21 März 2022

Die Welt nebenan

Sein Name ist ein gutes Beispiel für eine geteilte Heimat: Andrew Miksys ist geboren in Seattle (USA), lebt jetzt in Litauen, seit nunmehr 15 Jahren in Vilnius. Sowohl in Seattle, wie auch in Kaunas, Vilnius und anderen Orten waren seine Fotos schon ausgestellt. 2016 erhielt Miksys den Balys-Buračas-Preis, der nach dem 1972 in Kaunas verstorbenen legendären litauischen Fotografen Balys Buračas benannt ist, der durch ganz Litauen reiste und das Alltagsleben fotografisch domumentierte (siehe auch TV-Film zum 125.Geburtstag). 

Schon seine Serie zum Thema "litauische Dorfdiskos" erzeugte Aufsehen. Mindestens genauso interessant, auch mit internationalem Blickwinkel, sind seine Fotoserien über Roma in der baltischen Region. Miksys selbst nennt diese Serie "Baxt" - was eine Anlehnung an ein Roma-Wort für "Glück, Schicksal" darstellt. Eine Auswahl dieser Fotos ist noch bis zum August 2022 im Museum für Moderne Kunst (MO Museum) in Vilnius ausgestellt. 

Auch für dieses Projekt reiste Miksys jahrelang durch Litauen. Seine Fotos versuchen ohne Vorurteile auszukommen, es gelingt ihm ein Stück der inneren Intimität des Alltags der Roma zu zeigen - so beschreiben es die Fotofachleute. 

"1998 kam ich mit einem Fulbright-Stipendium nach Litauen", erzählt Miknys dem Fotomagazin "FK". In Šnipišķes nahe Vilnius habe er dann die ersten Roma getroffen. Schon 2007 erschien ein Buch mit diesem Thema, ein zweites ist in Vorbereitung. Und Miksnys erzählt auch, dass eigentlich schon 2018 eine ähnliche Fotoaustellung geplant gewesen sei, in der Litauischen Nationalbibliothek. Dort habe man ihn dann gebeten, auch einen Text zu den Fotos zu schreiben und in diesem Zusammenhang habe er der vergessenen Opfer unter den Roma in der Zeit der Besetzung Litauens durch die Nationalsozialisten erwähnt. "Das passte der Nationalbibliothek gar nicht", erzählt Miksys, "und nachdem ich abgelehnt hatte, diese Textstellen zu streichen, sagten sie die Ausstellung ab." Miksys zögerte nicht, diese Auseinandersetzung auch zu veröffentlichen, u.a. auf seiner Facebook-Seite. Der Streit landete vor Gericht. 

"Die Lektion für mich war, dass viele Institutionen immer noch unsicher im Umgang mit schwierigen Themen der litauischen Geschichte sind", meint der Fotograf. "Beim MO Museum ist das jetzt anders, die haben schon Erfahrung in der Zusammenarbeit mit den Roma". (FK Magazin).  

"Die Geschichte in Litauen ist noch unvollendet", meint Miksys. "Litauen und Lettland, das sind einfach junge Staaten. Als Fotograf suche ich einfach interessante Motive und Themen - es war nicht die Absicht ein 'politisches' Projekt zu machen." Aber als noch schlimmer schätzt er die Situation in Belarus ein. Zurückblickend auf seine Ausstellung in Minsk, die noch vor 2020 stattfand, sagt er: "Der Mensch, bei dem ich 2017 ausgestellt habe, ist nun schon seit 1 1/2 Jahren in einem KGB-Gefängnis. Das ist einfach furchtbar!. Dieses Land ist wie eine andere Welt, aber nur 35km von Vilnius entfernt." (FKMagazin)

Und auch zur aktuellen Situation in der Ukraine schweigt Andrew Miksys nicht: "Ich denke, dass es sehr wichtig ist, die Geschichten, die in diesem Teil Europas erzählt werden, zu fotografieren. Die Menschen anderswo erkennen nicht, wie die Demokratie verschwinden kann. Kriege können passieren. Meine Mutter ist Ukrainerin. Demokratie – für viele selbstverständlich, aber sie kann verschwinden. Ich bin gebürtiger US-Amerikaner und wir kämpfen jetzt auch in der Politik mit ähnlichen Problemen, wo die Demokratie bedroht ist. Wir müssen uns und alle daran erinnern, wie wichtig es ist, dafür zu kämpfen."

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