26 Juni 2009

Litauische Taufe für deutsche Offshore-Technik

"Wind machen" - beziehungsweise Strom daraus - das ist das erklärte Ziel der BARD Engeneering GmbH mit Sitz in Bremen. Die Region Bremen und Bremerhaven entwickelt derzeit einen Technologieschwerpunkt für die zukünftigen Offshore-Windenergieanlagen, die weit draußen auf dem Meer stehen sollen und den Anteil der Windenergieerzeugung in Deutschland erhöhen sollen.
Um dieses Ziel erreichen zu können, müssen die neuen Anlagen demnächst auf dem offenen Meer installiert und gebaut werden. Dabei soll ein Spezialschiff helfen, dass jetzt im Auftrag der BARD Engeneering in Litauen getauft wurde: Erna Bekker, eine Tochter des BARD-Gesellschafters Dr. Arngolt Bekker, taufte das auf der litauischen Werft "Western Shipyard WSY" (Vakaru Laivu Gamykla) gebaute Schiff auf den Namen „Wind Lift I“ (Abbildung WSY).

Immerhin wurde noch eine Bank gefunden, die einen Kredit für den Bau zur Verfügung stellte (UniKredit, eine italienische Banken-Holding) - das muss in diesen schwierigen Zeiten vielleicht mal betont werden. Es wird aber kaum jemand in Frage stellen, dass Windenergie als Zukunftstechnologie gilt, wo gute Gewinne aus dieser Branche erwartet werden, wenn die nötigen Investititionen und Installationen erstmal erreicht sind und in Betrieb gehen können. Der in Planung befindliche Windpark soll nordwestlich der Insel Borkum entstehen, dafür müssen die einzelnen Anlagen in 30m Tiefe fest verankert werden.

Technische Details zur "Wind Lift 1", entnommen der Presseerklärung der Herstellerfirma: "Das selbst fahrende Kranschiff ist alles in allem fast 104 Meter lang und 36 Meter breit. Die „Wind Lift I“ wiegt rund 7.500 Tonnen wird von vier schwenkbaren Ruderpropellern mit je 1.100 kW Leistung angetrieben. Sie verfügt neben einem Schwerlast- und einem Hilfskran über eine besondere Konstruktion am Heck, mit der die drei bis zu 90 Meter langen Rammrohre der speziellen BARD-Fundamentstruktur exakt positioniert werden können."
Ab August 2009 sollen mit Hilfe des Schiffes bereits vor Borkum die ersten Fundamente gesetzt werden.

Weitere Berichte zum Projekt:
Frankfurter Rundschau

Wirtschaftswoche

Die Welt

Lietuvas Rytas (mit Fotos von der Schiffstaufe!)

DIE ZEIT

Werft "Vakaru Laivu Gamykla"

Stiftung Offshore Windenergie

BARD Engeneering

25 Juni 2009

Bayern spielt in Litauen

Bayern München spielt in Litauen? Mit der besten Mannschaft? Kann das wahr sein? Ja, erstens ist es Tatsache, und zweitens wird es schon in diesem Sommer passieren. Es geht um die Frauen-Fußballmannschaft des FC Bayern München, die in Deutschland Vice-Meister geworden ist und nun eine Qualifikation zur Champions-League bestreiten muss.

Der Fußballverband UEFA hat diese "Frauen-Königinnen-klasse" neu geschaffen (siehe UEFA-Info dazu). Zum Treffen von litauischen und deutschen Fußballerinnen kommt es durch die vom 30.Juli bis 4.August 2009 in Litauen stattfindenden Qualifikationsspiele zur Championsleague. Neben Bayern München als deutschem Vicemeister, den Schottinnen von Glasgow City LFC und dem Frauenteam von Norchi Dinamoeli aus Tblisi in Georgien nehmen aus Litauen die mehrfachen Frauenfußballmeisterinnen von "Gintra Universitetas" aus dem nordlitauischen Šiauliai teil. Auch 2008 war Gintra schon Teilnehmerin dieser Qualifikationsrunde, kam als Gruppenzweiter aber leider nicht weiter (verlor nur gegen das russische Team aus Perm, die es anschließend bis ins Endspiel schafften).

Frauenfußball in Litauen? Viel ist darüber bisher nicht bekannt in Deutschland. Der Club "Gintra Universitetas" immerhin findet sich auf allen gängigen internationalen Fußballseiten (Weltfußball) eine Kurzinfo. "Gintra" ist im nordlitauischen Šiauliai beheimatet, und hat mit Raimonda Kudytė eine der erfahrensten litauischen Fußballspielerinnen in ihren Reihen.
Aber auch Karin Danner vom FCB gibt auf der Vereins-Webseite zu:
"Über den Spielort, die dortigen Verhältnisse sowie die Gegner Gintra und Norchi wissen wir noch sehr wenig."

