08 Februar 2014

Selten per Bahn


Was ist eigentlich los zwischen Litauen und Estland? Einig Themen scheinen wie geschaffen für speziellen Streit gerade zwischen Esten und Litauern zu sein. War lange Zeit eher Lettland und die Bevorzugung einer Strecke Riga-Moskau der Faktor für Zweifel am "Rail-Baltica"-Projekt, das die drei Länder mit einer schnellen Bahnverbindung ausstatten soll, so werfen sich neuerdings Litauer und Esten hier gegenseitig Inkompetenz vor. "Nur Trottel streiten über dieses Projekt!" sagte der estnische Wirtschaftsminister Juhan Parts dem "WallStreetJournal" und meinte damit offensichtlich die Litauer.

Die EU hat ja bereits zugesagt, 85% dieses Projekts zu finanzieren. Rail Baltica wurde per Beschluß von Parlament und Rat bereits 2004 als Vorrangiges Projekt Nr. 27 des Transeuropäischen Verkehrsnetzes identifiziert. In einer Machbarkeitsstudie aus dem Jahr 2007 heißt es: " Das existierende Nord-Süd-Streckennetz ist von schlechter Qualität, Service- und Geschwindigkeitsniveau sind niedrig und die Interoperabilität mit dem Rest der EU ist eingeschränkt durch unterschiedliche Standards, besonders durch die unterschiedlichen Spurweiten."

Werbeseite der "Rail-Baltica" Litauen:hier ist die Variante
über Kaunas scheinbar doch schon selbstverständlich
Nun ändert ja dieses eine Projekt fast nichts an diesem Zustand - wer die Preise des "RailBaltica" zahlen kann, wird - wenn die Strecke dann endlich gebaut wird - auch schnell nach Tallinn, Riga oder Vilnius kommen können, und wieder weg. Die Studie sagte es mit anderen Worten: für einen Betreiber von Personenverkehr ist das Projekt nicht rentabel.
Der Rest der Bevölkerung muss ja mit den alten Strecken und Spurweiten sowieso noch länger leben. Nochmals Zitat aus der Studie: "Die Hauptidee von Rail Baltica ist die Entwicklung qualitativ hochwertiger Verbindungen für den Personen- und Güterverkehr sowohl zwischen den Baltischen Staaten und Polen wie auch zwischen den Baltischen Staaten und den anderen EU-Ländern über den Hub Warschau."

Es geht also eher um den Güterverkehr. Die Studie sah drei mögliche Varianten vor - keine davon über Vilnius! Schon damals hätten also die Litauer sich schon einschalten müssen, wenn denn Bahnverkehrsinteressen im Spiel gewesen wären. Nun meinte ja Estlands Regierungschef Ansip, die Routenführung sei Gegenstand von Verhandlungen zwischen der EU und Litauen. Vielleicht meinte er mit dieser Wortwahl auch eher: lasst euch von der EU mal erklären, auf welchem Planungsstand wir eigentlich sind! Dem hält der litauische stellvertretende Verkehrsminister Arijandas Sliupas eine offenbar genauso "taktisch" gemeinte Frage entgegen: alles müsse innerhalb einer gemeinsamen, noch zu gründenden Joint-Venture geklärt werden, die das Projekt dann bauen und betreiben soll. (will sagen: wenn Du uns beleidigst, machen wir gar nicht mit!). Eine Tochterfirma von "Rail Baltica Statyba" ist in Litauen bereits gegründet, 650.000 Euro stellen die Litauer angeblich bereit (siehe ERR). Die litauischen Einwände, vielleicht lieber doch Vilnius einzubeziehen, hatte erst 2013 das litauische Parlament beschlossen.

Da möchte man doch wissen, wer überhaupt mal Bahn fährt in diesen Ländern ...!
Es sieht alles nicht nach konstruktiven Überlegungen von Bahnfans aus. Ob "Rail-Baltica" nun wirklich und endlich realisiert wird, ist leider aus diesem Streit nur sehr schwer abzulesen. Eine gute Alternative zu Billigfliegern und Schnellstraßenausbau wäre schon gut.

Weltmeister im Zugfahren sind übrigens die Schweizer (gemäß dem Internationalen Bahnverband UIC) - sie legten im Jahr 2012 durchschnittlich 2274 km im Zug zurück. Am Ende dieser Statistik stehen, wen wundert es: Lettland, Litauen und Estland. Hier wurde die Bahn (durchschnittlich) nicht mehr als 4mal pro Jahr benutzt.

Aber nutzt "RailBaltica" überhaupt diesen drei Ländern? In Estland wird der neue Schnellzug zum Beispiel nur in Pärnu und in Tallinn halten, in Lettland außer in Riga nur in Jelgava. Daher auch die Diskussion in Litauen: warum Geld ausgeben, wenn nur Kaunas als "Durchgangs- und Umsteigestation" vorgesehen ist?Aber auch die Geschwindigkeit mit der die Züge auf der  "Rail Baltica"-Strecke fahren sollen, ist offenbar noch unklar: 240km (wie es dem Passagierverkehr angemessen wäre), oder doch weniger (um dem Güterverkehr entgegen zu kommen?). Den regionalen Betreibern von Güterverkehr - auch im Zusammenhang mit den baltischen Häfen - wird ebenfalls wenig Interesse an einer Bahnstrecke Richtung Polen bzw. Talinn nachgesagt. Trotz einiger blumiger Ankündigungen: Wer gerne Bahn fährt, wird sich in und um Litauen weiter gedulden müssen.

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