31 Dezember 2005

Litauische Pfifferlinge im Test

Ein litauisches Erfolgsprodukt auf dem deutschen Markt scheinen die Pfifferlinge zu sein. Schon seit Jahren steigt der Export nach Deutschland immer weiter an. Als "Pilzparadiese" sind die baltischen Staaten sowieso bekannt, aber während Touristen sich meist wegen fehlender Kenntnisse nicht so richtig in litauische Flur und Wälder trauen, sind die Händler umso erfolgreicher. Pfifferlinge sind in Deutschland im Vorkommen so stark zurückgegangen, dass die kommerzielle Verwertung und der massenhafte Handel damit verboten sind - also gute Chancen für Importeure.

Im September widmete sich "Servicezeit", eine Fernsehsendung des WDR, einmal ganz den Pfifferlingen. 20 verschiedene Warenproben wurden an verschiedenen Stellen in Nordrhein-Westfalen, im Supermarkt und auf Märkten, gekauft und anschließend auf Qualität im Labor getestet. Diese Testergebnisse sind jetzt auch im Internet einsehbar. Diesen Angaben zufolge stammen die meisten der gegenwärtig im deutschen Handel befindlichen Pfifferlinge aus Ländern in Osteuropa (Weißrussland, Polen, Litauen, Russland, Serbien, Ungarn oder Bulgarien).
Insgesamt waren die Tester nicht besonders zufrieden - nur ein Viertel der getesteten Pilze schnitt mit den Noten „gut“ oder „zufrieden stellend“ ab. Der Rest wurde mit Kommentaren bedacht wie „vergammelt“, „matschig“, „klein, schmutzig und uralt“. Die Preise schwankten übrigens sehr stark: von 5,98 Euro pro Kilo bis hinauf zu stolzen 19,80 Euro!
Wildpilzimporte müssen eigentlich an den EU-Grenzen auf Radioaktivität untersucht werden - nicht nur wegen der Sorgen um Nachwirkungen der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl. Die Fernsehtester fanden bei ihren Nachkontrollen hier in einigen Proben deutlich überhöhte Werte - und hier kommen wir zu den Ergebnisse für die Pilze aus Litauen. Auch zwei Warenproben aus Litauen wiesen erhöhte Radioaktivitäts-Werte auf: 170 Bq/kg bei Ware aus einem HIT-Markt in Geldern / Rheinland, und 140 Bq/kg bei Ware aus einem REAL-Markt aus Düsseldorf.
Bessere Bewertungen gab es für litauische Pfifferlinge eines PENNY-Markts aus Düsseldorf (zudem mit 6,58 Euro/kg) sehr preisgünstig, und jeweils für Ware aus einem REWE-Markt und einem ALDI in Köln. Auch die billigeste Warenprobe im Test, in einem GLOBUS-Markt in Köln gekauft, wurde schlecht bewertet, da sie fast schimmelig war, als sie gekauft wurde.

Warum so relativ schlechte Werte? Schaut man sich die Werbung der litauischen Pfifferlings-Großhändler an, wie z.B. EDELVEISAS aus Kaunas, dann müsste eigentlich alles in Ordnung sein: Fotos von sauberen Verpackungsräumen, alles nach den üblichen Hygiene-Standards. Allerdings wird hier auch mit "Importen aus GUS-Staaten" geworben - sind "litauische Pilze" also überhaupt aus Litauen? Bisher hat offensichtlich noch niemand überprüft, ob eine solche Vermutung stimmen könnte.

Ein anderer Grund für schlechte Ware im Handel könnten natürlich auch Mängel bei Transport und Lagerung in Deutschland sein. Immherhin wiesen die meisten Beanstandungen bei denen vom WDR getesteten Pilzen Feuchtigkeitsschäden auf - was sicherlich nicht daran liegt, dass die Ware etwa nass gepflückt würde. Die besten Testergebnisse hatten übrigens Pilze aus Polen, Frankreich und Ungarn. Aber leider wurde nicht mit untersucht, an welchen Stellen der Produktion und des Handels die Schwächen liegen könnten.

2004 gab es auch beim SWR-Fernsehen (bzw. ARD) schon mal einen Bericht über Pilze aus Litauen ("der Pilzkönig erobert Europa"). Dort wird es so dargestellt, als ob die Lieferungen von Sammlern direkt nach Deutschland gehen - was ja eigentlich der Frische zu Gute kommen könnte.
Auch die Zeitschrift ÖKOTEST hat im Jahr 2005 Pfifferlinge getestet - in erster Linie auf Radioaktivität. Hier wurden 68 Proben untersucht, wovon zwei Drittel keine wesentliche Belastung aufwiesen. Zum Thema "Litauen" sagt ÖKOTEST: "Generell gilt, dass Pfifferlinge aus Osteuropa etwa Weißrussland wegen des höheren Tschernobyl-Fallouts stärker belastet sein können. Ein Drittel der Pfifferlinge kam aus Litauen, wo offenbar auch Pilze aus Weißrussland gesäubert und verpackt werden."

