01 Juni 2012

Halbvoll oder halbleer? Mit Atom keinen Euro?

In froher Erwartung sind auch die Numismatiker:
schön soll er werden, der litauische Euro ...
Einige Beiträge in deutschsprachigen Medien dieser Woche stellen unter anderem die Frage, ob Litauen denn noch die Einführung des Euro beabsichtige. Wer ständig die Nachrichten über staatlich gestützte Banken in verschiedenen Euro-Ländern, weiterhin rücksichtslosen Börsenspekulanten und nicht rückzahlbaren Krediten liest, dem mögen Gedanken an weitere Euro-Länder vielleicht wie eine geradezu anachronistische Überlegung vorkommen. Die Situation ist auch nicht so eindeutig, wie es vielleicht scheint: zum einen ist ein eher kleines Land wie Litauen vielen nicht so wichtig wie manche Diplomaten es behaupten mögen. So bleibt ein Für und Wider eines Beitritts zum Euro einerseits ganz der innenpolitischen Diskussion Litauens und andererseits eben den Wirtschaftsexperten überlassen, vor allem denjenigen, die eifrig immer wieder in den Medien zitiert werden. Und andererseits denken die anderen Länder - so auch Deutschland - erstmal immer nur an sich. Könnte die Einführung des Euro FÜR UNS etwas Negatives bedeuten?

Reif oder unreif?
Auch der Blick in die Wirtschaftsnachrichten macht nicht immer schlauer. "Neue Euro-Kandidaten noch nicht reif für Beitritt" schreibt zum Beispiel der FOCUS, ohne allerdings im einzelnen zu erwähnen was bei Litauen angeblich falsch laufe. Das wird die "Märkische Allgemeine" schon genauer: "Litauen und Lettland müssen Inflation senken". Andere sehen in in der Krise eher eine Chance. So schreibt die WELT: "Krise um Griechenland kann Litauen den Weg zum Euro erleichtern." Wie soll das funktionieren? Zitiert wird die litauische Finanzministerin Ingrida Simonyte, die hoffe auf fallende Rohstoffpreise und damit zurückgehende Inflation. "Je schwächer der Ölpreis, desto leichter tut sich ein Land wie unseres beim Eintritt in den Euro" soll sie dem Finanzdienstleister "Bloomberg" gesagt haben. Beim Blick in den aktuellen Konvergenzbericht der EZB wird klar: die gegenwärtige Inflationsate (4,2% im Mittel der letzten 12 Monate) wird nach Prognosen der EZB zwar sinken, die Rohstoffpreise aber steigen. Besonders das Wachstum der Arbeitsproduktivität wird noch in Zweifel gestellt. Die öffentliche Schuldenquote liegt aber nur bei 38,5% gegenüber dem Referenzwert 60% - aber es werden Zweifel am litauischen Rechtsystem geäußert.
Nachdem die Euro-Einführung für Litauen im Jahr 2006 nur an wenigen Statistik-Zehntelpunkten scheierte, schauen litauische Minister offenbar jetzt mit besonderer Akribie auf die Zahlen. Noch 5,5% des Bruttoinlandprodukts betrage das Staatsdefizit, die Messlatte der EU läge bei 3%. Hoffentlich können solche Zahlenspiele diejenigen nachvollziehen, den die Löhne drastisch gekürzt, oder die bereits im Ausland arbeiten.

Jedenfalls gibt es offenbar - unter Bezug auf genau dieselben Zahlen der Europäischen Zentralbank EZB - auch optimistischere Interpretationen. "Litauen sieht sich als Modell für Eurozone" stellt die "Financial Times Deutschland" fest Ein interessanter Satz steht hier in Bezug auf Litauen: "Hinzu kommt dem Bericht zufolge, dass die litauische Zentralbank nicht die Unabhängigkeit genießt, die für die EZB zu den Beitrittsbedingungen gehört." Einzelheiten siehe EZB-Bericht. Aber vor allem Ministerpräsident Andrius Kubilius bemüht sich offenbar um Stimmungsaufhellung, im Gegensatz zu Äußerungen zu Äußerungen von Staatspräsidentin Dalia Grybauskaite Anfang des Jahres, die eine Euro-Einführung für 2014 als "unrealistisch" bezeichnet hatte (siehe Wirtschaftsblatt, Bild). "Litauen verschiebt die Euro-Einführung" hatte die Schweizer Tagesschau damals gemeldet.

Litauen - ein Modell für Europa?
Kubilius nutzt dagegen in dieser Woche die FAZ um seine Haltung ausführlich darzustellen. "Die Menschen in Litauen erinnern sich noch an die Sowjetzeiten, daher erscheinen ihnen die Sparmaßnahmen die wir treffen mussten als gar nicht so radikal" - so die These des Regierungschefs. Na, dann sind die Zehntausende auf Arbeitssuche in Irland oder anderen angeblichen Arbeitsparadiesen ja wohl aus purer Lebensfreude ausgewandert! Der Satz "Wir haben die Sowjetunion überstanden, da werden wir diese Krise auch überstehen" ist allerdings nicht zum ersten Mal zu hören. Nur: welche Konsequenzen die Menschen in Litauen daraus ziehen, und wie sie die Lage beurteilen - das wird sich ggf. doch stark von dem unterscheiden was Banken sich wünschen. So auch die Lesereaktion in der FAZ: "Litauen ist ein Paradebeispiel für ein geprügelte Bevölkerung ohne Aussichten" schreibt da jemand, und erntet promt als Antwort die Gegenthese: "reisen sie doch mal nach litauen, sie werden wahrscheinlich in kaum einem anderen europaeischen land so viele zufriedene oder gar glueckliche menschen finden...".

Gut, die Reisesaison steht sowieso bevor. Besichtigen wir noch mal den Ort, wo heute mehrere Blöcke veralteter Atomkraftwerke bereit stehen zum Abbau. Oder vielleicht werden diese Fragen auch noch mal als Alternative im Raum stehen: entweder sich hoch neu verschulden durch teuren Ausbau der Atomkraft, oder Euro einführen. Mal sehen wie das ausgeht.

