Am Abend des 29.März 2017 feiert Kaunas: das litauische Kulturministerium gab bekannt, dass Kaunas für das Jahr 2022 als Europäische Kulturhauptstadt benannt werden wird - in diesem Jahr werden Litauen zusammen mit Luxemburg zwei Kulturhauptstädte stellen. Voraus gegangen war eine mehrmonatige Bewerbungskampagne, bei der vor allem die Hafenstadt Klaipeda (zusammen mit Nida und Neringa) als Konkurrent aufgetreten war.
Kaunas hatte seine Werbekampagne unter das Motto "ConTEMPOrary Capital" gestellt - und spielte damit auf den Status als "Zwischenkriegshauptstadt" Litauens an, da Vilnius in dieser Zeit polnisch war. Auch seit Wiedererlangung der Unabhängigkeit Litauens könnten viele in der 300.000-Einwohner-Stadt das Gefühl zwischenzeitlicher Missachtung bekommen haben - viele Investitionen, touristische Aufmerksamkeit und politisches Einfluß richtete sich vor allem auf Vilnius. 2009 war die litauische Hauptstadt europäische Kulturhauptstadt - in fünf Jahren wird eine weitere litauische Stadt die Chance haben, sich europäisch zu präsentieren.
In seiner Bewerbungskampagne weist Kaunas auf Statistiken und Untersuchungen hin, denen zufolge in vielen Bereichen seit dem Krisenjahr 2009 die Stadt einen Aufschwung genommen hat. Allerdings werden in den neuen Industriebereichen wie der kreativen Industrie, Architektur, Werbung und Freizeitindustrie weniger neue Arbeitsstellen geschaffen, sondern eher mit freiberuflichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gearbeitet.
Allerdings sehen manche in den Schwächen der Stadt auch mögliche Stärken: bisher ungenutzte Flächen und Gebäude könnten im Zuge neuer kultureller Aktivitäten ein nutzbares Potential darstellen.
Unter den in der litauischen Öffentlichkeit bekannten Personen, die persönlich sich als Botschafter/innen für die künftige Kulturhauptstadt Kaunas bereit erklärt haben, sind unter anderem Star-Dirigentin Mirga Gražinytė-Tyla, Schwimm-Olympiasiegerin Rūta Meilutytė, Theater-Regisseur Gytis Padegimas und auch die Band "Golden Parazyth".
Die Kunsthistorikerin Virginija Vitkienė leitete bisher die Kampagne. Die Umsetzung wird keine einfache Aufgabe sein - denn, ähnlich wie auch bei Vilnius, gestaltet sich ein Blick auf das Vorkriegs-Kaunas kompliziert: weder Kaunas als Zentrum eines Weges "Litauen den Litauern", noch als Ort von Judenmord und Holocaust werden so in kulturelle Aktivitäten zu gießen sein.
Die Stadt setzt einstweilen auf andere Stärken: Kaunas als Ort spezieller Architekturtendenzen der Zwischenkriegszeit, Kaunas als Stadt der Jugend, mit einer weit gefächerten Universität, mit langer Fußgängerzone und Shoppingmeile, und als Basketball-Hochburg. Die Stadt ist in den vergangenen 20 Jahren von 400.000 auf 300.000 Einwohner geschrumpft - gesucht wird nun die Trendwende. "Wir brauchen den Wandel" - so betonen auch die Macher des Bewerbungskonzepts. Kaunas als europäische Kulturhauptstadt - das wird keine Selbstverständlichkeit sein, sondern vielleicht so etwas wie eine notwendige Häutung.
Kampagnenkonzept (engl.)
Facebookseite Kaunas 2022
Kaunas 2022 Webseite
Kaunas Kulturwebseite (lit.)
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