Also: sind wir so schlau wie zuvor? Vielleicht bringen wir uns doch lieber aus dem Litauen-Urlaub eine schöne Portion frischer, trocken gelagerter Pfifferlinge mit und bereiten sie selbst zu?
Hier zum Schluß noch ein schöner Tipp zum Thema "Pfifferlinge aus Litauen" von einer plattdeutschen Seite des Hamburger Abendblattes: "De lütten Körf dreegt den Stempel "Herkunftsland Litauen". Müch nich weten, wat de Minschen, de de Pfifferlingen dor seukt, för jümehr Arbeit kriegt. Wi loot uns dat good smecken, ober wenn wi se nich wörrn keupen, harrn se sachs gor nix. Ok dat mööt wi bedinken. Keupt un geneet man de kotte Pfifferlingstiet, dormit doot wi liektiedig een godet Wark."

NACHTRAG für 2006:
Aktuelle Hinweise der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein gibt "LexisNevis" (Kv-Lex) wieder. Dort wird auf den möglicherweise langen Transportweg hingewiesen, den Pfifferlinge aus anderen Ländern bereits hinter sich haben könnten; verdorbene Exemplare könnten eine sogenannte "unechte Pilzvergiftung" auslösen. Vergessen wird dabei aber meiner Ansicht nach zu erwähnen, dass der Transportweg aus Litauen ja gar nicht so lang ist (nach Berlin sowieso nicht, und per Fähre nach Rostock oder Sassnitz ...). Allerdings: Wenn die Pfifferlinge gar nicht aus Litauen stammen, sondern nur von einer dortigen Firma aus demübrigen Osteuropa eingeführt wurden zum Weitertransport, dann könnte es doch von Belang sein ...


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27 Dezember 2005

Polen schickt Flugzeuge nach Litauen

Polnische Abfangjäger zu Gast in Litauen
Es gab einmal Zeiten, da hat die stolze Republik Litauen nicht so ohne weiteres polnisches Militär ins eigene Land gelassen - zu früheren Zeiten gab es Streit um die Vorherrschaft polnischen Adels in Litauen, und in der Zwischenkriegszeit 1920-1940 ging es wegen des Gebiets um die heutige litauische Hauptstadt Vilnius lange hin und her.
Dass heute ganz andere Zeiten herrschen, macht unter anderem die NATO möglich. Ab dem 1.Januar 2006 übernimmt Polen für drei Monate das "Air Policing", also die Luftraumüberwachung der baltischen Staaten. Die Sicherung des Luftraums erfolgt seit dem Beitritt der baltischen Staaten vorläufig nach einem Rotationsplan im vierteljährlichen Wechsel durch mehrere NATO-Partnerländer.

Kann Routine gefährlich sein?
Seit jedoch am 15.September 2005, während gerade ein deutsches Kontingent im Rahmen der Luftraumkontrolle in Siauliai / Litauen stationiert war, ein russischer Kampfjet vom Typ Su-27 während einem Übungsflug von St.Petersburg nach Kaliningrad sich über litauischem Gebiet sich "verflog" und abstürzte, sind manche Nerven etwas mehr angespannt als sonst. Damals erregten sich nicht nur die litauischen Medien, und vermuteten hinter den Ereignissen mehr als nur die Verkettung unglücklicher Umstände.
Vier noch aus sowjetischer Produktion stammende MIG-29 sollen die in Litauen stationierten Luftwaffeneinheiten bilden, kündigte Piotr Paszkowski, Sprecher des litauischen Verteidigungsministeriums, gegenüber der Presse an. Die polnischen Einheiten werden 24-Stunden rund um die Uhr einsatzbereit sein. Paszkowski bezeichnete die bereits während vergangener Einsatzzeiträume vorgefallene Ereignisse als "Reihe von Provokationen". Er hoffe, dass sich so etwas während der Zeit des polnischen Einsatzes nicht wiederholen werde, so zitiert ihn "NewsfromRussia". An gleicher Stelle werden auch Ereignisse der jüngsten Zeit aufgezählt, die zwischen Russland und Polen wenig Freude aufkommen ließ: die deutliche polnische Unterstützung Polens für die orangene Revolution in der Ukraine gehört ebenso dazu, wie das russisch-deutsche Geschäft mit der Ostsee-Gaspipeline, dass ohne Konsultation Polens durchgezogen wurde.