"Tubukas" - offensichtlich Gintra-Fan - hat im Internet einige Fotos von den Matches der Gintra ins Netz gestellt.
Bei deutschen Sportfreunden der "Netzathleten" dagegen ist von einem "Abenteuer Litauen" zu lesen, als stärkster Gegner für Bayern-Frauen werden hier die Schottinnen aus Glasgow angesehen.

18 Juni 2009

Kein Exportschlager: Radioaktives Heizmaterial

Aktuell geht es in dieser Woche in der deutschen Presse bezüglich Litauen um weniger erfreuliche Schlagzeilen. Wieder einmal ist von Radioaktivität die Rede, glücklicherweise nicht von Unfällen in Atomkraftwerken.

Es geht um Holzpellets, also Heizmaterial, dass von Litauen nach Italien exportiert wurde. Mehrere zehntausend Tonnen mussten jetzt in Italien vom Markt genommen werden, da sich bei ihnen eine Belastung mit dem hochgiftigen Cäsium 137 gezeigt hatte. 250 Lastwagenladungen wurden bereits von der italienischen Polizei beschlagnahmt. Gefährlich wird es bei den belasteten Produkten, sobald die Pellets verbrannt werden

Einige Nachrichtenagenturen und -Portale berichten ausführlich dazu (DPA, AFP, N-TV). Produziert worden seien diese Pellets von der Firma Uab Granul Invest im litauischen Alytus. Die Firma gehört zum Konzern STORAENSO, ist eigenen Angaben zufolge der größte Hersteller von Holzpellets in den baltischen Staaten und produziert unter anderem auch noch im estnischen
Imavere und im lettischen Launkalne. Das Gesamtunternehmen möchte gern größter Pellets-Produzent Europas werden - so ist es auf der FirmenWebseite zu lesen. Die Pellets werden offenbar unter dem schön klingenden Namen NATURKRAFT verkauft.

Der deutsche Energiepellet-Verband (DEPV) beeilt sich zu erklären, dass derzeit auf dem deutschen Markt keine Holzpellets aus Litauen verwendet werden (Presseerklärung). Nach Angaben von DEPV-Geschäftsführer Martin Bentele könne der Bedarf nach Holzpellets in Deutschland komplett vom heimischen Markt gedeckt werden. Der Verband hatte vor kurzem erst, gemeinsam mit dem Umweltverband NABU,
ökologische Richtlinien und Mindeststandards für die Produktion dieser Pellets gefordert und gemeinsam mit dem NABU gemeinsame Leilinien dafür vorgeschlagen. Holzpellets werden zumeist aus Holzspäne hergestellt, die in Sägewerken entstehen und dann zu Pellets gepresst werden.

Gerne werden auch Tests zitiert, dass Heizen mit Holzpellets klimaneutral erfolgt, also die Umwelt weniger schädigen als Heizssysteme mit Öl oder Gas (Solarserver).

Wer allerdings Holzpellets aus Litauen beziehen möchte, kann dies sicherlich tun, auch ohne das der Energiepellet-Verband davon Kenntnis haben müsste. Das zeigt auch eine Herstellerliste, die bei FORDAQ und IHB im Internet einsehbar ist - dort sind ganze 61 Hersteller aus Litauen verzeichnet.
Es sind daher auch Warnungen zu lesen, die darauf hinweisen, deutsche Nutzer von Holzpellets könnten ihren Bedarf auch durch Bestellungen im Internet oder bei Ebay decken.

Nun wird spekuliert, woher die Verunreinigung der litauischen Holzpellets mit Caesium 137 kommen kann. Südtirol online zitiert den
Chef der Landesumweltagentur Südtirol, Luigi Minach, mit der Aussage, seiner Meinung stamme das verwendete Holz aus Beständen, die beim Reaktorunglück von Tschernobyl 1986 verseucht worden seien.

Die Zeitschrift "Markt & Trends" veröffentlichte 2007 einen Branchenbericht zum Thema "Holzpellets aus dem Baltikum". Dort wird beschrieben, dass die Hersteller in Litauen wie auch in Lettland nur vom Export leben können (meist verschifft über den Hafen Klaipeda), da der einheimische Markt noch schlecht entwickelt sei (was zur These passt, Litauen habe eigene Anstrengungen im Energiebereich zu lange und zu einseitig nur auf Atomkraft fixiert). Bekannt waren um die Jahrtausendwende, als die Verwendung von Holzpellets in Litauen eingeführt wurde, eher einfache Hackschnitzel aus Holz. "Markt & Trend" damals: "die Länder sind reine Produktionsstandorte für mitunter transnational agierende Großproduzenten." Hier ist auch von Holz die Rede, das aus der Ukraine oder Weißrussland zur Produktion von Pellets nach Litauen eingeführt wird.

