Litauen, Russland, und Europa - wohin führt der Weg?
Von einer Rückkehr zur Normalität der Beziehungen mit Russland möchte Litauen momentan nicht sprechen - zunächst seien die Vereinbarungen zu Georgien zu erfüllen, die Russland gegenüber der EU zu erfüllen habe. "Mit Abschluß der Sonderabkommen mit Süd-Ossetien und Abchasien hat Russland gezeigt, dass es nicht beabsichtigt, die mit der EU getroffenen Vereinbarungen zu erfüllen," so sagte es Žygimantas Pavilionis, Unterstaatssekretär im litauischen Außenministerium. Dahinter steckt einerseits die Forderung, Russland möge seine militärischen Positionen so wiederherstellen, wie sie vor den bewaffneten Auseinandersetzung in Georgien waren, und anderseits die Furcht, "Ähnliches wie in Georgien" - also ein militärisches Eingreifen Russlands in Nachbarländern immer dann, wenn der Kreml russische Interessen gefährdet sieht.
Aber gegen ein Wiederaufnahme der Gespräche zwischen der Europäischen Union und Russland zu plädieren (gemeinsam mit Polen), sorgte auch für Stirnrunzeln. Für die Pragmatiker der EU wird ein Satz immer oben an stehen: Miteinander reden ist die einzige Strategie zur Vermeidung von größeren Konflikten. - Nur: der größte anzunehmende Unfall - Krieg (in Georgien) - war schon eingetreten, und die EU war nicht in der Lage gewesen, diese Eskalation zu verhindern. Grund genug wiederum für einige osteuropäische EU-Mitgliedsstaaten, die EU-Kolleg/innen grundsätzlich für "zu weich und zu nachgiebig" gegenüber Russland zu halten.
Meine Raketen - deine Raketen
Dazu kommt noch die leidige Raketenfrage. Erst müssen Interessen der USA offenbar unbedingt durch Raketenstationierung in direkter Nachbarschaft Russlands gesichert werden, nun kommt auch Russlands Präsident Medwedjew mit neuen Raktenplänen in Kaliningrad aus der Deckung. Details zu dem in Kaliningrad zu stationierende System der russischen Iskander-Raketen veröffentlichte zum Beispiel Kommersant (9.11.08 -siehe Foto). Klar ist, das hiermit nicht nur Litauen, Polen oder der Osten Deutschlands ins Visier genommen werden, sondern mit einer Reichweite von 500km nahezu jedes Ziel in Nordosteuropa.
Wie ist also die Lage einzuschätzen? "Eine Hand für Russland" so fällt die Zwischenbilanz der Süddeutschen Zeitung aus, und es wird nicht zu erwähnen vergessen, dass wohl Polen auf eine Beilegung des Streits um Lebensmittellieferungen nach Russland hoffen darf, Litauen aber mit der von russischer Seite unterbrochenen Energieversorgung für die Raffinerie Mažeikiai kaum Ähnliches erwartet.
Der Standard dagegen widmet sich in seiner Ausgabe vom 10.11. den sonstigen Plänen der Region Kaliningrad und fördert - angesichts der aktuellen Vorzeichen - Überraschendes zutage. Riesige Casino-Areale einerseits, neue Hotels und Radwege andererseits hat Kommentator Michael Gorodkov in "König" (wie sich die Region manchmal selbst nennt) ausgemacht. Und eine Sonderwirtschaftszone, der die Einwohner weglaufen: Russen müssen mit ökonomischen Zusagen dazu bewegt werden, in die Exklave zu ziehen. Da läßt sich vermuten, dass schussbereite Raketen weder den Hotels noch den Radwegen zu Gute kommen wird, und der Kreml da wohl andere Pläne hat.
Ziele, Taktik, Untertöne
"Was ihr da macht, ist wirklich gefährlich!" Das will laut "die Presse" der luxenburgische Außenminister Jean Asselborn der russischen Seite gerne sagen, und sagt auch, dafür müsse man eben an einem Tisch sitzen.
Ausgerechnet die konservative WELT meint nun Entgegenkommen bei Russlands Präsident Medwedjev zu erkennen, und zwar in dessen Lob für Frankreichs Präsident Sarkozy, weil diesem das „Hauptverdienst bei der Überwindung des Widerstands einiger EU-Länder“ zukomme. In diesem Punkt steht die WELT in einer Reihe mit der russischen Nachrichtenagentur RIAN, die in der vergangenen Woche gleich mehrmals Litauen als Hauptgegner ausrief (und einige Westmedien druckten es genauso nach).
Also: erst kleine Gegner aufbauen, um dann bei den Großen taktische Geländegewinne zu erzielen? "Die Unterstützung für Georgien schwindet", so zitieren dementsprechend die "Georgien-Nachrichten" die ehemalige Parlamentspräsidentin Georgiens Nino Burdshanadse.
Es ist ja jedem zu wünschen, die eigenen Interessen wahren zu können - hoffentlich geht es einen friedlichen Weg.
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