Eine litauische Sicht dazu; siehe VEIDAS

15 Mai 2012

Žinutė von Mamužėlė

Litauer reisen gern durch Europa - aus purer Freude an fremden Sehenswürdigkeiten, oder auf der Suche nach gut bezahlter Arbeit. Oder die Chance auf einen Studienplatz in einer attraktiven westeuropäischen Großstadt wird wahrgenommen. Auf jeden Fall ist anzunehmen, dass all diese litauischen Reisenden die Erfindung des Internets und der damit zusammenhängenden virtuellen Kontaktmöglichkeiten für einen Segen halten. - Die Elterngeneration muss sehen dass sie hinterherkommt, oder auf Grußkarten zu Weihnachten und zu Ostern hoffen.

Die neuesten Statistiken sagen jedenfalls aus, dass die Litauer - so beweglich sie neuerdings sein mögen - sich sehr bemühen untereinander Kontakt zu halten. "Litauer sind Europameister im SMS-Versenden" - diese in manchen Medien als Neuigkeiten verkauften Schlagzeilen sind in Wahrheit nicht ganz so neu, sondern zeigen Trends der vergangenen Jahre. Besonders österreichische Medien (siehe "Relevant" oder "die Presse") scheinen sich gegenwärtig für den Vergleich mit Litauen zu interessieren: 2800 Kurznachrichten habe jede Litauerin / jeder Litauer im Jahr 2009 versendet, das wären mehr als 7 pro Tag! Der EU-Durchschnitt lag im gleichen Jahr noch bei 583. Žinutė-Euphorie im Kulturhauptstadtsjahr? (bevor die Wirtschaftskrise so richtig ausbrach?) Handy-Käufer auf Pump? Dazu kommt noch, dass in dieser "Rekordstatistik" Irland auf Platz 2 liegt - wo doch Tausende Litauer bereits in Irland leben. SMS - Save my soul, I am Lithuanian?
Wer die solchen Spekulationen zu Grunde liegende Statistik-Info von EuroStat liest, könnte auch zu ganz praktischen Schlußfolgerungen kommen. Lettland wird als dasjenige Land benannt, wo die Preise für internationale Telefongespräche am höchsten sind, da wird Litauen nicht weit dahinter liegen. Also Telefon kaufen und mit SMS sparen, wer im Ausland unterwegs sein muss. Und so kommt die Gewöhnung daran. Vielleicht.

11 Mai 2012

Litauen-Krimi in Stralsund

"Willkommen in Stralsund!" heißt es auch
fürs ZDF-Krimiteam (Foto: Stralsund-Werbung)
Filmaufnahmen werden dieser Tage gemacht, in Stralsund und auf Rügen. Bei ZDF-Kommissarin Nina Petersen (Katherina Wackernagel) steht Litauen auf dem Stundenplan. Wieder einmal Option 2 für die litauischen Themen im Deutschen Fernsehen: wenn kein Naturfilm über die Kurische Nehrung, dann muss es wohl die kriminelle Szene sein die hier beleuchtet wird.
Diesmal kommt das "Böse" von der Fähre: aus Klaipeda kommt ein Mann mit einem Baby in Stralsund an - so die ZDF-Story. Kurz darauf ist der Mann tot, und die Ermittler müssen unter anderem auch nachforschen, was vorher in Litauen geschah. Ein Sendetermin steht noch nicht fest, aber es wird interessant sein welches Litauen-Bild hier vermittelt werden wird. Neben Mord werden mögliche Verwicklungen in Raubüberfälle, aber auch humanitäre Projekte angedeutet. Das Drehbuch schrieben Martin Eigler zusammen mit Sven Poser. Die Dreharbeiten dauern voraussichtlich bis Anfang Juni, von Dreharbeiten auch in Litauen war nichts zu erfahren. Der Sendetermin für "Stralsund - Rache" wird voraussichtlich im Herbst liegen.
Pressemeldung "Stralsund-Intern"

10 April 2012

Es sind ja nur 5 Milliarden

Schaut auf diese Hände: fester Händedruck zwischen
Ansip und Dombrovskis, Kubilius legt nur seine Hand drauf,
als wolle er sagen: gut, ich beuge mich dem Minimal-
konsens, über den die beiden anderen sich einig sind!
Nun also doch: Litauen macht wieder einmal mit Atomkraft Schlagzeilen. Ein gegensätzlicherer Spiegel zur Entwicklung in Deutschland scheint kaum möglich: während die einen die Ereignisse rund um die in Japan nachlässig gebauten und durch Erdbeben und Tsunami schwer beschädigten Atomreaktoren zum Anlaß für ein Umdenken in Sachen atomare Energieerzeugung nehmen, holen die anderen genau extra japanische Konzerne um nun in Europa Atomanlagen zu bauen (Hitachi). Und das in einer keineswegs einfachen Ausgangslage: sowohl Polen, wie auch Russland (in der Region Kaliningrad) und Belorussland werden jeweils eigene Atomanlagen planen, in sehr konkurrenzfähiger Nähe. Und ob die litauische Regierung - die sich in den vergangenen Monaten als keineswegs fest im Sattel sitzend gezeigt hat - diese Strategie der Verschuldung zugunsten des Atomklos in der Region Ignalina durchhalten kann - das wird längerfristig auch die Reaktion der litauischen Öffentlichkeit zeigen.

