31 Dezember 2005

Litauische Pfifferlinge im Test

Ein litauisches Erfolgsprodukt auf dem deutschen Markt scheinen die Pfifferlinge zu sein. Schon seit Jahren steigt der Export nach Deutschland immer weiter an. Als "Pilzparadiese" sind die baltischen Staaten sowieso bekannt, aber während Touristen sich meist wegen fehlender Kenntnisse nicht so richtig in litauische Flur und Wälder trauen, sind die Händler umso erfolgreicher. Pfifferlinge sind in Deutschland im Vorkommen so stark zurückgegangen, dass die kommerzielle Verwertung und der massenhafte Handel damit verboten sind - also gute Chancen für Importeure.

Im September widmete sich "Servicezeit", eine Fernsehsendung des WDR, einmal ganz den Pfifferlingen. 20 verschiedene Warenproben wurden an verschiedenen Stellen in Nordrhein-Westfalen, im Supermarkt und auf Märkten, gekauft und anschließend auf Qualität im Labor getestet. Diese Testergebnisse sind jetzt auch im Internet einsehbar. Diesen Angaben zufolge stammen die meisten der gegenwärtig im deutschen Handel befindlichen Pfifferlinge aus Ländern in Osteuropa (Weißrussland, Polen, Litauen, Russland, Serbien, Ungarn oder Bulgarien).
Insgesamt waren die Tester nicht besonders zufrieden - nur ein Viertel der getesteten Pilze schnitt mit den Noten „gut“ oder „zufrieden stellend“ ab. Der Rest wurde mit Kommentaren bedacht wie „vergammelt“, „matschig“, „klein, schmutzig und uralt“. Die Preise schwankten übrigens sehr stark: von 5,98 Euro pro Kilo bis hinauf zu stolzen 19,80 Euro!
Wildpilzimporte müssen eigentlich an den EU-Grenzen auf Radioaktivität untersucht werden - nicht nur wegen der Sorgen um Nachwirkungen der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl. Die Fernsehtester fanden bei ihren Nachkontrollen hier in einigen Proben deutlich überhöhte Werte - und hier kommen wir zu den Ergebnisse für die Pilze aus Litauen. Auch zwei Warenproben aus Litauen wiesen erhöhte Radioaktivitäts-Werte auf: 170 Bq/kg bei Ware aus einem HIT-Markt in Geldern / Rheinland, und 140 Bq/kg bei Ware aus einem REAL-Markt aus Düsseldorf.
Bessere Bewertungen gab es für litauische Pfifferlinge eines PENNY-Markts aus Düsseldorf (zudem mit 6,58 Euro/kg) sehr preisgünstig, und jeweils für Ware aus einem REWE-Markt und einem ALDI in Köln. Auch die billigeste Warenprobe im Test, in einem GLOBUS-Markt in Köln gekauft, wurde schlecht bewertet, da sie fast schimmelig war, als sie gekauft wurde.

Warum so relativ schlechte Werte? Schaut man sich die Werbung der litauischen Pfifferlings-Großhändler an, wie z.B. EDELVEISAS aus Kaunas, dann müsste eigentlich alles in Ordnung sein: Fotos von sauberen Verpackungsräumen, alles nach den üblichen Hygiene-Standards. Allerdings wird hier auch mit "Importen aus GUS-Staaten" geworben - sind "litauische Pilze" also überhaupt aus Litauen? Bisher hat offensichtlich noch niemand überprüft, ob eine solche Vermutung stimmen könnte.

Ein anderer Grund für schlechte Ware im Handel könnten natürlich auch Mängel bei Transport und Lagerung in Deutschland sein. Immherhin wiesen die meisten Beanstandungen bei denen vom WDR getesteten Pilzen Feuchtigkeitsschäden auf - was sicherlich nicht daran liegt, dass die Ware etwa nass gepflückt würde. Die besten Testergebnisse hatten übrigens Pilze aus Polen, Frankreich und Ungarn. Aber leider wurde nicht mit untersucht, an welchen Stellen der Produktion und des Handels die Schwächen liegen könnten.

2004 gab es auch beim SWR-Fernsehen (bzw. ARD) schon mal einen Bericht über Pilze aus Litauen ("der Pilzkönig erobert Europa"). Dort wird es so dargestellt, als ob die Lieferungen von Sammlern direkt nach Deutschland gehen - was ja eigentlich der Frische zu Gute kommen könnte.
Auch die Zeitschrift ÖKOTEST hat im Jahr 2005 Pfifferlinge getestet - in erster Linie auf Radioaktivität. Hier wurden 68 Proben untersucht, wovon zwei Drittel keine wesentliche Belastung aufwiesen. Zum Thema "Litauen" sagt ÖKOTEST: "Generell gilt, dass Pfifferlinge aus Osteuropa etwa Weißrussland wegen des höheren Tschernobyl-Fallouts stärker belastet sein können. Ein Drittel der Pfifferlinge kam aus Litauen, wo offenbar auch Pilze aus Weißrussland gesäubert und verpackt werden."

Also: sind wir so schlau wie zuvor? Vielleicht bringen wir uns doch lieber aus dem Litauen-Urlaub eine schöne Portion frischer, trocken gelagerter Pfifferlinge mit und bereiten sie selbst zu?
Hier zum Schluß noch ein schöner Tipp zum Thema "Pfifferlinge aus Litauen" von einer plattdeutschen Seite des Hamburger Abendblattes: "De lütten Körf dreegt den Stempel "Herkunftsland Litauen". Müch nich weten, wat de Minschen, de de Pfifferlingen dor seukt, för jümehr Arbeit kriegt. Wi loot uns dat good smecken, ober wenn wi se nich wörrn keupen, harrn se sachs gor nix. Ok dat mööt wi bedinken. Keupt un geneet man de kotte Pfifferlingstiet, dormit doot wi liektiedig een godet Wark."

NACHTRAG für 2006:
Aktuelle Hinweise der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein gibt "LexisNevis" (Kv-Lex) wieder. Dort wird auf den möglicherweise langen Transportweg hingewiesen, den Pfifferlinge aus anderen Ländern bereits hinter sich haben könnten; verdorbene Exemplare könnten eine sogenannte "unechte Pilzvergiftung" auslösen. Vergessen wird dabei aber meiner Ansicht nach zu erwähnen, dass der Transportweg aus Litauen ja gar nicht so lang ist (nach Berlin sowieso nicht, und per Fähre nach Rostock oder Sassnitz ...). Allerdings: Wenn die Pfifferlinge gar nicht aus Litauen stammen, sondern nur von einer dortigen Firma aus demübrigen Osteuropa eingeführt wurden zum Weitertransport, dann könnte es doch von Belang sein ...


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27 Dezember 2005

Polen schickt Flugzeuge nach Litauen

Polnische Abfangjäger zu Gast in Litauen
Es gab einmal Zeiten, da hat die stolze Republik Litauen nicht so ohne weiteres polnisches Militär ins eigene Land gelassen - zu früheren Zeiten gab es Streit um die Vorherrschaft polnischen Adels in Litauen, und in der Zwischenkriegszeit 1920-1940 ging es wegen des Gebiets um die heutige litauische Hauptstadt Vilnius lange hin und her.
Dass heute ganz andere Zeiten herrschen, macht unter anderem die NATO möglich. Ab dem 1.Januar 2006 übernimmt Polen für drei Monate das "Air Policing", also die Luftraumüberwachung der baltischen Staaten. Die Sicherung des Luftraums erfolgt seit dem Beitritt der baltischen Staaten vorläufig nach einem Rotationsplan im vierteljährlichen Wechsel durch mehrere NATO-Partnerländer.

Kann Routine gefährlich sein?
Seit jedoch am 15.September 2005, während gerade ein deutsches Kontingent im Rahmen der Luftraumkontrolle in Siauliai / Litauen stationiert war, ein russischer Kampfjet vom Typ Su-27 während einem Übungsflug von St.Petersburg nach Kaliningrad sich über litauischem Gebiet sich "verflog" und abstürzte, sind manche Nerven etwas mehr angespannt als sonst. Damals erregten sich nicht nur die litauischen Medien, und vermuteten hinter den Ereignissen mehr als nur die Verkettung unglücklicher Umstände.
Vier noch aus sowjetischer Produktion stammende MIG-29 sollen die in Litauen stationierten Luftwaffeneinheiten bilden, kündigte Piotr Paszkowski, Sprecher des litauischen Verteidigungsministeriums, gegenüber der Presse an. Die polnischen Einheiten werden 24-Stunden rund um die Uhr einsatzbereit sein. Paszkowski bezeichnete die bereits während vergangener Einsatzzeiträume vorgefallene Ereignisse als "Reihe von Provokationen". Er hoffe, dass sich so etwas während der Zeit des polnischen Einsatzes nicht wiederholen werde, so zitiert ihn "NewsfromRussia". An gleicher Stelle werden auch Ereignisse der jüngsten Zeit aufgezählt, die zwischen Russland und Polen wenig Freude aufkommen ließ: die deutliche polnische Unterstützung Polens für die orangene Revolution in der Ukraine gehört ebenso dazu, wie das russisch-deutsche Geschäft mit der Ostsee-Gaspipeline, dass ohne Konsultation Polens durchgezogen wurde.

Litauisch-polnische Sorgenfalten
Mit sorgenvollen Äusserungen zitiert nun das polnische Auslandsradio Bronisław Komorowski, Politiker der oppositionellen Bürgerplattform, und seit mehreren Wochen Vizemarschall im polnischen Sejm. Er meint sogar, Polen "müsse mit russischen Provokationen rechnen." Komorowski weiter: "Sollten russische Flugzeuge die Lufthoheit der baltischen Republiken Litauen, Lettland und Estland verletzen, bliebe den polnischen Abfangjägern nichts übrig, als energisch zu reagieren." So solle "die Geschlossenheit der NATO-Länder demonstriert werden". Aber was stellt sich ein polnischer Oppositionspolitiker unter solch einer "energischen Reaktion" wohl vor? Es bleiben Fragezeichen, und es ist wohl anzunehmen, dass hinter diesen starken Worten nichts als die Hoffnung steckt, alles möge während der dreimonatigen Einsatzperiode bei den nördlichen Nachbarn ruhig bleiben.

