Erstaunlich, erstaunlich: 25 Jahre lang ist Litauen nun wieder ein unabhängiger Staat, spätestens seit dem EU-Beitritt 2004 sollte ja auch in Deutschland bekannt sein, dass es dieses Land gibt, und das es gar nicht mal soweit weg ist - sogar ein Telefongespräch mit entsprechenden Behördenkollegen wäre möglich, falls Zweifel aufkommen sollten.
Nun beschwert sich Litauen ganz offiziell darüber, viele Beschwerden von Litauerinnen und Litauern zu bekommen, die in Deutschland leben.
Deutsche Dokumente, die Litauern ausgestellt werden, haben offenbar bisher immer das Geburtsland als "Sowjetunion" ausgewiesen, wenn es um ein Datum zwischen 1940 und 1990 lag. Litauen (das litauische Außenministerium) erinnert nun daran, dass die Bundesrepublik Deutschland ja die Okkupation Litauens nie rechtlich annerkannt habe, also schon deshalb der Vorgang merkwürdig sei, wenn deutsche Behörden heute nun plötzlich einen Geburtsort "Sowjetunion" ausweisen wollen. Litauer sind stolz darauf in Litauen geboren zu sein! Zumindest das wird hier deutlich. Und nun, am 22.Oktober, meldeten die litauischen Behörden Erfolg: in einer diplomatischen Note des Auswärtigen Amtes in Berlin sei mitgeteilt worden, das deutsche Ministerium für Inneres darauf hingewiesen zu haben, dass als Geburtsort immer "Litauen" ausgewiesen werden solle.
Nur ein Stück Bürokratie? Postsozialisten und Poststalinisten reden und schreiben ja gern vom "postsowjetischen Raum" - obwohl zu sowjetischen Zeiten ja auch niemand einen "postlitauischen Raum" erkennen wollte. Ob "Novosti", "RTDeutsch" und "Sputniknews" da wieder "Geschichtsfälschung!" schreien werden?? - Die litauische Haltung scheint klar: Wir wurden in jedem Fall in Litauen geboren, das sollte doch einfach zu merken sein!
Ganz eindeutig liegt die Sache allerdings nicht - wenn man sich vergleichbare Fälle ansieht. Zwar zeigen sich die Litauer in dieser Sache hartnäckig, wie ähnliche Ersuchen in Richtung Belgien zeigen. Auf deutsche Verhältnisse übertragen könnten ja auch diejenigen klagen, in deren Dokumenten ein Ort der früheren DDR eingetragen ist, so wie im Streitfall der vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden Württemberg entschieden worden ist. Dort hatte eine Frau geklagt, in amtlichen Dokumenten ihren Geburtsort nur "Chemnitz" eingetragen zu sehen, und nicht etwa "Karl-Marx-Stadt, jetzt Chemnitz". Ihr Einspruch wurde vom Gericht mit der Begründung abgewiesen, die Umbenennug der Stadt Chemnitz, die seit 1953 auf Beschluß der DDR-Regierung "Karl-Marx-Stadt" genannt wurde, sei "sachlich richtig" gewesen (1990 votierten 75% bei einer Volksabstimmung für die Rückbenennung). Es wurde allerdings zugestanden, dass es in den 16 Bundesländern auch unterschiedliche Rechtssprechung und Verfahrensweise geben könne, und die teilweise mit Abkürzungen versehene Ortsbezeichnung besonders im Ausland zu Irritationen führen könne.
Ob also Litauer in Deutschland wirklich auf eine formelle Distanzierung von ihrer Sowjetvergangenheit Anspruch haben werden? Es gibt sicher noch andere Beispiele, dass nachträgliche Änderung der staatlichen Zugehörigkeit eher unüblich ist. So gibt es Menschen, die im Elsaß geboren wurden, als es zu Deutschland gehörte (1940-45 "deutsch besetzt"), bei Ostpreußen könnten ähnliche Fragen auftauchen - in beiden Fällen wird niemand nachträglich sich als geborenen Franzosen, Russen oder Polen ausweisen wollen. Wer allerdings nur den Zusatz "DDR" zu seiner Geburtsstadt löschen lassen möchte, soll auch schon erfolgreich gewesen sein. - "Back in the USSR" sangen 1968 die Beatles, und setzten fort "you don't know how lucky you are". Manche unterstellten ihnen damals Sympathie für die Sowjetunion. Allerdings gaben sie später zu: "Wir wussten fast nichts über die UdSSR, als wir das Lied schrieben." "Geboren in Sowjet-Litauen" ist nun offenbar im Land Lietuva ein "No-Go" geworden.
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