Gern werden die Pläne zur Wiederbelebung der Atomkraft mit dem beliebten Schlagwort "Unabhängigkeit" überschrieben. Doch unabhängig wovon? Dass man loskommen möchte von Monopolisten ist soweit verständlich. Doch schon jetzt kommen bei einigen Litauern Bedenken auf, ob angesichts der hohen Abhängigkeit von Krediten internationaler Finanzgeber die litauische Politik wirklich "unabhängig" gemacht werden kann. Eine neue litauische Atomanlage wird weitere riesige Geldsummen verschlingen: wer glaubt, die Kosten würden wirklich bei der nun zunächst veranschlagten Summe von 5 Milliarden Euro bleiben, der könnte auch, analog zu einem bekannten litauischen Schlager, ausrufen: "Wir sind ja nur drei Millionen!"
Bisher ist die Strategie nicht erkennbar, die Litauens Engergieversorgung aus möglichst vielseitigen Quellen sichern - und damit Unabhängigkeit von Monopolisten schaffen würde. Nein, im Gegenteil: hier wird ein neues Monopol aufgebaut, und die spätere Folgenbeseitigung kennt zwei bekannte Varianten: entweder die Preise steigen erheblich, oder der litauische oder der europäischer Steuerzahler muss einspringen. Schon jetzt schafft Litauen es nicht, die alten maroden Sowjetatombauten abzubauen - es wird nach mehr EU-Geld gerufen, weil ja angeblich die EU Litauen zum Abschalten dieser Anlagen "gezwungen" habe. Das wird man über die zukünftige Anlage nicht behaupten können - und die künftige Generation derjenigen Litauer, die sich nach vorübergehendem Auslandsaufenthalt (da im eigenen Land keine Arbeit für angemessenen Lohn zu finden war) wird sich fragen müssen: warum soll ich zurückkehren, wenn ich dann in Litauen für die Fehler dummer, kurzsichtiger und selbstsüchtiger Politiker bezahlen soll? Litauen hat sich festgelegt, mindestens 34% an dem Projekt zu halten - die anderen Anteile sind noch unklar, und selbst die kürzliche gemeinsame "baltische" Erklärung macht eine Einschränkung: Beteiligung nur soweit, wie es die "wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erlaube". Also, wie gehabt: Hoffnung auf großes Wirtschaftswachstum, das dann Kredite günstig hält.

Ja, es gibt sie noch - und es werden immer mehr:
Litauische Anti-Atomdemonstranten, hier am 26.4.2011,
dem 25.Jahrestag
des Tschernobyl-Unfalls
Aber noch ist die Sache nicht ausgemacht. Auch wenn sich litauische Politiker allergrößte Mühe geben, durch gemeinsame Fotos wenigstens Einigkeit mit den lettischen und estnischen Regierungskollegen öffentlich zu demonstrieren. Was ist diese "Partnerschaft" wirklich wert? Estland hängt weiterhin am (nur umweltschädlich zu verarbeitenden) Ölschiefer, und gelegentlich sagt auch mal ein estnischer Politiker, man könne ja auch ein AKW auf eine der vielen estnischen Inseln bauen. Jedenfalls hat Estland, einschließlich der Kooperationsmöglichkeiten mit skandinavischen Partnern, genug Vergleichsmöglichkeiten und Alternativen, falls vom litauischen Abenteuer nur das "teuer" zurückbleiben sollte. Lettland wiederum bemüht sich gerade, die zuletzt in den Nöten der Wirtschaftskrise aufgenommenen Kredite gerade so rechtzeitig wieder zurückzuzahlen, dass eine ernsthafte Bewerbung für die Aufnahme in den Kreis der Euro-Länder bereits 2014 realistisch bleibt. Vorausgesetzt dieses Ziel wird aufrecht erhalten, dann schließt dies jedenfalls weitere finanzielle Abenteuer aus - denn Litauen will ja nicht nur Strom verkaufen, sondern Kostenteilung beim Bau und Betrieb erreichen. Einzig sicher wäre, dass sowohl Estland wie auch Lettland Abnehmer für Atomstrom sein könnten - aber darauf zielt Litauen ja gerade nicht ab. Wie gewöhnlich wird den Atom-Werbern blind geglaubt, dass Betreiber die Kosten bald wieder einspielen, aber für Verbraucher der Atomstrom am Ende "billig" zu haben sei. "Billig anbieten" muss sich Litauen neuerdings sogar schon bei Tschechien (siehe Wallstreet online) - ein Land, das genug eigene Probleme mit dem umstrittenen Reaktor bei Temelin hat (= Solidarität unter Abhängigen?).

Achtung, Politiker! Auch die litauische Jugend
wird ungeduldiger!
Und zu guter letzt - nicht zu unterschätzen - in allen drei baltischen Staaten hat die wirtschaftliche Entwicklung seit 1991 bisher nur Wohlstand für eine kleine Minderheit gebracht. Der Status vieler dieser "Wendegewinnler" gilt zwar allgemein inzwischen als "legal" - ob nun  früher mal Geld aus kriminellen Geschäften "gewaschen" wurde, Verwandte massiv begünstigt, ein Beamtenapparat sich selbständig und unangreifbar macht, oder Einzelne nur einfach Kapital daraus geschlagen haben, dass sie "zur rechten Zeit am rechten Ort" waren. "Am rechten Ort", dazu zählt nach litauischen Erfahrungen auch, als Politiker über Großprojekte entscheiden zu können. Es ist aber damit zu rechnen, dass auch in Litauen zunehmend die Bürgerinnen und Bürger mitbestimmen wollen, was ihre Institutionen so in Vorbereitung haben. Einiges ist dafür noch zu tun, damit dafür auch die richtigen Grundsteine gelegt werden: Vertrauen zu schaffen in unbestechliche Gerichte zum Beispiel. Aber bereits jetzt äußert sich in Litauen eine Mehrheit kritisch gegenüber den atomaren Abenteuern - und auch die zwischenzeitlich eingeschlafene Anti-Atombewegung ist wieder erwacht. Hinzu kommen jetzt interessante Kooperationsmöglichkeiten und der Austausch japanisch-litauischer Erfahrungen auf Seiten der betroffenen Bürger. Und schon bald werden die litauischen Atombetreiber vermutlich die Bevölkerung selbst beschuldigen, durch vermehrten Protest die Kosten hochzutreiben - eine schon jetzt durchsichtige Argumentation. Zumindest wird die Möglichkeit einer Volksabstimmung über das neue Ignalina-Projekt in Litauen bereits diskutiert. Kein Grund also, ein schickes Foto von drei Staatschefs und Möchtegern-Bestimmern gleich für demokratische Realität zu halten. Auch wenn es nur drei Millionen (für fünf Milliarden) sind!
Die Reaktionen auf den Hitachi-Deal im eigenen Land (Japan) sind interessant zu lesen (siehe zum Beispiel "Japan Today"): Hoffentlich halten die Hitachi-Kraftwerke länger als die Hitachi-Elektronik!

Und übrigens: so ganz unbeteiligt am Litauen-Atomgeschäft ist auch Deutschland nicht - das zeigte zuletzt wieder die Stellenausschreibung der NUKEM, eine besonders in Hessen berühmt-berüchtigte Firma. Hier wird offenbar der "Dreck" weggeräumt für diejenigen, die schon mit dem Bau einer Atomanlage erstmal genug Rechtfertigungsprobleme haben. Auch Atommüll ist ja - wie bekannt - nahezu nirgendwo gern gesehen.

