Woran sind "junge Autoren" zu erkennen? Na, vielleicht an den Antworten auf die Frage, wieviel Zeit sie zum Schreiben ihrer Werke benötigen. Zwei Jahre, drei Jahre, das könnte die Antwort sein - versehen mit dem Zusatz: "inzwischen ist ja ganz schön viel passiert". Ungewöhnlich früher Erfolg bringt turbulente Lebensführung - so stellen es sich vielleicht diejenigen vor, die es gern nachahmen würden.
Was macht man an einem Abend (19.12.08), wo Wladimir Kaminer in der Stadt ist? Vielleicht mal JUNGE Autor/innen einladen, dachte sich vielleicht auch das Team der Schwankhalle in Bremen. Erstaunlich also, dass auch hier der Saal gut gefüllt und das Interesse groß war. Das anwesende Publikum traf Theresa Bäuerlein, Alina Bronsky und Benedikt Wells zum ersten Mal - und diese sich gegenseitig wohl gleichermaßen.
Alle drei haben sich inter-kulturelle Themen vorgenommen in ihren Büchern: Alina Bronsky die Lebenswelten von Russlanddeutschen in Deutschland, Theresa Bäuerlein den Blick einer jungen Deutschen auf das Alltagsleben in Israel. Benedict Wells, 24 Jahre alt, spiegelt in seinem Erstling "Becks letzter Sommer" einen alternden Musiklehrer ("Beck"), der einen Teil seiner verblichenen Jugendträume in einem unscheinbaren Schüler seiner Klasse heranreifen sieht - Rauli, ein Außenseiter aus Litauen. Aber als Solist an der E-Gitarre "besser wie Jimi Hendrix", wie sein Lehrer erstaunt feststellt. Aus Litauen? Ja, doch. Allerdings sind die osteuropäischen Versatzstücke (im Gegensatz zu den beiden Büchern von Alina Bronsky und Theresa Bäuerlein) auch eher etwas künstlich zusammengebastelt. Im Gespräch gibt Wells offen zu, noch nie in Litauen gewesen zu sein. Seine eigene Schulrealität hat er in drei verschiedenen bayrischen Internaten verbracht, glücklich, wie er sagt.
Warum also Litauen? Ein Land, das zwar 2002 schon mal Buchmessenschwerpunkt in Frankfurt war, aber sich doch die internationale Berühmtheit eigener Autor/innen immer wünscht, so dass der Name Litauen in die Welt hinausgetragen wird?
"Mir war klar, die Figur dieses Rauli muss ein Ausländer sein," sagt Wells, danach befragt. "Ein Außenseiter in der Klasse." Litauer in Deutschland also vor allem Außenseiter? Gut, die Frage wäre an die Litauer selbst zu stellen. "Ich wollte dem Lehrer Beck eine Chance geben, damit dieser Schüler sich überhaupt mit ihm abgibt und um ihn kümmert - so ein cooler deutscher Schüler, das hätte eben nicht gepasst."
Und warum ein Lehrerschicksal? "Alles so vorgeplant, vorhersehbar" - so Wells über das seiner Meinung nach typische Berufsbild der Lehrkörper- "Mittelmaß gegen Genie" als Themenentwurf. Und "Ich kannte einen Lehrer sehr gut, der in den 30ern war." Eine Ausnahme von dieser selbst aufgestellten "Langeweiler"-Regel? Dieser Lehrer hat, so Wells, auch die ersten Fassungen des Buches gelesen und Ratschläge gegeben. Das wird keine leichte Arbeit gewesen sein: denn so sprudelnd Wells redet und sich reden hört ("ich vergesse manchmal schon, dass ich das geschrieben habe, was ich vorlese"), viel und lang schreibt er offenbar. Mit vielen Schmerzen und nach vielen Diskussionen auch mit den Lektoren musste ein Entwurf von 1500 auf 450 Seiten "eingedampft" werden. Selbst die Stelle wo vom Sterben eines alten Mannes die Rede ist, liest Wells rasch, ungeduldig, eher so, als ob es um eine Verfolgungsjagd im offenen Sportwagen ginge.
Und wie geht es jetzt weiter mit Benedict Wells? "Ja es stimmt, auch für den Musiker aus Litauen gab es Vorbilder," sagt er. "Der war auch relativ erfolgreich (in Litauen), spielte bei 'Flamingo' (verließ diese später aber), und wohnt in der Nähe von Vilnius. Nächstes Jahr, wenn Vilnius Kulturhauptstadt ist, will ich ihn unbedingt mal besuchen."
Dass aus dieser Begegnung dann sehr bald wieder Bücher werden, darauf dürfen die geneigten Fans leider kaum hoffen. Wells hat sein zweites Buch längst fertig und schreibt gegenwärtig an seinem dritten. Der Rest ist wohl eher Verlagspolitik oder Verkaufsmanagement, den jungen Autor ständig im Gespräch zu halten - Musiker können eine CD nach der anderen herausgeben, "junge Autoren" werden langsam aufgebaut. Stoff zum Schreiben scheint es aber genug zu geben.
Und wie fühlt es sich so an, als junges Mitglied im Literatur-Verkaufsgeschäft? "Manche Kritiker mögen mich nicht," hat auch Wells erkannt. "Es sind nicht viele - aber bei Google schwimmen sie leider oben wie Fettaugen in der Suppe."
Mehr:
Theresa Bäuerlein und "Das war der gute Teil des Tages"
Alina Bronsky und "Scherbenpark"
Benedict Wells und "Becks letzter Sommer"
Die litauische Gruppe "Flamingo"
Das Buch "Becks letzer Sommer" wird in der nächsten Sendung der "Baltischen Stunde" (Radioweser.tv) am Donnerstag, den 15.Januar 2009 ausführlich vorgestellt werden.
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