Da lohnt vielleicht ein Blick auf die neuesten Äusserungen des Generalstabschefs der Streitkräfte Russlands, Armeegeneral Juri Balujewski, die sowohl vom Internetportal "Russland.ru", wie auch von RIA NOWOSTI ausführlich zitiert werden. "Russland bereitet sich nicht auf Kriege vor", steht da zu lesen (einerseits beruhigend, aber andererseits sind wohl die Kriege ausgenommen, die Russland bereits führt - wie in Tschetschenien ...). Bei Balujewski heisst es so: "Wir werden uns auf die Verteidigung des eigenen Territoriums vorbereiten, nicht aber auf einen Krieg auf fremdem Territorium." Zugleich wandte sich Balujewski gegen Versuche der USA und einiger anderer Länder, die innenpolitische Situation in GUS-Staaten zu verändern. "Wir können unseren amerikanischen Kollegen nicht zustimmen, wenn die innenpolitische Situation in einigen Ländern infolge von 'samtenen' oder sonstigen 'bunten' Revolutionen geändert wird." Und weiter: Auch Russland habe das Recht, seine Interessen im postsowjetischen Raum zu verteidigen. Womit wir wieder bei der Definition des sogenannten "postsowjetischen Raums" wären - genügend russisch-national gesinnte Duma-Abgeordnete rechnen hier auch die baltischen Staaten noch dazu.

General Balujewski ging auch auf den Absturz des SU-27-Kampfjets in Litauen ein. Danach habe es Forderungen gegeben, Kaliningrad völlig zu entmilitarisieren. "Das wird die russische Führung nie akzeptieren", erteilte er solchen Thesen eine klare Absage. Weiterhin urteilte er über den NATO-Beitritt der baltischen Staaten, dieser habe sich negativ auf die Sicherheit in der baltischen Region ausgewirkt. "Diese Länder versuchen, das Potenzial der Allianz für die Lösung eigener Probleme auszunutzen." Nähere Beispiele nannte er aber nicht. Vielleicht stecken aber auch die ständig wiederholten russischen Versuche dahinter, die baltischen Staaten wegen angeblicher Benachteiligung russischer Bürger in ihren Staaten unter Druck zu setzen. Diese Versuche haben nach dem Beitritt Estlands, Lettlands und Litauens zu NATO und EU, und den klaren Stellungnahmen vieler Gremien der EU und des Europarats dazu (den russischen Behauptungen entgegen tretend) klar an Kraft und Argumenten verloren.

Und worüber schreiben die russischen Agenturen, wenn es um die NATO im Baltikum geht? Von angeblich zu befürchtenden "russischen Provokationen" ist da natürlich nicht die Rede. "NATO-Soldaten in Litauen schon wieder in Schlägereien verwickelt", titelt am 28.11. RIA NOVOSTI. Dort macht man sich die Mühe, Berichte aus der litauischen Teitung RESPUBLIKA zu zitieren, nach denen Amerikaner (dunkler Hautfarbe) sich nach einem feuchtfröhlichen Erntedankfest in einem Nachtclub in Siauliai mit einem litauischen Türsteher angelegt haben sollen. Es folgte eine ausgiebige Schlägerei. Angeblich ging es darum, wer Getränke und die Stripshow bezahlen sollte. "Hoffentlich hat das keinen rassistischen Hintergrund", wird der Chef des amerikanischen Kontingents, Joseph Locke, zitiert. Da stimmt wieder die ideologische Brille. Was ist schon von Litauen zu erwarten? Wahrscheinlich Rassismus (um das böse Wort mit F mal ausnahmsweise nicht direkt zu erwähnen). Wie schön, dass es auch eine "Yellow Press" der NATO gibt ....

28 November 2005

Und wieder einmal klebt Öl an vielen Stühlen

Regierungschef in Bedrängnis
Der litauische Regierungschef Algirdas Brazauskas (Foto rechts: mit Frau Kristina) kam in den letzten Wochen mehrfach in schwieriges Fahrwasser: Als eine der wichtigsten Aufgaben der Regierung wird immer noch die Regelung des Energiesektors in Litauen angesehen. Die kleinen Scharmützel um die mit der EU vereinbarte Schließung des AKW Ignalina scheinen dabei niemand ersthaft zu beunruhigen, auch wenn Unklarheit zu herrschen scheint, was nach der Schließung passiert - die einen wollen möglichst schnell ein neues AKW bauen, die anderen wollen sogar zum Atomklo Europas werden und bieten die preisgünstige Lagerung von Atommüll nahe der Grenze zu Weissrussland an.

Dringendere Probleme verursacht der beabsichtigte Verkauf von Anteilen am Ölkonzern "Mazeikiu Nafta" (MN). 53,7% wurden vom russischen Ölkonzern YUKOS gehalten - nach Inhaftierung des Konzernchefs Mikhail Khodorkovsky (Foto rechts) in Russland und der Zerschlagung des Konzerns durch den Kreml sollen nun neue Partner das Geschäft sichern. Vor Jahren hatte die litauische Regierung die Mazeikai-Nafta-Anteil, um einen zu großen Einfluß russischer Partner zu vermeiden, an die US-Firma WILLIAMS verkauft - zu unverschämt günstigen Konditionen, wie Kritiker damals meinten. WILLIAMS investierte jedoch entgegen der Hoffnung der Litauer fast nichts in die bestehenden Anlagen und verkaufte später die Anteile an YUKOS. Diese Anteile sind nun noch in den Händen einer niederländischen YUKOS-Tochtergesellschaft. Mazeikiu Nafta ist der größte Steuerzahler des Landes und trägt mit mehr als zehn Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei (Foto links: aus einem Firmenprospekt).
40,66% der MN-Anteile werden noch vom litauischen Staat gehalten. Zum Konzern gehören die einzige Ölraffinerie im Baltikum, Mazeikiai, mit einer Leistung von zwölf Millionen Tonnen Öl pro Jahr, das Exportterminal in Butinge (acht Millionen Tonnen Öl pro Jahr) nahe der litauisch-lettischen Grenze, sowie die Ölpipeline in Birzai. Am 20.Oktober hatte die litauische Regierung grünes Licht gegeben, um Geld zum Rückerwerb der Yukos-Anteile bereitzustellen und diese dann an geeignete Interessenten zu verkaufen. Der wirtschaftliche Wert der bisherigen YUKOS-Anteile wird auf eine Milliarde US-Dollar geschätzt. YUKOS selbst befürchtet laut Pressemeldungen, die Anteile für 800 Millionen US-Dollar verkaufen zu müssen.

Wer in Litauen an Öl denkt, der denkt allerdings auch vor allem einerseits an die schwierige Situation 1990/91, als Russland mit dem Abdrehen der Energieversorgung die litauische Unabhängigkeitsbewegung zu stoppen versuchte. Und in der Folgezeit - wie zum Beispiel während der russischen Wirtschafskrise 1999, als mehrfach die Versorgung der Raffinerie Mazeikiai gestoppt wurde.
Ein anderes Thema ist eigentlich auch die nach wie vor bestehende Umweltbelastung durch die Raffinerie Mazeikiai. Was örtliche Umweltbehörden noch zugeben, wird von regierungsamtlicher Stelle lieber verschwiegen. Jedenfalls spielen unterschiedliche Konzepte der an dem neuerlichen Öl-Deal interessierten Firmenkonsortien wohl gegenwärtig keine Rolle.

Noch gibt es vier seriöse Bieter um die zum Verkauf stehenden Anteile, heisst es in der Presse. Neben "KazMunaiGas" aus Kasastan und "PKN Orlen" aus Polen sind es der russisch-britische Konzern TNK-BP, und LUKoil, Russlands größter Ölproduzent, der sich für diese neuen Investitionen mit seinem US-amerikanischen Partner ConocoPhillips zusammengetan hat. LUKOIL war auch 2004 schon in die Negativschlagzeilen geraten, als trotz Protesten von Umweltschützern und den Umweltministern der Ostseeanrainerstaaten direkt vor dem Naturschutzgebiet der Kurischen Nehrung (22km entfernt), im zu Kaniningrad gehörenden Seegebiet "Kravtsovskoye" (bekannt geworden als D-6), die Ölförderung in der Ostsee begonnen wurde.

Familie Brazauskas - eine Öldynastie?
In die Diskussion geraten sind nun Regierungschef Brazauskas' persönliche Beziehungen zu den LUKOIL-Managern. Anlaß gab seine Frau Kristina Butrimiene-Brazauskiene, die 38% der Anteile am ehemaligen Hotel "Draugyste" (jetzt "Crown Plaza") in Vilnius besitzt. Diskutiert werden nun die Umstände ihres Kaufs, denn frühere Eigentümerin war Ivan Paleichik, Chef von LUKOil-Baltic. Die oppositionelle Konservative Partei im litauischen Parlament wollte nun die Umstände dieses Deals durch eine Untersuchungskommission klären lassen, und befürchtet eine Verquickung von persönlichen und Amtsinteressen bei der Familie Brazauskas. Für die Einrichtung der Kommission kamen bei einer Abstimmung am 10.November aber nicht genügend Stimmen im Parlament zusammen. Zwar stimmten laut Berichten der BALTIC TIMES 55 Abgeordnete für die Einsetzung einer Kommission, 42 dagegen, bei 24 Enthaltungen - das reichte jedoch gemäß der litauischen Gesetze nicht aus.

Derweil lobt Kristina Brazauskiene, zweite Frau des Ministerpräsidenten und inzwischen - wen wundert es - zur Generalmanagerin des Hotel Crown Plaza berufen, die Qualitäten ihres Hotels in einem Hotelprospekt (OTRUM-News): "Es ist eine Ehre für uns, mit der Kette "Crown Plaza" zusammenzuarbeiten, wir habe sehr hart dafür gearbeitet, das zu erreichen."

Gerüchte in der internationalen Presse
Die Situation schlägt auch in der russischsprachigen Presse Wellen. Während KOMMERSANT die Chancen der beiden russischen Bieter noch optimistisch einschätzt, wird bei "RusslandOnline" die Agentur Nowosti zitiert, die eine "Absage Litauens an LUKOIL aus politischen Gründen" voraussieht. NOWOSTI selbst schildert genüßlich die hohen Geldsummen, die bei den politischen Ränkespielen in Litauen dabei im Spiel sind: eine Million Dollar soll Frau Brazauskiene für die Anteile am Crown Plaza Hotel ausgegeben haben.