Webseite der litauischen Anti-Atombewegung

Webseite von Hitachi Litauen

Infoseite des AKW Ignalina

11 März 2012

Litauen zum Elften

Botschafterehepaar Mindaugas Butkus und Jūratė Butkienė
empfangen die Gäste
(links: Militärattaché Oberst Klaidas Tolys)
Als am 11.März 1990 Litauen die Erneuerung seiner Unabhängigkeit, und damit die Loslösung von der Sowjetunion proklamierte, war auch die Unterstützung von deutscher Seite zunächst unsicher. Regierungsamtlich sorgte man sich eher um "Gorbi", dessen angeblicher Ausspruch "wer zu spät kommt den bestraft das Leben" wohl nicht für die Unterstützung der Sajudis, der litauischen Unabhängigkeitsbewegung gelten sollte. Eine wochenlange Wirtschaftsblockade Gorbatschows gegen Litauen folgte, und erst die glücklichen Umstände des gescheiterten Putsches gegen Gorbatschow selbst brachte im August 1991 die Wende hin der diplomatischen Anerkennung auch durch Deutschland.

Heute sind die regierungsamtlichen Beziehungen weitaus selbstverständlicher. Umfangreiche Wirtschaftskontakte sind hinzugekommen. Litauen ist Mitglied von Europäischer Union und NATO, man kennt sich gut. Darauf wies auch Botschafter Mindaugas Butkus am vergangenen Donnerstag hin, als sich über 250 Gäste in Berlin im Gästehaus der Commerzbank, direkt neben dem Brandenburger Tor versammelten.
Zu sehen war auch eine neu zusammengestellte Ausstellung zur Geschichte der Beziehungen zwischen Deutschland und Litauen, die den Schwerpunkt auf die zurückliegenden 100 Jahre legt.
ein Foto aus der neuen deutsch-litauischen Ausstellung:
DDR-Staatsratsvorsitzender Honecker besucht
Vilnius, u.a. aus Anlaß der Städtepartnerschaft mit Erfurt
Und Botschafter Butkus wies in seiner Ansprache auf das Thema hin, das die litauische Diplomatie im Hinblick auf die internationalen Beziehungen am meisten beschäftigt: schon 2013 wird Litauen für ein halbes Jahr die Präsidentschaft der Europäischen Union übernehmen, und dafür möchte man gut gerüstet sein.

01 März 2012

Neues für Trolley-Freunde

Das eine ist vielleicht die Diskussion darüber, ob es nun "O-Bus" oder "Trolleybus" heißen muss. Angeblich sei "Trolleybus" nur in der Schweiz üblich, meint Wikipedia dazu. Andererseits sind die Oberleitungsbusse nur in so wenigen Gegenden in Deutschland im Einsatz (glücklich, wer im Raum Solingen wohnt!), dass viele vielleicht doch beim Besuch in Osteuropa dieses Verkehrsmittel erstmals nutzen - und sich auch an den Namen "Trolleybus" gewöhnen.
der neue Bus ist da! - ein Foto
aus den 50er Jahren aus dem Archiv
der Trolleybus-Betreiber in Vilnius
Das andere sind die unterschiedlichen Meinungen dazu, ob Trolleybusse ein modernes Verkehrsmittel sind. Dabei steht die Versorgung über Strom weniger in Zweifel, eher schon organisatorische Überlegungen: da ist die Meinung zu vernehmen, das Fassungsvermögen von O-Bus-Fahrzeugen sei im Vergleich zum Bespiel zu modernen Niederflurstraßenbahnen eher begrenzt.

Das hindert aber offenbar diejenigen Städte nicht, in denen die Oberleitungen weitgehend bereits gespannt und die Linien erprobt sind, auf eine Weiterentwicklung dieser Verkehrsart zu setzen. In Vilnius wurden kürzlich neue Fahrzeuge in Dienst gestellt, deren Typenbezeichnung gute Chancen hat zur Legende für Oberleitungs-Fans zu werden: "Amber Vilnis 12 AC" kommt aus litauischer Produktion. 
Wer Fahrgasttests unternehmen möchte, sollte die Linien Nr. 3 (Karoliniškės–Žvėrynas–Žygimantų g.–Antakalnis) oder Nr. 21 (Saulėtekis–Šilo tiltas–Žirmūnai) nutzen, berichtet nicht ohne Stolz das Internetportal der litauischen Hauptstadt (siehe vilnius.lt). Andere Argumente der Litauer: mit einem Anschaffungspreis von 200.000 Euro seien die neuen Trolleys um 30-60% günstiger als diejenigen anderer Hersteller. Ob dies dadurch erreicht wird, dass Einzelteile der Fahrzeuge von Zulieferern aus Deutschland, aus der Tschechischen Republik, aus Polen und sogar aus Weißrussland geliefert werden? "Neu, sauber und komfortabel" so das Motto der Betreibergesellschaft. Innen jeweils mit Videokamera übrigens, plus Fahrgastzählsystem. Angeblich sollen die litauischen "Amber" auch 15% weniger Strom verbrauchen als die bisher häufig eingesetzten Škoda-Modelle.

kein alltägliches Zusammentreffen: Bürgermeister
bedrängt Trolleybus-Fahrgäste.
Es bleiben Fragen. Natürlich die Befürchtungen der Beförderungswilligen nach Fahrpreiserhöhungen, um die Investitionskosten wieder reinzuholen. Oder die Frage nach dem Schicksal älterer Fahrzeuge. Teilweise kann das beantwortet werden: die Betreibergesellschaft "Vilniaus Troleibusai" bietet den Ausleih von Fahrzeugen auch für private Zwecke an. Ein Kindergeburtstag im Trolleybus? In Vilnius kein Problem. Sollte der Strom übrigens mal ausfallen - oder der Führungsarm von der Oberleitung springen: der Hersteller wirbt damit dass die Fahrzeuge bis zu 1000Meter auch ohne Strom fahren können. Und auch auf Wikipedia sind die Litauer fleissig: der Eintrag von Vilnius ist dort bereits durch den Satz ergänzt: 2012 wurden die neuen Busse "Amber Vilnis 12 AC" eingeführt. 

