Karolis Spinkis zog im Alter von 12 Jahren mit seiner Mutter von Litauen nach Deutschland. Inzwischen, 7 Jahre später, hat er einige seiner Erlebnisse und Erinnerungen zwischen beiden Ländern mit seiner eigenen Videokamera aufgearbeitet.
Zur Jahreswende stand - wie für viele Litauerinnen und Litauer - eine Reise zurück nach Litauen auf dem Programm. Für Karolis diesmal zusammen mit einem Filmteam. - Zurück in der Heimat als Arbeitsaufenthalt: Weggehen und Bleiben, Rückkehr und Hoffnung - ein Film soll helfen, diese Themen verständlicher zu machen in Litauen und in Deutschland.
Hier Auszüge einiger frischer Eindrücke, die Karolis in Litauen aufgeschrieben hat:
„Der Anlass, diesen Film zu machen, zeigte mir eine neue Art von Heimatbesuch.
Es war eine Reise zu meinen Spuren und ich bin froh, dass ich sie bereits jetzt machen durfte. Ohne diesen Film hätte ich mich nicht gefragt, wo mein Zuhause ist, ob ich Litauen oder Deutschland als Heimat empfinde, oder wie wichtig die eigene Herkunft überhaupt ist. Womöglich hätte ich mich zu spät aufgerafft, mich auf die Suche zu machen. Der Dreh machte mir bewusst, wie viele Fragen in Wirklichkeit noch unbeantwortet sind und wie wenig ich von meinem Land weiß. Es war eine Bildungsreise, die ich auch bewusst als solche hinnahm. Nein, keine Bücher, keine Stadtführer brachten mir meine Heimat näher. Nach wie vor weiß ich von der Geschichte des Landes wenig. Die besten Lehrer waren Menschen, die ich traf. Als Einzelne und in der Summe zeigten sie mir, wie die Lage in meinem Land heute ist.“
Und weiter:
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„Eine Woche vor der Expedition ging der kleine Karolis durch litauische Medien. Eine der größten litauischen Zeitungen „Respublika“ veröffentlichte einen Artikel über mich und unser Vorhaben. Noch am selben Tag erhielt ich einen Anruf von TV3, einem litauischen, kommerziellen Fernsehsender. Sie planten eine Sendung zum Thema Emigration, wo sie mich herzlich als Gast in die Talkrunde eingeladen haben. Die Sendung heißt „Kodėl?“ (dt. „Warum?“), da wird den Tatsachen auf den Grund gegangen. Die äußerst penetrante Moderatorin gilt bei vielen in Litauen als angesehen, denn sie schafft es, aus den „falschen“ Politikern immer die Wahrheit auszuquetschen. Wahrheit hin oder her - ich saß da. Zwei Stunden dauerte die Aufzeichnung der Sendung. Ich saß und saß und niemand wollte mit mir reden. Anscheinend sollte ich selbst die Initiative ergreifen und mich der heißen Diskussionsrunde anschließen, Problem war nur, ich verstand nichts. Es lag nicht an der Sprache, Litauisch verstehe ich wunderbar, doch was und wie sie geredet haben, verstand ich nicht. Reich und arm, gut und böse saßen sich gegenüber, Moderatorin hetzte die Parteien aufeinander, ließ niemanden ausreden. Ich wusste nicht, ob ich lachen oder mir die Augen zuhalten soll oder einfach nur aufstehen und gehen. Sie haben sich angeschrien, beinah die Köpfe eingeschlagen. Sinn der Sendung sollte sein, das Emigrationsproblem Litauens auszudiskutieren und wie ich unterschwellig mitbekommen habe, Emigranten zurück ins Land zu rufen. Weder das Eine, noch das Andere gelang. Problem blieb weiterhin ungelöst und ich muss mich an dieser Stelle entschuldigen, dass ich in der Sendung nichts gesagt habe. Erst zwei Tage später fiel mir folgender Satz ein, den ich hätte anbringen müssen: „Wenn ein ausgewanderter Litauer Euch sieht, wie ihr Euch gegenseitig beschimpft und zu Obst macht, denke ich nicht, dass er nur ansatzweise darüber nachdenkt, zurückzukommen. Ich würde es nämlich nicht tun.“ Ein dramatischer Abgang im Anschluss wäre beeindruckend gewesen. Doch schade, verpennt. Fernsehen auf tiefstem Niveau. Sorry.“
(aus „von Weggehen und Bleiben, von Rückkehr und Hoffnung“)
mehr davon ist zu lesen auf Karolis' Webseite
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