09 Juli 2016

Liddl in Lidltuva

Eigentlich hatte das niemand erwartet in Litauen: die deutsche Lebensmittelkette "LIDL" schien schon vor 10 Jahren die baltischen Märkte verloren zu haben. "Scheitern im Baltikum" schrieb 2006 das "Manager-Magazin", und die "Wirtschaftswoche" urteilte: "Lidl scheitert im Norden." Damals wurden bereits erworbene Grundstücke wieder verkauft, und Lidl-Vertreter wurden mit der Aussage zitiert, die baltischen Staaten seien als Markt einfach zu klein.

Inzwischen ist Litauen "Maxima"-Land. Gegründet 1992 von inzwischen legendären zwei Medizinstudenten, inzwischen im Besitz der Holding "Vilnius Prekyba", gibt es inzwischen 235 "Maxima"-Supermärkte in Litauen. 550.000 Kunden in Litauen pro Tag zählt die Maxima-Geschäftsleitung, und 1,4 Milliarden Euro Umsatz. 16.000 Beschäftigte in Litauen, 30.000 in Lettland, Polen, Weißrussland und Litauen insgesamt. Daneben gibt es in Litauen auch noch Märkte von IKI, RIMI, NORFA und AIBÈ.

Leben wie im Werbespot:
konsumieren was geht ...
Und nun LIDL. Kommentare in litauischen Medien zeigen. dass der große Zuspruch der neuen Läden überrascht - lange Schlangen vor vielen Geschäften, große Euphorie der Litauerinnen und Litauer auf der Suche nach Preisnachlässen und Sonderangeboten (siehe Video). Vielleicht hat überrascht, dass die Marke "LIDL" bei Litauerinnen auch schon einen hohen Bekanntheitsgrad hatte - aber schließlich gibt es schon seit einiger Zeit den Einkaufstourismus mittels Billigflieger, der eigentlich nur vor einheimischen Produkten halt macht.

"2015 gab es die bemerkenswerte Situation, dass es in Litauen überhaupt keine Discounter gab", sagt Jekaterina Smirnova in ihrem Blog bei Euromonitor (siehe auch: delfi.lt). Sie weist auch darauf hin, dass es in letzter Zeit sowohl einen zunehmenden Strom von Einkaufstourimus Richtung Polen gegeben habe, wie auch sogar einen Boykott verschiedener Geschäfte wegen hoher Preise. Andererseits stünden bei LIDL nur 20% einheimische Produkte im Regal - auf dieses Argument baute u.a. MAXIMA sehr stark. Es gibt aber nur vier Lebensmittel-Großhändler in Litauen - Maxima LT, Palink, Norfos Mazmena and Rimi Lietuva - MAXIMA hält dabei mit 36% den größten Anteil.

Rein ökonomisch braucht also die Konkurrenz in Litauen zunächst keine Angst vor LIDL zu haben - so schnell wird Litauen nicht zu LIDLTUVA. Auffällig aber vor allem die vielen abwertenden Kommentare in den "sozialen" Netzwerken: Spott für die Schlange Stehenden. Vielleicht sehen die einen hier irregeleitete Konsumjünger, für andere ist offenbar der "Homo Sovieticus" auferstanden, der eben Schlange stehen gewöhnt sei. Es wird aber auch daran erinnert, dass viele in Litauen mit 500 Euro monatlich auskommen müssen, also müsse man doch denjenigen danken, die Waren "zu humanen Preisen" anbieten. In den ersten Verkaufstagen Anfang Juni soll es sogar Schwächeanfälle bei älteren in den Warteschlangen Stehenden gegeben haben - Rettungswagen waren im Einsatz, Trinkwasser musste bereit gestellt werden. Auch ein schon zu anderen Anlässen erprobtes "Lockmittel" kam zum Einsatz: billige Bananen.

Ob LIDL allerdings Litauen als Markt so richtig ernst nimmt, muss abgewartet werden. Die Schwarz-Gruppe, zu der LIDL gehört, plant (laut "Manager-Magazin") 2018 einen noch wesentlich größeren Markt zu erobern, sicherlich auch mit wesentlich höherem Risiko: die USA.

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