18 Juni 2009

Kein Exportschlager: Radioaktives Heizmaterial

Aktuell geht es in dieser Woche in der deutschen Presse bezüglich Litauen um weniger erfreuliche Schlagzeilen. Wieder einmal ist von Radioaktivität die Rede, glücklicherweise nicht von Unfällen in Atomkraftwerken.

Es geht um Holzpellets, also Heizmaterial, dass von Litauen nach Italien exportiert wurde. Mehrere zehntausend Tonnen mussten jetzt in Italien vom Markt genommen werden, da sich bei ihnen eine Belastung mit dem hochgiftigen Cäsium 137 gezeigt hatte. 250 Lastwagenladungen wurden bereits von der italienischen Polizei beschlagnahmt. Gefährlich wird es bei den belasteten Produkten, sobald die Pellets verbrannt werden

Einige Nachrichtenagenturen und -Portale berichten ausführlich dazu (DPA, AFP, N-TV). Produziert worden seien diese Pellets von der Firma Uab Granul Invest im litauischen Alytus. Die Firma gehört zum Konzern STORAENSO, ist eigenen Angaben zufolge der größte Hersteller von Holzpellets in den baltischen Staaten und produziert unter anderem auch noch im estnischen
Imavere und im lettischen Launkalne. Das Gesamtunternehmen möchte gern größter Pellets-Produzent Europas werden - so ist es auf der FirmenWebseite zu lesen. Die Pellets werden offenbar unter dem schön klingenden Namen NATURKRAFT verkauft.

Der deutsche Energiepellet-Verband (DEPV) beeilt sich zu erklären, dass derzeit auf dem deutschen Markt keine Holzpellets aus Litauen verwendet werden (Presseerklärung). Nach Angaben von DEPV-Geschäftsführer Martin Bentele könne der Bedarf nach Holzpellets in Deutschland komplett vom heimischen Markt gedeckt werden. Der Verband hatte vor kurzem erst, gemeinsam mit dem Umweltverband NABU,
ökologische Richtlinien und Mindeststandards für die Produktion dieser Pellets gefordert und gemeinsam mit dem NABU gemeinsame Leilinien dafür vorgeschlagen. Holzpellets werden zumeist aus Holzspäne hergestellt, die in Sägewerken entstehen und dann zu Pellets gepresst werden.

Gerne werden auch Tests zitiert, dass Heizen mit Holzpellets klimaneutral erfolgt, also die Umwelt weniger schädigen als Heizssysteme mit Öl oder Gas (Solarserver).

Wer allerdings Holzpellets aus Litauen beziehen möchte, kann dies sicherlich tun, auch ohne das der Energiepellet-Verband davon Kenntnis haben müsste. Das zeigt auch eine Herstellerliste, die bei FORDAQ und IHB im Internet einsehbar ist - dort sind ganze 61 Hersteller aus Litauen verzeichnet.
Es sind daher auch Warnungen zu lesen, die darauf hinweisen, deutsche Nutzer von Holzpellets könnten ihren Bedarf auch durch Bestellungen im Internet oder bei Ebay decken.

Nun wird spekuliert, woher die Verunreinigung der litauischen Holzpellets mit Caesium 137 kommen kann. Südtirol online zitiert den
Chef der Landesumweltagentur Südtirol, Luigi Minach, mit der Aussage, seiner Meinung stamme das verwendete Holz aus Beständen, die beim Reaktorunglück von Tschernobyl 1986 verseucht worden seien.

Die Zeitschrift "Markt & Trends" veröffentlichte 2007 einen Branchenbericht zum Thema "Holzpellets aus dem Baltikum". Dort wird beschrieben, dass die Hersteller in Litauen wie auch in Lettland nur vom Export leben können (meist verschifft über den Hafen Klaipeda), da der einheimische Markt noch schlecht entwickelt sei (was zur These passt, Litauen habe eigene Anstrengungen im Energiebereich zu lange und zu einseitig nur auf Atomkraft fixiert). Bekannt waren um die Jahrtausendwende, als die Verwendung von Holzpellets in Litauen eingeführt wurde, eher einfache Hackschnitzel aus Holz. "Markt & Trend" damals: "die Länder sind reine Produktionsstandorte für mitunter transnational agierende Großproduzenten." Hier ist auch von Holz die Rede, das aus der Ukraine oder Weißrussland zur Produktion von Pellets nach Litauen eingeführt wird.

In verschiedenen Internetforen wird derzeit diskutiert, was die Konsequenz aus den jetzt aufgedeckten Problemen sei. Ein interessanter Gedankengang ist dabei, dass - wenn schon radioaktiv belastete Hölzer zu Heizmaterial verarbeitet werden - dann sei auch deren Verarbeitung zu Brettern oder Möbeln wahrscheinlich. Also: Augen auf behalten!

Und zum Schluß die Überraschung: Pellets aus Litauen beziehen? Mit ein klein wenig suchen war sogar eine deutschsprachige Seite für die Direktbestellung (eine Firma in Stuttgart) auffindbar. Inklusive eines protzenden Werbefilms, eingestellt bei YouTube. Es gibt sogar einen Blogger (Mürztal), der behauptet, die Verseuchung der Holzpellets sei den litauischen Herstellern sogar bekannt. Na dann: viel Spaß damit!


Infos zum Thema:

Stiftung Warentest

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