11 März 2012

Litauen zum Elften

Botschafterehepaar Mindaugas Butkus und Jūratė Butkienė
empfangen die Gäste
(links: Militärattaché Oberst Klaidas Tolys)
Als am 11.März 1990 Litauen die Erneuerung seiner Unabhängigkeit, und damit die Loslösung von der Sowjetunion proklamierte, war auch die Unterstützung von deutscher Seite zunächst unsicher. Regierungsamtlich sorgte man sich eher um "Gorbi", dessen angeblicher Ausspruch "wer zu spät kommt den bestraft das Leben" wohl nicht für die Unterstützung der Sajudis, der litauischen Unabhängigkeitsbewegung gelten sollte. Eine wochenlange Wirtschaftsblockade Gorbatschows gegen Litauen folgte, und erst die glücklichen Umstände des gescheiterten Putsches gegen Gorbatschow selbst brachte im August 1991 die Wende hin der diplomatischen Anerkennung auch durch Deutschland.

Heute sind die regierungsamtlichen Beziehungen weitaus selbstverständlicher. Umfangreiche Wirtschaftskontakte sind hinzugekommen. Litauen ist Mitglied von Europäischer Union und NATO, man kennt sich gut. Darauf wies auch Botschafter Mindaugas Butkus am vergangenen Donnerstag hin, als sich über 250 Gäste in Berlin im Gästehaus der Commerzbank, direkt neben dem Brandenburger Tor versammelten.
Zu sehen war auch eine neu zusammengestellte Ausstellung zur Geschichte der Beziehungen zwischen Deutschland und Litauen, die den Schwerpunkt auf die zurückliegenden 100 Jahre legt.
ein Foto aus der neuen deutsch-litauischen Ausstellung:
DDR-Staatsratsvorsitzender Honecker besucht
Vilnius, u.a. aus Anlaß der Städtepartnerschaft mit Erfurt
Und Botschafter Butkus wies in seiner Ansprache auf das Thema hin, das die litauische Diplomatie im Hinblick auf die internationalen Beziehungen am meisten beschäftigt: schon 2013 wird Litauen für ein halbes Jahr die Präsidentschaft der Europäischen Union übernehmen, und dafür möchte man gut gerüstet sein.

01 März 2012

Neues für Trolley-Freunde

Das eine ist vielleicht die Diskussion darüber, ob es nun "O-Bus" oder "Trolleybus" heißen muss. Angeblich sei "Trolleybus" nur in der Schweiz üblich, meint Wikipedia dazu. Andererseits sind die Oberleitungsbusse nur in so wenigen Gegenden in Deutschland im Einsatz (glücklich, wer im Raum Solingen wohnt!), dass viele vielleicht doch beim Besuch in Osteuropa dieses Verkehrsmittel erstmals nutzen - und sich auch an den Namen "Trolleybus" gewöhnen.
der neue Bus ist da! - ein Foto
aus den 50er Jahren aus dem Archiv
der Trolleybus-Betreiber in Vilnius
Das andere sind die unterschiedlichen Meinungen dazu, ob Trolleybusse ein modernes Verkehrsmittel sind. Dabei steht die Versorgung über Strom weniger in Zweifel, eher schon organisatorische Überlegungen: da ist die Meinung zu vernehmen, das Fassungsvermögen von O-Bus-Fahrzeugen sei im Vergleich zum Bespiel zu modernen Niederflurstraßenbahnen eher begrenzt.

Das hindert aber offenbar diejenigen Städte nicht, in denen die Oberleitungen weitgehend bereits gespannt und die Linien erprobt sind, auf eine Weiterentwicklung dieser Verkehrsart zu setzen. In Vilnius wurden kürzlich neue Fahrzeuge in Dienst gestellt, deren Typenbezeichnung gute Chancen hat zur Legende für Oberleitungs-Fans zu werden: "Amber Vilnis 12 AC" kommt aus litauischer Produktion. 
Wer Fahrgasttests unternehmen möchte, sollte die Linien Nr. 3 (Karoliniškės–Žvėrynas–Žygimantų g.–Antakalnis) oder Nr. 21 (Saulėtekis–Šilo tiltas–Žirmūnai) nutzen, berichtet nicht ohne Stolz das Internetportal der litauischen Hauptstadt (siehe vilnius.lt). Andere Argumente der Litauer: mit einem Anschaffungspreis von 200.000 Euro seien die neuen Trolleys um 30-60% günstiger als diejenigen anderer Hersteller. Ob dies dadurch erreicht wird, dass Einzelteile der Fahrzeuge von Zulieferern aus Deutschland, aus der Tschechischen Republik, aus Polen und sogar aus Weißrussland geliefert werden? "Neu, sauber und komfortabel" so das Motto der Betreibergesellschaft. Innen jeweils mit Videokamera übrigens, plus Fahrgastzählsystem. Angeblich sollen die litauischen "Amber" auch 15% weniger Strom verbrauchen als die bisher häufig eingesetzten Škoda-Modelle.

kein alltägliches Zusammentreffen: Bürgermeister
bedrängt Trolleybus-Fahrgäste.
Es bleiben Fragen. Natürlich die Befürchtungen der Beförderungswilligen nach Fahrpreiserhöhungen, um die Investitionskosten wieder reinzuholen. Oder die Frage nach dem Schicksal älterer Fahrzeuge. Teilweise kann das beantwortet werden: die Betreibergesellschaft "Vilniaus Troleibusai" bietet den Ausleih von Fahrzeugen auch für private Zwecke an. Ein Kindergeburtstag im Trolleybus? In Vilnius kein Problem. Sollte der Strom übrigens mal ausfallen - oder der Führungsarm von der Oberleitung springen: der Hersteller wirbt damit dass die Fahrzeuge bis zu 1000Meter auch ohne Strom fahren können. Und auch auf Wikipedia sind die Litauer fleissig: der Eintrag von Vilnius ist dort bereits durch den Satz ergänzt: 2012 wurden die neuen Busse "Amber Vilnis 12 AC" eingeführt. 

Trolleybus-Netzplan von Vilnius

03 Dezember 2011

Traurige Tendenzen

Eher traurige Geschichten sind derzeit rund um litauische Straßenmusiker in Deutschland zu erzählen. Straßenmusiker aus Litauen? Vielleicht kaum jemandem bisher groß aufgefallen: Litauisch werden sie kaum singen am Straßenrand.