Seitens der deutschen Presse sorgt sich Hannes Gamillscheg in der FRANKFURTER RUNDSCHAU um den guten Ruf des litauischen Regierungschefs und titelt: "
Der Premier steckt selbst im litauischen Sumpf." Auch Präsident Valdas Adamkus klage, Litauen "stecke in einer Sackgasse", zitiert derselbe Autor in
"Die Presse" aus Österreich, und schreibt weiter: "Präsident Rolandas Paksas und Wirtschaftsminister Viktor Uspaskich hatten schon zurücktreten müssen, weil sie eigene Interessen mit denen des Staates vermengten. Gegen viele andere Politiker gibt es ähnliche Vorwürfe."

Die lettische Tageszeitung DIENA sorgt sich gar um einen möglichen Sturz der gesamten litauischen Regierung. Brazauskas habe auch in einer kürzlichen Fernsehansprache die bestehenden Vorwürfe zur Verquickung seiner Familie in das Ölbusiness nicht ausräumen können, und Aļģimants Salamakins, soziademokratischer Abgeordneter im litauischen Parlament, habe gar den Sturz Brazauskas für möglich erklärt. Und Viktors Uspaskihs, Litauens "Gurkenkönig" und ehemaliger Wirtschaftsminister, habe bereits den Abgang von Brazauskas vorhergesagt, und sich bereit erklärt, dass für diesen Fall seine populistisch orientierte "Arbeitspartei" zu Bildung einer Regierung mit neuen Partnern bereit sei, so DIENA. Aber auch Uspaskich selbst hatte während offizieller Reisen schon versucht, für seine eigenen Firmen Geschäfte anzubahnen, und zudem seine eigenen Hochschulzeugnisse gefälscht, wie auch DER STANDARD richtig bemerkt.

Die BALTIC TIMES berichtet ihrerseits über Konflikte zwischen TRANSNEFT, Russlands staatlicher Monopolgesellschaft zur Betreibung der Ölpipelines, mit "KazMunaiGas" aus Kasastan, die auch beim Deal um "Mazeikiu Nafta" mitbietet. TRANSNEFT habe einen bestehenden 10-Jahres-Vertrag plötzlich gekündigt, was als Zeichen interpretiert wird, den unliebsamen Mitbieter und Konkurrent russicher Firmen ökonomisch unter Druck zu setzen. Premier Brazsauskas habe sich am 16.November bereits besorgt bei der kasachischen Firma erkundigt, ob sie weiterhin die Versorgungssicherheit Litauens garantieren könne - diese habe aber keine Probleme gesehen. Bisher war vorgesehen, dass 12 Millionen Tonnen Öl aus Kasastan nach Litauen im Laufe der nächsten Jahre geliefert werde, so BALTIC TIMES. 1999 war es LUKOIL gewesen, die kasachische Firmen daran gehindert hatten, Öl nach Mazeikiai zu liefern - daher auch die aktuelle Besorgnis.

Wie geht es weiter?
Klar ist bisher nur: die Gerüchteküche kocht noch immer. Am 25.November zitierte REUTERS die Dementis von litauischen Regierungssprechern, Behauptungen in der Presse (u.a. OCNUS-NET, BNS), die beiden russischen Bieter LUKOil und TNK-BP seien jetzt als Käufer ausgeschlossen worden, bestritten. Berichten zufolge waren beide Bieter von den Verhandlungen ausgeschlossen worden. Für diese These konnte weder BNS noch andere aber keine konkrete Belege nennen.
Politische Analysten in Litauen halten nur eines für sicher: der Parteienverdruß wird steigen. "Nun kann man mal wieder der Politik für alles die Schuld gegen, und einfach sagen: das ist ein dreckiges Geschäft," zitiert BALTIC TIMES einen Bericht des litauischen Politikwissenschaftlers Vladimiras Laucius in "Omni Laikas".
BALTIC TIMES titiert ebenfalls Eugenijus Gentvilas, der kürzlich die Union der Liberalen und Zentrumspartei verlassen hatte. "Die Ereignisse der vergangenen Wochen bilden wieder einmal ein gutes Beispiel aus Sicht der jungen Generation in Litauen dafür, wie es die ehemalige kommunistische Nomenklatur auch zu Sowjetzeiten gemacht hat. Sobald jemand in dubiose Geschäfte verwickelt ist, setzen sich einige andere Vertreter der Führungselite zusammen und zeigen sich gegenseitig vergangener Sünden an. Das alleinige Ziel ist dabei, den Eindruck zu erwecken, es lohne sich ncht, etwas zu tun - alle sind gleichermaßen sündenbeladen."

P.S.: Wer sich näher für den Gerichtsprozess in Russland gegen YUKOS und Mihail Khodorkovsky interessiert, kann z.B. die englischsprachige "SupportKhodorkovsky.com" nutzen, die vom US-aerikanischen Washingon aus editiert wird.

20 November 2005

Von Litauen lernen heisst siegen lernen ...

Deutschland schaut auf Bremerhaven. Auf Bremerhaven?? Zumindest Basketball-Deutschland, bisher nur auf NBA-Stars wie Dirk Nowitzki fixiert, blickt im Herbst 2005 erstaunt in Richtung Bremische Hafenstadt. Der 44-jährige, aus Litauen stammende Cheftrainer Sarunas Sakalauskas hat seine Mannschaft, die Eisbären Bremerhaven, in den vergangenen Jahren zunächst zu einer Topmannschaft der 2.Bundesliga gemacht, stieg in die bundesdeutsche erste Liga auf, und steht nun in der laufenden dort auf Platz 2.

"Die Eisbären siegen hoch und stapeln tief" (Schlagzeile auf der Basketball-Fanseite "Schönen-Dunk.de) - so macht die Stadt gerne Schlagzeilen. Selbst die deutsche Haupstadtpresse schreibt vom "Wunder von Bremerhaven". und erklärt die "Eisbären" sogar schon zum Inhaber von "Platz 1"(hinter Alba Berlin). "Sarunas ist ein sehr ruhiger Typ, der alles akribisch analysiert," so zitiert die Presse Andreas Martin, den Bremerhavener Assistenztrainer. Die Presse schaut Chefcoach Sakalauskas nun sehr genau zu, und zitiert auch einfache Aussagen wie: "Alles ist neu und interessant für uns. Deshalb sind wir besonders motiviert. Das hat uns geholfen".(Sportal) "Sakalauskas sieht keinen Grund, das Saisonziel Klassenverbleib zu korrigieren," schreibt Sport1, und fügt hinzu: "Es scheint, als würde die Liga Bremerhaven schneller kennenlernen, als ihr lieb ist." Nach dem 99:69 Erfolg der Eisbären in Braunschweig formulierte NEWSKLICK: "Die Gedanken schwirrten bei den Braunschweigern noch um die Eisbären, die sie mit Haut und Haaren verschlungen hatten."

Bereits seit 2000 arbeitet Sakalauskas in Bremerhaven, nachdem er mit "Lietuvas Rytas" aus Vilnius erfolgreich war und auch die litauische Meisterschaft holte. Heute lebt Sakalauskas mit Frau Ruta und Sohn Juozas in Bremerhaven, und hat 2004 seinen Vertrag auch um 2 Jahre verlängert. Auch das Umfeld der "Eisbären" hat der Coach ein wenig "litauisch sortiert": mit Vidmantas Slapokas ist ein weiterer Litauer für die Fitness und Athletik der Mannschaft zuständig, und natürlich gibt es bei den Eisbären auch litauische Spieler. Audrius Maneikis wurde aus den USA nach Bremerhaven geholt, Edvaldas Jozys kam aus Belgien, und auch Dainius Miliunas ließ sich aus dem litauischen Basketballparadies, wo die Korbjäger spätestens seit dem Gewinn der Europameisterschaft 2004 fast Volkshelden sind, an die Nordsee locken.

Litauen selbst scheint noch nicht so recht bemerkt zu haben, wie erfolgreich ihr Landsmann ist. Die litauische Basketballseite Krepsinis-Net führt Sakalauskas immer noch als 2-Liga-Trainer. Auf der Homepage der Eisbären Bremerhaven dagegen sind schon Spekulationen zu lesen, der Spitzenklub Litauens, Zalgiris Kaunas, wolle Sakalauskas abwerben. Auf Eurobasket.LT werden die litauischen Fans besser bedient: hier verfolgen die litauischen Deutschland-Korrespondenten aufmerksam das deutsche Sportgeschehen. Ein litauisches Infoportal spekuliert sogar über Sakalauskas als zukünftigem Nationaltrainer in Polen.

Bremerhaven gewöhnt sich gerne an die bundesdeutsche Aufmerksamkeit. So musste vor dem Spiel gegen den amtierenden deutschen Meister Bamberg am 20.11. die Anfangszeit von den für die treuen Fans gewohnten 16 Uhr auf 19.20 Uhr verschoben werden, weil der Pay-TV-Fernsehkanal PREMIERE sich für eine Live-Übertragung entschieden hatte.

14 November 2005

Ökolandbau in Litauen: Zielmarke 5%

Neuer Situationsbericht 2005
Mit ihrem neuen Informationsbrief Nr.5/2005 des "Internationalen Zentrums für den ökologischen Landbau Mittel- und Osteuropas e.V" (EkoConnect) mit Sitz in Leipzig wird auch eine Beschreibung der Lage des Ökolandbaus in Litauen vorgelegt.
EkoConnect ist eine gemeinnützige Nonprofit-Organisation und steht für den Austausch von Informationen, Wissen und Erfahrungen sowie für die Begegnung zwischen Menschen und ihren Organisationen in West- und Osteuropa auf dem Gebiet des ökologischen Landbaus.
EkoConnect ist Mitglied der "International Federation of Organic Agriculture Movements" (IFOAM)

Viele Landwirte, wenige Ökos
Entgegen den wohlwollenden Idealisten, die Litauen schon Anfang der 90er Jahre als "ideal für den Ökolandbau" beschreiben wollten ("die kleinen Bauern haben ja kein Geld für Giftspritzen, also wird doch alles sehr ökologisch erzeugt"), liegt 2005 die Zahl der Ökobetriebe immer noch bei nur 2%. In ganz Litauen gibt es bei 3,4 Millionen Einwohnern noch 240.000 landwirtschaftliche Betriebe. Darunter seien auch noch viele Betriebe mit ein bis vier Kühen, die Milch von Hand melken und dann in den nächst größeren Ort bringen würden, so EkoConnect. Das litauische Landwirtschaftsministerium habe im Rahmen eines Entwicklungsplans bis 2006 die Erhöhung des Ökoanteils an der landwirtschaftlichen Nutzfläche auf 5% angepeilt.

