29 Juli 2019

Stabwechsel

Wenn es in Deutschland in der politischen Diskussion um Litauen geht, dann ist damit gegenwärtig meist die Entsendung von Einheiten der Bundeswehr gemeint. Gerne auch, wenn da etwas nicht klappt oder ein Flugzeug nicht startet (MDR / Süddeutsche). Die überraschende Ernennung der CDU-Vorsitzenden Kramp-Karrenbauer zur Verteidigungsministerin, und auch der Abgang von Ursula von der Leyen nach Brüssel hat diesen Fokus noch verstärkt - auch weil "AKK" dann gleich das besonders von den USA ausgerufene "2%-Ziel" sich zu eigen machte. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) habe aber 2023 nur 44 Milliarden Euro eingeplant, zitiert "Die Welt" und rechnet vor: die Nato-Quote würde damit von 1,37 Prozent im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung auf 1,24 Prozent zurückgehen.

Wo sonst oft eher von "Frauenquoten" die Rede war, sollen jetzt "Rüstungsquoten" eingeführt werden? Oh, pardon - sie sind ja längst eingeführt; schon 2004, beim Beitritt der baltischen Staaten zur Nato, war davon die Rede - und es wurde kommentarlos ein "Nachlass" gewährt, da es ja völlig unsicher schien, ob diese Staaten wirtschaftlich stabil bleiben würden. Auch heute ist klar: wer in deutschen Medienberichten nach dem Wort "Litauen" sucht, wird zu einem hohen Prozentsatz Beiträge über deutsche Hilfssammlungen und karitative Spenden finden. Zehntausende Litauerinnen und Litauer sind ins Ausland gegangen, um eine angemessen bezahlte Arbeit zu finden.

Dr, Gitanas Nausėda im Oktober 2014 in einer
Bremer Straßenbahn - auf dem Weg zur Vorstellung
des Buches "Chro
nik der Schule zu Nidden"
(zusammen mit Dr. Gabrielė Žaidytė, damals
Kulturattaché der Litauischen Botschaft in Berlin)


Den Wechsel hat es in Litauen im Präsidentenamt gegeben: Gitanas Nausėda, man könnte ihn den "Vater des litauischen Euro" nennen, ist seit dem 12. Juli litauischer Präsident. Einen Teil seines Studiums hat er in Deutschland absolviert, er spricht Deutsch ausgezeichnet, also könnte er ja auch eine neue Farbe ins deutsch-litauische Verhältnis bringen. Das zeigt auch sein Interesse für Kulturgeschichte: beim Buch über die Schule von Nidden ist er Mitherausgeber, er selbst entdeckte die alte Schulchronik. Auch bei seinem Antrittsbesuch im Nachbarland Lettland gab es ein Buchgeschenk (lrp.lt) - und auch Präsident Steinmeier ist ja zu seinen Zeiten als Außenminister schon in Nidden gewesen (Baltic Times / AA), da liegen die Vorschläge für die nächsten Buchgeschenke nahe.

Was bedeutet der Wechsel für Litauen? Nun ja, einige beklagen, dass der litauische Präsident zwar von allen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern gewählt werde - aber mal wieder keine akzeptable Person zur Wahl gestanden habe. Zum Präsident wird eben doch nicht jede/r gewählt.

Vom "Ende der Ära der eisernen Lady" schreibt die lettische Presse, auf den Abschied Dalia Grybauskaites fokussierend (lsm). Gleichzeitig wird prognostiziert, der neue Präsident Nausėda könne sich nun wieder verstärkt den direkten Nachbarn Lettland, Polen und Estland zuwenden, nachdem Grybauskaite viel von der EU. den USA und dem Schicksal Europas geredet habe. - Einige in Litauen hatten sich wohl erhofft, Grybauskaite könne auf einem hohen Posten in Brüssel weitermachen.

Nausėda seinerseits sprach sich sehr zeitig zugunsten einer Kandidatur Ursula von der Leyens zur EU-Kommissionspräsidentin aus (lrp.lt) "Litauen wird von ihrer Kenntnis der Sicherheitslage profitieren," so zitiert ihn die "Baltic Times". Laut aktuellen Umfragen sehen 73,7% der Litauerinnen und Litauer ihren Präsident gegenwärtig positiv (Baltic Times). Nausėda wird aber sicher noch daran arbeiten müssen, nicht nur als Präsident der Wirtschaftsbosse zu gelten - ein großer Teil der Bevölkerung erwartet, wieder mit größerer Zuversicht im eigenen Lande das Auskommen zu finden.
Und worauf warten die Deutschen? Na, vielleicht auf einen Staatsbesuch in Mannheim ... !

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