In verschiedenen Internetforen wird derzeit diskutiert, was die Konsequenz aus den jetzt aufgedeckten Problemen sei. Ein interessanter Gedankengang ist dabei, dass - wenn schon radioaktiv belastete Hölzer zu Heizmaterial verarbeitet werden - dann sei auch deren Verarbeitung zu Brettern oder Möbeln wahrscheinlich. Also: Augen auf behalten!

Und zum Schluß die Überraschung: Pellets aus Litauen beziehen? Mit ein klein wenig suchen war sogar eine deutschsprachige Seite für die Direktbestellung (eine Firma in Stuttgart) auffindbar. Inklusive eines protzenden Werbefilms, eingestellt bei YouTube. Es gibt sogar einen Blogger (Mürztal), der behauptet, die Verseuchung der Holzpellets sei den litauischen Herstellern sogar bekannt. Na dann: viel Spaß damit!


Infos zum Thema:

Stiftung Warentest

05 Juni 2009

Wenig Wahlfreude vorab

Nur wenige Litauerinnen und Litauer haben sich im Vorfeld der Europawahlen an der Möglichkeit der Briefwahl vorab beteiligt. Insgesamt seien es (bis zum heutigen Datum) laut Mitteilung der Litauischen Staatlichen Wahlkommission nur 12.778 Personen oder 0,47% der Wahlberechtigen gewesen.
Vielleicht fordern diese Zahlen zum Vergleich mit anderen Ländern auf - zum Beispiel mit Estland (siehe Estland-Blog).
Interessant auch, dass zwar die absolut (also zahlenmäßig) höchsten Beteiligungszahlen aus Vilnius vermeldet werden (2401 Personen), das sind jedoch nur 0,57%. Die prozentual höchsten Zahlen gibt es in Neringa (1,03%) und Anyksciai (1,00%).
In Estland haben - E-Voting und Briefwahl zusammengenommen - bereits 14,3% gewählt! (Zahlen der estn. Wahlkommission). Ist das zu glauben, so krasse Unterschiede? (die Möglichkeit zur Wahl per Internet - also E-Voting - gibt es in Litauen nicht)

Nun warten wir mal ab, wie hoch die Wahlbeteiligung insgesamt sein wird. Die Wahlergebnisse sind dann hier abzurufen.

Liste aller in Litauen zur Wahl stehenden Kandidat/innen
oder hier in englisch

04 Juni 2009

Was machen Sie am Sonntag?

Sigitas Parulskis hat ein Buch geschrieben. Am Sonntag sind auch in Litauen Europawahlen. Was hat beides miteinander zu tun?

Parulskis Buch heißt "Drei Sekunden Himmel" (siehe auch: Baltischer Buchblog), handelt von des Autors eigener Militärzeit, stationiert im Osten Deutschlands, in der damaligen DDR-Region Cottbus.
Parulskis wird vom Verlag auch angekündigt mit dem Satz "Liebe, Gewalt und Sex - ein Roman über alles, was heilig ist". Die Leser können sich auf etwas gefasst machen. Dass Alltag beim Militär kann ganz schön trist aussehen kann, na ja, das war nicht neu. In sofern soll man auch vom Inhalt des Buchs nicht enttäuscht sein.


Allein das Thema scheint interessant. Zum wiederholten Mal wird Parulskis in deutschen Medien ausführlich zu diesem Buch interviewt: am 3.März war es DIE ZEIT, jetzt ist es das Deutschlandradio. Auch diesmal wird wenig gefragt nach den Helden und der Geschichte des Romans, nach Zielen des Autors, dessen Schreibstil oder bestimmten Textstellen.
Eine Frage sticht heraus - ganz im Sinne des Themas dieser Woche (alle deutschen Medien scheinen sich kurzfristig doch mal was zu "Europa" zu überlegen, und so den Eindruck wiederlegen zu wollen, die Medien würden sich dafür nicht interessieren und so das Desinteresse der Bürger/innen fördern).
Sigitas Parulskis wird gefragt, ob er am kommenden Sonntag wählen gehen wolle. Seine Antwort (auch Leser seines Buches könnten in etwa dieser Tonlage antworten, glaube ich - wer sich von dem Buch zu sehr einfangen lässt): "Das weiß ich noch nicht genau. Ich war schließlich jetzt zwei Monate im Ausland und habe die Dinge nicht so ganz genau verfolgt. Entweder ich trinke oder ich gehe wählen."