13 Mai 2021

Gelbes Litauen

Seitdem das Schlagwort "Corona" weltweit bekannt wurde, ebenso ein Zustand im "Lockdown" und ähnlichen Zuständen, sind viele kulturelle Aktivitäten vollständig zum Stillstand gekommen. Auch im Mai 2021, wo in Deutschland alles von der "Bundesnotbremse" dominiert wird (oder vor kurzem wurde) haben wir uns daran gewöhnt, dass viele Veranstaltungen entweder ausfallen oder in den digitalen Raum verlegt werden. Nun ist es wieder Mitte Mai, und, da war doch was?

Noch nie hat ein litauischer Beitrag die "Eurovision" (früher: Grand Prix d-Eurovision) gewonnen. Außer im pandemischen Lockdown 2020. "The Roop" gewannen 2020 das sogenannte "deutsche Finale" vor leeren Rängen in der Elbphilharmonie (RND). Litauen sei "Sieger der Herzen", so schrieben die deutschen Fans auf "eurovision.de". Die Reaktionen in Litauen können wir uns beinahe denken: ganz nett, aber besser wäre, wenn wir mal "wirklich gewinnen".

Gelber Klamauk auch
im Krankenhaus - ob das
die Gesundheitsbranche in
Litauen, die momenten viele
andere Sorgen hat, wirklich
witzig findet?

Nun wird ja "The Roop" 2021 erneut antreten dürfen - schon das symbolisiert den "Entschädigungscharakter" dieser Entscheidung zur Genüge. Aber immerhin war also auseichend Zeit, eine ordentliche Kampagne zu starten. Motto: Weg mit den schwarzen Pluderhosen von 2020, her mit der grellsten Farbe, die Litauens Nationalflagge zu bieten hat: GELB! Die gelbe Werbekampagne rollt (zumindest in Litauen), und entsprechende Imagefilme und Videos versuchen sogar den Eindruck zu erwecken, ganz Litauen trage im Mai 2021 gelb. 

Wer sich mitreißen läßt, dem und der wird einiges geboten: Bandleader Vaidotas bezeichnen die Fans als "charismatisch", es gibt neben dem Song "Discotheque" auch einige spezielle "Moves" und Handbewegungen, und natürlich das allgegenwärtige Gelb. Und das letzte Argument, wenn alle anderen vielleicht vom "Trällerwettbewerb" reden, bringen die Fans: "Genau das ist eben der ESC! Verrückt, bunt, überdreht!". Und genau das erwarten ja viele. 

Der "Roop-Rhythmus" in vielfacher
Variante - vielleicht eine Methode, um
den eigenen Arbeiter/innen
über die pandemische Melancholie
hinüberzuhelfen? (hier: Lietuvos Rytas)

Ob allerdings die Be-mühungen, ganz Litauen im "gelben Rausch" zu zeigen, immer so ganz glücklich ausfallen? Einerseits konnten viele der Videoclips vielleicht günstig auf pandemisch geleerten  Straßen und Plätzen gedreht werden. In stillstehenden Fabriken tanzen die Lagerarbeiterinnen und die Praktikant/innen - litauische Art, optimistisch mit dem vom Virus und seinen Varianten erzwungenen Stillstand umzugehen? - Andererseits sehen wir dann auch Krankenhaus-Angestellte sinnlos durch die Flure hüpfen - ist es eher Aufmunterung oder Veralberung der Gesundheitsbranche? 

Vorstadtkids für Litauen: alles in Schwung!
Nun ja, vielleicht ziemt es sich aus litauischer Sicht nicht, hier Kritik üben zu wollen. Wie gesagt: Litauen hat den ESC noch nie gewonnen. Wie stehen die Chancen? "ESC-kompakt" findet immerhin, dass Litauen im Halbfinale den zweiten Platz machen wird. Ja, eine Finalteilnahme wäre schon mal die erste Stufe zum Erfolg - und würde die vielen "vergilbten Maßnahmen", so wie sie zum Beispiel bei "Kulturport.de" gut wiedergegeben sind, rechtfertigen. 

Das Finale steigt am 22. Mai 2021 in Rotterdam. Alle Teilnehmenden mussten bis zum 26. März Videos einreichen - vorsorglich für den Fall, dass auf einer Bühne am 22.5. nichts stattfinden kann. Der Veranstalter EBU kündigte an, dass bis zu 3500 Fans in der Rotterdamer Ahoy-Arena dabei sein können - aber das steht noch unter Vorbehalt. Die Halbfinals werden voraussichtlich vom TV-Sender ONE übertragen, das Finale dann in der ARD. Aber auch beim Platz vor dem Fernseher oder PC ist ja noch ist nicht klar, mit wievielen Bekannten aus wievielen Haushalten das dann an welchen Orten geschaut werden kann - und was macht eigentlich der diesjährige deutsche Beitrag? In der ARD-Vorschau präsentiert er sich in gelber Jacke - ist das ein Vorzeichen?  

