Hin und hergerissen, verunsichert, besorgt müssen wir verfolgen, was sich in Georgien tut. Aus litauischer Sicht ist es ein Top-Thema: am 9.August (Samstag) war der litauische Außenminister Petras Vaitiekūnas selbst zu Besuch in Georgien. Zurecht glaubte er sich am Ort eines wichtigen Geschehens und telefonierte eifrig, unter anderem mit Javier Solana, mit Repräsentanten der NATO, und bereitet einen Bericht fürs EU-Außenministertreffen vor. Die EU-Initiative einer unabhängigen Friedensmission wurde von ihm mit ausgearbeitet.Litauische Vermittlung - funktioniert das?
Am 10.August entschied sich Vaitiekūnas, in Georgien zu bleiben, und bemühte sich als Vermittler. Allerdings: immer wenn in den Pressestatements die russische Seite erwähnt wurde, hieß es von litauischer Seite immer nur schlicht: "die Russen stellten ihre Haltung dar." Mich hätten ja mal für Details interessiert: Putin und Medwedjew hatten ja da schon Statements abgegeben, die Georgiens Präsident Saakaschwili als "Kriegsverbrecher" bezeichnen, und das militärische Vorgehen Georgiens gegenüber Südossetien verurteilen. Was sagt Zaakaschwili selbst dazu? Was hatte das georgische Militär vor, was haben sie tatsächlich gemacht? Auch da haben Menschen gelitten - aber dazu nichts von litauischer Seite. (ich kann nur sagen: es hätte die Welt interessiert). Eine Auseinandersetzung mit den russischen Anschuldigungen findet eher in Blogs (schon wieder diese Blogs!) einzelner Aktivisten statt, so z.B. hier.
Das litauische Bemühen scheint mehr auf eine Stärkung der eigenen Rolle im europäischen Rahmen ausgerichtet zu sein. Vaitiekūnas telefoniert mit Steinmeier, mit Maris Riekstins, Radoslaw Sikorski, Alexander Stubb, Carl Bildt, Condoleezza Rice.
... und verspricht medizinische Hilfe für die georgische Stadt Gori. Beim Democracy and Development Assistance Fund wird ein litauisches Sonderkonto für Georgien-Spenden eröffnet, ebenso beim litauischen Roten Kreuz. In einer Pressemtteilung am 10.August macht der litauische Außenminister unmißverständlich klar, wie er die Lage sieht: "eine offensichtliche Agression Russlands" sei im Gange. Dies müsse gestoppt werden, darüber seien sich die EU-Kollegen einig. "Unschuldige Zivilisten leiden darunter", so Vaitiekūnas.
Noch am gleichen Tag erreicht Präsident Adamkus ein Anruf von US-Präsident Bush. Adamkus informiert Bush darüber, dass er selbst zusammen mit den Präsidenten Estlands, Polens, und der Ukraine, sowie mit Regierungschef Godmanis aus Lettland in Kürze Tblissi besuchen wollen, um ihre so ihre Unterstützung für Präsident Saakaschwili zu zeigen.
Der nächste Schritt
Gut, nun also keine Vermittlung mehr, sondern Organisation der Georgien-Hilfe. Am 12.August kehrte Vaitiekūnas nach Litauen zurück, dafür ist nun Adamkus in Georgien. Da die Webseiten der georgischen Regierung zeitweise nicht erreichbar waren (blockiert von Russland-freundlichen Hackern?). Das litauische Außenministerium schaltet auf der eigenen Webseite einen Hinweis: nutzen sie den Blog des georgischen Außenministeriums! Aha, so werden auch Minister zu Aushilfs-Bloggern. Seit dem 12.August schildert dort die georgische Regierungsseite ihre Sicht der Dinge.
Das von Russland verkündete "Ende der Kampfhandlungen" wird eilens von litauischer Seite so kommentiert, dass sich russische Truppen "aus ganz Georgien" zurückziehen müssten. Damit werden sie so schnell keine gemeinsame EU-Position aufbauen können.
Zeit der gemeinsamen Erklärungen
Bereits am 9.August - also bereits vor den oben beschriebenen Abläufen - hatten die Präsidenten Estlands, Lettlands, Litauens und Polens den Text einer gemeinsamen Erklärung veröffentlicht (Wortlaut). Darin wird festgestellt, man wolle gemeinsam alles tun, "damit es nicht still werde um die Agression Russlands gegen ein kleines Land in Europa". Gefordert wird quasi ein Stop der Verhandlungen um das neue EU-Russland Abkommen; das Aufkommen einer neuen "imperialistischen und revisionistischen Politik" in Osteuropa müsse verhindert werden. Weiterhin drückt die Erklärung gemeinsames Bedauern darüber aus, dass Georgien noch keine Beitrittsperspektive zur NATO eröffnet wurde. Mehr: die Ablehnung des NATO-Beitrittsgesuchs habe "grünes Licht gegeben für eine Agression in dieser Region". - Das kann - mit Verlaub, liebe Präsidenten - auch umgekehrt gesehen werden: mit Zaakaschwili wird es wohl keinen NATO-Beitritt geben, auch durch seine eigene Rolle bei den nun hoffentlich sich wieder beruhigenden Konflikten.
Einen Tag später, am 10.August, zogen die Parlamentspräsidenten Ergma (Estland), Daudze (Lettland) und Juršėnas (Litauen) mit einer eigenen Erklärung nach. Das, was im Moment in Georgien vorgehe, müsse in all jeden Ländern Besorgnis hervorrufen, in denen russische Staatsbürger wohnen. So steht es hier zu lesen. Die Regierungen der Unterzeichner seien nun aufgerufen Maßnahmen zu ergreifen - in Kooperation mit NATO und EU - damit es ähnliche Vorgänge in Zukunft nicht mehr geben könne.
Doch im Eifer des Gefechts (im wahrsten Sinne des Wortes) waren auch manche Töne zu hören, welche die Besorgnis nicht so schnell schwinden lassen.
Angesichts dessen, was die USA an "sicherheitspolitischen Maßnahmen" so alles in Osteuropa kürzlich veranstaltet hat (Raketenstationierung, Militärberater für Georgien), ist anzunehmen, dass Russlands Reaktion im Fall Georgien auch Sympathisanten hat - nicht nur unter den ethnischen Russen.
"Die EU muss dem russischen Agressor klar machen, dass er zu weit gegangen ist." Das meint ein Kommentar in der "Financial Times". Deutlich zu vernehmen sind aber auch Stimmen, die meinen, insbesondere der georgische Präsident Saakaschwili habe sich "verspekuliert" und wohl angenommen, die NATO käme ihm zuhilfe, wenn er die internen Konflikte Georgiens auf militärische Art und Weise zu lösen beginnt.
Abseits von allen Aufgeregtheiten bleibt hoffentlich klar: Europa muss in erster Linie an der Erhaltung des Friedens interessiert sein.
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