Drei Jugendliche, 16 und 17 Jahre alt, stehen derzeit in Wiesbaden vor Gericht. Kestutis Vaicackas war mit seiner Gitarre häufig in Wiesbaden zu sehen gewesen. Warum die Jugendlichen ihn an diesem Abend so schwer mit Tritten und Schlägen malträtierten, dass er noch an Ort und Stelle starb, blieb auch im Prozeß bisher unklar. Es gab öffentliche Trauerveranstaltungen, Solidaritätsadressen auf einschlägigen Internetseiten (Forum Straßenmusik, Baffy Skorpion), ein virtuelles Kondolenzbuch. Währenddessen brüsteten sich die Täter sogar offen mit ihre Tat - und randalierten sogar noch nach der Festnahme in der Haftanstalt (FR-online).
Jetzt sorgt ein ähnlicher Fall in Hameln für Aufsehen. Erst vor wenigen Tagen war es wieder ein litauischer Straßenmusikant, der schwer verletzt aufgefunden wird (siehe Bericht DeWeZet). Sind die Verhältnisse so brutal auf deutschen Straßen? Was ist da los?
Teilweise merkwürdige Diskussionen finden sich zu beiden Taten im Internet. Im Fall von Hameln sollen (laut Hamburger Abendblatt) die Täter mit dem Opfer vor der Tat Russisch gesprochen haben, und im Fall von Wiesbaden wird da plötzlich wichtig, ob die Täter einen türkischen oder deutschen Hintergrund haben. Hoffentlich will sich da keiner auf Kosten anderer reinwaschen. Mahnende Zeichen, und ein Aufruf zu mehr Mitmenschlichkeit, Aufmerksamkeit und Zivilcourage.

27 November 2011

Litauen-Rap

Je nach Stimmungslage konnten sich die Litauen-Interessierten in der vergangenen Woche aussuchen, welche litauischen Nachrichten das Litauen-Bild am meisten beeinflusst haben.
Grämen Sie sich mehr über die Snoras-Bank und deren zweifelhaften Geschäften? Zumindest für die Kontoinhaber bei dieser Bank war es die Hauptsorge der vergangenen Tage.

Oder finden Sie es beachtenswerter, dass in Belorussland der Regimekritikter Ales Bjaljatski verhaftet und nun zu viereinhalb Jahren Haft im Straflager verurteilt wurde? Dass dies in der "letzten Diktatur Europas" möglich wurde (so wie viele das von Lukaschenko mit harter Hand regierte Land bezeichnen) ist auch litauischen Behörden zu verdanken, die bereitwillig die Kontodaten des Betroffenen an die belorussischen "Kollegen" weiterleiteten. Die litauische Regierung entschuldigte sich dafür bei den Angehörigen - kein Meisterstück litauisch-belorussischer Beziehungen also.

Oder möchten Sie das alles lieber hinter sich lassen und schlichtweg einmal ein Lied auf Litauen singen?
Dann ist vielleicht der Wettbewerb des "British Council" zu den Sprachen in Europas interessant. Unter dem Motto "Speak up" gewann Deividas Jakavičius einen zweiten Preis mit seinem Litauen-Rap. Leider ist der Text dieses Songs nirgendwo aufgeschrieben - ob es und was es von Litauens aktuellen Themen erzählt - in Litauisch, Englisch und Russisch - wir müssen es Deividas von den Lippen lesen.

20 November 2011

Bücher, Grenzen und ein Fluß

Rasa Miškinytė
Eine Menge Erfahrung als Dokumentarfilmerin bringt die litauische Filmemacherin und Produzentin Rasa Miškinytė in ihre Projekte. Sie gilt als diejenige, die in den vergangenen Jahren am erfolgreichsten damit war, Auslands-Koproduktionen nach Litauen zu holen (siehe ERA-Film). Ob Japan oder Dänemark - Filme werden selten im nationalen Alleingang hergestellt. Dennoch zeigte sich Miškinytė überrascht, als eine Anfrage von Jeremiah Cullinane für ein neues Filmprojekt kam. "Ein Ire? Ich habe mich gefragt: was wissen Menschen in Irland über litauische Geschichte?" so beschrieb sie ihre erste Reaktion als sie von der Idee zu dem Film "Der Bücherschmuggler" hörte.

Gegenwärtig wird der Film als litauischer Beitrag auf einigen internationalen Filmfestivals gezeigt (außer Lübeck auch Vilnius, Belfast, Riga, Tallinn, Kapstadt und Chicago). Jeremiah Cullinane's Filmthemen waren bisher Kriminalgeschichten oder Keltenmythen.
Und die naheliegende Vermutung, Cullinane habe wohl mit einem der vielen litauischen Arbeitsmigranten in Irland Kontakt gehabt, muss auch nicht unbedingt stimmen. Der 1967 geborene Cullinane wuchs bei seinen Eltern in Kanada auf und schloß ein Studium in Paris an. Erst seit 1995 gab es den Einstieg ins Filmbusiness, und nach weiteren Paris-Aufenthalten auch Gastspiele als Theaterregisseur. Seit 2005 ist er Miteigentümer der Filmproduktionsfirma "Planet Korda Pictures" und hat die "Bücherschmuggler" mit produziert.

Kommen wir zur eigentlichen Geschichte. Miškinytė und Cullinane schicken gewissermaßen ihre Alter Egos auf eine Reise durchs Memeldelta: der gälische Poet Gearóid Mac Lochlainn, bekannt durch sein Buch "Stream of Tongues" (Sruth Teangacha), und der litauische Theaterdirektor Albertas Vidžiūnas suchen die Spuren der Bücherschmuggler, die in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhundert den russischen Bann gegen die litauische Sprache überwinden halfen und Gedrucktes von Preußen über den Nemunas brachten. In einer der schönsten Szenen des Films, in dem Mac Lochlainn und Vidžiūnas in einem kleinen Boot nahe der Mündung auf dem Fluß unterwegs sind, versucht es der Litauer dem Iren so zu erklären: "Weißt du, damals war auf der linken Seite Preußen und auf der anderen Seite Russland. Heute ist auf der linken Seite Russland und auf der anderen Seite Litauen."

Albertas und Gearóid auf den Spuren der Bücherträger
Dabei fließt der Film beinahe so gemächlich dahin wie auch der Fluß. Langsam tauchen die beiden zwischen den Wassern wandernden Besucher ein in die Thematik. Sie besuchen eine der Kirchen, in der Antanas Mackevičius tätig war, Schulkinder, die über die Geschichte der Bücherschmuggler lernen, und junge Baumpflanzungen, ein jeder einem der Bücherträger gewidmet. Sie besuchen die Universitätsbibliothek von Vilnius, wo schon die Eingangstür das Thema aufnimmt, und sie nehmen Teil an einem Freilicht-Theaterspiel, mit dem Einwohner der Region Geschichte nachspielen. Dabei wird vielfach darauf geachtet, die auch in den handelnden Personen verkörperte Sprachenvielfalt wiederzuspiegeln, sei es durch Gedichte Mac Lochlainns, oder durch Untertitel: Englisch, Litauisch, Gälisch. 

Dann ein Satz, der aufschreckt: "Wenn Du glaubst, Du könntest mit einer anderen Sprache leben, und trotzdem Litauer bleiben - das ist eine pure Illusion." Ausgeprochen von einem Nachfahren der Bücherschmuggler, hat die Radikalität dieser Aussage offenbar auch das Filmteam überrascht - so jedenfalls die Aussage von Rasa Miškinytė bei den Lübecker Filmtagen. Die Aussage gilt natürlich den Vorfahren, die ein Leben mit einer aufgezwungenen fremden (Herrschafts-)Sprache für nicht erträglich hielten. Aber sofort kommt auch die Problematik des heutigen Litauen in den Sinn, wo Zehntauende zumindest vorläufig lieber die fremde Sprache in Kauf nehmen als eine Zukunft im eigenen Land. Aber nach Auffassung von Miškinytė geht diese Thematik ganz Europa an - nicht nur Russen und Litauer, Iren und Englischsprachige.
Ein Film, der weit entfernt davon ist, ein nationalistisches Monument darstellen zu wollen, sondern der zum genaueren Hinsehen verleiten möchte. So genau, wie es die Verschiedenheit von Kulturen, Sprachen und Mentalitäten nötig haben."Wir haben bringen Bücher mit über die Grenze, möchten Sie sie vielleicht beschlagnahmen?" fragen die beiden Filmakteure den Grenzbeamten an der heutigen russisch-litauischen Grenze scherzhaft. Nein, ganz verschwunden sind Sprachzwänge auch heute noch nicht, gerade an den Grenzlinien zwischen Russland und Europa. Und am Nemunasdelta sind die Erinnerungen an die Bücherträger offenbar, wie der Film zeigt, auch identitätsbildend. In ihrem nächsten Film möchte Rasa Miškinytė den Themen Belorusslands nachspüren - man darf gespannt sein darauf.
Homepage zum Film
Filmtrailer bei YouTube

16 November 2011

Rette die Milliarde oder: Bankenkrise auf Litauisch

Schlange vor einer Snoras-Filliale (Quelle: ELTA)
Die litauische Regierung hat nach einer Dringlichkeitssitzung heute beschlossen die viertgrößte Bank des Landes - "Snoras" - zu verstaatlichen. 

Überraschung? Einerseits belegte "Snoras" noch im Banken-Rating des Politikmagazins Veidas - veröffentlicht am Montag - den zweiten Platz. Am Dienstag gab's in der Tages-Zeitung "Lietuvos Rytas" einen Bericht darüber, dass große Werte abgezweigt werden sollen.

Eine Milliarde - einfach weg?

Eine Überprüfung ergab, dass eine Milliarde Litas (rund 300 Mio. Euro) vom Gesamtwert der Bank in der Höhe von 8 Milliarden "weg" sein. Schwer vorstellbar, aber 1 Mrd. Wertpapier im Ausland existieren einfach nicht, das ergab eine Nachfrage der Litauischen Staatsbank bei ausländischen Geldinstituten.

Ungewöhnlich rasch handelte die Regierung: Heute wurde ein staatlicher Verwalter eingesetzt, die Bank verstaatlicht. Wahrscheinlich werden die "guten" Anlagen der Kleinanleger in eine neue Bank überführt, die "faulen" in eine "Bad Bank" ausgelagert. Bald nach  Gerüchten um die Bank bilden sich Schlangen an Bankautomaten und Fillialen - viele versuchten panisch an ihr Geld zu kommen.

Kein Geld mehr an Automaten (Foto: R.Danisevičius)
Bis Montag bleibt der Laden zu!

Aber das gesamte Geschäft der Bank war bereits gestoppt, die Regierung hat ein Moratorium bis Montag verhängt, dann soll das Geschäft wie normal weiter laufen. Der Staat will die Privateinlagen garantieren, die nach EU-Vorschriften bis zur Höhe von 100.000 Euro abgesichert werden.

Nur - wo ist die Milliarde hin? Fehlspekulation oder doch wie viele mutmaßen - russische Geldwäsche? Größte Anteilseigner sind der russische Milliardär Vladimir Antonov (68%) und der Litauer Raimondas Baranauskas (25%). Aber niemand aus der Bankenführung hat sich bis jetzt zu den Vorgängen geäußert, die meisten weilen gar nicht in Litauen.

Der vorerst letzte Bankrott einer Bank in Litauen war 1999 die Litimpeks Bankas.

Quelle: Litauische Medien (www.lrt.lt, www.alfa.lt, www.lrytas.lt)

03 November 2011

Erinnerungen zum Geburtstag

drei Fotos aus
dem Adamkus-
Archiv:
Dem "Donaukurier" ist es zu verdanken, dass wir heute rechtzeitig an einen Geburtstag erinnert werden: Valdas Adamkus, zwischen 1998 und 2003 sowie zwischen 2004 und 2009 zweimal Präsident der Republik Litauen, wird heute 85 Jahre alt.
Weniger bekannt sind vielleicht die Details seiner Zeit in Eichstätt nördlich von München, die jetzt auch im Donaukurier nachzulesen sind. Im dortigen Kloster Rebdorf hatten litauische Flüchtlinge nach Kriegsende 1946 bis 1949 ein eigenes Schulwesen aufgebaut, vom Kindergarten bis zum Gymnasium - als nächster Nutzer zog in den 50er Jahren übrigens die Bereitschaftspolizei ein. Im 19.Jahrhundert beherbergte dieselbe Anlage auch schon mal Zwangarbeiter.
1946 organisierten die Litauer zum ersten Mal in Rebdorf eine Abiturprüfung: unter den Abiturienten saß Valdas Adamkus, in der Parallelklasse Alma Nutautaite, seine spätere Ehefrau.

Romantik mit
Alma,
Eichstätt und Rebdorf haben in den vergangenen Jahren mehrfach den später bekannt gewordenen litauischen Gästen gedacht - 2008 besucht das Präsidentenpaar Adamkus die Stadt.

Ein anderes, weniger angenehmes Thema ist noch heute mit dem Namen Adamkus verbunden: es gilt inzwischen als sicher, dass Litauen nach Beginn des Krieges der USA im Irak dem US-Geheimdienst CIA Räumlichkeiten zur Etablierung geheim gehaltener Gefängnisse zur Verfügung stellte - eines in Vilnius und ein weiteres im Ort Antaviliai.
in Nixons
Diensten (alle
drei zu sehen auf
www.adamkus.lt

Die Abstimmung in diesen Fragen und die Erbaubnis dazu soll damals vornehmlich über Präsident Adamkus gelaufen sein. Inzwischen liegt dem Europäischen Gerichtshof in Straßburg eine Klage eines ehemaligen Häftlings vor, der angibt unter anderem in Litauen gefoltert worden zu sein (siehe Bericht Süddeutsche Zeitung).  Die litauische Justz hatte erst kürzlich neue Ermittlungen zu den mutmaßlichen Geheimgefängnissen der CIA abgelehnt und Kritik unter anderem von Amnesty International hervorgerufen (siehe Presseerklärung). Ja, ein Geburtstagsrückblick kann sehr unterschiedlich ausfallen.

12 Oktober 2011

Čiurlionis erobert Bremen - für einen Tag

Wer Litauen kennt, der wird auch von der großen Hochachtung erfahren haben, die Leben und Werk von Mikolajus Konstantinas Čiurlionis (geb. 1875, gest. 1911) entgegengebracht wird. Er war sowohl Komponist wie Maler, und steht ebenso wie Czesław Miłosz für Menschen, die aufgrund mehrfach geänderter politischer Verhältnisse sich zwischen einzelnen Volksgruppen, Sprachen und Staaten bewegten. 
Einzelheiten dazu werden selten in Deutschland dargeboten - das momentan auf Usedom stattfindende Musikfestival ist da eine löbliche Ausnahme. Für Bremen stellt der Rahmen des Projekts "KunstMachtOsteuropa" die Möglichkeit dar, dass sich mehrere Institutionen und Vereine zusammentun konnten, um Zusammenhänge und Unterschiede polnisch-litauischer Kultur- und Geistesgeschichte einmal ausführlicher fürs interessierte allgemeine Publikum anbieten zu können. 
Die Koordination des Projekts lag bei der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen, einer Einrichtung, für die zumindest die Beschäftigung mit den baltischen Staaten einen seltener Ausnahmefall darstellt. 

Für diesen einen Tag aber - den 9.Oktober 2011 - erschien Bremen fast als eine Hochburg der Čiurlionis-Fans: zu einem Vortrag am Nachmittag erschienen 50, und zum Konzert von Rokas Zubovas aus Litauen, einem Urenkel des Komponisten Čiurlionis, fanden sich noch einmal 70 interessierte Zuhörer ein. 
Noch bis Ende November wird in den Räumen der Stadtwaage, wo gleichzeitig sich das Medienarchiv der Günther-Grass-Stiftung Bremen befindet, eine Ausstellung über Leben und Werk von Čiurlionis und Miłosz gezeigt. Der Eintritt ist frei. 

Als vorläufiges Resumee kann vielleicht gesagt werden, dass aufgrund der nun entstandenen Kontakte zwischen verschiedenen Institutionen es hoffentlich auch in Zukunft noch einmal möglich sein wird, wichtige Themen des litauischen Kulturlebens in Bremen zu präsentieren und gleichzeitig wissenschaftlich aufzuarbeiten. 
Vermisst wurde lediglich der Verweis auf einen anderen international bekannten Bremer Künstler: Nikolaus Lahusen. Zubovas sagte einmal dem Goethe-Institut in Vilnius über seinen Pianisten-Kollegen Lahusen folgendes: "Das für mich wohl bedeutendste gemeinsame Projekt war der Besuch des deutschen Pianisten Nikolaus Lahusen in Litauen im Februar 2005. Er gab drei Konzerte und traf sich mit dem Publikum in Plungė, Kaunas und Vilnius. Nikolaus Lahusen hatte zu dem Zeitpunkt Klavierwerke von M. K. Čiurlionis auf eine dritte CD eingespielt. Die Platte wurde präsentiert, es wurde über Zukunftspläne gesprochen. Leider war es die letzte Reise dieses Pianisten, der ein großer Freund Litauens und der Musik von Čiurlionis war: Im Mai desselben Jahres ist der Pianist plötzlich gestorben. Die mit Hilfe des Goethe-Instituts veranstaltete Reise von Nikolaus Lahusen war somit ein Treffen, das seinen Schaffensweg symbolisch zusammengefasst hatte." In Bremen blieb dies leider unerwähnt - wie so manches, was Bremerinnen und Bremer im Zusammenhang mit Litauen tun. Aber wie gesagt: es besteht die Hoffnung, dass sich das in Zukunft ändert.

04 Oktober 2011

Nobel, nobel, Herr Bürgermeister!

In diesen heutigen, modernen Zeiten ist nicht alles wie es zu sein scheint. Oder werden alle Ereignisse der großen Medien irgendwo gespiegelt und kopiert? Es steht zu befürchten, dass auch in deutschen Kinderzimmern schon "Deutschland sucht den Superstar" nachgespielt wird.

In diesen Tagen werden, traditionsgemäß seit 1901, die Träger der Nobel-Preise verkündet. Aus litauischer Sicht muss hier Czeslaw Milosz vor allem erwähnt werden, Literaturnobelopreisträger 1980. Auch wenn Milosz international als Pole vielleicht mehr bekannt ist als Litauer - wer seine mit dem Nobelpreis zusammenhängenden Reden liest oder sich anhört, wird auch litauische Bezüge erkennen. Vielleicht wäre ein litauischer Bezug sogar noch Nadine Gordimer, Nobelpreisträgerin 1991, mit ihrem litauischen Vater.

Seit 1980 gibt es auch den sogenannten "alternativen Nobelpreis", eigentlich "Right Livelihood Award". Für alle, die vielleicht Nobelpreise als etwas zu sehr auf Etablierte und im Sinne von Macht- und Einflußhabern Denkende verstehen, die können hier auf Neuausrichtung hoffen und auf Prämierung ungewöhlicherer, aber für die Menschheit ebenso wichtiger Ideen und Aktivitäten. Allerdings ist dieser Preis auch wieder nicht so unterschiedlich, denn auch hier kommen Idee und Geld aus Nordeuropa (Schweden). Seit 1980 gelangte noch kein Vertreter der baltischen Staaten auch nur in die Nähe diesen Preis zu bekommen.

Weitere Versuche, dem Nobelpreis (mit den unterschiedlichsten Motiven) etwas entgegenzusetzen, wollen wir an dieser Stelle lieber verschweigen; sowohl Hitler wie auch das Sowjetsystem haben es kurzfristig mal versucht, weil ihnen die Nobelpreisträger nicht so recht passten. Auch China hat - seit der Friedensnobelpreis 2010 an einen chinesischen Regimekritiker vergeben wurde, in der Folge schnell einen eigenen Preis geschaffen. Aber wer kennt den IG-Nobelpreis? Nein, das hat nichts mit irgendwelchen Gewerkschaftsgliederungen zu tun, das kommt aus den USA. Vielleicht sollten wir es auch in erster Linie dem britischen Humor zurechnen, denn dieser Preis, der in deutschen Medien gerne "Preis für unsinnige Erfindungen" genannt wird, den definieren die Urheber der Universität von Cambridge so: "Für Menschen, die andere erst zum Lachen und dann zum Nachdenken bringen." Und hier kommt nun Litauen ins Spiel. Der IG Nobelpreis 2011 in der Kathegorie "Frieden" wird verliehen an - nein, nicht an eine prominente Figur der litauischen Unabhängigkeitsbewegung, oder jemand der sich für die Aussöhnung mit Russland bzw. dem Dialog mit anderen Staaten Mitteleuropas verdient gemacht hätte. Es ist Arturas Zuokas, seines Zeichens Bürgermeister von Vilnius. Den Preis bekommt er für, wörtlich zitiert: "Für den Nachweis, dass das Problem falsch geparkter Luxusautos gelöst werden kann dadurch, dass man diese mit einem Panzerwagen überrollt."

Filmchen dieser Aktion können ja im Internet genug angesehen werden. Vielleicht sollte die nächste Kathogorie von Nobelpreisen auch für besonders auffällige Versuche der Eigenprofilierung unter Vorschützens politischer oder fachlicher Ziele verliehen werden. Nur so ein Vorschlag.

29 September 2011

7.000 Euro für die Stubenfliege

Für Povilas Kavaliauskas bildete vermutlich endweder das litauische Landleben, oder die jugendliche Forscherlust den Rahmen für seinen Erfolg als Nachwuchswissenschaftler. Ein Preisgeld von 7.000 Euro war der Jury des 23.europaweiten Wettbewerbs für Nachwuchswissenschaftler die Forschungsergebnisse des erst 18-jährigen Kavaliauskas wert - damit gehörte er neben zwei jungen Kollegen aus Irland und der Schweiz zu den drei Gewinnern des Hauptpreises dieses Wettbewerbs. Kavaliauskas hatte sich als Thema die Rolle der Hausfliege (musca domestica) bei der Übertragung von gegen Antibiotika resistenten Bakterien ausgesucht. Er hatte in seinem Forschungsaufriß dieses Thema als "eine der wichtigsten Herausforderungen des 21.Jahrhunderts" bezeichnet und damit offenbar nicht zu hoch gegriffen. Eines seiner Erkenntnisse ist unter anderem, dass solche Bakterien von Stubenfliegen nicht über große Distanzen übertragen werden können, und damit die größte Gefahr tatsächlich in Krankenhäusern besteht. 

22 September 2011

Litauen, von Autos unfrei

Litauen ist die wahre Autonation - das stellt die "Auto-Presse" heute fest. Nein, nicht weil in den litauischen Medien umfangreich über die Frankfurter Automesse IAA berichtet wird. Auch nicht, weil heute eigentlich ein europäischer autofreier Tag sein könnte. Es ist eine europaweit vergleichende Statistik über die Personenbeförderung im Inland, die auch beim Statistischen Bundesamt zitiert wird. 
Demnach sind es 91% aller Fahrten, die in Litauen mit dem Auto gemacht werden (Deutschland 85%, Lettland 81%, Estland 79%). Auch wenn offenbar weder die Straßenbahnen in diese Statistik nicht mit einfließen, noch die touristischen Fahrten - es scheint etwas ganz besonderes zu sein, in Litauen ohne Auto zu leben. Da stört die Tatsache nicht, dass Litauen auch bei der Unfallstatistik ganz weit vorn liegt.
Soviel als Nachruf auf den angeblich autofreien Tag. Noch schnell ein Blick in den litauischen Teil der "European Mobility Week", die stolz 14 teilnehmende Regionen aus Litauen ausweist, um die umweltfreundlicheren Transportweisen fördern möchte. Aber dazu bedarf es offenbar wenig, denn konkrete Verbesserungen weist hier niemand aus. Mal ist es ein Fahrradausflug (Klaipeda), ein Fahrradslalom (Palanga), nordic walking an Schulen (Kedainiai), oder öffentliche Fahrradausleihe (Šiauliai). Seltsam nur, dass sich diese ruhmreichen Aktivitäten kaum in der Internetdarstellung der betroffenen Städte spiegeln. Na ja, ist ja auch schon wieder vorbei, der autofreie Tag. Immerhin prägen Fahrraddemos ab und zu das Stadtbild - nicht nur in Vilnius - wie dieses Bild aus Šiauliai zeigt.

10 September 2011

Notizen im Basketballfieber

Zumindest die Basketball-Fans könnten doch die Gelegenheit mal nutzen, in diesen Wochen der Europameisterschaft mal Litauen zu besuchen. Zwar war von den Vorrundenspielen in Šiauliai auch zu lesen, dass dort Top-Teams wie Spanien auch schon mal vor nur 500 Zuschauern gespielt haben, aber gibt es auch andere Notizen, abseits des rein Sportlichen? 

Bei uns ist Basketball Religion - auch den Satz hat man schon etwas zu oft gelesen. Interessanter ist da schon ein Satz aus der FAZ: "Was Brasilien für den Fußball ist, ist Litauen für den Basketball". Oder auch - im selben Beitrag zu finden: "Ein Land will zeigen: hey, uns gibt es auch!"

Ungewöhnliche Alltagserlebsnisse eines EM-Besuchers in Litauen sind dagegen eher bei "Parkettgeschichten" zu lesen - neben der Spielberichterstattung natürlich. Hier berichtet Marcel Friedrich direkt vor Ort, und zunächst einmal von Anreiseschwierigkeiten: Marcel bleibt bei spätabendlicher Ankunft beinahe auf dem Flughafen in Kaunas hängen, und Marcel beschreibt es so, als sei der namentlich genannte "Martynas R." sein unzuverlässiger Betreuer bei einer litauischen Reiseagentur. Dessen Rolle - ob nun eher Organisationschef oder doch Journalistenkollege - bleibt etwas unklar, und so sind die ersten etwas missmutigen Notizen vielleicht eher deutschen Perfektionismusdrang zuzuschreiben.

Interessanter ist da schon, was Marcel aus Šiauliai schildert, nachdem er erstmal ordentlich ausgeschlafen hat. Nun, wie alle die zum ersten Mal in Litauen sind, fällt im die Veränderung der Namen auf: der deutsche Dirk heißt nun Dirkas. Zum zweiten gibt es ironische Bemerkungen über das nicht sehr ausgedehnt vorhandene Nachtleben in Šiauliai - die Bürgersteige werden früh abends hochgeklappt, um 21 Uhr macht die Tankstelle zu: aber immerhin hängen sogar an den Preisschildern der Tankstelle überall Basketballkörbe. Dann ein Schock: beim Versuch, im Supermarkt sich mit alkoholischen Getränken eindecken zu wollen, ist diese Abteilung abgesperrt und unzugänglich. Was ist das? Auch die freundlichen litauischen freiwilligen Helfer wissen keinen Rat. Marcel googelt und findet heraus, dass am 1.September 1993 die sowjetische Armee aus Litauen abzog, und daher der 1.September so eine Art Feiertag sei. "Nur gut, dass dieser Feiertag nicht auf den 18.September (den Tag des Endspiels) fällt!" notiert Parkettblogger Marcel erleichtert. 

Zumindest bis morgen - dem entscheidenden Spiel Litauen gegen Deutschland - wird Marcel noch weiterbloggen. Was ihm noch aufgefallen ist in Litauen bisher? Offenbar hat die Kommerzialisierung von touristischen Sehenswürdigkeiten zumindest während der EM Fortschritte gemacht, und Gästen wird am "Hügel der Kreuze" nun erzählt, es wäre Brauch dort erst ein Kreuz zu kaufen um es dann der gewaltigen Sammlung hinzuzufügen. Na ja. Aber Marcel Friedrich versäumt auch nicht zu bemerken, dass ein Ticket der EM unter 30 Euro nicht zu haben ist, und Litauer seinen Informationen nach zwischen 300 und 600 Euro im Monat verdienen. Sein anfänglicher Groll auf Litauen ist inzwischen offenbar differenzierter Betrachtung gewichen. Und ein Dankeschön für die vielen freiwilligen Helfer ist da auch noch drin. Na dann, weiter noch viel Spaß - obwohl eine von beiden Mannschaften, entweder Lietuva oder Dirkas, ab übermorgen anders planen muss ...

NACHTRAG: Na ja, und dann erwischte es leider beide, schneller als erhofft. Aber erstaunlich die Ergebnisse unserer Vorab-Umfrage: die einzigen, die es wagten ein konkretes Team als Europameister vorauszusagen, und nicht auf Litauen schwörten, wählten Spanien ...

02 September 2011

Der Korb hängt hoch

85% der Leserinnen und Leser dieses Blogs glauben fest daran, dass Litauen die Basketball-Europameisterschaft, die nun bis zum 18.September in Alytus, Šiauliai, Kaunas, Klaipėda, Panevėžys und Vilnius ausgerichtet wird, auch selbst gewinnen kann.Ob das gelingt, muss abgewartet werden. Klar ist jedoch, dass Litauen nicht allein auf den sportlichen Erfolg setzt.

Positiv denken
Wer erinnert sich noch daran, dass im vorletzten Jahr Vilnius europäische Kulturhauptstadt war? Im Gegensatz zu den Gästerekorden in Tallinn dieser Saison schlingerte Litauen noch mitten in der Wirtschaftskrise. Zudem ging damals Litauens Airline pleite, plötzlich waren viele Reisemöglichkeiten blockiert. Aus deutscher Sicht gesehen, ist - abgesehen vielleicht von der Kurischen Nehrung - Litauen noch nicht so recht auf der touristischen Landkarte angekommen. Das soll nun die Basketball-EM ändern. Die Schließung der gemeinsam mit Estland und Lettland betriebenen Tourismuszentrale in Berlin lieber gar nicht erwähnen - und auf zu neuen Ufern. In sofern könnte das Wunsch-Halbfinale aus dieser Sicht lauten: Russland, Frankreich, Deutschland und Litauen, die vielleicht touristisch vielversprechendsten Nationen. 

Deutscher Dirk, litauische Hoffnung
Wie sieht es aus deutscher Sicht aus? Kann Litauen von deutscher Basketball-Begeisterung etwas gewinnen? Einiges spricht dafür, dass der Effekt sehr begrenzt bleiben wird.
Nowitzki, Nowitzki. Allein dass keines der EM-Spiele im öffentlich-rechtlichen, also im frei zugänglichen Fernsehen zu sehen sein wird, spricht schon gegen eine erhöhte Litauen-Aufmerksamkeit. Auch Berichte von "vor Ort", also aus Alytus oder
Panevėžys - Orte von denen meines Wissens nach noch nie ein deutscher Fernsehreporter berichtet hat - es sieht nicht so aus, als ob eines der vielen Spartenmagazine diese aktuelle Chance nutzen wollte. Vorberichte in deutschen Zeitungen? Ja. Der "Kurier" in Österreich findet es bemerkenswert, dass die EM in Litauen die zahlenmäßig stärkste ist (mehr Mannschaften als vorher), und dass es einen eigenen EM-Song gibt. Vielleicht stellt es schon ein Entgegenkommen dar, dass die österreichische Sportpresse nicht auch noch die kürzlichen litauisch-österreichischen Verstimmungen nachklingen lässt?
30.000 Gäste werden angeblich erwartet - das unterstreicht die touristischen Hoffnungen, denn die Sommersaison ist ja schon vorbei. "Litauen hofft auf rentable Basketball-EM" unterstreicht auch "Eurotopics" und lässt damit durchklingen, dass selbst ein zufriedenstellender Gästestrom zunächst einmal nur die vorab getätigten Investitionen ausgleicht.
DIE ZEIT stellt heraus, dass Basketball in Litauen "Religion" sei: "Drei Millionen Litauer wollen den Titel". Es folgen erfreulich kundige Bemerkungen zum litauischen Basketball, zur Basketballschule von Arvydas Sabonis, und die These: "Basketball ist der einzige Grund warum die Welt weiß, dass Litauen überhaupt existiert."
Ein wenig mehr auf die Situation im Lande geht die "Süddeutsche Zeitung" ein. Die Atmosphäre in Litauen sei ein wenig mit dem Fußball-Rausch in Deutschland des Jahres 2006 zu vergleichen. Ist das realistisch, oder entspricht das nur dem deutschen Ansinnen, alle Maße der Welt immer mit Fußballfeldern zu messen? "Im strömenden Regen warteten Tausende von Menschen", wird hier für deutsche Leser berichtet. Na immerhin, mehr warten wohl auch nicht vor einem Spiel der deutschen Basketball-Bundesliga. So schätzt es auch BBL-Geschäftsführer Jan Pommer ein, der optimistisch auf einen Popularitätszuwachs für Basketball in Deutschland durch die beiden Erstliga-Aufsteiger Bayern München (ein Markenname) und Würzburg (Heimatort Nowitzkis) hofft. Aber das wäre ja eher von einem möglichst guten deutschen Abschneiden abhängig. Zumindest die Litauer in Deutschland werden wohl bis zum18.September auf ihr Heimatland setzen - wo bisher die realistische Einschätzung regierte, vielleicht doch eher im Fußball sich noch verbessern zu können um litauisches Aufsehen auch in Deutschland zu erregen.

Sportmigranten
"Basketball als Tor zur Welt" - ein solcher Wahlspruch scheint realistischer und weist wohl einerseits hin auf die Aufstiegs- und Verdienstmöglichkeiten litauischer Basketballer (sechs der aktuellen 12 Mitglieder des Nationalteams spielen in Vilnius oder Kaunas, die anderen im Ausland)."Basketball ist für die Litauer heilig", betont auch die Neue Züricher Zeitung und ergänzt aber süffisant, Artikel 14 der litauischen Verfassung garantiere aber Glaubens- und Gewissensfreiheit. Den Erfolg der EM würde eher die ungewöhnlich hohe Zahl von Profis aus der US-Liga NBA garantieren, so die Einschätzung. Die andere Einschätzung ist, dass die erste Hürde für Litauen das Spiel gegen Spanien sein könnte - immerhin 10% unserer Blogleser tippen auch auf einen spanischen Erfolg. Ginge es nach europäischen Kriterien, so hätten vielleicht auch die Griechen noch Nachholbedarf an Jubel. Aber allein mit einem Erfolg als Veranstalter werden sich die Litauer sicher nicht zufrieden geben.

17 August 2011

Schwedische Montagsdemos

79 Montage waren es, die zwischen der litauischen Unabhängigkeitserklärung vom 11.März 1990 und Mitte September 1991, als auch international die Unabhängigkeit der baltischen Staaten anerkannt wurde. Jeden Montag gab es in Stockholm auf dem Norrmalmstorg Solidaritätsdemonstrationen für die Freiheit Estlands, Lettlands und Litauens. Darin erinnerte jetzt der schwedische Ministerpräsident Reinfeldt am selben Ort, zusammen mit den drei Regierungschefs Kubilius, Dombrovskis und Ansip (siehe TheLocal.se, schwedisches Radio, Schwedischer Reichstag).
Kubilius, Dombrovskis, Ansip, Reinfeldt -
Schuldenabbau in Stockholm
Den Worten Reinfeldts zufolge haben sich diese Montagsdemos in dieser Zeit über ganz Schweden verbreitet, an 50 verschiedenen Orten. Aber nicht nur das: Ende Mai / Anfang Juni 1990 reisten hochrangige Delegationen der drei Länder - damals noch Vertreter der "Obersten Räte" nach Schweden und wurden dort freundlich und mit allen Ehren empfangen. Ebenfalls noch 1990 wurde ein "Baltisches Informationsbüro" in Schweden gegründet. Die Art und Weise ist bemerkenswert: die schwedische Regierung forderte gewissermaßen die Vertreter der litauischen, lettischen und estnischen Volksfronten auf, sich an die staatliche schwedische Agentur für internationale Zusammenarbeit (schwed. Abk. SIDA) zu wenden um finanziell bei dem Vorhaben unterstützt werden zu können.Und ebenfalls noch vor dem August 1991 gegannen in Schweden Ausbildungskurse für Nachwuchsdipomaten aus Estland, Lettland und Litauen.
Schweden haben "Ehrenschulden" an die baltischen Staaten ("debt of honour"), sagte Reinfeldt in seiner Rede zum 15.August 2011. Vielleicht wird mancher Este, Lette oder Litauer dazu auch eher die Situation am Ende des 2.Weltkriegs erinnern, als Schweden Flüchtlinge an die sowjetischen Behörden auslieferte.

Diese baltisch-schwedische Allianz des Erinnerns fällt aus deutscher Sicht wohl besonders auf, weil Ähnliches in Deutschland bisher ganz undenkbar wäre. Zwar gab es auch in verschiedenen deutschen Städten immer wieder Solidaritätskundgebungen für die baltischen Unabhängigkeitsbewegungen, auch zwischen dem März 1990 und dem August 1991 - aber es ist deutschen Behörden und Politikern offenbar immer noch lästig, daran zu erinnern. Genau so lästig, wie "die Balten" 1990 waren, als sie auf ihre eigenen Rechte hinwiesen, und darauf bestanden, nicht erneut nur den Interessen der Großmächte untergeordnet zu sein. Die überwiegende Zahl führender deutscher Politiker war damals auf solchen pro-baltischen Veranstaltungen auch gar nicht zu sehen. Zwar werden in der offiziellen Geschichtsschreibung die Tage nach dem misslungenen Putsch gegen Gorbatschow heroisiert und erinnert - so stark, dass inzwischen sogar schon einige verkünden, die baltischen Staaten hätten ihre Unabhängigkeit auch erst dann verkündet, als sie Deutschland dann endlich mit wenigen Tagen Verzögerung anerkannte. Auf eine Feier in Deutschland in Anerkennung dessen, was sich in Litauen, Lettland und Estland zwischen März 1990 und August 1991 tat, wie deren Amtsträger - im Gegensatz zur freundlichen Aufnahme in Schweden - in Bonn bei deutsche Politiker in die Hinterzimmer verwiesen wurden: darauf werden wir wohl noch eine Zeitlang warten müssen.

Die deutsche Außenpolitik strickte in den 90er Jahren eifrig an der Legende von "Deutschland, Anwalt der Balten". Dabei gehen einige wohl davon aus, dass die Betroffenen vor der internationalen Anerkennung ihrer Unabhängigkeit irgendwie rechtlos waren, also immer nur die Interpretation der Machthaber in Moskau zählte. Da passt der Spruch immer noch, der da sagt: Anwalt wohl - aber dieser scheute es, mit seinen Klienten auch vor Gericht zu gehen! (zweite Variante: der Anwalt begann erst dann zu arbeiten, als seine Klienten seine Rechnung in einer ihm vorteilhaften Währung bezahlen konnten)

Nun werden es die Schweden besser beurteilen können, ob Schweden wirklich 1990/91 so "baltenfreundlich" war, wie es die heutige Darstellung von regierungsamtlicher Seite gerne darstellen möchte. Das Portal "Thelocal" zitiert einige kritische Stimmen während der Kundgebung in Stockholm, die zurecht darauf hinweisen, Reinfeldt könne nur deshalb heute so schön reden, weil damals seine Partei nicht an der Macht gewesen sei. Das Leserforum auf dieser Seite landet dann sehr schnell wieder bei gegenseitigen Schuldzuweisungen: Schweden liefert Balten aus und rettet Juden, Balten angeblich eifrige Mitglieder der Waffen SS, und so weiter. Die öffentliche Diskussion ist auch in Schweden ziemlich kontrovers. Auf einen Artikel von Reinfeldt im "Aftonbladet" gibt es 430 Leserkommentare, vielfach auch zum Thema "schöne Politikersprüche, bittere Realität". Dagens Nyheter schreibt über die "baltische Lektion" und bekommt ebenfalls 100 Leserkommentare. Svenska Dagbladet bringt ein Interview mit dem estnischen Präsidenten Ilves. Göteborgs-Posten bringt, abseits von der Alltagspoltik, einen Bericht über fruchtbare litauisch-schwedische Zusammenarbeit bei Mode und Design. Vielleicht funktioniert die wirkliche Zusammenarbeit zwischen Litauen und den (west)europäischen Nachbarn wirklich besser abseits der großen Reden und Gedenktage. Aber dennoch: Politiker sollten sich ein wenig in der baltischen Befindlichkeit auskennen, bevor sie wieder öffentlich Dinge der Vergangenheit rühmen, die im Moment des aktuellen Geschehens zu unterstützen sie sich gescheut hätten.

Zu den Beziehungen Schwedens zu den baltischen Staaten in den Jahren 1989-1991 ein Buchtipp: Lars Peter Fredén: „Förvandlingar – Baltikums Frigörelse och svensk diplomati 1989-91“, Bokförlaget Atlantis, Stockholm 2004.

12 August 2011

Fettige Näpfchen und diplomatische Pauken

Zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen donnert der Name "Litauen" gewaltig über die Flure diplomatischer Vertretungen und europäischer Ministerien. Rächt es sich jetzt, dass in der Diplomatie die Benutzung einer größt möglichen Pauke fast nie zum geeigneten Mittel der Verständigung erklärt wird? Hatte die Diskussion um den ehemaligen KGB-Oberst Mihail Golowatow noch Diskussionen um die genaue Bewertung der Ereignisse von 1991 und dem litauischen Weg zur Wiedererlangung der Unabhängigkeit ausgelöst, so dreht es sich jetzt ebenfalls um einen Fall der Zusammenarbeit zwischen Justizministerien.

In Belorussland (der "letzten Diktatur Europas", wie viele sagen) ist Ales Belyatsky, einer der bekanntesten Menschenrechtsaktivisten des Landes, unter dem Vorwurf der angeblichen Steuerhinterziehung festgenommen worden. Belyatsky's Organisation "Vjasna"unterstützt vor allem politisch Verfolgte und deren Angehörige (siehe TAZ 9.8.11 und 10.8.11).
Es war das litauische Justizministerium, dass sich veranlaßt sah, Hunderte von Kontodaten von Weißrussen bei litauischen Banken an die Justizbeamten des Lukaschenko-Regimes weiterzureichen. So verschaften sie ihren "Kollegen" einen guten Überblick, welcher belorussische Staatsbürger mittels Konten in Litauen zum Beispiel über Unterstützung durch Projektgelder der EU verfügt - daher der Vorwurf des "Steuervergehens". 


Ein Teil der litauischen Presse empört sich nun über das Verhalten des eigenen Ministers - aber einen Rücktritt wird es wohl nicht geben. Außenminister Ažubalis ließ über den litauischen Botschafter in Minsk eine mühsam formulierte Erklärung gegenüber der Frau Beliatsky's und belorussischen Menschenrechtlern abgeben. Litauen verurteile "den Gebrauch von im Zuge von Amtshilfeverfahren gegebenen Informationen für politische Zwecke". Hm. Von der Möglichkeit grundsätzlichen Schutzes sensibler Daten für jeden einzelnen Bürger ist nicht die Rede.

Manche reden ja in Litauen auch gerne von einer "Nord-Süd-Achse" in Osteuropa oder Nordosteuropa. Also eine regionale Zusammenarbeit ohne eine vorherrschende Rolle weder von Russland noch von Deutschland. Wer vielleicht nicht glauben mag, dass Litauen in der Mitte Europas liegt, dann aber doch im Zentrum einer Interessenvereinigung von Estland über Lettland, der Ukraine, Polen, möglichst bis Georgien. Und natürlich Belorussland. Schon seit Jahren versucht sich die litauische Außenpolitik hier zu positionieren, mal als Vermittler hier, mal als Konferenzveranstalter dort. Schon deshalb ist der Fall Belyatsky nun ein großer Fleck auf der gewünschten weißen Weste des Regionalpartners Litauen.

Klar, dass gerade österreichische Medien den Fall interessiert beobachten (siehe z.B. Wiener Zeitung). Linas Jegelevicius bezeichnet das litauische Verhalten bezüglich Belorussland in der BALTIC TIMES als "Imitieren Österreichs".Es kann ja schon jemand mal den Antrag stellen, das Wort "österreichisieren" (= Unterstützung von undemokratischem Regierungshandeln?) in die entsprechenden Wörterbücher aufzunehmen.