Ökobetriebe größer als Konventionelle
Die Durchschnittsgröße aller landwirtschaftlichen Betriebe Litauens liege bei nur 6 ha, so zeigt EkoConnect auf. Die ökologisch bewirtschaftete Fläche sei in Litauen innerhalb des letzten Jahres um 27.434 ha gestiegen und liege zurzeit bei 70.389 ha (2004: 42.955 ha, 2003:23.289 ha - Zahlen EkoConnect)). Diese Fläche wird heute von 1.807 Betrieben bewirtschaftet, das entspricht einer Durchschnittsgröße von knapp 39 ha - mehr als fünf mal so groß wie der Durchschnitt der Konentionellen. Der größte Bio-Betrieb habe, dem Bericht von EkoConnect zufolge, eine Fläche von etwa 700 ha. Während 1997 nur 106 Betriebe ökologisch wirtschafteten, waren es 2003 700 und 2004 bereits 1.178. Besonders stark angestiegen ist die Betriebszahl zwischen 2002 und 2005, hier gab es ein Wachstum der Betriebsanzahl von knapp 60 % pro Jahr.

Hilfe bei der Umstellung
Zur Unterstützung der Umstellung auf Ökolandbau gibt es in Litauen ein Beratungsprogramm der TATULA-Stiftung. Dort gibt es umwelttechnische Beratung und Hilfe bei der Vermarktung von Bioprodukten. TATULA hat in der Zeit von 1993 – 1997 zinslose Darlehen an
umstellungsinteressierte Betriebe vergeben, so berichtet EkoConnect. Seit 1997 fördert ausserdem die litauische Regierung per Gesetz den Ökolandbau durch Direktzahlungen an Biobauern.

Vermarktung muss weiterentwickelt werden
Einheimische Bio-Produkte (meist Gemüse, Brot, Honig, Kräuter) werden zusammen mit einer breiteren Palette ausländischer Bioprodukte größtenteils über die Supermarktfilialen der Ketten „IKI“ und „MAXIMA“ im ganzen Land vermarktet, so berichtet EkoConnect. Es existieren auch noch eine Reihe von Tatulos Spezialläden im Norden Litauens.
Einige größere Betriebe produzieren auch für den Export nach West-Europa z. B. Rindfleisch für
Italien. Die Nachfrage nach einer größeren Bio- Produktpalette ist vorhanden. Bedarf herrsche vor allem nach Bio Weizen von guter Qualität, Obst und Gemüse.
Der Bericht "Ökolandbau in Litauen" ist erhältlich bei:
EkoConnect - Internationales Zentrum für den ökologischen Landbau Mittel- und Osteuropas e.V.
Arndtstraße 11, D-01099 Dresden, Tel. 0351-2066172; Fax: 0351- 2066174.
E-Mail: info@ekoconnect.org Internet: www.ekoconnect.org

27 Oktober 2005

Adamkus steht Schröder auf der (Gas-)Leitung



Was macht eigentlich Gerhard Schröder?
Das fragten sich in dieser Woche einige deutsche Medien.
Noch ist Kanzler Schröder im Amt. Einige hatten ihm gar empfohlen, sich in Litauen mal ein Beispiel zu nehmen, wie ein Regierungschef auch dann in Ruhe weiterregieren kann, wenn er nicht Chef der stärksten Partei im Parlament ist.
Aber Litauen wird wohl nicht das Lieblingsland des nun bald ehemaligen Kanzler-Gerhards werden. Der litauische Präsident Adamkus fand anläßlich seines Staatsbesuchs in Deutschland überraschend deutliche Worte.

Beim neu gewählten Bundestagspräsident Lammert war Adamkus als erster Staatsgast überhaupt zu Gast gewesen. Hier sollen - laut einer Pressemitteilung des Bundestages - eher kulturelle Fragen, die wissenschaftliche Zusammenarbeit, und ein beabsichtigter verstärkter Jugendaustausch die Gesprächsthemen gewesen sein.

Offene Worte
"Russlands langen Schatten" sah die Deutsche Welle über Adamkus' Deutschlandbesuch schweben. Seit der überraschenden Bekanntgabe des Projekts des russischen Gaskonzerns Gazprom und der deutschen Energiekonzerne Eon-Ruhrgas und BASF, eine Gaspipeline auf 1200 km länge durch die Ostsee zu bauen (vom russischen Wyborg bis nach Greifswald), knirscht es vernehmlich in den Beziehungen Deutschlands mit einigen mittelosteuropäischen Staaten. Litauen ist, wie Lettland, die Ukraine oder Polen, sonst traditionelles Transitland für die Gas- und Ölpipelines. "Das es das Projekt gibt, ist gar nicht mal das Problem," so hiess es schon seit Wochen aus Kreisen der Botschaften Estlands, Lettlands und Litauens in Berlin, "aber das man uns vorher nicht einmal informiert oder kontaktiert hat, das ist schon ungewöhnlich." Das Schröder kurzzeitig gar in einer zukünftigen Funktion als "Berater" bei Gazprom im Gespräch gewesen sein soll, verschärft das Misstrauen der Balten eher noch.

Teure deutsch-russische Träume?
Litauens Präsident kann sich also sicher sein, dass ihn eine ganze Reihe der von den deutsch-russischen Sonderabsprachen betroffenen Staaten unterstützen, vielleicht daher die neue Offenheit. Ökologische und ökonomische Bedenken werden ins Feld geführt: Lecks seien unter Wasser schwerer zu entdecken, und der völlige Neubau einer so langen Pipeline werde um ein Vielfaches teurer werden als die Modernisierung bestehender Pipelines z.B. durch Lettland, Litauen und Polen. Adamkus spekulierte gegenüber litauischen Medien offen mit einer geänderten Haltung der neuen Bundesregierung in Berlin: noch seien Änderungen möglich.
Auch Vertreter der Wirtschaft, die mit anderen Gaskonzernen in Osteuropa zusammenarbeiten, hatten in der letzten Zeit bereits Kritik am hohen ökonomischen Risiko der Ostseepipeline gewarnt. "Natürlich ist es nicht gut, wenn wirklich Alternativrouten existieren", so Vertreter der Energiewirtschaft im Handelsblatt.

Adamkus offensiv
"Völlige Unkenntnis nachbarschaftlicher Beziehungen im Streit um die Ostsee-Pipeline" -das bescheinigte, Spiegel-online und DIE WELT zu folge, Adamkus dem deutschen Noch-Bundeskanzler. "In keiner Weise gerechtfertigt" sei diese Kritik, so Schröder zu Adamkus. So etwas nennt man wohl im Diplomaten-Deutsch eine "offene Gesprächsatmosphäre". "Kanzler macht noch Politik", wundert sich denn auch die Berliner Morgenpost. Der litauische Präsident wies - Presseberichten zufolgen - auch auf die Gefahren der noch in der Ostsee lagernden große Mengen Explosivstoffe und Chemikalien, darunter Senfgas, hin. Wenn das bei den Bauarbeiten zufällig berührt werde, könne es auch zu großen ökologischen Schäden kommen. Wolle man diese Stoffe aber alle vorher beseitigen - das treibe ja in jedem Fall die Kosten in die Höhe.

Lieber mit Herrn Köhler - oder später mit Frau Merkel
"Begeistert" habe sich Adamkus dagegen gezeigt von einem "sehr, sehr interessanten" Treffen mit Bundespräsident Horst Köhler (Spiegel-online).
Er habe viel Verständnis dafür geäussert, dass auch kleine Staaten gehört werden müssen. Zwar sei Russland militärisch für Litauen durch die Neuordnung in Europa keine Bedrohung mehr, aber auf dem Gebiet der Wirtschaft sei das durchaus nicht so klar, sagte Adamkus anläßlich einer von der Deutschen Welle organisierten Podiumsdiskussion. Wirklich unsicher fühle man sich aber gegenüber dem vom diktatorisch regierenden Präsdident Lukaschenko beherrschten Weißrussland, mit dem Litauen eine 600km lange Grenze hat. "Wenn du morgens aufwachst, weiß du nie, was in Minsk passiert ist", so wird Adamkus in der WELT zitiert.

Manche Medien - wie die Heidenheimer Zeitung - zählen nun schon die restlichen Tage und Termine ab, die Schröder vor der Wahl einer neuen Kanzlerin noch wahrnimmt. Der litauische Präsident jedenfalls kann sich zuschreiben, anläßlich seines Deutschlandbesuchs ein paar deutliche Worte zu rechten Zeit gesagt zu haben.

09 Oktober 2005

Litauen erleben in Hamburg und Bremen

Lieben Sie Litauen?
Mit diesem Wahlspruch bieten sich Liebhabern und kulturellen Entdeckern im Oktober 2005 vor allem in Hamburg viele Möglichkeiten. Vom 12. -23.Oktober hat die Litauerin Rita Valiukonyte einen bunten Strauss an Angeboten, von Jazz über neue Filme, Literatur bis zur Popmusik zusammengestellt.
Am Dienstag, den 11.Oktober gibt es zunächt in Bremen einen Litauen-Treffpunkt: um 19.00 Uhr eine Lesung mit der litauischen Schritftstellerin Jurga Ivanauskaite (Bild).
Ort: der Historische Schwurgerichtssaal an der Domsheide. Vorgestellt wird der Roman >Placebo<. Veranstalter ist hier "Lietuvos Knygos" mit dem Verein INFOBALT.

Kurz darauf hat in Hamburg Rita Valiukonyte (die als Kulturmanagerin von der Robert Bosch Stiftung gefördert wird) eine breite Zusammenarbeit verschiedener Kultureinrichtungen und Institutionen zustande gebracht:
der Robert Bosch Stiftung, der Kulturbehörde Hamburg, der Botschaft der Republik Litauen, der Behörde für Angelegenheiten der nationalen Minderheiten und Emigranten, und dem Honorarkonsul der Republik Litauen Hans-Friedrich Saure. Ein "heftiger Flirt mit Litauen" - so schrieb es DIE WELT am 6.10. in ihrer Vorankündigung, und auch das HAMBURGER ABENDBLATT empfahl: "Wie man Litauen schnell lieben lernt."

