Manchmal traut man sich kaum, Litauerinnen oder Litauer zu fragen, wie denn das Leben so sei in ihrem Land – zu präsent sind die Nöte, ausreichend gut bezahlte Arbeit zu finden, nicht auf unbefristete Wanderschaft durch halb Europa gehen zu müssen, um das eigene Einkommen zu sichern. Andere wiederum fürchten sich vor Russland, und Verhältnissen ähnlich wie in der Ukraine. Nicht so Litauens Dichter. Die Literaturwerkstatt Berlin hatte einige von ihnen versammelt im Rahmen des Poesiefestivals 2016, auch mit Blick auf den kommenden litauischen Schwerpunkt bei der Leipziger Buchmesse 2017. So diskutierten also am 9. Juni in der Akademie der Künste in Berlin Eugenijus Ališanka, Laurynas Katkus, Giedrė Kazlauskaitė und Rolandas Rastauskas über Heimat, die Selbsteinschätzung litauischer Schriftsteller und die Schönheit von Vilnius.
Giedrė Kazlauskaitė wiederum definierte ihren privaten Ausgangspunkt als von ihrem Stadtteil in Vilnius bestimmt, wo relativ viele Polen, Russen und Menschen anderer Herkunft lebten. Überhaupt, die Schönheit der litauischen Hauptstadt: Vilnius sei vielleicht wie eine Frau, stellte Rastauskas in den Raum – wer sie einmal geliebt habe, könne sie nie vergessen. Auch ein Satz von Czeslaw Milosz wurde zitiert: die Wolken über Vilnius seien der beste Barock.
Gefragt nach dem Verhältnis zu Polen wurde vieles Positive aufgezählt: Polen als Litauens Fenster zum Westen in der Sowjetzeit, gemeinsame Erfahrungen und Gefühlslagen der sowjetischen Okkupation. Der Hintergrund dafür sei aber nicht die sogenannte „gemeinsamer Geschichte“, betonte Eugenius Ališanka. Er erinnerte auch an das Projekt „Literaturexpress Europa 2000“, das ebenfalls interessante Gespräche u.a. zwischen Litauern und Polen gebracht habe. Für die Berliner Literaturwerkstatt war es damals ein Anfang des intensiven Austausches auch mit Litauen (100 Autoren aus 43 europäischen Ländern reisten per Eisenbahn durch Europa). DIE ZEIT notierte damals in Vilnius „Kneipengespräche“, der „Tagesspiegel“ fünf Programme und Schnee auf dem Hotelfernseher, „Freitag“ bemerkte „Free Jazz am Hauptbahnhof“ (was auch Thomas Wohlfahrt als erfrischendste Erinnerung an Vilnius notierte).
Nein, ein geringes Selbstbewußtsein hätten die litauischen Poeten nie gehabt, meinten die Podiumsteilnehmer/innen übereinstimmend. Im Gegenteil: in den zurückliegenden Jahrzehnten seien litauische Dichter immer ziemlich von sich überzeugt gewesen, so dass man vielleicht sogar sagen könne, sie hätten etwas auf andere herabgeschaut. Nun ja, ein hohes Image genießen Schriftsteller in Litauen tatsächlich. Jeder Litauer ein Poet? Nun ja, gibt Laurynas Katkus auf Nachfrage lächelnd zu – vielleicht heute nur noch jeder zweite. Die Literaturwerkstatt Berlin kündigte bis zur Leipziger Buchmesse 2017 noch mehr litauisch-deutsche Projekte an.
Performance Arkady Gotesman + Rolandas Rastauskas
Lietuva - haben Sie das EU-Mitglied Litauen schon einmal kennengelernt? Ein Land mit wunderschönen Naturlandschaften, einer eigenen Sprache mit großer Tradition, und vielfältigen Kulturzeugnissen. Wir möchten auf dieser Seite zur kritschen Diskussion beitragen über aktuelle Themen Litauens, und gleichzeitig für mehr Verständnis für die litauische Perspektive werben.