Trolleybus-Netzplan von Vilnius

03 Dezember 2011

Traurige Tendenzen

Eher traurige Geschichten sind derzeit rund um litauische Straßenmusiker in Deutschland zu erzählen. Straßenmusiker aus Litauen? Vielleicht kaum jemandem bisher groß aufgefallen: Litauisch werden sie kaum singen am Straßenrand.

Drei Jugendliche, 16 und 17 Jahre alt, stehen derzeit in Wiesbaden vor Gericht. Kestutis Vaicackas war mit seiner Gitarre häufig in Wiesbaden zu sehen gewesen. Warum die Jugendlichen ihn an diesem Abend so schwer mit Tritten und Schlägen malträtierten, dass er noch an Ort und Stelle starb, blieb auch im Prozeß bisher unklar. Es gab öffentliche Trauerveranstaltungen, Solidaritätsadressen auf einschlägigen Internetseiten (Forum Straßenmusik, Baffy Skorpion), ein virtuelles Kondolenzbuch. Währenddessen brüsteten sich die Täter sogar offen mit ihre Tat - und randalierten sogar noch nach der Festnahme in der Haftanstalt (FR-online).
Jetzt sorgt ein ähnlicher Fall in Hameln für Aufsehen. Erst vor wenigen Tagen war es wieder ein litauischer Straßenmusikant, der schwer verletzt aufgefunden wird (siehe Bericht DeWeZet). Sind die Verhältnisse so brutal auf deutschen Straßen? Was ist da los?
Teilweise merkwürdige Diskussionen finden sich zu beiden Taten im Internet. Im Fall von Hameln sollen (laut Hamburger Abendblatt) die Täter mit dem Opfer vor der Tat Russisch gesprochen haben, und im Fall von Wiesbaden wird da plötzlich wichtig, ob die Täter einen türkischen oder deutschen Hintergrund haben. Hoffentlich will sich da keiner auf Kosten anderer reinwaschen. Mahnende Zeichen, und ein Aufruf zu mehr Mitmenschlichkeit, Aufmerksamkeit und Zivilcourage.

27 November 2011

Litauen-Rap

Je nach Stimmungslage konnten sich die Litauen-Interessierten in der vergangenen Woche aussuchen, welche litauischen Nachrichten das Litauen-Bild am meisten beeinflusst haben.
Grämen Sie sich mehr über die Snoras-Bank und deren zweifelhaften Geschäften? Zumindest für die Kontoinhaber bei dieser Bank war es die Hauptsorge der vergangenen Tage.

Oder finden Sie es beachtenswerter, dass in Belorussland der Regimekritikter Ales Bjaljatski verhaftet und nun zu viereinhalb Jahren Haft im Straflager verurteilt wurde? Dass dies in der "letzten Diktatur Europas" möglich wurde (so wie viele das von Lukaschenko mit harter Hand regierte Land bezeichnen) ist auch litauischen Behörden zu verdanken, die bereitwillig die Kontodaten des Betroffenen an die belorussischen "Kollegen" weiterleiteten. Die litauische Regierung entschuldigte sich dafür bei den Angehörigen - kein Meisterstück litauisch-belorussischer Beziehungen also.

Oder möchten Sie das alles lieber hinter sich lassen und schlichtweg einmal ein Lied auf Litauen singen?
Dann ist vielleicht der Wettbewerb des "British Council" zu den Sprachen in Europas interessant. Unter dem Motto "Speak up" gewann Deividas Jakavičius einen zweiten Preis mit seinem Litauen-Rap. Leider ist der Text dieses Songs nirgendwo aufgeschrieben - ob es und was es von Litauens aktuellen Themen erzählt - in Litauisch, Englisch und Russisch - wir müssen es Deividas von den Lippen lesen.

20 November 2011

Bücher, Grenzen und ein Fluß

Rasa Miškinytė
Eine Menge Erfahrung als Dokumentarfilmerin bringt die litauische Filmemacherin und Produzentin Rasa Miškinytė in ihre Projekte. Sie gilt als diejenige, die in den vergangenen Jahren am erfolgreichsten damit war, Auslands-Koproduktionen nach Litauen zu holen (siehe ERA-Film). Ob Japan oder Dänemark - Filme werden selten im nationalen Alleingang hergestellt. Dennoch zeigte sich Miškinytė überrascht, als eine Anfrage von Jeremiah Cullinane für ein neues Filmprojekt kam. "Ein Ire? Ich habe mich gefragt: was wissen Menschen in Irland über litauische Geschichte?" so beschrieb sie ihre erste Reaktion als sie von der Idee zu dem Film "Der Bücherschmuggler" hörte.

Gegenwärtig wird der Film als litauischer Beitrag auf einigen internationalen Filmfestivals gezeigt (außer Lübeck auch Vilnius, Belfast, Riga, Tallinn, Kapstadt und Chicago). Jeremiah Cullinane's Filmthemen waren bisher Kriminalgeschichten oder Keltenmythen.
Und die naheliegende Vermutung, Cullinane habe wohl mit einem der vielen litauischen Arbeitsmigranten in Irland Kontakt gehabt, muss auch nicht unbedingt stimmen. Der 1967 geborene Cullinane wuchs bei seinen Eltern in Kanada auf und schloß ein Studium in Paris an. Erst seit 1995 gab es den Einstieg ins Filmbusiness, und nach weiteren Paris-Aufenthalten auch Gastspiele als Theaterregisseur. Seit 2005 ist er Miteigentümer der Filmproduktionsfirma "Planet Korda Pictures" und hat die "Bücherschmuggler" mit produziert.

Kommen wir zur eigentlichen Geschichte. Miškinytė und Cullinane schicken gewissermaßen ihre Alter Egos auf eine Reise durchs Memeldelta: der gälische Poet Gearóid Mac Lochlainn, bekannt durch sein Buch "Stream of Tongues" (Sruth Teangacha), und der litauische Theaterdirektor Albertas Vidžiūnas suchen die Spuren der Bücherschmuggler, die in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhundert den russischen Bann gegen die litauische Sprache überwinden halfen und Gedrucktes von Preußen über den Nemunas brachten. In einer der schönsten Szenen des Films, in dem Mac Lochlainn und Vidžiūnas in einem kleinen Boot nahe der Mündung auf dem Fluß unterwegs sind, versucht es der Litauer dem Iren so zu erklären: "Weißt du, damals war auf der linken Seite Preußen und auf der anderen Seite Russland. Heute ist auf der linken Seite Russland und auf der anderen Seite Litauen."

