28 September 2005

Russen lachen über deutsche Soldaten?

Das gab es lange nicht mehr: Russen lachen über deutsche Soldaten? So schreibt es jedenfalls DIE ZEIT mit dem Titel "Zwischenfall in Litauen". Am 28.9. zieht nun auch das Hamburger Abendblatt mit einem entsprechenden Beitrag nach.

Wir hatten es ja schon irgendwie geahnt - siehe verschiedene Beiträge auf dieser Seite zum in Litauen viel diskutierten Absturz eines russischen Kampfflugzeugs. Deutschland befand sich aber zum Zeitpunkt des Ereignisses (15.9.05) mitten im Wahlkampf-Fieber.

Wen interessiert denn das auch? Keine Toten, kaum Sachschaden, vermeintlich lediglich ein kleines Scharmützel zwischen russischen und litauischen Diplomaten. Tagelang berichtete die deutsche Presse gar nicht darüber, und die stärkste Schlagzeile in der Woche danach war noch so etwas wie "Absturz weckt alte Ängste" (DPA-Journalist Jakob Lemke in seinem Bericht aus Vilnius).

Dabei hatte noch kurz vorher die deutsche Luftwaffe selbst sich bemüht, die im Rahmen der NATO-Luftüberwachung im Drei-Monats-Rythmus im nordlitauischen Siauliai stationieren "Air-policing" Truppen ausführlich zu loben. "Ebenso wie die zuvor stationierten Luftwaffenkontingente anderer NATO-Mitglieder haben die Deutschen ein gutes Bild abgegeben", so wird in einer Pressemeldung Generalleutnant Martin zitiert, stellvertretender Befehlshaber Alliierte Luftstreitkräfte Europa in Ramstein, der am 24.August in Siauliai zur Inspektion weilte. Das Kommando in Siauliai besteht aus 120 Soldaten verschiedenster Bundeswehr-Einheiten. Unter Führung des Wittmunder Jagdgeschwaders 71 "Richthofen" und dem Jagdgeschwader 74 aus Neuburg an der Donau wird zwischen dem 30. Juni und dem 1.Oktober 2005 der NATO-Auftrag des Air Policing über dem Baltikum wahrgenommen.

Die Russen - selbst von den neu der NATO beigetretenen litauischen Nachbarn wegen unbefugtem Eindringen in den Luftraum des NAchbarn hart kritisiert, "spotten nun über die Deutschen", so DIE ZEIT. Zu vemuten ist, dass dies auch in den gesamten litauischen Medien der Fall war, die sich öffentlich fragten, warum man denn eine NATO-Luftabwehr brauche, wenn die aber gar nicht reagiere in so einem Fall. Minutenlang hatte der russische Jet vom Typ Su-27 über litauischem Gebiet gekreist, bis er dann abstürzte.

DIE ZEIT wie auch Hamburger Abendblatt zitieren Aussagen von Wladimir Michailow, Oberbefehlshaber der russischen Luftwaffe, die er angeblich gegenüber der russischen Zeitung "Kommersant" gesagt haben soll. Zwanzig Minuten habe sich die russische Su-27 über dem Territorium Litauens befunden, ohne daß es jemand bemerkt habe. "Die (deutschen Piloten) haben wohl Bier getrunken", zitierte die Zeitung Michailow.

Das Abendblatt hat aber zur Vorsicht gleich mal beim Bundesverteidigungsministerium nachgefragt. Der dort zuständige Pressesprecher sähe die Lage sehr entspannt, berichtet das Abendblatt. "Ich glaube auch nicht, daß Michailow das so gesagt hat." Der Überführungsflug der russischen Maschine sei schließlich offiziell angemeldet gewesen. "Und wegen eines Notfalls einer Maschine schicken wir doch keine Nato-Abfangjäger los", sagte der Sprecher. Zwei deutsche Maschinen vom Typ Phantom F-4 seien eine halbe Stunde später aufgestiegen, um die Bergung der russischen SU-27 aus der Luft zu unterstützen.

Am Rande sind in dem Beitrag der ZEIT auch andere Details des bisherigen Verlaufs der Unfalluntersuchtung zu lesen. Für die Entschlüsselung des Flugschreibers seien ukrainische Spezialisten hinzugezogen worden. Ob Russland die Trümmer der Maschine zurückbekommt, sei noch offen. Die Nato dürfte aber die Elektronik der Maschine einbehalten, vor allem das hochmoderne Freund-Feind-Erkennungsystem der Russen - so spekuliert DIE ZEIT.

Im litauischen Verteidigungsministerium jedenfalls herrscht immer noch Nervosität. Der litauische Airforce-Chef Jonas Marcinkus musste inzwischen wegen des Vorfalls seinen Hut nehmen. Das in Litauen stationierten deutsche Kontingent hatte noch vor kurzem stolz berichtet: "So wurde für den Litauischen Airchief, Oberst Marcinkus, ein Mitflug in einer Phantom möglich gemacht, der sich so von der Einsatzfähigkeit des Jägers hautnah überzeugen konnte." Dieser "Überblick" hat ihn nun auch nicht geholfen; die deutschen Soldaten jedoch fühlen sich offensichtlich über jede Kritik erhaben. Allerdings soll Marcinkus "eigenmächtige Kontakte" mit russischen Militärs unerhalten haben, um das Unglück zu untersuchen. Seine litauischen Vorgesetzten fühlten sich nicht ausreichend informiert darüber.

Der Pilot der russischen Unglücksmaschine, Valery Troyanov, befindet sich übrigens immer noch in litauischem Gewahrsam. Das Ende der Untersuchungen zögert sich also noch hinaus. Kürzlich wurde auch der Fund radioaktiven Materials in der Nähe der Unglücksmaschine gemeldet, was Spekulationen Raum gibt, der Kampfjet sei vielleicht doch bewaffnet gewesen.

Weitere Überraschungen nicht ausgeschlossen....


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