Hier die einzelnen Veranstaltungstermine:

Literaturhaus Hamburg Musikalisch-literarischer Salon
Mi. 12.10, 20.00 Uhr

Zu Gast: der litauische Jazzmusiker und Multi-Instrumentalist Petras Vysniauskas und Klaus Kugel (Schlagzeug). Stephan Benson und Rainer Strecker lesen Texte aus dem Roman Blanchisserie oder Von Mäusen, Moder und Literatursalons, Athena 2004, von Jurgis Kuncinas (1947–2002) und der Geschichtensammlung Friedenstaube. Sieben Vilniusser Geschichten, Athena 2001, von Ricardas Gavelis (1950–2002).

Literaturhaus Hamburg

Lesung mit Jurga Ivanauskaite
Do. 13.10, 20.00 Uhr.
Claudia Sinnig moderiert, Susanne Wolff liest.

Hamburger Handelskammer
Ausstellung 29.09 – 23.11 "Gardens of Memory" – Fotografien von Romualdas Pozerskis
Mo. – Do. 9.00 – 17.00 Uhr, Fr. 9.00 – 16.00

Künstlerhaus FRISE
Fotokünstler Vytautas Michelius-Michelkevicius
15.10 – 30.10.2005

Club LOGO
Konzert der litauischen Band SKAMP
So. 15.10, 21.00 Uhr

Metropolis Kino
Litauische Kinoabende (Eintritt: 6,- € / Bonuskarte für alle vier Kinoabende 16,- €)
Do 20.10.-So 23.10. 2005

Weitere Details finden sich im Internet auf der Seite des Hamburger Literaturhauses oder des Kino Metropolis. Auf einer Infoseite der Hamburger Kulturbehörde ist eine Programmübersicht in PDF-Format einsehbar.

28 September 2005

Russen lachen über deutsche Soldaten?

Das gab es lange nicht mehr: Russen lachen über deutsche Soldaten? So schreibt es jedenfalls DIE ZEIT mit dem Titel "Zwischenfall in Litauen". Am 28.9. zieht nun auch das Hamburger Abendblatt mit einem entsprechenden Beitrag nach.

Wir hatten es ja schon irgendwie geahnt - siehe verschiedene Beiträge auf dieser Seite zum in Litauen viel diskutierten Absturz eines russischen Kampfflugzeugs. Deutschland befand sich aber zum Zeitpunkt des Ereignisses (15.9.05) mitten im Wahlkampf-Fieber.

Wen interessiert denn das auch? Keine Toten, kaum Sachschaden, vermeintlich lediglich ein kleines Scharmützel zwischen russischen und litauischen Diplomaten. Tagelang berichtete die deutsche Presse gar nicht darüber, und die stärkste Schlagzeile in der Woche danach war noch so etwas wie "Absturz weckt alte Ängste" (DPA-Journalist Jakob Lemke in seinem Bericht aus Vilnius).

Dabei hatte noch kurz vorher die deutsche Luftwaffe selbst sich bemüht, die im Rahmen der NATO-Luftüberwachung im Drei-Monats-Rythmus im nordlitauischen Siauliai stationieren "Air-policing" Truppen ausführlich zu loben. "Ebenso wie die zuvor stationierten Luftwaffenkontingente anderer NATO-Mitglieder haben die Deutschen ein gutes Bild abgegeben", so wird in einer Pressemeldung Generalleutnant Martin zitiert, stellvertretender Befehlshaber Alliierte Luftstreitkräfte Europa in Ramstein, der am 24.August in Siauliai zur Inspektion weilte. Das Kommando in Siauliai besteht aus 120 Soldaten verschiedenster Bundeswehr-Einheiten. Unter Führung des Wittmunder Jagdgeschwaders 71 "Richthofen" und dem Jagdgeschwader 74 aus Neuburg an der Donau wird zwischen dem 30. Juni und dem 1.Oktober 2005 der NATO-Auftrag des Air Policing über dem Baltikum wahrgenommen.

Die Russen - selbst von den neu der NATO beigetretenen litauischen Nachbarn wegen unbefugtem Eindringen in den Luftraum des NAchbarn hart kritisiert, "spotten nun über die Deutschen", so DIE ZEIT. Zu vemuten ist, dass dies auch in den gesamten litauischen Medien der Fall war, die sich öffentlich fragten, warum man denn eine NATO-Luftabwehr brauche, wenn die aber gar nicht reagiere in so einem Fall. Minutenlang hatte der russische Jet vom Typ Su-27 über litauischem Gebiet gekreist, bis er dann abstürzte.

DIE ZEIT wie auch Hamburger Abendblatt zitieren Aussagen von Wladimir Michailow, Oberbefehlshaber der russischen Luftwaffe, die er angeblich gegenüber der russischen Zeitung "Kommersant" gesagt haben soll. Zwanzig Minuten habe sich die russische Su-27 über dem Territorium Litauens befunden, ohne daß es jemand bemerkt habe. "Die (deutschen Piloten) haben wohl Bier getrunken", zitierte die Zeitung Michailow.

Das Abendblatt hat aber zur Vorsicht gleich mal beim Bundesverteidigungsministerium nachgefragt. Der dort zuständige Pressesprecher sähe die Lage sehr entspannt, berichtet das Abendblatt. "Ich glaube auch nicht, daß Michailow das so gesagt hat." Der Überführungsflug der russischen Maschine sei schließlich offiziell angemeldet gewesen. "Und wegen eines Notfalls einer Maschine schicken wir doch keine Nato-Abfangjäger los", sagte der Sprecher. Zwei deutsche Maschinen vom Typ Phantom F-4 seien eine halbe Stunde später aufgestiegen, um die Bergung der russischen SU-27 aus der Luft zu unterstützen.

Am Rande sind in dem Beitrag der ZEIT auch andere Details des bisherigen Verlaufs der Unfalluntersuchtung zu lesen. Für die Entschlüsselung des Flugschreibers seien ukrainische Spezialisten hinzugezogen worden. Ob Russland die Trümmer der Maschine zurückbekommt, sei noch offen. Die Nato dürfte aber die Elektronik der Maschine einbehalten, vor allem das hochmoderne Freund-Feind-Erkennungsystem der Russen - so spekuliert DIE ZEIT.

Im litauischen Verteidigungsministerium jedenfalls herrscht immer noch Nervosität. Der litauische Airforce-Chef Jonas Marcinkus musste inzwischen wegen des Vorfalls seinen Hut nehmen. Das in Litauen stationierten deutsche Kontingent hatte noch vor kurzem stolz berichtet: "So wurde für den Litauischen Airchief, Oberst Marcinkus, ein Mitflug in einer Phantom möglich gemacht, der sich so von der Einsatzfähigkeit des Jägers hautnah überzeugen konnte." Dieser "Überblick" hat ihn nun auch nicht geholfen; die deutschen Soldaten jedoch fühlen sich offensichtlich über jede Kritik erhaben. Allerdings soll Marcinkus "eigenmächtige Kontakte" mit russischen Militärs unerhalten haben, um das Unglück zu untersuchen. Seine litauischen Vorgesetzten fühlten sich nicht ausreichend informiert darüber.

Der Pilot der russischen Unglücksmaschine, Valery Troyanov, befindet sich übrigens immer noch in litauischem Gewahrsam. Das Ende der Untersuchungen zögert sich also noch hinaus. Kürzlich wurde auch der Fund radioaktiven Materials in der Nähe der Unglücksmaschine gemeldet, was Spekulationen Raum gibt, der Kampfjet sei vielleicht doch bewaffnet gewesen.

Weitere Überraschungen nicht ausgeschlossen....


23 September 2005

Schröder's Vorbild: Algirdas Brazauskas?

Allmählich haben es auch die deutschen Medien gemerkt. In allen drei baltischen Staaten wird das praktiziert, was Kanzler Schröder in seinem allgemein als "anmaßend" empfundenen Fernsehauftritt am Wahlabend sich in Deutschland gewünscht hatte. Auch der Litauer Algirdas Brazauskas ist Regierungschef, obwohl seine Partei nicht die stärkste Partei oder Fraktion im Parlament ist. Einem Beitrag in DIE WELT vom 22.9. und des österreichischen KURIER (20.9.) folgen nun auch Meldungen des ZDF.

Zitat DIE WELT: "In Litauen wiederum hat der frühere Präsident Algirdas Brazauskas das Amt des Ministerpräsidenten inne, obwohl seine Sozialdemokratische Partei bei den Wahlen im Oktober 2004 mit 20 Sitzen eher kläglich abschnitt. Klarer Wahlsieger war der russischstämmige Millionär Viktor Uspaskich, dessen Arbeitspartei 39 Sitze errang und gemeinsam mit mehreren anderen Parteien ebenfalls an der Regierung beteiligt ist. Die kleineren Parteien in der Regierungskoalition verhinderten jedoch, daß der Populist Uspaskich neuer Ministerpräsident wurde und ermöglichten die erneute Regierungsbildung durch Brazauskas."

Das ZDF fragt, etwas ungläubig: "Ob die Union sich aber von den ehemaligen Sowjetrepubliken beeindrucken lässt?"

Auch wir können weder Schröder noch CDU zuraten - im Gegensatz zum Modell Estland oder Lettland. Denn vielleicht sind die Probleme, mit denen sich die Koalitionspartner von Brazauskas so herumschlagen müssen, doch ein wenig von anderem Kaliber. Viktor Uspaskich, ehemaliger "Gurkenmillionär" (benannt nach den Waren, die er vorwiegend handelte) und bei den letzten litauischen Wahlen Sieger vor Brazauskas, musste kürzlich wegen gefälschter Zeugnisse als Wirtschaftsminister zurücktreten. Aber bei Angie ist doch alles okay, oder?