Albertas und Gearóid auf den Spuren der Bücherträger
Dabei fließt der Film beinahe so gemächlich dahin wie auch der Fluß. Langsam tauchen die beiden zwischen den Wassern wandernden Besucher ein in die Thematik. Sie besuchen eine der Kirchen, in der Antanas Mackevičius tätig war, Schulkinder, die über die Geschichte der Bücherschmuggler lernen, und junge Baumpflanzungen, ein jeder einem der Bücherträger gewidmet. Sie besuchen die Universitätsbibliothek von Vilnius, wo schon die Eingangstür das Thema aufnimmt, und sie nehmen Teil an einem Freilicht-Theaterspiel, mit dem Einwohner der Region Geschichte nachspielen. Dabei wird vielfach darauf geachtet, die auch in den handelnden Personen verkörperte Sprachenvielfalt wiederzuspiegeln, sei es durch Gedichte Mac Lochlainns, oder durch Untertitel: Englisch, Litauisch, Gälisch. 

Dann ein Satz, der aufschreckt: "Wenn Du glaubst, Du könntest mit einer anderen Sprache leben, und trotzdem Litauer bleiben - das ist eine pure Illusion." Ausgeprochen von einem Nachfahren der Bücherschmuggler, hat die Radikalität dieser Aussage offenbar auch das Filmteam überrascht - so jedenfalls die Aussage von Rasa Miškinytė bei den Lübecker Filmtagen. Die Aussage gilt natürlich den Vorfahren, die ein Leben mit einer aufgezwungenen fremden (Herrschafts-)Sprache für nicht erträglich hielten. Aber sofort kommt auch die Problematik des heutigen Litauen in den Sinn, wo Zehntauende zumindest vorläufig lieber die fremde Sprache in Kauf nehmen als eine Zukunft im eigenen Land. Aber nach Auffassung von Miškinytė geht diese Thematik ganz Europa an - nicht nur Russen und Litauer, Iren und Englischsprachige.
Ein Film, der weit entfernt davon ist, ein nationalistisches Monument darstellen zu wollen, sondern der zum genaueren Hinsehen verleiten möchte. So genau, wie es die Verschiedenheit von Kulturen, Sprachen und Mentalitäten nötig haben."Wir haben bringen Bücher mit über die Grenze, möchten Sie sie vielleicht beschlagnahmen?" fragen die beiden Filmakteure den Grenzbeamten an der heutigen russisch-litauischen Grenze scherzhaft. Nein, ganz verschwunden sind Sprachzwänge auch heute noch nicht, gerade an den Grenzlinien zwischen Russland und Europa. Und am Nemunasdelta sind die Erinnerungen an die Bücherträger offenbar, wie der Film zeigt, auch identitätsbildend. In ihrem nächsten Film möchte Rasa Miškinytė den Themen Belorusslands nachspüren - man darf gespannt sein darauf.
Homepage zum Film
Filmtrailer bei YouTube

16 November 2011

Rette die Milliarde oder: Bankenkrise auf Litauisch

Schlange vor einer Snoras-Filliale (Quelle: ELTA)
Die litauische Regierung hat nach einer Dringlichkeitssitzung heute beschlossen die viertgrößte Bank des Landes - "Snoras" - zu verstaatlichen. 

Überraschung? Einerseits belegte "Snoras" noch im Banken-Rating des Politikmagazins Veidas - veröffentlicht am Montag - den zweiten Platz. Am Dienstag gab's in der Tages-Zeitung "Lietuvos Rytas" einen Bericht darüber, dass große Werte abgezweigt werden sollen.

Eine Milliarde - einfach weg?

Eine Überprüfung ergab, dass eine Milliarde Litas (rund 300 Mio. Euro) vom Gesamtwert der Bank in der Höhe von 8 Milliarden "weg" sein. Schwer vorstellbar, aber 1 Mrd. Wertpapier im Ausland existieren einfach nicht, das ergab eine Nachfrage der Litauischen Staatsbank bei ausländischen Geldinstituten.

Ungewöhnlich rasch handelte die Regierung: Heute wurde ein staatlicher Verwalter eingesetzt, die Bank verstaatlicht. Wahrscheinlich werden die "guten" Anlagen der Kleinanleger in eine neue Bank überführt, die "faulen" in eine "Bad Bank" ausgelagert. Bald nach  Gerüchten um die Bank bilden sich Schlangen an Bankautomaten und Fillialen - viele versuchten panisch an ihr Geld zu kommen.

Kein Geld mehr an Automaten (Foto: R.Danisevičius)
Bis Montag bleibt der Laden zu!

Aber das gesamte Geschäft der Bank war bereits gestoppt, die Regierung hat ein Moratorium bis Montag verhängt, dann soll das Geschäft wie normal weiter laufen. Der Staat will die Privateinlagen garantieren, die nach EU-Vorschriften bis zur Höhe von 100.000 Euro abgesichert werden.

Nur - wo ist die Milliarde hin? Fehlspekulation oder doch wie viele mutmaßen - russische Geldwäsche? Größte Anteilseigner sind der russische Milliardär Vladimir Antonov (68%) und der Litauer Raimondas Baranauskas (25%). Aber niemand aus der Bankenführung hat sich bis jetzt zu den Vorgängen geäußert, die meisten weilen gar nicht in Litauen.

Der vorerst letzte Bankrott einer Bank in Litauen war 1999 die Litimpeks Bankas.

Quelle: Litauische Medien (www.lrt.lt, www.alfa.lt, www.lrytas.lt)

03 November 2011

Erinnerungen zum Geburtstag

drei Fotos aus
dem Adamkus-
Archiv:
Dem "Donaukurier" ist es zu verdanken, dass wir heute rechtzeitig an einen Geburtstag erinnert werden: Valdas Adamkus, zwischen 1998 und 2003 sowie zwischen 2004 und 2009 zweimal Präsident der Republik Litauen, wird heute 85 Jahre alt.
Weniger bekannt sind vielleicht die Details seiner Zeit in Eichstätt nördlich von München, die jetzt auch im Donaukurier nachzulesen sind. Im dortigen Kloster Rebdorf hatten litauische Flüchtlinge nach Kriegsende 1946 bis 1949 ein eigenes Schulwesen aufgebaut, vom Kindergarten bis zum Gymnasium - als nächster Nutzer zog in den 50er Jahren übrigens die Bereitschaftspolizei ein. Im 19.Jahrhundert beherbergte dieselbe Anlage auch schon mal Zwangarbeiter.
1946 organisierten die Litauer zum ersten Mal in Rebdorf eine Abiturprüfung: unter den Abiturienten saß Valdas Adamkus, in der Parallelklasse Alma Nutautaite, seine spätere Ehefrau.

