30 Dezember 2012

Neujahrswunsch: Volksnähe

Ob es eine Renaissance der liauischen Sozialdemokraten bedeutet, darüber werden sich die politischen Beobachter uneinig sein. Jedenfalls hat es der neue litauische Ministerpräsident Algirdas Butkevičius zum Jahresende 2012 geschafft, die Popularität der litauischen Präsidentin Dalia Grybauskaitė zu übertreffen. 58.3% der Befragten beurteilen die Arbeit des Ministerpräsidenten positiv, so die Zahlen des Instituts "Vilmorus", während die Zustimmungsrate der Präsidentin auf 50,3% gesunken ist (siehe 15min.lt).

Nun auch bei Kaiser
Karl im Stammbuch:
Dalia I. von Litauen
Da half auch nicht die zwischenzeitliche Nachricht, dass Grybauskaite im Jahr 2013 der Internationale Aachener Karlspreis verliehen werden wird - vielleicht wird da die Verleihung selbst noch bei der Image-Wiederauffrischung helfen. Immerhin hat Butkevičius inzwischen verlauten lassen, er befürworte den Beitritt Litauens zur Eurozone im Jahr 2014. In der Begründung zur Karlspreis-Verleihung 2013 heißt es zu Grybauskaite, sie sei "eine der herausragenden Persönlichkeiten der baltischen Region in Würdigung ihrer bedeutenden Verdienste um eine vertiefte Integration der Europäischen Union und die Bewältigung der aktuellen Krise".

Oho, war es nicht Frau Merkel, die uns den Euro rettete? Aber die bekam den Karlspreis bereits 2008 - für das umsichtige Nicht-Voraussehen der Finanzkrise (nein, deshalb wohl nicht ...). Vielleicht denken sich die Aachener Preisverleiher auch einfach andere Schlagzeilen: 2013 ist die Unterzeichnung der Beitrittsverträge mit den baltischen Staaten 10 Jahre her (das findet sich ebenfalls im Text der Laudatio). Die oberste Litauerin soll also offenbar den Preis auch für Esten und Letten mit in Empfang nehmen. Wo sonst oft Estland an erster Stelle steht, könnte hier die versteckte Devise gelten: Estland ist eh schon voraus, Lettland wird momentan am meisten gefördert (damit die Letten 2013 dem Euro beitreten), und den Litauern geben wir den Prestige-Preis, damit sie nicht zurückbleiben. Angebracht wäre es allerdings auch, wenn Frau Grybauskaite in ihrer Dankesrede auch ihren Mitbürgerinnen und Mitbürgern dankt - in Aachen jedenfalls wissen die meisten, dass die Litauer selbst die Bürde tragen mussten, die ihnen vielleicht zum Euro verhilft - aber vielen weder zu einem Arbeitsplatz noch zu einem gerechten Lohn. Ob es dann wieder nette öffentliche Dankesveranstaltungen geben wird, wie es schon bei der Verleihung des Friedensnobelpreises an die Europäische Union der Fall war?

Genaueres Durchlesen der Aachener Laudatio hilft jedenfalls zu verstehen, wie vielseitig Frau Grybauskaite war - an vielen wichtigen Stellen: in den 90er Jahren bei der ständigen Vertretung der Republik Litauen bei der EU, in der Botschaft Litauens in den USA, im litauischen Finanzministerium, später im Außenministerium, als Finanzministerin in den Beitrittsverhandlungen mit der EU und dann als EU-Kommissarin. Der Aachener Blickwinkel auf Grybauskaite während der weltweiten Wirtschaftskrise wirkt allerdings fast so, als habe es die jetzt abgewählte Regierung Kubilius gar nicht gegeben.