14 Juni 2016
01 Juni 2016
Litauen ganz baltisch - in Venedig
Die Idee Litauen mit Estland und Lettland gemeinsam zu repräsentieren wird derzeit bei der BIENNALE in VENEDIG verwirklicht, die am 28. Mai eröffnet wurde. Seit der EXPO 2000 in Hannover, einer der ersten Präsentationen der baltischen Staaten im Ausland nach wiedererrungener Unabhängigkeit, war man an das "traute Nebeneinander" gewohnt: auf der Suche nach Aufmerksamkeit, am besten aber für sich selbst. Während Estland sich gerne zu den nordischen Ländern sortiert, und Litauen und Lettland gegenseitige Verwechslung in der ahnungslosen internationalen Öffentlichkeit beklagen (Hauptstadt von Litauen? Riga? Best besuchtes Tourismusziel Lettlands? Die Kurische Nehrung?), haben gemeinsame Projekte Seltenheitswert.
Nun also der "Baltische Pavillion", auf insgesamt 1600m². Die baltischen Staaten als "gemeinsamer Raum der Ideen" - so interpretiert es Litauen. Von "kürzlich aufgetretenen geopolitischen Entwicklungen rund um die baltischen Staaten" redet die Presseerklärung des litauischen Kulturministeriums, und einer sich daraus ergebenden "Dringlichkeit der Zusammenarbeit". Das schwingen im Hintergrund Stichworte wie "Krim" und "Ukraine" mit - aber konkret angesprochen wird es an dieser Stelle nicht.
Was blieb von bisherigen litauischen BIENNALE-Beiträgen? Aus Sicht der deutschsprachigen Medien fiel dem "Kunstbulletin" schon 2002 der litauische Künstler Deimantas Narkevičius auf, 2007 wusste das ART-Magazin von einer "lobenden Erwähnung" zu berichten; 2009 fiel der litauische Beitrag u.a. dem "Kunstforum" auf. 2011 notierte der "Spiegel" einen Sonderpreis für Litauen, 2013 schrieb die "Vogue" von einer "speziellen Erwähnung" (auch bei 3sat). Dass auch Jonas Mekas schon in Venedig präsent war, muss fast nicht extra erwähnt werden. Das ist - zusammengefasst - doch relativ viel Aufmerksamkeit für Künstler aus einem Land, dass nicht so regelmäßig im Zentrum des Interesses steht. Wer wie Žilvinas Kempinas einmal einen Beitrag in Venedig abgeliefert hat, braucht sich nicht um genug Stoff für alle nachfolgenden Presseberichte zu kümmern (aktuell: "Kulturzeitschrift").
Die bisherigen litauischen Beiträge in Venedig bezogen sich auf den künstlerischen Teil der Biennale. Zur gegenwärtigen Beteiligung auch an der Architektur-Biennale werden aus litauischer Regierungssicht weniger künstlerische als industriepolitische Zielsetzungen in den Vordergrund gestellt. In einem Atemzug werden politische Wunschprojekte vom Flüssiggas-Transportschiff "FSRU Independence" bis zur Schnellbahnstrecke "Rail Baltica" in Verbindung mit dem Venedig-Pavillon gebracht - solche Texte tauchen auch in der Selbstdarstellung des Pavillions wieder auf. - Veröffentlichungen in der lettischen oder estnischen Presse sind fast wortgleich. "Die Ausstellung erzählt nicht davon, was jedes der beteiligten Länder Besonderes hat, sondern von den Gemeinsamkeiten", so zitiert die Zeitschrift "IR" das Team der beteiligten Architekten. Nicht viel anders stellt es das estnische Zentrum für Architektur dar. "Die drei beteiligten Staaten haben im wesentlichen dem Projektteam vertraut", äussert der litauische Kurator Jonas Žukauskas in einem Interview auf "Arterritory", "staatliche Stellen waren mit dem Projekt nicht befasst." Auf litauischer Seite ist die "Stiftung für Architektur" (Archfondas) der Projektträger.Aber auf die Frage nach realen "baltischen" Gemeinsamkeiten fällt Žukauskas vorläufig auch nichts anderes ein, als auf den "Baltischen Weg" zu verweisen - das ist immerhin schon 27 Jahre her. Und er zitiert gleichzeitig den Philosophen Wittgenstein mit den Worten: "Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt." Auf das die drei beteiligten Staaten in Venedig eine gemeinsame Sprache finden mögen ...