Romantik mit
Alma,
Eichstätt und Rebdorf haben in den vergangenen Jahren mehrfach den später bekannt gewordenen litauischen Gästen gedacht - 2008 besucht das Präsidentenpaar Adamkus die Stadt.

Ein anderes, weniger angenehmes Thema ist noch heute mit dem Namen Adamkus verbunden: es gilt inzwischen als sicher, dass Litauen nach Beginn des Krieges der USA im Irak dem US-Geheimdienst CIA Räumlichkeiten zur Etablierung geheim gehaltener Gefängnisse zur Verfügung stellte - eines in Vilnius und ein weiteres im Ort Antaviliai.
in Nixons
Diensten (alle
drei zu sehen auf
www.adamkus.lt

Die Abstimmung in diesen Fragen und die Erbaubnis dazu soll damals vornehmlich über Präsident Adamkus gelaufen sein. Inzwischen liegt dem Europäischen Gerichtshof in Straßburg eine Klage eines ehemaligen Häftlings vor, der angibt unter anderem in Litauen gefoltert worden zu sein (siehe Bericht Süddeutsche Zeitung).  Die litauische Justz hatte erst kürzlich neue Ermittlungen zu den mutmaßlichen Geheimgefängnissen der CIA abgelehnt und Kritik unter anderem von Amnesty International hervorgerufen (siehe Presseerklärung). Ja, ein Geburtstagsrückblick kann sehr unterschiedlich ausfallen.

12 Oktober 2011

Čiurlionis erobert Bremen - für einen Tag

Wer Litauen kennt, der wird auch von der großen Hochachtung erfahren haben, die Leben und Werk von Mikolajus Konstantinas Čiurlionis (geb. 1875, gest. 1911) entgegengebracht wird. Er war sowohl Komponist wie Maler, und steht ebenso wie Czesław Miłosz für Menschen, die aufgrund mehrfach geänderter politischer Verhältnisse sich zwischen einzelnen Volksgruppen, Sprachen und Staaten bewegten. 
Einzelheiten dazu werden selten in Deutschland dargeboten - das momentan auf Usedom stattfindende Musikfestival ist da eine löbliche Ausnahme. Für Bremen stellt der Rahmen des Projekts "KunstMachtOsteuropa" die Möglichkeit dar, dass sich mehrere Institutionen und Vereine zusammentun konnten, um Zusammenhänge und Unterschiede polnisch-litauischer Kultur- und Geistesgeschichte einmal ausführlicher fürs interessierte allgemeine Publikum anbieten zu können. 
Die Koordination des Projekts lag bei der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen, einer Einrichtung, für die zumindest die Beschäftigung mit den baltischen Staaten einen seltener Ausnahmefall darstellt. 

Für diesen einen Tag aber - den 9.Oktober 2011 - erschien Bremen fast als eine Hochburg der Čiurlionis-Fans: zu einem Vortrag am Nachmittag erschienen 50, und zum Konzert von Rokas Zubovas aus Litauen, einem Urenkel des Komponisten Čiurlionis, fanden sich noch einmal 70 interessierte Zuhörer ein. 
Noch bis Ende November wird in den Räumen der Stadtwaage, wo gleichzeitig sich das Medienarchiv der Günther-Grass-Stiftung Bremen befindet, eine Ausstellung über Leben und Werk von Čiurlionis und Miłosz gezeigt. Der Eintritt ist frei. 

Als vorläufiges Resumee kann vielleicht gesagt werden, dass aufgrund der nun entstandenen Kontakte zwischen verschiedenen Institutionen es hoffentlich auch in Zukunft noch einmal möglich sein wird, wichtige Themen des litauischen Kulturlebens in Bremen zu präsentieren und gleichzeitig wissenschaftlich aufzuarbeiten. 
Vermisst wurde lediglich der Verweis auf einen anderen international bekannten Bremer Künstler: Nikolaus Lahusen. Zubovas sagte einmal dem Goethe-Institut in Vilnius über seinen Pianisten-Kollegen Lahusen folgendes: "Das für mich wohl bedeutendste gemeinsame Projekt war der Besuch des deutschen Pianisten Nikolaus Lahusen in Litauen im Februar 2005. Er gab drei Konzerte und traf sich mit dem Publikum in Plungė, Kaunas und Vilnius. Nikolaus Lahusen hatte zu dem Zeitpunkt Klavierwerke von M. K. Čiurlionis auf eine dritte CD eingespielt. Die Platte wurde präsentiert, es wurde über Zukunftspläne gesprochen. Leider war es die letzte Reise dieses Pianisten, der ein großer Freund Litauens und der Musik von Čiurlionis war: Im Mai desselben Jahres ist der Pianist plötzlich gestorben. Die mit Hilfe des Goethe-Instituts veranstaltete Reise von Nikolaus Lahusen war somit ein Treffen, das seinen Schaffensweg symbolisch zusammengefasst hatte." In Bremen blieb dies leider unerwähnt - wie so manches, was Bremerinnen und Bremer im Zusammenhang mit Litauen tun. Aber wie gesagt: es besteht die Hoffnung, dass sich das in Zukunft ändert.

04 Oktober 2011

Nobel, nobel, Herr Bürgermeister!

In diesen heutigen, modernen Zeiten ist nicht alles wie es zu sein scheint. Oder werden alle Ereignisse der großen Medien irgendwo gespiegelt und kopiert? Es steht zu befürchten, dass auch in deutschen Kinderzimmern schon "Deutschland sucht den Superstar" nachgespielt wird.