Dalia und Algirdas, auch für 2013 das
Tandem für Litauen
In Litauen jedenfalls neigt die innenpolitische Stimmung momentan offenbar zugunsten des Neu-Regierungschefs Butkevičius - der sich mit Grybauskaite, die nicht alle seiner Ministerkandidaten bestätigte, erst ein wenig "zusammenraufen" muss. Und der von Präsidentin Grybauskaite etwas mißbilligend akzeptierte Koalitionspartner "Darbo Partija" liegt auch nach den Wahlen in den Umfragen immer noch auf Platz 2 (siehe Vilmorus). Werden die Litauerinnen und Litauer dagegen nach dem Ausmaß ihres Vertrauens zu Parlament, Regierung und Politikern allgemein gefragt, so steht das immer noch bei den Umfragen ganz am Ende (siehe ebenfalls Vilmorus) - an der Spitze steht hier die Feuerwehr, gefolgt von den Schulen und Hochschulen, der Armee und der Kirche. Vielleicht hat das auch etwas damit zu tun, dass in diesen Vertrauensbereichen auch immer noch Arbeitsplätze zu finden sind? Soldaten werden in NATO und beim Afghanistan-Einsatz gebraucht, Lehrer werden schlecht bezahlt aber dennoch gesucht, und im katholisch dominierten Litauen werden auch Priester kaum arbeitslos. Ob Butkevičius oder Grybaukaite vielleicht Ehrenmitglieder der Feuerwehr sind, entzíeht sich meiner Kenntnis.

09 Dezember 2012

Litauen macht sich schön ...

Ein gutes Bild abgeben: für Europa, als international handlungsfähiger Akteur. Das ist sicherlich eine der Hauptaufgaben der litauischen Diplomatie im kommenden Jahr 2013, denn in der zweiten Jahreshälfte übernimmt Litauen die EU-Ratspräsidentschaft. Sofern man also nicht gerade EU-Gegner ist, wird diese Rolle, die unter anderem die Repräsentanz der EU nach außen bedeutet, als eine diplomatische Bewährungsstunde in der Europäischen Politik interpretiert. So sieht es auch Litauen, wenn es bereits einige Aufgaben ab dem 1.Januar 2013 übernimmt, wenn Irland die Ratspräsidentschaft innehat.Etwa 3.000 Sitzungen und Konferenzen im EU-Rahmen werden während der litauischen Präsidentschaft stattfinden, kündigte das litauische Außenministerium an. 180 werden in Litauen stattfinden.

Litauen, das Apfelland? Beitrag aus einem Foto-
wettbewerb "Grüße aus Litauen"
Ein wenig Imagepflege gehört also auch dazu. "Wir möchten alle Interessierten umfassend über die litauischen Aktivitäten während der Präsidentschaft informieren" sagt Remigijus Motuzas, der das Büro zur Vorbereitung der Ratspräsidentschaft leitet. Wie das gehen soll? Nun, Litauen eröffnet eine neue Webseite, und Präsidentin Grybauskaite wird zu twittern. Als erste Maßnahmen erstmal.

Was könnte da getwittert werden? Zu befürchten ist, dass die gemeinsamen Fotos mit Angela Merkel, EU-Kommissionspräsident Barroso, oder die gemeinsamen Gipfelfotos bald langweilig werden. Oder haben wir Nachrichten dieser Art zu erwarten: "Habe soeben drei Ministerkandidaten der Darbo Partija abgelehnt, diese Betrüger!" - Wahrscheinlich nicht. Leider.

Der neue litauische Regierungschef Aļģirdas Butkevičius hat nun noch ein paar Wochen Zeit, um seine neuen Kabinettsmitglieder auf einen soliden europäischen Kurs einzustimmen. Zwar hat sich Litauen mit seiner flexiblen Haltung gegenüber einer Euro-Einführung etwas Handlungsdruck genommen, aber noch einige Fragen bleiben offen. Einen Konsens in Sachen Energieversorgung muss Butkevičius auch im eigenen Land erst finden.
Hier die momentan von der Präsidentin bestätigte Liste der neuen Minister der litauischen Regierung:
Algirdas Butkevičius (Sozialdemokrat) – Ministerpräsident
Birutė Vėsaitė (Sozialdemokratin) – Wirtschaft
Linas Linkevičius (Sozialdemokrat) – Außenminister
Rimantas Sinkevičius (Sozialdemokrat) – Verkehr und Kommunikation
Juozas Bernatonis (Sozialdemokrat) – Justiz
Juozas Olekas (Sozialdemokrat) – Verteidigung
Rimantas Šadžius (Sozialdemokrat) – Finanzen
Vytenis Povilas Andriukaitis (Sozialdemokrat) – Gesundheit
Viginijus Jukna (Arbeitspartei) – Landwirtschaft
Šarūnas Birutis  (Arbeitspartei) – Kultur
Dailis Alfonsas Barakauskas (Ordnung und Gerechtigkeit) – Inneres
Valentinas Mazuronis (Ordnung und Gerechtigkeit) – Umwelt
Jaroslav Neverovič (polnische Liste) – Energie