09 Dezember 2009

Litauischer Abend - ohne Sportlerkrone

Litauens favorisierte Sportart ist landesweit immer noch mit weitem Abstand Basketball. Aber als am vergangenen Samstag die Mannschafts-Weltmeister- schaften der Lateinamerikanischen Tänze in Bremen stattfanden, da konzentrierte sich das Interesse vieler litauischer Sportfans ausnahmesweise mal auf die norddeutsche Hansestadt. Denn obwohl auch das Formationstanzen durchaus als "litauischer Nationalsport" angesehen werden kann - dank der vielen Erfolge der Mannschaft von ŽUVĖDAS (dem Klub "Seemöve") aus Klaipėda - haben die Litauer kaum eine Möglichkeit, die Wettkämpfe LIVE vor dem heimischen Bildschirm zu verfolgen. Selbst bei den diesjährigen Europameisterschaften war das so - sie wurden in Litauen ausgetragen, aber wer keine Eintrittskarte ergattern konnte oder wem diese zu teuer war, der konnte den Wettbewerb erst einige Wochen später im litauischen Fernsehen als Aufzeichnung sehen. 

Nun, wie viele litauische Fans am vergangenen Samstag im AWD-Dome in Bremen dabei waren, wissen wir nicht. Immerhin kommen bei Veranstaltungen der Litauische Gemeinschaft in Bremen manchmal über Hundert Litauerinnen und Litauer zusammen. Aber nachdem die deutschen Medien kein Interesse zeigten, auch mal aus diesem besonderen Anlass aus der Perspektive von Litauern zu berichten, die in Bremen lebten, sagten sich die Litauer: "Gut, dann feiern wir aber trotzdem!"

Star des Abends war also nicht die Seemöve aus Klaipeda (die diesmal am Ende auch nur den 2.Platz belegten), sondern die Sängerin und Entertainerin Birutė Dambrauskaitė, die in Bremen am 5.Dezember ein Sonderkonzert gab. Eingeladen hatte die Litauische Gemeinschaft, und alle die dabei waren konnten ein ganz besonderes Konzertereignis.

Dambrauskaite? Fragen, wer das denn genau sei, werden hier wohl nur Nicht-Litauer/innen stellen. Schon eine Warteschlange am Flughafen geriet zum Autogrammmarathon (da Bremen ja eine Flugverbindung nach Kaunas hat). Jahrzehntelange Bühnenerfahrung, Liebe zum Publikum, und mit Gefühl und einer Menge Energie vorgetragene Lieder machen Birutė Dambrauskaitė zu einer der beliebtesten Entertainerin Litauens. Allerdings nicht zu Zeiten der Sowjetunion: da sie auch jiddische und polnische Lieder und Kompositionen bekannter litauischer Künstler aus den 30er Jahren im Programm hat, konnte sie zwar auftreten, aber eine besondere Förderung bekam sie nicht. Nach dem Abschluß der M.K. Čiurlionis Kunstschule, (im Fach Chordirigieren) trat Dambrauskaitė jahrelang im Restaurant "Dainava" in Vilnius auf - sozusagen als "Alleinunterhalterin". Immerhin lernte sie hier den Jazzpianisten Vyacheslav Ganelin kennen und trat mit ihm zusammen auf. 
Weniger bekannt ist heute vielleicht, dass sie auch bereits 1968 eine Hauptrolle in Litauens legendärem Musical "Velnio Nuotaka" (des Teufels Braut) hatte (sie spielte die Ursule - siehe Informationen des Litauischen Filmzentrums). 1969 bekam Dambrauskaitė den "Preis des polnischen Liedes), 1975 wurde sie beim Festival "Vilniaus boskstai" (Türme von Vilnius) ausgezeichnet.

Die eigentliche Karriere der Birutė Dambrauskaitė begann jedoch erst nach der Wende zur Freiheit Litauens. Nun ist sie ständiger Gast in verschiedenen Fernsehshows, spielte in drei weiteren Filmen mit (1997 in „Ar yra Venecija?“ 2001 „ Kurto Weillio  moterys“ 2005 „ Meile ir mirtis Veronoje“), und als kürzlich ein anderer litauischer Sänger, Zilvinas Žvagulis, Konzerte in Dubai(Arabische Emirate) gab, drängte er solange bis auch Dambrauskaitė dort ein Konzert gab. Für Neues, für Experimente ist sie sich also nicht zu schade. Im Gegenteil: ihre Bühnenshow, ihre Professionalität im Gesangsvortrag, und ihre persönliche Präsenz ist so hoch, dass auch des Litauischen Unkundige mitgerissen werden und beeindruckt sind.

Dabei hat Dambrauskaite auch einige persönliche Probleme mit viel Lebensmut überwunden. Jahrelang hatte sie mit Übergewicht und gesundheitlichen Wehwehchen zu kämpfen, ihr geliebter Mann starb vor einigen Jahren. Aber ihre künstlerische Bandbreite ist erstaunlich: 1995 sang sie im Duett mit Opernsänger Virgilius Noreika, scheut sie sich aber bei ihren Konzerten auch nicht, bekannte Schlager zu singen und damit ihr Publikum zu Begeisterungsstürmen mitzureissen. Auch das Blues-Feeling ist ihr keineswegs fremd - so als ob dieses in Litauen erfunden worden sei. Und als Ergebnis ihrer vielen Methamorphosen kennen sie dann wiederum andere auch als "Primadonna der Estrada-Musik".

2007 wurde Dambrauskaite Trägerin des Antanas-Šabaniauskas-Preises (benannt nach einem der berühmtesten litauischen Sänger der 20er und 30er Jahre). Da wagt ihre neu erschienene CD noch zu fragen „Ar pažinot mane?" (Kennen Sie mich?) Diejenigen, die es am 5.Dezember zu ihrem Konzert nach Bremen geschafft hatten, die haben sie kennengelernt. Wahrlich mit Leib und Seele!

Birutė Dambrauskaitė bei "Music.lt"

Über Birutė Dambrauskaitės Buch "Esu, kokia esu" ("Ich bin was ich bin")

Mehr Fotos vom Gastauftritt bei der Litauischen Gemeinschaft in Bremen

Live-Ausschnitt 

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