Statt dessen empfehlen wir Rimas Valeikis, der für verschiedene litauische Zeitungen öfters mal bissige Karikaturen zeichnet. Auch den Ministerpräsidenten Brazauskas nahm er schon öfters aufs Korn. Also, Gerhard, wenn Du's nach dem Modell Brazauskas wagst, vielleicht sieht der Ritt auf dem kranken Pferd Deutschland dann bald so aus:

16 September 2005

Kampfjet-Absturz: Diplomatisches Gerangel

Wird der Absturz des offensichtlich orientierungslosen russischen Kampfflugzeugs in Litauen nach zum diplomatischen Skandal?
Während auch am Tag nach dem Absturz sich deutsche Medien (bis auf zwei Meldungen von NTV) komplett in Schweigen hüllen, bezeichnet die von dem deutschen Journalisten Gisbert Mrozek geführte russische Agentur RUFO (Russland-Forum) inzwischen von einem "Skandal".

(Quelle für Foto rechts: RUFO)

Erstaunliche Details
Gleichzeitig wartete RUFO mit erstaunlichen Details bezüglich des genauen Unfallhergangs auf:
Pilot Major Trojanow sei aus Richtung Ostsee zum Festland in Richtung Kaliningrad geflogen, und habe einige Runden über dem "unbekannten Gebiet" geflogen, um "das Kerosin zu verbrennen" (um größeren Schaden beim Absturz zu vermeiden?). Dann habe er sich per Schleudersitz aus dem Cockpit katapultiert. Das Flugzeug ging auf einem Feld zu Boden, er selbst landete einige Minuten später per Fallschirm. RUFO meint zu wissen, der Pilot habe sich dann per Handy mit seinen Vorgesetzten in Verbindung gesetzt, um diese von dem Unfall in Kenntnis zu setzen - bevor ihn die litauische Polizei festnahm.

Auch RUFO meldet, das Pilot und vor allem der Flugschreiber der Unglücksmaschine solange in Litauen verbleiben sollen, bis die genauen Umstände des Unfallhergangs geklärt seien. Die Agentur bringt aber eine neue Absturzursache ins Spiel, die angeblich von Seiten des russischen Militärs angeführt würde: extrem starke Sonnenwinde in den letzten Tagen seien für die Technikprobleme verantwortlich. Nur so sei zu erklären, dass die vierfach abgesicherten Navigationsgeräte versagten.

Iwanow bietet 3000 Dollar
Der russische Verteidigungsminister Sergej Ivanov versprach der Agentur RUFO zufolge den Litauern bereits Schadenersatz in Höhe von 3.000 USD (2.500 Euro) für das zerstörte Feld zu zahlen. Im Gegenzug fordert er den Piloten und die Black Box mit der Freund-Feind-Kennung zurück.
Auch RUFO schlußfolgert: Noch hat Litauen das Angebot nicht angenommen. Sollte das NATO-Mitglied, den Freund-Feind-Code der Black Box knacken, wäre dies für die russische Luftabwehr eine potentielle Gefahr.

Russisches Kampfflugzeug in Litauen abgestürzt


Nun bekommen die gegenwärtig beim deutschen Air Policing Kontingent in Siauliai / Litauen stationierten Soldaten richtig "was zu tun": Nahe des Dorfes Jotiskis / Bezirk Sakiai stürzte am Donnerstag (15.9.05) ein russisches Jagdflugzeug des Typs Su-27 ab, einigen litauischen Quellen zufolge nach einer Kollision mit einem anderen Flugzeug. Der 37-jährige Pilot Major Valeri Trojanow konnte sich mit dem Schleudersitz retten, und wurde ohne erhebliche Verletzungen ins Krankenhaus von Kaunas eingeliefert. Der litauische Verteidigungsminister Gediminas Kirkilas ging im Rahmen einer Stellungnahme davon aus, dass sich das Flugzeug illegal im litauischen Luftraum befunden habe. Nach litauischen Angaben waren Nato-Kampfjets (deutsche Jagdflugzeuge vom Typ Phantom F4) bereits in Alarmbereitschaft, als der Pilot der Su-27 auf dem Weg von St.Petersburg nach Kaliningrad offenbar die Orientierung verlor, und den neutralen Luftraum über der Ostsee verließ. Deutsche Nato-Kräfte sicherten die Absturzstelle. Die Republik Litauen gehört seit 2004 dem transatlantischen Verteidigungsbündnis NATO an.

(rechts: Foto der litauischen Nachrichtenagentur ELTA von der Absturzstelle)

Der Absturz birgt Raum für Spekulationen. NTV-News meldete noch am gleichen Tag, die russischen Su-27-Jagdflugzeuge seinen "üblicherweise" mit streng geheimer Elektronik, zum Beispiel einer Freund-Feind-Erkennung, ausgestattet. Für die russische Luftwaffe wäre es ein herber Schlag, wenn ihre Elektronik in die Hände der Nato geriete, so spekuliert NTV, und begründet das auch damit, dass nach dem Absturz einer Su-33 vom Flugzeugträger "Admiral Kusnezow" im Atlantik am 5. September die russische Marine erwogen hätte, das Wrack und damit die Elektronik in 1000 Meter Tiefe mit Bomben zu zerstören. Aufregung hatte auch der Diebstahl der Freund-Feind-Erkennung aus einer Su-27 im Fernen Osten Russlands 2002 ausgelöst.

Meldungen der russischen Nachrichtenagentur NOWOSTI zufolge wies der Verteidigungsminister Russlands, Sergej Iwanow, den Befehlshaber der 6. Armee der Luftstreitkräfte und der Luftverteidigungstruppen an, sich mit der litauischen Seite zu verständigen und zum Absturzort zu fliegen, um die Ursachen des Vorfalls zu klären. Vor allem der Flugschreiber der Maschine soll geborgen und gemeinsam von einem litauisch-russischen Team untersucht werden. Glücklicherweise führte der abgestürzte Kampfjet keine Waffen bei sich, und auch am Boden kam es keine Verletzten oder größere Schäden.

Weiterhin meldet NOWOSTI: "Als dem Festgenommenen bei der Polizei Kaffee und medizinische Hilfe angeboten wurden, verzichtete er darauf und sagte, er könne sich über seine Gesundheit nicht beklagen. Nach Meinung der Polizei habe er während der Katastrophe einen starken Schock erlebt."

Ungewöhnlich erscheint es, dass ausser NTV noch keines der sonst so schnellen deutschen Medien bis 24 Stunden nach dem Unglück auch nur eine Zeile über das Unglück geschrieben hatte. Um so wertvoller erscheinen die Infos von NTV - die einzige andere deutschsprachige Infoquelle ist die staatliche russische Propaganda-agentur NOVOSTI.

NTV ergänzte am seine Meldung am 16.9. um die Informationen, welche das estnische Verteidigungsministerium den Vorfall betreffend herausgegeben hat. Estland warf den russischen Fliegern - NTV zufolge - vor, den zivilen Flugverkehr über der Ostsee gefährdet zu haben. Der Flug sei zwar angemeldet und genehmigt gewesen, doch hätten die Russen die Transponder für die Positionsmeldungen ausgeschaltet gehabt, teilte das Verteidigungsministerium in Tallinn mit.

14 September 2005

Euro noch nicht eingeführt - schon gefälscht

Deutsch-litauische Falschgeld-bekämpfung
Der Nord-Osten Europas hat sich neben dem Balkan zu einem der Brennpunkte bei der Herstellung falscher Euro-Banknoten entwickelt - so eine Pressemeldung des Bundeskriminalamtes (BKA) vom 12. September 2005.
Anlaß für diese Feststellung ist das Ergebnis einer großangelegten Durchsuchungsaktion: Bei einem erfolgreichen Schlag gegen Falschgeldhersteller konnten in Litauen im November 2004 und im März 2005 zwei Falschgelddruckereien ausgehoben, die Täter festgenommen sowie große Mengen Euro-Falsifikate sichergestellt werden.

Hier wollen deutsche und litauische Kriminalbehörden jetzt gemeinam noch mehr tun: vom 12.-15.September 2005 war das Bundeskriminalamt (BKA) Mit-Ausrichter der Konferenz "Euro Nord-Ost", bei der Sicherheitsbehörden aus Estland, Litauen, Deutschland, Lettland, Finnland, Norwegen, Russland, Schweden, den USA und Weißrussland in Vilnius/Litauen zusammentrafen. Thema war die bessere Bekämpfung der Falschgeldkriminalität, die Konferenz wurde mit Mitteln der EU-Kommission gefördert. Anwesend waren auch hochrangige Vertreter der internationalen Institutionen Interpol, Europol, der Europäischen Zentralbank, von Eurojust und der Europäischen Kommission (OLAF).

Nach Meinung des BKA können im Zusammenwirken mit Justiz und Zentralbanken die Strafverfolgungsbehörden so den international agierenden Fälscherbanden künftig noch effektiver begegnen. Neben verschiedenen Fachvorträgen u. a. zum Stand der polizeilichen Falschgeldbekämpfung in Litauen sowie zu den Vorbereitungen Litauens auf die Euro-Einführung bildete ein speziellen Workshops der Grundstein für die Schaffung fortschrittlicher Strukturen bei der Falschgeldbekämpfung in Europa. Eröffnet wurde die Konferenz wird durch den Premierminister Litauens, Algirdas Brazauskas.
Weitere Infos:Bundeskriminalamt Telefon: 0611-551 2331Fax: 0611-551 2323.

03 September 2005

Litauer wandern aus - Arbeit finden, Steuern sparen

Die 80er Jahre waren schwierig - niemand glaubte ernsthaft an die Wiedererlangung der Unabhängigkeit, und wer dem Sowjetsystem nicht passte, wurde kalt gestellt.
Die 90er Jahre waren fast noch schwieriger - der Umbruch musste nach der ersten Euphorie erst einmal geschafft werden, und wer nicht gerade mit Trendy-Produkten gute Geschäfte macht, gehört schnell zu den Verlierern.
Erst im neuen Jahrtausend geht es in Litauen langsam aufwärts.

Ein Teil der Bevölkerung scheint die Konsequenzen jedoch bereits gezogen zu haben. Seit 1991 haben etwa 300.000 Menschen Litauen den Rücken gekehrt - das sind immerhin etwa genauso viele Menschen wie Kaunas Einwohner hat (in einem Land mit 3,4 Millionen Einwohnern). Diese Zahlen nennt die Journalistin Milda Seputyte in einem Beitrag für die
BALTIC TIMES. Ihrer Einschätzung nach habe jetzt aber das Thema wieder politische Kreise erreicht, denn bisher sei wenig getan worden, um eine Auswanderung in diesem Ausmaß zu verhindern.