In diesen Tagen werden, traditionsgemäß seit 1901, die Träger der Nobel-Preise verkündet. Aus litauischer Sicht muss hier Czeslaw Milosz vor allem erwähnt werden, Literaturnobelopreisträger 1980. Auch wenn Milosz international als Pole vielleicht mehr bekannt ist als Litauer - wer seine mit dem Nobelpreis zusammenhängenden Reden liest oder sich anhört, wird auch litauische Bezüge erkennen. Vielleicht wäre ein litauischer Bezug sogar noch Nadine Gordimer, Nobelpreisträgerin 1991, mit ihrem litauischen Vater.

Seit 1980 gibt es auch den sogenannten "alternativen Nobelpreis", eigentlich "Right Livelihood Award". Für alle, die vielleicht Nobelpreise als etwas zu sehr auf Etablierte und im Sinne von Macht- und Einflußhabern Denkende verstehen, die können hier auf Neuausrichtung hoffen und auf Prämierung ungewöhlicherer, aber für die Menschheit ebenso wichtiger Ideen und Aktivitäten. Allerdings ist dieser Preis auch wieder nicht so unterschiedlich, denn auch hier kommen Idee und Geld aus Nordeuropa (Schweden). Seit 1980 gelangte noch kein Vertreter der baltischen Staaten auch nur in die Nähe diesen Preis zu bekommen.

Weitere Versuche, dem Nobelpreis (mit den unterschiedlichsten Motiven) etwas entgegenzusetzen, wollen wir an dieser Stelle lieber verschweigen; sowohl Hitler wie auch das Sowjetsystem haben es kurzfristig mal versucht, weil ihnen die Nobelpreisträger nicht so recht passten. Auch China hat - seit der Friedensnobelpreis 2010 an einen chinesischen Regimekritiker vergeben wurde, in der Folge schnell einen eigenen Preis geschaffen. Aber wer kennt den IG-Nobelpreis? Nein, das hat nichts mit irgendwelchen Gewerkschaftsgliederungen zu tun, das kommt aus den USA. Vielleicht sollten wir es auch in erster Linie dem britischen Humor zurechnen, denn dieser Preis, der in deutschen Medien gerne "Preis für unsinnige Erfindungen" genannt wird, den definieren die Urheber der Universität von Cambridge so: "Für Menschen, die andere erst zum Lachen und dann zum Nachdenken bringen." Und hier kommt nun Litauen ins Spiel. Der IG Nobelpreis 2011 in der Kathegorie "Frieden" wird verliehen an - nein, nicht an eine prominente Figur der litauischen Unabhängigkeitsbewegung, oder jemand der sich für die Aussöhnung mit Russland bzw. dem Dialog mit anderen Staaten Mitteleuropas verdient gemacht hätte. Es ist Arturas Zuokas, seines Zeichens Bürgermeister von Vilnius. Den Preis bekommt er für, wörtlich zitiert: "Für den Nachweis, dass das Problem falsch geparkter Luxusautos gelöst werden kann dadurch, dass man diese mit einem Panzerwagen überrollt."

Filmchen dieser Aktion können ja im Internet genug angesehen werden. Vielleicht sollte die nächste Kathogorie von Nobelpreisen auch für besonders auffällige Versuche der Eigenprofilierung unter Vorschützens politischer oder fachlicher Ziele verliehen werden. Nur so ein Vorschlag.

29 September 2011

7.000 Euro für die Stubenfliege

Für Povilas Kavaliauskas bildete vermutlich endweder das litauische Landleben, oder die jugendliche Forscherlust den Rahmen für seinen Erfolg als Nachwuchswissenschaftler. Ein Preisgeld von 7.000 Euro war der Jury des 23.europaweiten Wettbewerbs für Nachwuchswissenschaftler die Forschungsergebnisse des erst 18-jährigen Kavaliauskas wert - damit gehörte er neben zwei jungen Kollegen aus Irland und der Schweiz zu den drei Gewinnern des Hauptpreises dieses Wettbewerbs. Kavaliauskas hatte sich als Thema die Rolle der Hausfliege (musca domestica) bei der Übertragung von gegen Antibiotika resistenten Bakterien ausgesucht. Er hatte in seinem Forschungsaufriß dieses Thema als "eine der wichtigsten Herausforderungen des 21.Jahrhunderts" bezeichnet und damit offenbar nicht zu hoch gegriffen. Eines seiner Erkenntnisse ist unter anderem, dass solche Bakterien von Stubenfliegen nicht über große Distanzen übertragen werden können, und damit die größte Gefahr tatsächlich in Krankenhäusern besteht. 

22 September 2011

Litauen, von Autos unfrei

Litauen ist die wahre Autonation - das stellt die "Auto-Presse" heute fest. Nein, nicht weil in den litauischen Medien umfangreich über die Frankfurter Automesse IAA berichtet wird. Auch nicht, weil heute eigentlich ein europäischer autofreier Tag sein könnte. Es ist eine europaweit vergleichende Statistik über die Personenbeförderung im Inland, die auch beim Statistischen Bundesamt zitiert wird. 
Demnach sind es 91% aller Fahrten, die in Litauen mit dem Auto gemacht werden (Deutschland 85%, Lettland 81%, Estland 79%). Auch wenn offenbar weder die Straßenbahnen in diese Statistik nicht mit einfließen, noch die touristischen Fahrten - es scheint etwas ganz besonderes zu sein, in Litauen ohne Auto zu leben. Da stört die Tatsache nicht, dass Litauen auch bei der Unfallstatistik ganz weit vorn liegt.
Soviel als Nachruf auf den angeblich autofreien Tag. Noch schnell ein Blick in den litauischen Teil der "European Mobility Week", die stolz 14 teilnehmende Regionen aus Litauen ausweist, um die umweltfreundlicheren Transportweisen fördern möchte. Aber dazu bedarf es offenbar wenig, denn konkrete Verbesserungen weist hier niemand aus. Mal ist es ein Fahrradausflug (Klaipeda), ein Fahrradslalom (Palanga), nordic walking an Schulen (Kedainiai), oder öffentliche Fahrradausleihe (Šiauliai). Seltsam nur, dass sich diese ruhmreichen Aktivitäten kaum in der Internetdarstellung der betroffenen Städte spiegeln. Na ja, ist ja auch schon wieder vorbei, der autofreie Tag. Immerhin prägen Fahrraddemos ab und zu das Stadtbild - nicht nur in Vilnius - wie dieses Bild aus Šiauliai zeigt.