Noch mehr Gelb: Lithuaniagoesyellow

10 Mai 2021

Fundsachen

Bewußt katholisch? Das
Logo der zukünftigen
Kulturhauptstadt Kaunas
erinnert viele sicher an den
Kolping-Verband

Wenn die litauische Stadt Kaunas im Jahr 2022 den Titel "Europäische Kulturhauptstadt" wird tragen dürfen, dann schaut die Welt wieder etwas genauer auf die Kulturwerte Litauens. Schon 2009 war dies so, als Vilnius nicht einfach mit den zahlreichen alten Kirchen werben konnte, und das Projekt des Wiederaufbau der "Unteren Burg" (Palast der Großfürsten Litauens) auch nicht alle Besucher/innen in ihren Bann zog. Ähnlich wie in Vilnius wohl vor allem nach dem jüdischem Erbe nach dem Holocaust gefragt werden müssen, denn dieses Thema wird nicht so selbstverständlich angesprochen wie alte angeblich heroische litauische Zeiten. Eine Präsentation der Pläne und Ideen hat Kaunas jedenfalls im Internet schon mal bereitgestellt (Kaunas2022.eu).

Die "pandemischen Monate" scheinen bei so manchem zunächst einmal zu einer gründlichen Inventur beigetragen zu haben. 70 wertvolle Bücher fand die Städtische Vincas-Kudirka-Bücherei Kaunas kürzlich in zwei alten Safes. "Seit der Eröffnung unseres Hauses im Jahr 1960 sind diese Safes nie geöffnet worden", wird Monika Straupytė, Geschäftsführerin der Bibliothek, in der Presse zitiert (LRT). Wie die den Berichten beigefügten Fotos ausweisen, war es eine Tresorfírma aus Berlin, die hier für die Bücherschätze genutzt wurde.

Ebenfalls einen Fund wertvoller Kultur machte Agnė Zuokienė, Ehefrau des Ex-Bürgermeisters Artūras Zuokas. Hier sei eine Scheidung in Vorbereitung gewesen, und Frau Zuokienė habe sich wohl an eine Bestandsaufnahme des Hausstands gemacht. Dabei seien dann 100 Kisten mit Kunstgegenständen u.a. von Fluxus-Künstler Jonas Mekas aufgetaucht. Zuokas war zwischen 2011 und 2015 Bürgermeister, und in dieser Zeit soll eine Sammlung von Fluxus-Kunst von Mekas, George Maciunas, Yoko Ono, Nam June Paik und anderen von der Stadt Vilnius für das "Jonas Mekas Visual Arts Centre" angekauft worden sein, das gerade in Gründung befindlich war. Nun sei die Stadt dabei, die damalige Ankaufliste mit den tatsächlich vorhandenen Objekten zu vergleichen, meinte Povilas Poderskis (LRT)

Zuokas seinerseits kartete nach: ja, da habe ja seine Frau genau an ihrem Geburtstag eine schöne "Fluxus-Performance" genießen können, meinte er, und sie müsse ja nicht einmal das Haus aufräumen, denn das erledige ja jetzt die Stadt Vilnius. Tatsächlich seien die Gegenstände aber im Besitz einer privaten "Jonas-Mekas-Stiftung", und er habe diese lediglich aufbewahrt. 

Wie auch immer: es gab im "Pandemie-Jahr" weitere Fundsachen. Auch Kazys Varnelis ist in Litauen kein Unbekannter - auch wenn er 50 Jahre lang in den USA lebte und erst 1998 nach Litauen zurückkehrte. Inzwischen zeigt das Varnelis-Haus seine Werke (Didžioji g. 26, Vilnius). In einer Garage in Chicago fanden Steve Gilberg und Robert Zizzo ein Werk von Kazys Varnelis im Müll. Glücklicherweise ließ sich aber noch eine Signatur finden, und so nahmen die beiden Kontakt mit den Hinterrbliebenen (Varnelis starb 2010) auf. Seit einer Ausstellung im "MilwaukeeArt Museum" 1974 sei dieses Werk nicht mehr aufgetaucht, so stellte Kunsthistorikerin Aistė Bimbirytė-Mackevičienė fest (LRT). 

Vielleicht gibt es ja noch weitere Neuentdeckungen, bevor das Kulturhauptstadtsjahr 2022 dann wieder ausprobieren muss, in wieweit und mit welchem Fokus sich die europäische Öffentlichkeit für die Kultur Litauens interessiert. Eine erste Schlagzeile formuliert es diesertage so: "Kaunas - die Kronjuwelen der europäischen modernen Kultur".