"Ich bin beschämt, denn weder meine Partei noch unsere Regierung hat sehr viel dafür getan, dass Litauer in Litauen gut und in Ehren leben können", gibt sich Audronius Azubalis, Parlamentsabgeordneter der Konservativen Partei, selbstkritisch. Azubalis war kürzlich gemeinsam mit seinem Parlamentskollegen Gintaras Steponavicius (Liberale Zentrumspartei) Teilnehmer eines Kongresses der Litauischen Gemeinde in Irland - diese zählt inzwischen 100.000 Mitglieder. "Die Atmosphäre hier in Dublin fühlt sich schon recht Litauisch an, es ist, als ob die 100.000 Landsleute alle hier leben", äussert sich Steponavicius.

In einer schriftlichen Ansprache an die Dubliner Kongreßteilnehmer äusserte sich der Chef der Konservativen Partei Litauens, Andrius Kubilius, besorgt, das Land könne seine talentiertesten Mitbürger verlieren, die nie wieder nach Hause zurückkommen und deren Kinder dann nicht einmal mehr Litauisch sprechen werden.

Auf dem Dubliner Kongreß diskutiert wurden zum Beispiel Steuerprobleme. "Lieblingsländer" für ein "Arbeitsexil" sind für die Litauer neben Irland und Großbritannien auch Spanien. Die Einkommenssteuer betrage dort nur etwa 20% - wenn aber die Litauer in ihr Heimatland zurückkehrten, seien sie gezwungen, den Rest der Steuern (etwa 13%) nachzuversteuern. Ergänzend dazu sei das steuerfreie Mindesteinkommen in Irland etwa 25.000 Litas - in Litauen selbst aber nur 4.000 Litas. Wer nach Hause kommt, muss auch hier nachversteuern. Abgeschreckt davon, würden sehr viele entweder ihr wahres Einkommen verheimlichen, oder eben die Rückkehr nach Litauen hinauszögern.

Steponavicius sagte dazu, das litauische Finanzministerium bereite gegenwärtig eine Gesetzesänderung vor. Demzufolge soll es demnächst möglich sein, dass eine Doppelbesteuerung nach der Rückkehr ausgeschlossen wird, falls bereits vorher im Gastland Steuern gezahlt wurden. Stepanavicius äusserte die Hoffnung, dass dieses neue Gesetz bereits am 1.1.2006 in Kraft treten könne.

Bisher überqueren eine Menge Litauer mit großen Summen Bargeld die Grenzen, wenn sie auf Reisen gehen. Nicht nur die litauischen Banken - die natürlich für ihre eigenen Bankdienste werben wollen, hoffen, dass dies bald anders wird.

16 August 2005

Litauen - Basketball-Weltmeister!


Es ist "nur" der Titel der U-21-Weltmeisterschaft (Teilnehmer unter 21 Jahren), aber in Litauen wird diese gewonnene Weltmeisterschaft enthusiastisch gefeiert! Spärlich sickern die Nachrichten aus dem Veranstalterland Argentinien durch, daher auch hier noch einmal eine Zusammenfassung (Foto: ELTA).
Im Endspiel der U-21-Basketball-Weltmeisterschaft besiegte die Nationalmannschaft Litauens am 13.August 2005 die Mannschaft Griechenlands knapp mit 65:63. Es war der erste Sieg einer europäischen Mannschaft bei den U-21-Mannschaften. Für Litauen war es der erste Weltmeistertitel im Basketball! Gleichzeitig ein schöner Beweis, dass der litauische Basketball-Nachwuchs von hervorragender Qualität ist.
Zum Helden des Spiels wurde Renaldas Seibutis, der beim Stande von 63:63 kurz vor Schluß (4,8 sec vor der Schlußsirene!) die entscheidenden Punkte per Strafwurf erzielte.

Seibutis wurde auch ins All-Star-Team der besten Spieler des Turniers gewählt, zusammen mit Yotam Halperin aus Israel, den beiden Griechen Konstantinos Vasileiadis und Loukas Mavrokefalidis, sowie dem Kanadier Levon Kendall.

Die Abschluß-Rangliste sieht folgendermaßen aus:
1. Litauen,
2. Griechenland
3. Kanada
4. Australien
5. USA
6. Argentinien
7. Puerto Rico
8. Slowenien
9. Nigeria
10. Israel
11. China
12. Iran

Das Spiel um Platz 3 hatte Kanada 79:74 gegen Australien gewonnen. Die höher eingeschätzten USA belegten nach einem klaren 111:85 gegen Argentinien nur Platz 5, nachdem sie gegen Kanada im Viertelfinale in der Verlängerung verloren hatten. Die Griechen hatten Kanada dann 71:64 im Halbfinale besiegt, während Litauen 96:73 gegen Australien gewann, und so ins Finale einzog.

Wer sich für Basketball in Litauen interessiert, kann folgende Links nutzen:
Eurobasket - Litauen (englisch), mit Übersicht zu litauischer erster und zweiter Liga, inklusive vieler weiterer Links
Infoseite der FIBA (europäischer Basketballverband), hier sind Neuigkeiten in englischer Sprache länderweise sortiert
Basketballschule von Šarunas Marčiulionis (nur Litauisch)
Litauischer Basketballverband (lit./engl.)
Litauische Frauen-Basketball-Liga (engl.)
Basketballklub Žalgiris Kaunas (engl./lit.)
Basketballklub Lietuvos Rytas (lit./engl.)

Adresse des litauischen Basketballverbands: Birzelio 23-osios Str.5, 03206 Vilnius.
Tel.: +370 (5) 2133256, Fax: +370 (5) 2163589; Email: office@lbbf.lt

Nachstehend, für alle Litauisch-Kundigen, die Originalmeldung der litauischen Nachrichtenagentur ELTA zum Basketball-Feiertag Litauens:

Jaunimas – Pasaulio čempionai!
Lietuvos jaunimo (iki 21 m.) vaikinų krepšinio rinktinė tapo Pasaulio čempionais. Argentinoje pasibaigusiame Pasaulio čempionate mūsų komandai neprilygo nei vienas varžovas: ketvirtfinalyje lietuviai 76:63 nugalėjo čempionato šeimininkus argentiniečius, pusfinalyje 96:73 palaužė australus ir taip atsirevanšavo jiems už pralaimėjimą praeito Pasaulio čempionato finale, o rungtynėse dėl pirmos vietos 65:63 išplėšė pergalę prieš Graikijos komandą.
Dramatiškai vykusiame finale nei viena komanda neturėjo apčiuopiamesnės persvaros. Paskutinę rungtynių akimirką rezultatas buvo lygus – 63:63, o kamuolį valdė Lietuvos krepšininkai. Prieš pat nuskambant ketvirto kėlinuko sirenai graikai prasižengė prieš Renaldą Seibutį, kuris pataikė abu baudos metimus jau pasibaigus rungtynių laikui ir taip išplėšė Lietuvos komandai pergalę.
Paklaustas kaip jautiesi mesdamas svarbiausias savo gyvenime baudos metimus, Renaldas Seibutis pasakė: „Tai buvo labai svarbi mano gyvenimo akimirka, bet taip pat ir mano komandos ir jos trenerių."
„Tai buvo sunkios, gynybinio pobūdžio rungtynės. Mūsų metikams nelabai sekėsi. Puolimas kiek strigo dėl labai kietos graikų gynybos. Bet dabar tai nepakartojamas jausmas mūsų komandai!" – po rungtynių pasakė Lietuvos jaunimo rinktinės vyr.treneris Ramūnas Butautas.
Kalbėdamas apie Rendaldą Seibutį, Lietuvos rinktinės treneris Rimas Kurtinaitis pasakė: „Aš labai džiaugiuosi už jį. Šiandien jis įrodė, jog yra dydis žaidėjas, labai stiprus psichologiškai. Jo pečius slėgė didžiulė atsakomybė, kai jis metė tuos baudos metimus, bet jis viską atliko šaltakraujiškai."
Renaldas Seibutis buvo pripažintas čempionato naudingiausiu žaidėju. Jis taip pat buvo išrinktas į simbolinį čempionato penketuką.
Pasaulio čempionato geriausių žaidėjų penketas:
Renaldas Seibutis (Lietuva)Yotam Halperin (Izraelis)Konstantinos Vasileiadis (Graikija)Levon Kendall (Kanada)Loukas Mavrokefalidis (Graikija)
Galutinė komandų rikiuotė:
1. Lietuva2. Graikija3. Kanada4. Australija5. JAV6. Argentina7. Puerto Rikas8. Slovenija9. Nigerija10. Izraelis11. Kinija12. Iranas


31 Juli 2005

INFOBALT-Newsletter August 2005

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Wirtschaftsminister erschwindelt sich die Schulzeugnisse
Wieder einmal gibt es irritierende Schlagzeilen in den litauischen Medien. Mit Gurken machte der russisch-stämmige Victor Uspaskich ein Vermögen, seine kurz vor den letzten Parlamentswahlen neu gegründete "Arbeitspartei" landete einen Erdrutschsieg, und so war ein Ministerposten für ihn unvermeidbar. Nach nur ein paar Monaten ministraler Amtzeit trat er nun im Juni bereits zurück - und seine Partei, die 38 der insgesamt 80 Sitze (von insgesamt 141) der Regierungskoalition im Parlament innehat, überlegt aus der Regierung auszutreten.
Eine litauische Boulevardzeitung hatte vor einigen Wochen gemeldet, die Angaben von Uspachkich, 1993 die Moskauer Plekhanov Academie für Wirtschaftswissenschaften abgeschlossen zu haben, seien unrichtig. Entsprechende zeugniskopien seien schlicht gefälscht. Und in der Liste der Studierenden der entsprechenden Studienjahrgänge habe man seinen Namen vergeblich gesucht.
Mitte Juli trat Uspachkich noch einmal im Fernsehen auf, um neue, angeblich die echten Zeugniskopien einer Moskauer Akademie der litauischen Öffentlichkeit vorzulegen. Doch seine politische Glaubwürdigkeit hat er wohl verloren.