Begleitend zur Ausstellung wird ein "Baltischer Atlas" erscheinen, eine Publikation, die Texte aller beteiligten Architekten enthält.
Webseite "the Baltic Pavillion" - Facebookseite1 - Facebookseite2
Nachtrag: ARTSY sieht den "Baltischen Pavillon" als einen der 10 besten in Venedig.
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Das Architektenteam des "Baltischen Pavillions" |
Was blieb von bisherigen litauischen BIENNALE-Beiträgen? Aus Sicht der deutschsprachigen Medien fiel dem "Kunstbulletin" schon 2002 der litauische Künstler Deimantas Narkevičius auf, 2007 wusste das ART-Magazin von einer "lobenden Erwähnung" zu berichten; 2009 fiel der litauische Beitrag u.a. dem "Kunstforum" auf. 2011 notierte der "Spiegel" einen Sonderpreis für Litauen, 2013 schrieb die "Vogue" von einer "speziellen Erwähnung" (auch bei 3sat). Dass auch Jonas Mekas schon in Venedig präsent war, muss fast nicht extra erwähnt werden. Das ist - zusammengefasst - doch relativ viel Aufmerksamkeit für Künstler aus einem Land, dass nicht so regelmäßig im Zentrum des Interesses steht. Wer wie Žilvinas Kempinas einmal einen Beitrag in Venedig abgeliefert hat, braucht sich nicht um genug Stoff für alle nachfolgenden Presseberichte zu kümmern (aktuell: "Kulturzeitschrift").
Die bisherigen litauischen Beiträge in Venedig bezogen sich auf den künstlerischen Teil der Biennale. Zur gegenwärtigen Beteiligung auch an der Architektur-Biennale werden aus litauischer Regierungssicht weniger künstlerische als industriepolitische Zielsetzungen in den Vordergrund gestellt. In einem Atemzug werden politische Wunschprojekte vom Flüssiggas-Transportschiff "FSRU Independence" bis zur Schnellbahnstrecke "Rail Baltica" in Verbindung mit dem Venedig-Pavillon gebracht - solche Texte tauchen auch in der Selbstdarstellung des Pavillions wieder auf. - Veröffentlichungen in der lettischen oder estnischen Presse sind fast wortgleich. "Die Ausstellung erzählt nicht davon, was jedes der beteiligten Länder Besonderes hat, sondern von den Gemeinsamkeiten", so zitiert die Zeitschrift "IR" das Team der beteiligten Architekten. Nicht viel anders stellt es das estnische Zentrum für Architektur dar. "Die drei beteiligten Staaten haben im wesentlichen dem Projektteam vertraut", äussert der litauische Kurator Jonas Žukauskas in einem Interview auf "Arterritory", "staatliche Stellen waren mit dem Projekt nicht befasst." Auf litauischer Seite ist die "Stiftung für Architektur" (Archfondas) der Projektträger.Aber auf die Frage nach realen "baltischen" Gemeinsamkeiten fällt Žukauskas vorläufig auch nichts anderes ein, als auf den "Baltischen Weg" zu verweisen - das ist immerhin schon 27 Jahre her. Und er zitiert gleichzeitig den Philosophen Wittgenstein mit den Worten: "Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt." Auf das die drei beteiligten Staaten in Venedig eine gemeinsame Sprache finden mögen ...
Begleitend zur Ausstellung wird ein "Baltischer Atlas" erscheinen, eine Publikation, die Texte aller beteiligten Architekten enthält.
Webseite "the Baltic Pavillion" - Facebookseite1 - Facebookseite2
Nachtrag: ARTSY sieht den "Baltischen Pavillon" als einen der 10 besten in Venedig.
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