Litauisch-polnische Sorgenfalten
Mit sorgenvollen Äusserungen zitiert nun das polnische Auslandsradio Bronisław Komorowski, Politiker der oppositionellen Bürgerplattform, und seit mehreren Wochen Vizemarschall im polnischen Sejm. Er meint sogar, Polen "müsse mit russischen Provokationen rechnen." Komorowski weiter: "Sollten russische Flugzeuge die Lufthoheit der baltischen Republiken Litauen, Lettland und Estland verletzen, bliebe den polnischen Abfangjägern nichts übrig, als energisch zu reagieren." So solle "die Geschlossenheit der NATO-Länder demonstriert werden". Aber was stellt sich ein polnischer Oppositionspolitiker unter solch einer "energischen Reaktion" wohl vor? Es bleiben Fragezeichen, und es ist wohl anzunehmen, dass hinter diesen starken Worten nichts als die Hoffnung steckt, alles möge während der dreimonatigen Einsatzperiode bei den nördlichen Nachbarn ruhig bleiben.

Da lohnt vielleicht ein Blick auf die neuesten Äusserungen des Generalstabschefs der Streitkräfte Russlands, Armeegeneral Juri Balujewski, die sowohl vom Internetportal "Russland.ru", wie auch von RIA NOWOSTI ausführlich zitiert werden. "Russland bereitet sich nicht auf Kriege vor", steht da zu lesen (einerseits beruhigend, aber andererseits sind wohl die Kriege ausgenommen, die Russland bereits führt - wie in Tschetschenien ...). Bei Balujewski heisst es so: "Wir werden uns auf die Verteidigung des eigenen Territoriums vorbereiten, nicht aber auf einen Krieg auf fremdem Territorium." Zugleich wandte sich Balujewski gegen Versuche der USA und einiger anderer Länder, die innenpolitische Situation in GUS-Staaten zu verändern. "Wir können unseren amerikanischen Kollegen nicht zustimmen, wenn die innenpolitische Situation in einigen Ländern infolge von 'samtenen' oder sonstigen 'bunten' Revolutionen geändert wird." Und weiter: Auch Russland habe das Recht, seine Interessen im postsowjetischen Raum zu verteidigen. Womit wir wieder bei der Definition des sogenannten "postsowjetischen Raums" wären - genügend russisch-national gesinnte Duma-Abgeordnete rechnen hier auch die baltischen Staaten noch dazu.

General Balujewski ging auch auf den Absturz des SU-27-Kampfjets in Litauen ein. Danach habe es Forderungen gegeben, Kaliningrad völlig zu entmilitarisieren. "Das wird die russische Führung nie akzeptieren", erteilte er solchen Thesen eine klare Absage. Weiterhin urteilte er über den NATO-Beitritt der baltischen Staaten, dieser habe sich negativ auf die Sicherheit in der baltischen Region ausgewirkt. "Diese Länder versuchen, das Potenzial der Allianz für die Lösung eigener Probleme auszunutzen." Nähere Beispiele nannte er aber nicht. Vielleicht stecken aber auch die ständig wiederholten russischen Versuche dahinter, die baltischen Staaten wegen angeblicher Benachteiligung russischer Bürger in ihren Staaten unter Druck zu setzen. Diese Versuche haben nach dem Beitritt Estlands, Lettlands und Litauens zu NATO und EU, und den klaren Stellungnahmen vieler Gremien der EU und des Europarats dazu (den russischen Behauptungen entgegen tretend) klar an Kraft und Argumenten verloren.

Und worüber schreiben die russischen Agenturen, wenn es um die NATO im Baltikum geht? Von angeblich zu befürchtenden "russischen Provokationen" ist da natürlich nicht die Rede. "NATO-Soldaten in Litauen schon wieder in Schlägereien verwickelt", titelt am 28.11. RIA NOVOSTI. Dort macht man sich die Mühe, Berichte aus der litauischen Teitung RESPUBLIKA zu zitieren, nach denen Amerikaner (dunkler Hautfarbe) sich nach einem feuchtfröhlichen Erntedankfest in einem Nachtclub in Siauliai mit einem litauischen Türsteher angelegt haben sollen. Es folgte eine ausgiebige Schlägerei. Angeblich ging es darum, wer Getränke und die Stripshow bezahlen sollte. "Hoffentlich hat das keinen rassistischen Hintergrund", wird der Chef des amerikanischen Kontingents, Joseph Locke, zitiert. Da stimmt wieder die ideologische Brille. Was ist schon von Litauen zu erwarten? Wahrscheinlich Rassismus (um das böse Wort mit F mal ausnahmsweise nicht direkt zu erwähnen). Wie schön, dass es auch eine "Yellow Press" der NATO gibt ....