Grabenkämpfe um Kaliningrad
Staatspräsident Adamkus hat nicht nur diese Sorgen. Der russische Präsident Putin lud nach Kaliningrad ein, zur Feier des 750-jähirgen Städtebegurtstags einer Stadt, die einmal Königsberg hiess, und heute als sorgenreichstes Nachbarland Litauens gilt. Zu den Feierlichkeiten wurden aber weder der litauische noch der polnische Präsident eingeladen.
Die "Retourkutsche" ist dabei offensichtlich. So schreibt der kürzlich neu gegründete deutschsprachige Dienst der russischen Agentur NOWOSTI in einer Meldung: "Der Präsident von Litauen, Valdas Adamkus, hatte es abgelehnt, zu den Feierlichkeiten aus Anlass des 60. Jahrestages des Sieges nach Moskau zu kommen."
Unangenehm für Adamkus aber, dass es da noch eine Frau Prunkiene gab, in unruhigen Wendezeiten mal Litauens Regierungschefin, 2004 noch knapp an Adamkus bei der Wahl ums höchste Staatsamt gescheitert, heute in der Regierung Litauens wieder Ministerin. Sie war in Kaliningrad dabei. Ihre Stellungnahme zu ihrer umstrittenen Reise klingt ein klein wenig ironisch: sie habe zu keinem Zeitpunkt, als heutige Landwirtschaftsministerin, die Kompetenzen des litauischen Aussenministers und des Staatspräsidenten berührt oder in Frage gestellt, schreibt sie der Agentur BNS.


Deutsche Rechtsradikale kaufen deutsch - denkste!
Nach dem die deutsche NPD zunächst Aufsehen damit erregt hatte, die eigene Parteizeitung "Deutsche Stimme" nicht etwa in Deutschland in Auftrag zu geben, sondern billig in Polen drucken zu lassen, hat man nun reagiert. Die neue Lösung sieht aber ganz ähnlich aus: Die Zeitung wird nun aus Vilnius eingeflogen.

07 Juni 2005

Störche in Litauen - demnächst aus ihren Nestern verscheucht?


Storchenfamilien hatten bisher in Litauen ihre Ruhe - nun soll alles anders werden. Angeblich verursachen sie mit ihren Nestern Störungen der Stromversorgung.

Das Bocholt-Borkener Volksblatt (online-Ausgabe vom 7.Juni 2005) macht sich Sorgen um litauische Störche. Wo liegt Bocholt, werden Sie vielleicht fragen? Egal - aber dass es in Litauen viele Störche gibt, dass Storchennester zum gewohnten Bild auf dem Lande gehören, das wissen auch immer mehr Deutsche. Litauen entwickelt sich zum Urlaubsland, und Gäste aus Deutschland schätzen dort vielfach das, was in der Heimat leider schon als verloren gelten muss.

Mit Hilfe von größeren Geldsummen, die angeblich von der EU gezahlt werden - so meldet es die Bocholter Presse - sollen Störche in Litauen nun von Strommasten auf andere, künstlich errichtete Nester umgesiedelt werden. Allerdings sind es keine litauischen Naturschützer, die auf diese "bahnbrechende" Idee gekommen sind, sondern litauische Stromversorger (wie könnte es anders sein?). Das genannte "Volksblatt" (für das Bocholt-Borkener Volk?) zitiert seinerseits Darius Nedzinskas, Direktor des für West-Litauen zuständigen Stromversorgers Vakaru Skirstomieji Tinklai. Geht es nach dessen Wünschen (und wurde er korrekt zitiert!), dann soll der Umzug aller litauischen Störche, weg von den Strommasten, insgesamt rund 5 Millionen Euro kosten. Wer soll das bezahlen? Für jede der für die "Ansiedlung" vorgesehene Metallplattform werden 400 Euro veranschlagt. Bezahlen soll es die EU - so wünscht es sich die litauische Stromindustrie. Ob diese nicht ein bischen mit Geld allzu sehr verwöhnt wurde, weil die EU ja schon riesige Summen für die Schließung des maroden AKWs Ignalina ausgibt?

Nedszinskas hat mit den Kosten angeblich kein Problem. Schließlich seien die natürlich gebauten Nester bis zu 400 kg schwer, und verursachten starke Abnutzungen, bis hin zu Kurzschlüssen.
Schützenhilfe erhält Nedzinskas angeblich von Laimutis Budrys vom Umweltministerium in Vilnius. "Der weiße Storch steht in Europa unter strengstem Schutz. Die EU sollte uns helfen, das Storchennestproblem zu beseitigen," so wird Budrys zitiert. Sein Ministerium will das Seine tun, dem Problem beizukommen: den Stromfirmen angeblich "beim Ausfüllen der Formulare für Brüssel" helfen.

Na, wenn es aber nur daran liegen würde! Bisher nehmen die Störche nämlich die "großzügig" erteilten Wohnungsangebote gar nicht an. Sie verschmähen sie einfach!
Liebe litauische EU-Bürokraten: vielleicht überlegt ihr lieber mal, wie ihr das litauische Leitungsnetz modernisieren könnt, und überlasst eure schönen, alten Leitungsmasten ganz den Störchen??

22 April 2005

Tourismus & Umwelt

Litauen - Atomare Zone, statt Urlaubsland?

Ignalina - lange Jahre hatte dieser nord-östliche litauische Ort Probleme mit dem Image. Im Gegensatz zu weltbekannten Naturlandschaften wie der Kurischen Nehrung kommen die Touristen nur sehr zögernd in diese Gegend. "Ein Imageproblem", beklagen die örtlichen Tourismusmanager.

Der Name des Ortes ist identisch mit dem von vielen Experten als hochgefährlich eingestuften Atomkraftwerk in Litauen, gegen dessen Bau in den 80er Jahren litauische Umweltschützer nur teilweise erfolgreich demonstriert hatten. Es ist baugleich mit dem AKW Tschernobyl, und daher war die garantierte Demontage eine Bedingung der Europäischen Union für den Beitritt Litauens zur EU.Jetzt werden also Hunderte von Millionen Euro von der EU ausgegeben, um Ignalina Stufe für Stufe abzureissen.
Dieser Prozess wird noch viele Jahre andauern, und die litauischen Politiker waren erfolgreich genug, um sich die EU-Gelder garantieren zu lassen. Auch Strukturhilfen für die Region Ignalina Fließen inzwischen in Millionenhöhe. - Doch schon basteln einflußreiche Kreise nun nicht etwa an Alternativen, Energie auf umweltfreundlichere Art und Weise herstellen zu können, sondern - an einem Neubau eines AKW!
Dabei ist eines klar: die kleinen Länder Litauen, Lettland, Estland, können solch teure Anlagen nicht selbst bauen. Anfang April 2005 trafen sich daher der litauische Wirtschaftsminister Victor Uspaskich und sein lettischer Kollege Krišjāņis Kariņš in Vilnius, um Kooperationsmöglichkeiten der drei baltischen Staaten zu diskutieren. Einen "runden Tisch" mit Vertretern aus allen drei Ländern wolle man einrichten, ist in einer Pressemitteilung der Nachrichtenagenturen LETA und ELTA zu lesen. Wer nun aber beim Stichwort "runder Tisch" etwa an "demokratische Bürgerbeteiligung" denken könnte, sollte wissen, dass wohl eher das Gegenteil gemeint ist. Es wird wohl eher auf mehr oder wenige geheime Absprachen der großen Energiekonzerne hinauslaufen. Gerüchte weisen auf die massiven Investitionsinteressen der französischen Atomindustrie hin.
Deutsche Energiekonzerne werden wohl sehnsüchtig ein Abdanken von Rot-Grün herbeisehnen, um gleichartige Bestrebungen dann offener (und möglicherweise mit Unterstützung von Geldern der deutschen Steuerzahler) durchsetzen zu können.
Die beiden erwähnten Wirtschaftsminister bringen ihre Pläne in engen Zusammenhang mit der Konzeption eines gemeinsamen Energieversorgungsnetzes ("Baltic Ring") im Ostseeraum. 2006 soll ein 350-MW-Kabel zwischen Estland und Finnland fertiggestellt werden. Kosten: 110 Millionen Euro. Interessant dabei, dass ich "Lietuvos Energia" hier mit 27 Millionen Euro an den Investitionskosten beteiligt. Für 2009 plant Litauen den Anschluss seines Energieversorgungsnetzes nach Polen und Schweden. Die 1000-MW-Brücke nach Polen ist mit 434 Millionen Euro Baukosten veranschlagt. Den Löwenanteil davon soll die EU bezahlen - so wünscht es sich der atomfreundliche litauische Wirtschaftsminister.

Deshalb müssen die Atompläne auch vorerst auf "kleiner Flamme" gekocht werden - erst wenn EU-Parlamentarier und Banken ihre Zustimmung ohne große öffentliche Aufmerksamkeit gegeben haben, kann politisch Kapital daraus geschlagen werden. Weitere 400 Millionen Euro sind für die Verbindung der Energienetze Litauens mit Schweden nötig (Projekt "Swindlit").Bereits 2004 werden die ersten Teile des AKW Ignalina geschlossen und abgebaut. 2009 sol der nächste Block geschlossen werden. Schaut man sich aber einmal die Wahlkampfkampagnen litauischer Politiker an (deren Inhalt gewöhnlich kaum über das Land hinaus bekannt wird), dann gaukeln sie eine "billige atomare Eigenversorgung" für Litauen als möglich vor.
Die wahren Interessen der internationalen Atomindustrie werden lieber im Verborgenen gehalten, und mit etwas lokaler Wahlkampf-folklore ("litauische Interessen sichern") wird angeblich Einflussnahme und "Einmischung" aus dem Ausland verhindet. Umweltschutz-Argumente meint man in Litauen noch leicht unter den Tisch kehren zu können, da das Land im Gegensatz zu seinen baltischen Nachbarn nicht einmal eine ernstzunehmende Grüne Partei im politischen Spektrum aufweisen kann. Auch keine andere litauische Partei wagt es bisher, sich des Themas auf ehrlichere Weise anzunehmen.

Wohin lässt sich da Litauen treiben? Will man wirklich die Zukunft des Landes solchen "Polit-Marionetten" überlassen? Auch die Urlauber in Litauen werden ein Wörtchen mitzureden haben. Noch kommen sie vor allem aus Gründen, die mit der gut erhaltenen Natur und den unzerstörten Landschaften zu tun haben. Es ist zu wünschen, dass sie diese Beweggründe auch vor Ort, bei ihren litauischen Gastgebern, lautstark vertreten. Nur so bleibt das Schlagwort von der "gemeinsamen Zukunft Europa" nicht nur Illusion.