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Leicht deprimiert scheint die "Ich-geh'- zur-Wahl"-Figur der zentralen litauischen Wahlkommission dreinzuschauen: wo sind die Wähler? |
Dazu passen vielleicht Meldungen, denen zufolge die Bevölkerung in Litauen nun auch offiziell unter 3 Millionen gefallen sein soll. Das offizielle Ergebnis einer Volkszählung aus dem Jahre 2011 hatte noch 3.043 Millionen Einwohner ergeben (siehe 15min). Seit diesem Zeitpunkt sei die Bevölkerung aber nur in vier Bezirken in Litauen leicht gestiegen: in Vilnius, im Bezirk Kaunas, in Neringa und in der Stadt Klaipeda; in den 56 anderen Gemeinden sei sie weiter gefallen. Der Zählung von 1989 zufolge waren es damals 3,67 Millionen Einwohner gewesen.
Eine andere interessante Besonderheit der aktuellen Einwohnerstatistik ist, dass 42% der Frauen, aber nur ein Drittel der Männer einen Bildungsabschluß an einer höhere weiterführenden Schule angeben. Ob auf dieser Grundlage aber die Schlußfolgerung erlaubt sein könnte, dass die meisten besser ausgebildeten litauischen Männer längst im Ausland arbeiten, wird in der litauischen Presse nicht weiter kommentiert.
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Entwurf des Wahlzettels für den 14.Oktober |
Für Präsidentin Dalia Grybauskaite kennzeichnet sich der litauische Wahlkampf auch durch einen "Mangel an Ideen" (siehe Baltic Times). "Zwar stellen sich 20 Parteien zur Wahl, aber ich höre von ihnen wenig Vorschläge was in Zukunft zu tun sei," sagte sie.
Zwar gibt es auch inhaltliche Themen im litauischen Wahlkampf, aber für die Wähler ist nur schwer zu erkennen was sie bekommen, wenn sie bestimmte Kandidaten oder Parteien unterstützen. Tritt Litauen wirklich schon 2014 der Eurozone bei? Für die Regierung war dies bisher eines der Hauptargumente für allerlei Sparmaßnahmen und Einschnitte. Inzwischen schwenken führende Regierungspolitiker um und reden öffentlich nur noch vom "Beibehalten der Sparpolitik" - der Beitrittstermin ist aber angesichts sinkender Popularität des Euros in der Bevölkerung erstmal offen.
Gleichzeitig mit den Parlamentswahlen findet ein Referendum zum Bau eines neuen Atomkraftwerks bei Ignalina statt. Ausgerechnet in Japan hat sich die litauische Regierung einen neuen Partner für das Projekt gesucht - Hitachi. Ein Reaktor, der nach Aussagen der Planungsverantwortlichen 2021 ans Netz gehen soll - während die tatsächliche Höhe der Baukosten aber vorerst im Unklaren bleibt, und verbindliche Zusagen der Kofinanzierung aus Estland, Lettland und Polen noch ausstehen. Worüber kann also eigentlich wirklich abgestimmt werden? Es wird wohl allenfalls ein Stimmungsbild werden, und die neue litauische Regierung muss nach den Wahlen dann unter denen, die an der Regierungsbildung beteiligt werden aushandeln, was sie daraus macht. Zwischenzeitliche Umfragen wiesen bereits aus, dass eine Mehrheit der Litauer sich inzwischen gegen den Bau eines neuen Atomkraftwerks ausspricht. Die Konzernspitze bei HITACHI scheint sich einstweilen aber auch bereits auf einen möglichen Ausstieg vorzubereiten: falls Litauen selbst das nicht auslösen möchte, könnte auch eine Reaktion aus Estland, Lettland oder Polen auf das Ergebnis des litauischen Referendums dies verursachen (siehe 15min).
Regierungsvertreter jedenfalls zeigen sich momentan äußerst nervös: Außenminister Audronius Ažubalis ließ vor einigen Tagen die weißrussische Anti-Atom-Aktivistin Tatyana Novikova die Einreise nach Litauen verweigern (Bellona), und verweigerte auf Nachfragen von Journalisten jede Stellungnahme dazu. Angeblich habe man Novikova bescheinigt, "die Sicherheit mindestens eines EU-Staates zu gefärden". - Die Hoffnung, dass regierungstreue Medien die Sache solange nicht zum Thema machen wie die Regierung sie zum Un-Thema erklärt mag aber trügen: litauische Behörden mussten sich bereits öfter mit Verdächtigungen auseinandersetzen in Europa mit zwei Zungen zu sprechen: einerseits den "letzten Diktator Europas" in Weißrussland gemeinsam mit allen EU-Mitgliedern zu kritisieren, aber intern auf Behördenebene immer dann, wenn es den litauischen Regierenden gerade passt, wunderbar zu kooperieren.
Weitere Infos zur Wahl:
Zentrale Wahlkommission Litauen