Wahrscheinlich ist es nicht richtig, "Gerücht" mit "Riechen" in Verbindung zu bringen. Nun geht aber dieses "Geriech" durch die Presse, das litauische Außenministerium höchstselbst habe ein eigenes "Litauen"-Parfum erfinden lassen, um das Ausland positiver auf das baltische Land zu stimmen. Es soll auch schon höchstamtlich verteilt worden sein: mindestens an die in Vilnius ansässigen Botschafter fremder Länder. Mindestens einige Journalisten müssen wohl auch gnädig bedacht worden sein - denn wie könnten sie sonst beschreiben, was sie nicht riechen können?
Nun gut, auch Lettland hat schon mal an sämtliche Teilnehmer eines NATO-Gipfeltreffens gestrickte Handschuhe verteilen lassen - wohl als Versuch interkultureller Kommunikation. Wäre es nun also zum Beispiel Fruchtwein aus Anykšiai oder Käse aus Rokiškis gewesen, es hätte als "typisch litauisch" gelten können. Aber Parfum?
Schauen wir uns zunächst mal die - ja wohl beabsichtigten - Pressereaktionen an. Die BZ in Berlin packt die Meldung unter "Vermischtes": hier wird eine "Mischung aus Sandel- und Zedernholz, Moschus und Wiesenblumen" er-rochen und gleichzeitig behauptet, auch die litauischen Soldaten in Afghanistan hätten schon daran geschnuppert. Ein Männerparfum also? Oder liefen im litauischen Außenministerium einfach zu viele schlecht riechende Männer herum? Wer nicht glaubt, dass in Litauen Parfums zuallererst den Männern geschenkt werden, kann auch im Blog von Matthias nachlesen, der sein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) in einem Kinderdorf im litauischen Marijampolė ableistet, und die Übergabe von Weihnachtsgeschenken dort so beschreibt: "Die Kinder haben sich sehr über die Geschenke gefreut. Jedes Kind bekam ein Handtuch, ein Buch, die Mädchen jeweils einen Drogerie-Gutschein und die Jungs ein Parfum." Aha, bei den Mädchen muss man also Angst haben, Stress bei Übergabe eines falschen Geschenks zu bekommen - und gibt lieber einen Gutschein. Nun, liebes Ministerium: ein Gutschein für alle gutwilligen Litauer wäre doch auch eine Idee gewesen ...
Dem FOCUS riecht das litauische Nationalparfum vor allem nach Moschus, und das Blatt will auch wissen dass dem Duft "eine schwach-duftende Erinnerung an die Holzfeuer früherer heidnischer Rituale" beigemengt wurde. Na Glückwunsch! Mag sich da mancher denken - wenn schon der Winter so kalt ist, dann wenigstens riecht es nach Feuer. Sollte es dagegen eher nach so etwas wie verbranntem Holz riechen, könnten auch ganz andere Assoziationen wach werden.
Bei der Financial Times (wie riechen eigentlich Finanz-Journalisten?) tröpfelt gar ein wenig Neid durch. Deutschland könne sich da etwas abschauen, heißt es da zunächst (denn in Deutschland rieche es eher nach "Leitzordnern, Sauerkraut und Autobahnen"). Schon die Beschreibung dieses neuen Duftes klinge "aufregender als alles, was man bisher mit Litauen assoziiert hat". Eine Konsequenz schnuppern die Finanz-Geteimten bereits am Horizont: "Die immer noch verbreitete Verwechslung mit Lettland dürfte bald der Vergangenheit angehören, weil niemand die Letten riechen kann."
Auch die TAUNUS ZEITUNG inspiriert das litauische Duftgerücht zu einer Vorstellung, wie ein "deutsches Parfum" denn vielleicht riechen könnte: "Laubwald, Bratkartoffeln, Autoabgasen, blauer Blume und Weltuntergangs-Angstschweiß". Im Google-Forum "Baltics" glaubt man zunächst an einen Aprilscherz im Januar, um dann ein interessantes Details aufzudecken: 1000 Fläschchen des Parfums seien für Kosten von 28.900 Euro in Frankreich produziert worden - komplett finanziert von der Kosmetikindustrie. Ein offenbar willkommener Sponsor litauischer Außenpoltik.
Bis zu BALTIC-COURSE dagegen, mit Redaktion in Riga, scheinen die Parfumproben nicht vorgedrungen zu sein. Eine dort arbeitende litauische Journalistin musste die Nachricht der neuseeländischen Presse entnehmen, bevor sie die Geschichte recherchieren konnte und - wie einige andere - nun einen Bericht bei DIENA.LT zitieren. Dort spricht der Creation-Master himself, Mindaugas Stongvilas. Und siehe da, auch in Australien hat sich die Kunde seiner Genialität schon herumgesprochen: auf der Seite des Telekommunikations-Konzerns OPTUS wird Stongvilas als "Experte für emotionale Kommunikation" bezeichnet - leider ohne Vergleich, wie man sich einen Australien-Geruch" vorstellen würde. Auch die DAILY TIMES aus Pakistan berichtet ohne Geruchsvergleich: die Idee bei der Schaffung des Parfums sei, so steht es hier zu lesen, auch den "indo-europäischen Urspung der litauischen Sprache" symbolisieren. Riechen ohne Sprechen scheint in Pakistan wohl undenkbar.
Es sei eine Idee gewesen, übrig geblieben von den Ideen zur Kulturhauptstadt Vilnius, gibt Stongvilas bei DIENA.LT zu. Das Sandelholz solle speziell an Litauisch als vom Sanskrit herkommende Sprache symbolisieren, meint Stongvilas. Warum das gerade in Pakistan nicht so richtig verstanden wurde, erklärt er leider nicht. Der litauische Hotel- und Gaststättenverband hat bereits zugestimmt, den "Litauen-Duft" ("Lietuvos kvapas") bald vertreiben zu wollen. Kommt an Flughäfen nun die Geruchsprobe? WC-Lufterfrischer mit "Litauen-Duft" wird es immerhin keine geben, so lassen die Erfinder verlautbaren.
Nun denken die Herren doch tatsächlich über eine "Frauen-Variante" dieses neu geschaffenen Dufts nach. Lietuvos Rytas legt schließlich offen, dass für den "Litauen-Geruch" 120 verschiedene Essenzen benutzt worden seien. Einzigartig? In der litauischen Presse verrät Duft-Erfinder Stongvilas dann noch, dass er eigentlich Physiker sei, der an der Universität Vilnius angestellt sei. Ein Hobby-Duftologe also, und ein Außenminsterium, dass sich für Marketingkampagnen der Kosmetikindustrie kostenlos zur Verfügung stellt - oder hat "mann" sich da mehr patriotischen Idealismus vorgestellt?
Was sagen die Litauer dazu? In den Internetportalen sind Kommentare wie diese zu lesen: "Sorgt für ein menschenwürdiges Leben im eigenen Land, dann braucht ihr auch das Image Litauens im Ausland nicht überzuparfümieren ..."
Andere finden den Geruch des Meeres einfach schöner, und für Litauen typischer. Und wieder andere fordern, nun auch ein Parfum "Schlacht bei Grundwald (Tannenberg)" herauszugeben. Nun, wie wär's - geben wir eine Sammelbestellung auf? Mein Freund, Sie riechen heute wieder so eigenartig - waren Sie etwa wieder in der Litauischen Botschaft?
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