokas, Paksas und Uspaskich.

Viktor Uspaskich (lit: Viktoras Uspaskichas) war Vorsitzender des litauischen Unternehmerverbands gewesen, und wurde durch verschiedene ökonomisch erfolgreiche Firmen von seinem Heimatort Kedainiai unter anderem als "Gurkenkönig" bekannt (dort holte er 64% der Stimmen).
Er gründete 2003 die "Darbo Partija" (Arbeitspartei) als Abspaltung von den litauischen Sozialliberalen, die bei den Parlamentswahlen 2004 28,4% erreichte. Neun Monate war er bis Juni 2005 als Wirtschaftsminister im Amt, bis er wegen zahlreicher Merkwürdigkeiten (u.a. Fälschung eines Teils seiner Zeugnisse) zurücktreten musste.
Inzwischen steht auch die Arbeitspartei in der Kritik, vor allem wegen Unklarheiten in den Parteifinanzen. Uspaskich selbst setzte sich nach Russland ab und verkündete von dort, eine Rückkehr käme nicht in Frage, da er den litauischen Behörden nicht trauen könne. Viktor Uspaskich - "der lebende Beweis für den Erfolg unseriöser Wahlversprechen" (Tagesspiegel, 2004). Auch zu den Kommunalwahlen am 25.Februar 2007 hat sich Uspaskich wieder als Kandidat der Arbeitspartei regierstrieren lassen (Baltic Times). Seine Immunität ist gerichtlich inzwischen aufgehoben worden - er könnte also verhaftet werden, wenn er sich in Litauen aufhält. Stoff genug für neue Schlagzeilen?

Und dann ist da auch noch Rolandas Paksas. Ehemals Bürgermeister von Vilnius, Ministerpräsident, als litauischer Präsident per Parlamentsvotum 2004 abgesetzt, aber mit eigener Partei und beständiger Anhängerschaft weiterhin aktiv. Als Präsident brachte ihn ungeklärte Beziehungen zu zweifelhaften Günstlingen und Sponsoren zu Fall, aber sein liebstes Hobby charakterisiert ihn vielleicht ausreichend: als Pilot und Kunstflieger hat er ebenfalls genug Aufsehen erregt. Auf Fanseiten im Internet sind immer noch die präsidentialen Aktivitäten Paksas' gesammelt, genauso wie poltische Ziele, Fotos von öffentlichen Auftritten, sowie Werbespots. Seine Partei, die Liberaldemokraten (LDP) wirbt mit Kunstfliegern als Symbolen - Identifikation pur? Paksas wird nicht müde anzukündigen, dass er noch einmal Bürgermeister von Vilnius werden möchte. Die Anklagen auf Verrat von Staatsgeheimnissen focht er teilweise erfolgreich an. Vielleicht wird er auch noch einmal Präsident, wer weiß?

Und schließlich ist da noch Arturas Zuokas, amtierender Bürgermeister von Vilnius. Nach starkem Absinken seiner Popularität - so schildern es jedenfalls verschiedene litauische Quellen - scheint er nun vor allem durch seinen persönlichen Web-Blog Aufsehen zu erregen. Angeblich wird in Litauen derzeit in jeder zweiten Polit-Sendung in den Medien der Zuokas-Blog zitiert (politik digital). Blog-Motto von Zuokas: "Ein Mann, der keine Fehler macht, macht nicht unbedingt überhaupt etwas." Mal sehen, ob die Image-Reparatur funktioniert. Die Aussichten auf repräsentative Funktionen in Vilnius sind vielversprechend: nicht nur, dass die litauische Hauptstadt 2009 Kulturhauptstadt Europas sein wird - mindestens genauso hoch angesiedelte Feiertage werden es 2011 sein, wenn die Stadt Austragungsort der Basketball-Europameisterschaften sein wird.

Also: Kommunalwahlen am 25.1.2007 scheinen da eine sehr kleine Hürde zu sein. Ob es aber überhaupt das Interesse des Wahlvolks bewegt?
Umstritten ist inzwischen offensichtlich die Frage, ob zu Kommunalwahlen weiterhin nur solche Kandidatinnen und Kandidaten antreten können, die auf Parteilisten registriert werden.
Pressemeldungen zufolge überprüft das litauische Verfassungsgericht inzwischen diese Bestimmung.