Das Flüchtlingsthema kann es schon mal nicht sein. Litauen vorbildhaft? "Die chaotische Flüchtlingskrise", so nennt es Frau Präsidentin (siehe Presseerklärung). Diese Flüchtlingskrise vergrößere die Bedrohung durch den sogenannten "Islamischen Staat". Wie bitte? Wird hier nicht Ursache und Wirkung verwechselt? Die beiden Amtskollegen widersprachen offenbar nicht. Sicherung der EU-Grenzen und Registrierung aller Flüchtlinge seien die dringlichsten Ziele (siehe Presseerklärung des lettischen Präsidenten). Registrierungszentren wohl gemerkt in Griechenland und Italien, ergänzt Gribauskaite. Also alles möglichst weit weg von Litauen.
Interessant sind die Zwischentöne - Lesen zwischen den Zeilen. Offenbar hat der estnische Präsident Ilves etwas andere Töne angeschlagen als die beiden Kollegen. Bereits einige Tage vorher, auf dem "Churchill Europa Symposium" der Universität Zürich hatte er ausführlich an die vielen Flüchtlinge erinnert, mit denen Europa nach dem Weltkrieg fertig werden musste (siehe Redetext). Sein abschließendes "It can be done" klingt beinahe wie das Merkelsche "Wir schaffen das".
Litauen dagegen beschwört die "baltische Einheit" als Modell für Europa. Nun gut, wer sich an die eher kümmerlichen Versuche der Zusammenarbeit in der Zwischenkriegszeit erinnert, könnte wirklich auf das heute Erreichte stolz sein: wenigstens dann, wenn es um etwas mit Bezug auf die Ereignisse um 1990 / 1991 geht, kann der damalige Schulterschluß symbolisch wiederholt werden.
Ein weiterer Versuch einer "baltischen Einheit" war Anfang November die gemeinsame Erklärung der drei Justizminister, weiterhin eine Entschädigung von Russland (als Rechtsnachfolger der Sowjetunion) für die Okkupationszeit fordern zu wollen. Allerdings werden die drei Regierungen wohl auch diese Initiative mit sehr unterschiedlicher Intensität betreiben: wiederum ist es Estland, das wegen gerade kurz vor einer Lösung stehender Grenzfrage mit Russland nicht gerade neue, laute Streitigkeiten vom Zaun brechen möchte. Der estnische Regierungschef Rõivas sprach sich sogar gegen eine Entschädigungsforderung aus (DIE ZEIT), und die estnische Regierung gab bekannt, ein solcher Schritt sei überhaupt nicht im Ministerkabinett besprochen worden (ERR). Am 9.12. gab Rõivas bekannt, seine Regierung werde in keinem Fall eine Entschädigungsforderung an Russland richten, da dieser Weg eine Sackgasse sei (ERR).
Und so wird die Sache mit der "Entschädigung" eben geschickt formuliert: es werden keine Summen oder gar Zahlungsfristen genannt, sondern lediglich die Vereinbarung getroffen, mögliche Schäden "berechnen" zu wollen. Es klingt eher wie die Ankündigung einer unangenehmen Klassenarbeit für Mathe-Hasser - aber wer genug eigene Probleme hat, und auch auf europäischer Ebene sich momentan eher wegzuducken tendiert, der posiert eben gern in eingeübten Posen.
Nachtrag:
Wie leicht es fällt, das eigene Land sogar im Weltmaßstab an die Spitze zu schreiben, zeigt die präsidentiale Pressemitteilung vom 30. November zum Kilmagipfel in Paris. "Lithuania among world leaders in fighting climate change" heißt es da.
Litauen an der Weltspitze? Beim genauen Lesen fällt dann auf: gemeint war nicht das Land, sondern lediglich dessen Präsidentin. "President among world leaders" - also Frau Gribauskaite war dabei, als sich die "Weltenlenker" trafen, also: nicht Litauen unter den Führenden, sondern einfach Frau Präsidentin. Das muss doch reichen, oder?
Beim Blick auf die Fakten bleibt von litauischer Seite völlig unerwähnt, was die Mehrheit zumindest in Europa umweltpolitisch am meisten zum Aufatmen brachte, was Litauen angeht: das Abschalten des ehemals als größten Atomkraftwerks der Welt geplanten Meilers nahe Ignalina. Hier war wirklich Litauen führend - nur, im eigenen Land wollen immer noch einige AKWs neu bauen. Ob man also auf Litauens nachhaltig umweltfreundliche Entwicklung vertrauen kann? Es wird nicht reichen nur mit den "World leaders" einen Kaffee zu trinken, wie üblich.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen