24 Januar 2011

Von Rückkehr und Hoffnung

Karolis Spinkis zog im Alter von 12 Jahren mit seiner Mutter von Litauen nach Deutschland.  Inzwischen, 7 Jahre später, hat er einige seiner Erlebnisse und Erinnerungen zwischen beiden Ländern mit seiner eigenen Videokamera aufgearbeitet. 
Zur Jahreswende stand - wie für viele Litauerinnen und Litauer - eine Reise zurück nach Litauen auf dem Programm. Für Karolis diesmal zusammen mit einem Filmteam. - Zurück in der Heimat als Arbeitsaufenthalt: Weggehen und Bleiben, Rückkehr und Hoffnung - ein Film soll helfen, diese Themen verständlicher zu machen in Litauen und in Deutschland.

Hier Auszüge einiger frischer Eindrücke, die Karolis in Litauen aufgeschrieben hat:
„Der Anlass, diesen Film zu machen, zeigte mir eine neue Art von Heimatbesuch.
Es war eine Reise zu meinen Spuren und ich bin froh, dass ich sie bereits jetzt machen durfte. Ohne diesen Film hätte ich mich nicht gefragt, wo mein Zuhause ist, ob ich Litauen oder Deutschland als Heimat empfinde, oder wie wichtig die eigene Herkunft überhaupt ist. Womöglich hätte ich mich zu spät aufgerafft, mich auf die Suche zu machen. Der Dreh machte mir bewusst, wie viele Fragen in Wirklichkeit noch unbeantwortet sind und wie wenig ich von meinem Land weiß. Es war eine Bildungsreise, die ich auch bewusst als solche hinnahm. Nein, keine Bücher, keine Stadtführer brachten mir meine Heimat näher. Nach wie vor weiß ich von der Geschichte des Landes wenig. Die besten Lehrer waren Menschen, die ich traf. Als Einzelne und in der Summe zeigten sie mir, wie die Lage in meinem Land heute ist.“
Und weiter:
....
„Eine Woche vor der Expedition ging der kleine Karolis durch litauische Medien. Eine der größten litauischen Zeitungen „Respublika“ veröffentlichte einen Artikel über mich und unser Vorhaben. Noch am selben Tag erhielt ich einen Anruf von TV3, einem litauischen, kommerziellen Fernsehsender. Sie planten eine Sendung zum Thema Emigration, wo sie mich herzlich als Gast in die Talkrunde eingeladen haben. Die Sendung heißt „Kodėl?“ (dt. „Warum?“), da wird den Tatsachen auf den Grund gegangen. Die äußerst penetrante Moderatorin gilt bei vielen in Litauen als angesehen, denn sie schafft es, aus den „falschen“ Politikern immer die Wahrheit auszuquetschen. Wahrheit hin oder her - ich saß da. Zwei Stunden dauerte die Aufzeichnung der Sendung. Ich saß und saß und niemand wollte mit mir reden. Anscheinend sollte ich selbst die Initiative ergreifen und mich der heißen Diskussionsrunde anschließen, Problem war nur, ich verstand nichts. Es lag nicht an der Sprache, Litauisch verstehe ich wunderbar, doch was und wie sie geredet haben, verstand ich nicht. Reich und arm, gut und böse saßen sich gegenüber, Moderatorin hetzte die Parteien aufeinander, ließ niemanden ausreden. Ich wusste nicht, ob ich lachen oder mir die Augen zuhalten soll oder einfach nur aufstehen und gehen. Sie haben sich angeschrien, beinah die Köpfe eingeschlagen. Sinn der Sendung sollte sein, das Emigrationsproblem Litauens auszudiskutieren und wie ich unterschwellig mitbekommen habe, Emigranten zurück ins Land zu rufen. Weder das Eine, noch das Andere gelang. Problem blieb weiterhin ungelöst und ich muss mich an dieser Stelle entschuldigen, dass ich in der Sendung nichts gesagt habe. Erst zwei Tage später fiel mir folgender Satz ein, den ich hätte anbringen müssen: „Wenn ein ausgewanderter Litauer Euch sieht, wie ihr Euch gegenseitig beschimpft und zu Obst macht, denke ich nicht, dass er nur ansatzweise darüber nachdenkt, zurückzukommen. Ich würde es nämlich nicht tun.“ Ein dramatischer Abgang im Anschluss wäre beeindruckend gewesen. Doch schade, verpennt. Fernsehen auf tiefstem Niveau. Sorry.“
(aus „von Weggehen und Bleiben, von Rückkehr und Hoffnung“)

mehr davon ist zu lesen auf Karolis' Webseite

13 Januar 2011

Verhängnisvolle Panzertechnik

Aus Anlaß des Jahrestages der Unruhen von Vilnius am 13.Januar 1991, als gewaltsam versucht wurde Litauens Weg zur Wiederherstellung der Unabhängigkeit doch noch aufzuhalten, hier ausnahmesweise mal ein Verweis auf die russische Nachrichtenagentur NOVOSTI (siehe Pressemeldung vom 12.1.11). 
Was anderswo als "Blutsonntag" bezeichnet wird (14 Tote, Hunderte von Verletzten), ist immerhin der heutigen russischen Dimplomatie Anlaß zum Mittrauern: "Die Botschaft der Russischen Föderation trauert wie alle anderen um die damals ums Leben gekommenen Menschen und spricht ihren Angehörigen tiefempfundenes Beileid aus" (so zitiert es NOVOSTI). Und weiter, zu den konkreten Ereignissen:
"In der Nacht zum 13. Januar rückte eine Kolonne sowjetischer Panzertechnik ins Zentrum der litauischen Hauptstadt. Bei der Verteidigung des Parlaments und des Fernsehturmes kamen 14 Menschen ums Leben, die teilweise von Panzern überrollt und teilweise erschossen wurden."

Panzertechnik also. Fahrzeuge, auf "automatik" gestellt? Wie es wirklich war - dazu würde man sich wirklich eine kritische Auseinandersetzung Russlands mit der eigenen Geschichte wünschen - zum Beispiel dem sowjetischen Teil davon. Immerhin wurde eine gemeinsame litauisch-russische Historikerkommission eingesetzt, um Klärung zu schaffen, was die Ereignisse in Vilnius angeht. Aber das bringt nicht immer etwas - die Nachbarn Estland und Lettland haben da unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Aber man spricht miteinander. Vielleicht hat das zur Folge, dass in solchen Pressemitteilungen wenigstens nicht steht: die Litauer waren selbst schuld. 

Chronik der Ereignisse aus litauischer Sicht   

der Filmausschnitt dazu, der bei YouTube ins Netz gestellt wurde, stammt aus dem für den WDR produzierten Film "Die baltischen Staaten (1-3) - Litauen" von Andrea Reischies.

08 Januar 2011

Litauen riecht - nach Männern

Wahrscheinlich ist es nicht richtig, "Gerücht" mit "Riechen" in Verbindung zu bringen. Nun geht aber dieses "Geriech" durch die Presse, das litauische Außenministerium höchstselbst habe ein eigenes "Litauen"-Parfum erfinden lassen, um das Ausland positiver auf das baltische Land zu stimmen. Es soll auch schon höchstamtlich verteilt worden sein: mindestens an die in Vilnius ansässigen Botschafter fremder Länder. Mindestens einige Journalisten müssen wohl auch gnädig bedacht worden sein - denn wie könnten sie sonst beschreiben, was sie nicht riechen können? 

Nun gut, auch Lettland hat schon mal an sämtliche Teilnehmer eines NATO-Gipfeltreffens gestrickte Handschuhe verteilen lassen - wohl als Versuch interkultureller Kommunikation. Wäre es nun also zum Beispiel Fruchtwein aus Anykšiai oder Käse aus Rokiškis gewesen, es hätte als "typisch litauisch" gelten können. Aber Parfum? 

Schauen wir uns zunächst mal die - ja wohl beabsichtigten - Pressereaktionen an. Die BZ in Berlin packt die Meldung unter "Vermischtes": hier wird eine "Mischung aus Sandel- und Zedernholz, Moschus und Wiesenblumen" er-rochen und gleichzeitig behauptet, auch die litauischen Soldaten in Afghanistan hätten schon daran geschnuppert. Ein Männerparfum also? Oder liefen im litauischen Außenministerium einfach zu viele schlecht riechende Männer herum? Wer nicht glaubt, dass in Litauen Parfums zuallererst den Männern geschenkt werden, kann auch im Blog von Matthias nachlesen, der sein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) in einem Kinderdorf im litauischen Marijampolė ableistet, und die Übergabe von Weihnachtsgeschenken dort so beschreibt: "Die Kinder haben sich sehr über die Geschenke gefreut. Jedes Kind bekam ein Handtuch, ein Buch, die Mädchen jeweils einen Drogerie-Gutschein und die Jungs ein Parfum." Aha, bei den Mädchen muss man also Angst haben, Stress bei Übergabe eines falschen Geschenks zu bekommen - und gibt lieber einen Gutschein. Nun, liebes Ministerium: ein Gutschein für alle gutwilligen Litauer wäre doch auch eine Idee gewesen ...

Dem FOCUS  riecht das litauische Nationalparfum vor allem nach Moschus, und das Blatt will auch wissen dass dem Duft "eine schwach-duftende Erinnerung an die Holzfeuer früherer heidnischer Rituale" beigemengt wurde. Na Glückwunsch! Mag sich da mancher denken - wenn schon der Winter so kalt ist, dann wenigstens riecht es nach Feuer. Sollte es dagegen eher nach so etwas wie verbranntem Holz riechen, könnten auch ganz andere Assoziationen wach werden.

Bei der Financial Times (wie riechen eigentlich Finanz-Journalisten?) tröpfelt gar ein wenig Neid durch. Deutschland könne sich da etwas abschauen, heißt es da zunächst (denn in Deutschland rieche es eher nach "Leitzordnern, Sauerkraut und Autobahnen"). Schon die Beschreibung dieses neuen Duftes klinge "aufregender als alles, was man bisher mit Litauen assoziiert hat". Eine Konsequenz schnuppern die Finanz-Geteimten bereits am Horizont: "Die immer noch verbreitete Verwechslung mit Lettland dürfte bald der Vergangenheit angehören, weil niemand die Letten riechen kann."

Auch die TAUNUS ZEITUNG inspiriert das litauische Duftgerücht zu einer Vorstellung, wie ein "deutsches Parfum" denn vielleicht riechen könnte: "Laubwald, Bratkartoffeln, Autoabgasen, blauer Blume und Weltuntergangs-Angstschweiß". Im Google-Forum "Baltics" glaubt man zunächst an einen Aprilscherz im Januar, um dann ein interessantes Details aufzudecken: 1000 Fläschchen des Parfums seien für Kosten von 28.900 Euro in Frankreich produziert worden - komplett finanziert von der Kosmetikindustrie. Ein offenbar willkommener Sponsor litauischer Außenpoltik.

Bis zu BALTIC-COURSE dagegen, mit Redaktion in Riga, scheinen die Parfumproben nicht vorgedrungen zu sein. Eine dort arbeitende litauische Journalistin musste die Nachricht der neuseeländischen Presse entnehmen, bevor sie die Geschichte recherchieren konnte und - wie einige andere - nun einen Bericht bei DIENA.LT zitieren. Dort spricht der Creation-Master himself, Mindaugas Stongvilas. Und siehe da, auch in Australien hat sich die Kunde seiner Genialität schon herumgesprochen: auf der Seite des Telekommunikations-Konzerns OPTUS wird Stongvilas als "Experte für emotionale Kommunikation" bezeichnet - leider ohne Vergleich, wie man sich einen Australien-Geruch" vorstellen würde. Auch die DAILY TIMES aus Pakistan berichtet ohne Geruchsvergleich: die Idee bei der Schaffung des Parfums sei, so steht es hier zu lesen, auch den "indo-europäischen Urspung der litauischen Sprache" symbolisieren. Riechen ohne Sprechen scheint in Pakistan wohl undenkbar.

Es sei eine Idee gewesen, übrig geblieben von den Ideen zur Kulturhauptstadt Vilnius, gibt Stongvilas bei DIENA.LT zu. Das Sandelholz solle speziell an Litauisch als vom Sanskrit herkommende Sprache symbolisieren, meint Stongvilas. Warum das gerade in Pakistan nicht so richtig verstanden wurde, erklärt er leider nicht. Der litauische Hotel- und Gaststättenverband hat bereits zugestimmt, den "Litauen-Duft" ("Lietuvos kvapas") bald vertreiben zu wollen. Kommt an Flughäfen nun die Geruchsprobe? WC-Lufterfrischer mit "Litauen-Duft" wird es immerhin keine geben, so lassen die Erfinder verlautbaren.

Nun denken die Herren doch tatsächlich über eine "Frauen-Variante" dieses neu geschaffenen Dufts nach. Lietuvos Rytas legt schließlich offen, dass für den "Litauen-Geruch" 120 verschiedene Essenzen benutzt worden seien. Einzigartig? In der litauischen Presse verrät Duft-Erfinder Stongvilas dann noch, dass er eigentlich Physiker sei, der an der Universität Vilnius angestellt sei. Ein Hobby-Duftologe also, und ein Außenminsterium, dass sich für Marketingkampagnen der Kosmetikindustrie kostenlos zur Verfügung stellt - oder hat "mann" sich da mehr patriotischen Idealismus vorgestellt?

Was sagen die Litauer dazu? In den Internetportalen sind Kommentare wie diese zu lesen: "Sorgt für ein menschenwürdiges Leben im eigenen Land, dann braucht ihr auch das Image Litauens im Ausland nicht überzuparfümieren ..."
Andere finden den Geruch des Meeres einfach schöner, und für Litauen typischer. Und wieder andere fordern, nun auch ein Parfum "Schlacht bei Grundwald (Tannenberg)" herauszugeben. Nun, wie wär's - geben wir eine Sammelbestellung auf? Mein Freund, Sie riechen heute wieder so eigenartig - waren Sie etwa wieder in der Litauischen Botschaft?

02 Januar 2011

Die gefühlte und die tatsächliche Beliebtheit der Diplomatie

Litauen hat Großes vor im Neuen Jahr 2011: diplomatisch genießt die Präsidentschaft Litauens in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) höchste diplomatische Priorität - offenbar innenpolitisch wie außenpolitisch. 

Baustellen und Schwachstellen
Die Aufgabe wird nicht einfach werden. "Litauen erbt kasachische Baustellen" titelt "Der Standard" und meint damit die vorangegangene Präsidentschaft, der litauische OSZE-Sonderbeauftragte Giedrius Cekuolis habe eine lange Reihe sogenannter "eingefrorener Konflikte" auf dem Schreibtisch liegen - von Konflikten in Armenien, Aserbaidschan,  Moldawien / Transnistrien bis hin zu Russland und Georgien.
Gleichfalls sieht nicht nur "der Standard" diese Themen im Bereich der Zusammenarbeit im osteuropäischen Raum unter den Vorzeichen der notwendigen Verbesserung des Verhältnisses zu Russland. Dem entsprechend betont Litauen auch gern, erstes "baltisches" Land beim OSZE-Vorsitz zu sein - beim Verhältnis zu Russland aber hat der lettische Präsident Zatlers gerade das vollzogen, was bei seiner Kollegin Grybauskaite bisher noch auf dem Aufgabenzettel steht: einen offiziellen Besuch in Moskau. Und dass gerade in diesen Tagen der weissrussische Präsident Lukaschenko, kurz nachdem er sich in scheindemokratischen Wahlen eine weitere Amtszeit selbst beschert hat, nun das Büro der OSZE in Minsk schließen will (siehe Bericht Tagesschau), das macht die litauische Präsidentschaft auch nicht leichter. "Bei den Wahlen in Belorussland müssen die Standards der OSZE eingehalten werden", betonte die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaite mehrfach bei ihren Staatsbesuchen im belorussischen Nachbarland.
Angesichts einer von vielen Beobachtern beklagten Machtlosigkeit der OSZE machen sich einige Medien auch ernsthaft Sorgen um die Sinnhaftigkeit des ganzen Tuns. Nach Ende des OSZE-Gipfel in Astana schlußfolgerte der SPIEGEL: "43 Millionen Dollar kostete die OSZE-Mammutveranstaltung in Kasachstan. Doch sie endete ruhmlos, weil Ost und West sich nicht einigen konnten, womit sich die Organisation überhaupt noch beschäftigen darf. Statt wiederbelebt zu werden, scheint der Patient nahezu tot."

Wie Umfragen zu Fragen werden
Das litauische Außenministerium versäumt es nicht, die Unterstützung der litauischen Öffentlichkeit für die OSZE-Präsidentschaft zu betonen, und zitiert in einer Pressemitteilung eine Umfrage, der zufolge 43% der Befragten Litauer die litauische Präsidentschaft für "nützlich" einstufen. Ob diese Zahl allein vertrauensbildend sein kann - das wird beim Blick auf viele andere, ähnliche Umfragen derselben Firma ("Vilmorus") deutlicher. Interessant sind da zum Beispiel Ergebnisse auf die Frage, welchen Institutionen in Litauen überhaupt Vertrauen engegengebracht wird: 78% misstrauen dem litauischen Parlament, 77,3% den Parteien, 60% der Regierung (Untersuchungszeitraum 3.-12.Dezember 2010). Vertrauen dagegen genießen lediglich Feuerwehr und Rettungsdienste (zu 89,9%), und auch die litauische Präsidentin (72,6%). Der litauischen Kirche vertrauen noch 55,9% der Menschen, der Polizei 39,2% (Zahlen derselben Umfrage).
Eine ähnliche Umfrage der Firma "Vilmorus" (aus dem gleichen Zeitabschnitt) benennt Beliebtheitswerte von insgesamt 19 litauischen Politikerinnen und Politikern - Außenminister Audronius Ažubalis taucht hier gar nicht auf. Ist er im eigenen Land so unbekannt?? Oder wird bei einer Umfrage nach einer "Präsidentschaft" Litauens vielleicht bei den Befragten erstmal angenommen, das OSZE-Thema sei in der Durchführung dann auch eher eine Sache für die eigene Präsidentin? (die in der Beliebtheitsskala der litauischen Politiker mit weitem Abstand führt - ebenfalls Untersuchungen von "Vilmoris").

Aber interessante Ergebnisse haben diese Umfragen ja immer - neben einer Grundskepsis gegenüber allzu großer Zahlengläubigkeit. Das litauische Außenministerium nennt in derselben Pressemitteilung, in der die "große öffentliche Unterstützung" für die OSZE-Präsidentschaft betont wird, auch andere Ergebnisse. Zum Beispiel seien 46% FÜR eine Erweiterung der Europäischen Union (EU) um weitere Mitglieder (26% sind dagegen). Interessant nur, WEN sich die litauischen Befragten als Kandidaten für diese Erweiterung wünschen: neben der Ukraine vor allem DIE SCHWEIZ und NORWEGEN - da haben wohl die entsprechenden Projektfinanzierungen aus diesen Ländern ihre Wirkung nicht verfehlt.
Es braucht nur noch zwei weitere Jahre, um weitere Illusionen zu nähren: dann übernimmt Litauen die EU-Präsidentschaft ...

15 Dezember 2010

Neues von Karolis

Vor zwei Jahren erregte er zum ersten Mal Aufsehen mit einem selbst produzierten Film über litauisch-deutsche Erfahrungen: Karolis Spinkis (siehe Bericht in diesem Blog). Nun kann Karolis noch einen Schritt weitergehen - eigentlich sind es ein paar Schritte zurück, und gleichzeitig viele Schritte voran: eine Filmproduktionsfirma nahm Kontakt zu ihm auf und wird nun in den nächsten Monaten das Thema "Litauer im Ausland" als professionelle Filmproduktion angehen - mit Karolis als Autor (Co-Autor ist Tilo Ullrich). "Wir werden in Šiauliai, in Kaunas und in Vilnius drehen," erzählt Karolis, "über Weihnachten und auch über Neujahr."

Das scheinen also ganz besonders produktive Festtage zu werden. Im Ergebnis wird dann nicht allein Karolis über seine Erlebnisse zwischen Litauen und Deutschland berichten, sondern es ist an einen Querschnitt verschiedener Eindrücke und Meinungsäußerungen mehrerer Personen gedacht. Aber vor allem soll auch das Land Litauen mit vorgestellt werden, also der Hintergrund und die Lebensumstände derjenigen, die sich zum "Auswandern" oder zwischenzeitlichen Arbeitssuchen im Ausland veranlasst sehen. Die Produktion beantragte bereits erfolgreich Fördermittel des Landes Thüringen (Karolis lebt in Jena) und die Beteiligten freuen sich nun darauf loslegen zu können.

06 Dezember 2010

Bauwerke, Litauisch

OFFENBAR "IN": Das Baugewerbe zählt sicherlich gerade unter Vorzeichen der Wirtschaftskrise zu den sensibelsten Bereichen, auch für Litauen. Überraschend viel Werbung für litauische Baukunstwerke ist zur Zeit in einigen Architekturforen zu lesen: "Total abgehoben wohnen" schreibt Marianne Kohler im Züricher "Tagesanzeiger" am 19.November, und meint damit Häuser des litauischen Architekturbüros Natkevičius. Oder ist es nur ein Beispiel geschickter Architekturfotografie? Weitwinkel einerseits, und die Illusion der Abwesenheit jeglicher Nachbarn scheinen hier maßgebliche Leitlinien zu sein. 

Dennoch: der Bau regt offenbar zur Diskussion an. "Ob man für so etwas in der Schweiz eine Baugenehmigung erhält?" fragen sich Leser/innen des "Tagesanzeigers". Andere schätzen die Bauidee auch als "ökonomischen und ökologischen Schwachsinn" mit fehlender Gemütlichkeit ein ("Zivilschutzbunker"), und - bezogen auf den Energiehaushalt des Hauses: "das Gebäude wird doch auch von unten gekühlt, wobei gleichzeitig die erdwärme sinnlos verpufft." Ein weiterer Leser, offenbar interessiert an weltweitem Architekturvergleich, sieht Parallelen zu einem bereits existierenden Bau in Brasilien
Ganz ähnlichen Widerhall findet der Bauentwurf auf der Designseite "Studio 5555". Das Urteil hier: "Nachempfunden ist es der Arche Noah, wobei die ganze Familie mit ihren Habseligkeit auf sicheren Boden haust." Und bei "Archdaily" gibt es Infos zum Auftraggeber des Gebäudes: "Der Kunde ist ein Unternehmer im Agrobusiness (Hühnereier / Schweine). Seine Frau ist Designstudentin an der Kunstakademie und sehr interessiert in Möbeldesign." Außerdem hat hier der Autor etwas zur Ursprungsidee des Architekturentwurfs zu sagen: es soll angeblich an zu einem Lagerfeuer aufgeschichtete Holzstücke erinnern. Bei "ArchZine" wiederum sind viele Innenraumfotos zu sehen, versehen mit der schlichten Bemerkung: "ein großartiges Beispiel für eine offene Garage, bei der das Haus als Dach die Autos vor Regen und Schnee schützt." 

OFFENBAR OUT: Wenig ernsthaftes Interesse internationaler Investoren gibt es offenbar an  dem Bau eines neuen Atomkraftwerks in Litauen. Wie jetzt verschiedenen Quellen in der Presse zu entnehmen ist, fand sich nach Ablauf der von der litauischen Regierung gesetzten Frist keine Firma zur Abgabe eines umfassenden Angebots bereit (Frankfurter Rundschau, Financial Times). Auch der südkoreanische Konzern Kepco (Korea Electric Power Corporation) hielt sich entgegen erster Ankündigungen zurück - angeblich auf Druck Russlands. 

Doch auch mit dem Rückbau des inzwischen geschlossenen "Tschernobyl-Modells" Ignalina gibt es offenbar bereits genug Probleme - ganz entgegen den manchmal anscheinend so "populären" Argumenten von der "sauberen" Atomenergie. So forderten Umweltschützer in Belorussland bereits den Rücktritt von Litauens Präsidentin Grybauskaite, da dem belorussischen Nachbarn nur sehr verzögert Informationen zu Problemen bei den Rückbaumaßnahmen zugänglich gemacht worden seien (siehe TELEGRAF). Am 20.Oktober, zwei Wochen nach einem Unfall im AKW Ingalina, habe Grybauskaite während eines Staatsbesuchs in Belorussland kein Wort zu den Problemen verlauten lassen. Gemäß der belorussischen Aktivisten soll es am 5.Oktober zu einem Unfall mit 300 Tonnen hochradioaktiven Flüssigkeiten bei Arbeiten am 2005 geschlossenen ersten Reaktor gekommen sein - einen Kommentar dazu veröffentlichte auch die russisch-norwegische Umweltorganisation "Bellona". Ein Beitrag in "Die Presse" macht den notwendigen Umfang der Arbeiten deutlich: 1000 Tonnen verstrahlten Materials müssen entfernt werden, was bis zu 35 Jahre dauern kann. Auch in weiteren Ländern rund um die Ostsee wachsen die Sorgen um die sichere Lagerung des Atommülls - trotz offiziell verkündeter Atombegeisterung ("Die Presse", Frankfurter Rundschau"). Wenig wahrscheinlich ist es da wohl, dass die durch die Wirtschaftskrise sowieso vorhandenen Probleme Litauens ausgerechnet durch eine weitere Fixierung auf Atomkraft gelöst werden könnten.

08 November 2010

Der blonde Standard

Litauen macht Schlagzeilen. Wo? Nein, weder in Litauen, noch in Deutschland. Allerdings in der internationalen Presse. Gäbe es eine Rubrik "verrückte Unwichtigkeiten", so würden diese Nachrichten hier landen. Oder dort, wo man gemeinhin das "Sommerloch" vermutet. 

Beamtenjogging
Manche Nachrichten scheinen auch geradezu durch die Welt zu reisen, als Produkt der Medienwelt. Da melden "Focus", "Hamburger Abendblatt", "Die Welt", "Spiegel" und viele mehr: "Staat setzt dicke Polizisten auf Diät". Oder ist es eher ein Produkt der gerade eben abgelaufenen ARD Themenwoche "Essen ist Leben"? Werde so Journalisten trainiert, aus dem großen Topf der täglichen Meldungen irgendwie Passendes zu liefern? Die NDR "Weltbilder" machen einen ganzen Filmbericht daraus. 
Die Themenwoche ist vorbei - die "Polizeidiät" hat offenbar Freunde gefunden. Der Redaktion der "Welt" zum Beispiel war es noch nicht genug, und berichtet nun über Litauen. Nicht über Cepelinai, nicht über schicke Restaurants in Vilnius, nicht einmal über das sonst im Herbst so beliebte Thema der Qualität litauischer Pfifferlinge. Nun sind es die Busfahrer, die angeblich zu dick sind. Das allein wäre ja noch keine Nachricht. Nun wird behauptet, eine litauische Firma wolle ihre Busfahrer nach Gewicht bezahlen: "Je dünner, desto fetter das Gehalt". Grundlage? Hm, das abgebildete Foto (ein städtischer Bus vor dem Hauptbahnhof von Vilnius) hat schon mal nichts damit zu tun. So klicken wir uns weiter, denn immerhin sind die Namen der betroffenen Firma (einem Busunternehmen aus Šiauliai), deren Chef und einer Gewerkschaftsvertreterin genannt. Auch die Quelle wird genannt: Ein Bericht der Regionalzeitung Šiaulių kraštas. Also: kein Witz leider, sondern nach den verschiedenen Berichten über deutsch-litauische Sozialprojekte und Hilftransporte in der vergangenen Woche auf Platz 3 der Litauen-Berichte.

Hauptsache Blond
Auf Platz 1 rangiert eine noch verrücktere Geschichte. Litauische Tourismuswerbung in Deutschland - da stellt man sich zunächst mal Kurische Nehrung, und vielleicht noch Vilnius vor. Jetzt hat es aber eine andere Schlagzeile in die internationalen Medien geschafft -nur schade, dass sie gar nicht in Litauen spielt. 
Schon Riga hatte in den vergangenen Jahren versucht, mit "Blondinen-Paraden" Aufsehen zu erzeugen. Aber was Lettland kann, das kann Litauen offenbar schon lange. Jetzt sorgt ein litauisch betriebenes Hotel für Ausehen, in dem ausschließlich nur blonde Mitarbeiterinnen vorzufinden seien.Der Betreiber ist die Firma Olialia“, verantwortlich eine Frau: Giedrė Pukienė. Allerdings gibt es das Hotel noch gar nicht: erst 2015 soll es auf den Malediven fertig gestellt werden, mit Hiilfe von Investoren aus Russland, Deutschland und England. Dem entsprechend stolz sind die Olialianer, dass Anfang Oktober das britische Boulevardblatt "Sun" die Geschichte mit großen Aufmacher herausbrachte - denn schließlich wären dessen Leser genau die potentiellen Kunden (siehe auch: BBC).
Zitiert wird in der britischen Presse gleichzeitig, dass es auf den Malediven Spannungen geben könnte, da konservative Islamisten diese touristischen Einrichtungen auf ihrer Insel wegen ihres offen propagierten exzessiven Alkoholausschanks kritisieren. Die blonde Kunde hat auch bereits die USA erreicht: auch CNN übernimmt offenbar gerne, was die litauischen Mangerin vorgibt: auch die anzustellenden Blondinen sollen mit einem speziellen Flugzeug zum Hotel gefolgen werden - assistiert von blonden Flugbegleiterinnen natürlich. Andererseits übernimmt "Olialia" gern, was andere schreiben: auch Kritik ist willkommen, ganz nach der Devise: Hauptsache jemand redet drüber.
Die Story zieht sich auch durch einen großen Teil der deutschen Medienlandschaft. Ob die einseitige Bevorzugung von Blondinen nicht "sexistisch" sein könnte, oder arbeitsrechtlich eine unrechtmäßige Bevorzugungen von Angestellten einer bestimmten Haarfarbe darstelle - es gibt viele schöne Argumente, über das Thema zu diskutieren (z.B. Frauenzimmer.de).
Und solange wie die Malediven noch "Zukunftsmusik" bleiben, bleibt "Olialia" aber nicht untätig. In Vilnius wurde ein "Olialia Blondinen-Nachtklub" eröffnet. Die Firma ist auf 75 verschiedenen Geschäftsfeldern tätig, von der "Olialia-Cola" bis zur IT-Branche.
Da fragt man sich doch langsam, wie abgehoben eine Tourismuswerbung noch sein kann - verglichen mit dem Litauen, was zumindest ich bisher kannte und schätzen lernte. Zwar sind die Cepelinai sowieso "blond", aber, liebe Litauerinnen, bleibt bitte wie ihr seid!

02 November 2010

West-östliche Partnerschaft: Last, but not least


Als letztes, aber deshalb nicht als geringer wertiges Land der Europäischen Union besucht der deutsche Außenminister Guido Westerwelle heute Litauen. Auch Bundeskanzlerin Merkel besuchte zuletzt erfreulicherweise nicht "das Baltikum", sondern jedes Land in einer sinnvollen aktuellen Perspektive. Dass die drei baltischen Staaten manchmal nur allzu neidisch aufeinander schauen, ist die eine Sache. 

Aber muss ein litauischer Regierungschef nervös werden, wenn ein deutscher Außenminister nach seinem Amtsantritt zunächst nur Estland besucht? Ich meine: Nein. So wie es damals für Westerwelle Sinn gemacht haben mag, nach Estland nach Asien weiterzu reisen, so ist es diesmal mit Litauen und Weißrussland. Litauen versteht sich längst als Mittler zwischen den EU-Staaten und den Staaten der "östlichen Nachbarschaft". In einer Reihe von Konferenzen und Arbeitsbesuchen hat Litauen Kompetenz aufgebaut, hier ein Netzwerk der Kooperation zu schaffen - und wenn nicht Zusammenarbeit, denn wenigstens Kennenlernen. Und es dürfte auch davon auszugehen sein, dass Ažubalis und Westerwelle sich bereits intensiv kennengelernt haben, da die Strukturen der EU-Zusammenarbeit eng gefasst sind: erst am 25.10. fand ein Treffen der EU-Außenminister zur östlichen Partnerschaft statt. Und als stellvertretenden litauischen Außenminister findet Westerwelle heute den langjährigen litauischen Botschafter in Berlin, Evaldas Ignatavičius wieder. Dessen vorrangige Aufgabe ist es heute, den litauischen Beitrag zur Partnerschaft mit den Ländern in der östlichen Nachbarschaft der EU mit zu entwickeln. Also widmet sich die Presse zurecht auch den gemeinsamen Problemzonen zu, wie zum Beispiel also Weißrussland. 

Westerwelle selbst sieht seinen Besuch in Litauen - wie es offenbar abgestimmte Position der gesamten Bundesregierung ist - in engem Zusammenhang der deutschen Beziehungen zu Russland. Dies zeigt schon die extra vom Amt herausgegebene "Reisekarte": vor dem Russland-Besuch nach Lettland zu reisen, oder in diesem Fall nach dem Besuch nach Litauen, das macht aus deutscher Sicht Sinn. Ebenso schlüssig ist es, den Besuch in Weißrussland gemeinsam mit dem polnischen Außenminister Sikorski zu bestreiten. 


Nur ein Wunsch bleibt noch offen: nennt doch bitte - denn unaussprechlich ist er nicht - die litauische Hauptstadt beim Namen, den sie hat: Vilnius.

15 Oktober 2010

Nicht wählen und falsch parken verboten

40 von 141 Abgeordneten des litauischen Parlament (Seimas) sind dafür, daß die Bürger ihres Staates künftig wie in der EU in Belgien, Griechenland, Zypern und Luxemburg an die Urne gezwungen werden sollen. Die Türkei und Australien kennen eine solche Regelung ebenfalls. Auf diese Weise, so meinen die Vertreter verschiedener politischer Kräfte, werde die politische Partizipation erhöht.

Welche Vor- und Nachteile eine Wahlpflicht mit sich bringt, ist seit langem umstritten. Es kann kein Zweifel bestehen, daß ein Parlament, welches von einer überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung gewählt worden ist, eine höhere Legitimität besitzt. Eine geringe Wahlbeteiligung ihrerseits kann Ausdruck einer allgemeinen Zufriedenheit sein wie der lettisch-estnische Politologe Veiko Spolītis für den Fall Estland zu bedenken gibt, es kann aber auch ganz im Gegenteil Hoffnungslosigkeit ausdrücken, mit der eigenen Stimme etwas beeinflussen oder gar verändern zu können, wie Dorothée de Nève in ihrem Buch über Nichtwähler beschreibt.

Unabhängig davon sind in Litauen mit 48,6% bei den letzten Parlamentswahlen weniger als die Hälfte der Wahlberechtigten an die Urnen gegangen. Zum Vergleich: Im benachbarten Lettland waren es diesen Oktober wie schon 2006 immerhin 62%. Freilich ist eine deutlich geringere Wahlbeteiligung als in Deutschland, wo viele Menschen ganz ohne Vorschriften Wählen als Bürgerpflicht empfinden, in demokratischen Staaten nichts Ungewöhnliches.

Die geringe Beteiligung hat in Litauen nach der Unabhängigkeit 1991 aber regelmäßig zu Problemen geführt. Das hiesige Grabenwahlsystem sieht vor, daß 71 Abgeordnete in Einmannwahlkreisen gewählt werden. Einst war eine Mindestbeteiligung von 40% vorgesehen, damit das Ergebnis überhaupt Gültigkeit erlangt und ein Kandidat als gewählt gilt. Da dies gelegentlich nicht erreicht wurde, blieben teilweise Mandate im Parlament unvergeben, weshalb das Wahlgesetz nicht nur einmal geändert wurde.

Ein post-sozialistisches Land mit Wahlpflicht könnte jedenfalls eine interessante neue Erfahrung für die Politikwissenschaft liefern.

09 Oktober 2010

Feuer auf LISCO GLORIA

In der Nacht von Freitag auf Samstag ist auf der DFDS-Fähre "Lisco Gloria", die zwischen Kiel und Klaipeda verkehrt, offenbar aufgrund einer Explosion ein Feuer ausgebrochen. Mehrere Schiffe eilten zu Hilfe, alle Passagiere konnten gerettet und an Land gebracht werden.
Folgende Quellen bieten interessante aktuelle Einzelheiten zum Unfallhergang:

Infos und Fotos auf "Forum-Schiff"

Dänischer Bericht bei  www.nyhederne.tv2.dk 

Gemeinsames Havariekommando der norddeutschen Küstenländer (mit Bildergalerie!)

Erst kürzlich hatte die "Nordsee-Zeitung" von einer Übung des Havariekommandos Cuxhaven berichtet. Bei dieser Übung waren 110 Verletzte von einem Schiff geborgen worden, auf dem eine Verpuffung als Unfallursache angenommen worden war. Zitat: >„So eine Übung hat natürlich immer etwas Künstliches“ räumte die Sprecherin des Havariekommandos, Ulrike Windhövel, ein. Das ausgeheckte Szenario (Verpuffung an Bord mit 170 verletzten Personen) wertete sie dennoch als realistisch.<

25 September 2010

Strahlender Herbst

Was wird vom September 2010 in Litauen in Erinnerung bleiben? Ach ja, Angie war da. Eigentlich ein wohl temperierter und vom Zeitpunkt her gut gesetzter Staatsbesuch: schließlich wünschen sich die baltischen Staaten ja immer auch Aufmerksamkeit für sich selbst, und nicht einfach die Einbindung von Staatsbesuchen in sowieso geplante Konferenzteilnahmen. 
In sofern war der Merkel-Besuch erfolgreich. Und auch aus Sicht von Litauen-Sympathisanten grundsätzlich sehr zu begrüßen. Vor Jahresfrist hatten die Besuchstermine in Litauen wegen des plötzlichen Rücktritts des deutschen Präsidenten noch kurzfristig abgesagt werden müssen. Jetzt fielen sie in den Windschatten der deutschen Aufregung um die politisch durchgedrückten Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke. 

 
Pilze & Atompilze
Und genau hier beginnen auch die Bedenken. Schon seit Jahren wurde die auf Litauen bezogene Öffentlichkeitsarbeit in Deutschland von nur wenigen Schlagworten geprägt: vom vor allem touristisch erfolgreichen Reiseziel "Kurische Nehrung", von Geldspenden für soziale Projekte in Litauen (also sowohl chronischer Finanznot wie auch vom allgemeinen Notstand im sozialen Bereich), und dann vom Schrottreaktor in Ignalina, der so fatal an alles immer noch Verstrahlte und Verseuchte in aus Richtung Tschernobyl erinnert.
Die Besorgnis vor den Gefahren der Atomkraft ist nicht weniger geworden. Wieso sollte sie auch? Selbst in diesem Blog zeigt sich das: bei den Zugriffszahlen auf einzelne Beiträge liegen die 2 Posts zu Radioaktivität und Pilzen aus Osteuropa weit vorn. Noch am 3.September schob das Umweltinstitut München einen aktuellen Bericht nach, in dem es heißt, vor allem Falschdeklarierungen würden anhaltende Probleme für Verbraucher verursachen.Im Klartext: Auf Pilzlieferungen aus anderen osteuropäischen Ländern wird einfach das Schild "Litauen" draufgeklebt, um die Lieferung dadurch unverdächtig erscheinen zu lassen. So kommt es aber, dass trotz des endlich abgeschalteten Atomreaktors mitten in den schönen Naturgebieten Nord-Ost-Litauens dennoch der Name Litauen mit gefährlicher Strahlung in Verbindung gebracht wird.

Unser "litauisches" Atomkraftwerk
Aber Litauen möchte ja offenbar davon auch gar nicht weg. Lauthals wird in notorischer Beharrlichkeit der Plan eines neuen "litauischen" AKWs immer wieder verkündet. Im Gegensatz zum Wiederaufbau eines Palastes wäre aber ein Großprojekt dieser Art nur durch internationale Mischfinanzierung hinzukriegen. Ein "rein litauisches" AKW ist also sowieso eine Illusion, und der rasche Blick zu (gleichfalls bereits armen und von Krediten abhängigen) baltischen Brüdern und Schwestern hilft dar nicht weiter. Somit ist vielmehr eine gewisse Doppelzüngigkeit zu vermuten: was in der litauischen Innenpolitik noch als "nationale Aufgabe" verkauft werden kann, ist zwischen denjenigen, die Chancen auf Beteiligung an Prämien und Sonderzulagen für den Fall eines Projektzuschlags hoffen können, längst zum Objekt von Streitigkeiten um persönliche Profite zu Vergünstigungen geworden. Im nördlichen Nachbarland Lettland hat die öffentlich so verhasste russische Gazprom soeben mit Millionenaufwand eine prestigeträchtigte Villa gekauft um von hier aus die Geschäftsbeziehungen mit der lettischen "Gazprom" zu festigen - trotz allen Streits um die Ostseepipeline. Für den Fall fortdauernder Liberalisierung des litauischen Energiemarktes ist hier Ähnliches zu erwarten. Und damit ist eines sicher: das Argument der "einseitigen Abhängigkeit von Russland" als Grund, ein AKW bauen zu müssen, ist hinfällig. Aus Polen kommt die Nachricht, dass Ministerpräsident Tusk ebenfalls einen langfristigen Liefervertrag mit Russland abschließen will (siehe Tagesschau). Und dass trotz Atomstrom der Energiepreis nicht billiger wird - denn die Anlagen werden ja gebaut, damit gerade die Konzerne ihre Profite sichern - das zeigt gerade der Fall Deutschland nur allzu offensichtlich.

Doppelzüngige Politiker
Offensichtlich sind auch Kanzlerin Merkel solche Widersprüche bewußt. Zwar spekulieren einige deutsche Medien (siehe Frankfurter Rundschau) zurecht, die flotte Angela könnte sich als Türöffnerin für neue Aufträge für die deutsche Atomindustrie im Ausland betätigen. Anderseits zeigt der Wortlaut der von der litauischen Präsidentin Dalia Grybauskaite und dem Bundeskanzleramt veröffentlichten Presseerklärung auch bei genauerem Hinsehen, dass die Litauer keineswegs der Illusion verfallen sollten, Merkel könnte zugunsten LITAUISCHER Interessen handeln. Auf die Frage eines Journalisten, was Deutschland beim Bau eines AKWs in Litauen konkret zu tun gedenkt, antwortet Merkel: "Wir werden alles tun, damit dieser politisch gewollte Bau von uns auch politisch unterstützt wird und damit gegebenenfalls auch Unterstützung geleistet wird, wenn die Bitte an bestimmte Investoren käme."
Solche Sätze muss man mehrfach lesen. Vorherrschend ist überall die Möglichkeitsform. Die Finanzierung bleibt unklar - AKWs in Litauen können ja nun wirklich nicht auch noch mit Belastungen des deutschen Steuerzahlers finanziert werden (und ob Merkel sich mit ihrer so eindeutigen Begünstigung der Atomlobby nicht auch das Ende der eigenen Kanzlerschaft eingeläutet hat, wird sich noch zeigen). In der Regel wird eine "Anfrage" an die Dienstleistungen von Atomfirmen aber erst dann konkret, wenn der "Besteller" auch Finanzen zur Verfügung hat. Gerade die Erfahrungen der Finanzkrise sollte doch lehren, dass nicht alles "politisch Gewollte" erstmal einfach auf Kredit finanziert werden kann - sonst wäre die wirtschaftliche Krisensituation in Litauen noch auf Jahre hinaus konserviert.

28 August 2010

Renaultas tankt litauisch

Es gibt Politiker, die bereits verkünden: die Krise ist vorbei. Schon die Erinnerung erscheint mühsam: es war ja eine Bankenkrise, die alles mitriss. Hochspekulative Anleger fielen tief, und Litauen kam knapp an einem Zusammenbruch der Wirtschaft vorbei. Nun ist es eine Bank aus Litauen, die offenbar wieder Geld für Investitionen und Imagewerbung hat. Das verlangt nähere Betrachtung. Aber es wird hier nicht für die einheimische litauische Wirtschaft geworben: im Blickpunkt steht der französische Autokonzern Renault.

An diesem Wochenende steht beim Rennen in Spa / Francorchamps erstmal ein gelber Renault mit litauischer Bankenwerbung am Start. 

Wer sich wundert, was Snoras in der Sportwerbebranche will, kann sich sowohl die Strategien von Renault wie auch der Bank mal näher ansehen: 
Formel-1-Piloten sind bei Renault gegenwärtig Robert Kubica und Vitaly Petrov, also zwei Osteuropäer. Hinter Petrov steht dabei das Geld russischer Investoren wie Gazprom. Spekulationen in der Motorsportpresse zufolge ist der Platz von Petrov - dem ersten Russen in der Formel 1 - für 2011 noch nicht sicher. Verhilft ihm also SNORAS dazu? Der russische Banker Vladimir Antonow ist Mehrheitseigentümer bei SNORAS. Antonov verschreckte kürzlich britische Fußballfans damit, dass er mit Angeboten zum Anteilserwerb bei britischen Fußballklubs in Verbindung gebracht wurde. 

SNORAS wiederum ist zu einem der größten Finanzinstitute Litauens aufgestiegen - wie Renault und Snoras gemeinsam per Presseerklärung stolz verkünden. Dem Ruf schadet es dabei offenbar nicht, dass Litauen wirtschaftlich gesehen oft auch mit anderen Schlagzeilen verknüpft war (na ja, es schadet dem Ruf von Banken ja offenbar auch nicht, dass einige nur mit öffentlichen Geldern gerettet werden konnten). SNORAS jedenfalls ist ja nicht nur in Litauen, sondern auch in Lettland (Krājbanka / Finasta) und in Großbritannien, in Estland, Belgien Tschechien und Weißrussland aktiv (fehlt eigentlich nur Frankreich ...). Snoras behauptet im eigenen Jahresbericht 2009 als einzige litauische Bank einen Gewinn gemacht zu haben. Ebenso kündigte die Bank eine andere Investition in den Sport an: finanzielle Unterstützung derjenigen Sportler, die sich auf die Olympischen Spiele 2012 in London vorbereiten. Keine Angst, liebe Litauer: in diesem Fall geht es tatsächlich um litauische Sportler.

Eine andere Variante wäre noch, den 19-jährigen litauischen Formel2-Pilot Kazim Vasiliauskas zu Renault zu holen. Der fuhr auch schon in der "Formal Renault". Zufall? Na ja, Rennsport ist eben ein teures Vergnügen, und die Hintergründe, warum hier jemand gewinnt oder verliert oft nicht so ganz durchsichtig.

21 August 2010

Litauische Wettkämpfer/innen auf allen Ebenen

Sportliche Hoffnungen
Nur noch wenige Tage bis zum Start der Basketball-Weltmeisterschaft 2010 in der Türkei. Für Litauer ein großes Thema, klar. Vielleicht wird ja von einem "Spätsommermärchen" geträumt. Neu ist, dass nun auch deutsche Medien vorab über litauische Basketballspieler berichten. Vielleicht brachte sich das litauische Team ja durch den Sieg beim "Supercup" in Bamberg eindringlich in Erinnerung.
Die Spielberichte loben dort besonders Linas Kleiza. Dessen überragende Form veranlasste wohl auch das Sportportal SPOX zu einem gesonderten Beitrag über Kleiza. Interessant dabei mitzuverfolgen, dass unter deutschen Basketballfans eine Überschrift wie "Toronto muss mich wie Bosh bezahlen" für Aufregung sorgt. Das verlangt einige Hintergrundinfos. "Eine Überschrift wie die BILD-Zeitung!" so die Rückmeldungen der Leser auf dieser Seite, und das sollte wohl kein Lob sein (die tatsächliche Aussage Kleizas ist auf derselben Seite nachzulesen). Gut, Kleiza spielt erfolgreich in den internationalen Basketball-Ligen - hier geht es nicht um Interna zwischen Vilnius und Kaunas, sondern zwischen Kanada, den USA und Griechenland; da kennen sich deutsche Sportfans aus. Übrigens bezeichnet Spox Keizas Heimatland als "Mini-Staat" - das reklamierte keiner. Die Basketballer Litauens geben wohl genügend sportliche Antworten.

Sommerloch in Litauen entdeckt?
Eigentlich gab es in den vergangenen Wochen wenig Grund zu denken, die Presse habe nichts anderes zu schreiben als überflüssige "Sommerlochthemen". Von zu vielen Überschwemmungen, Großbränden und Hitzeperioden war in letzter Zeit zu berichten. Was aber ist das erfolgreichste litauische Pressestichwort der Woche? Erstaunlicherweise "Grazolyte". Fast schienen einige Presseblätter froh, von dieser "Misswahl der Ziegen" berichten zu dürfen (Westfälische Nachrichten, Krone, N-TV, Saarbrücker Zeitung, Focus, Westline SWR3, Nürnberger Nachrichten, Ostsee-Zeitung, Augsburger Allgemeine). 
"Wir wollen so berühmt werden wie der Stierlauf in Pamplona,", so wird ein Vertreter der Gemeinde von Ramygala zitiert. Für ein paar Tage hat es kurzfristig funktioniert. Angeblich leitet sich der Name des Ortes von "Ožkauostis" her - Hafen der Ziegen. Die zahlreichen Fotos auch in der deutschen Presse scheinen zu beweisen (zum Beispiel N-TV), dass hier  "Ziegenreporter" vor Ort in Litauen waren. Oder hat hier ein einzelner Berichterstatter alle interessierten deutschen Medien versorgt? Leider war auch nicht von vemehrtem Absatz litauischer landwirtschaftlicher Erzeugnisse die Rede. Gab es keinen Ziegenkäse? Dafür machte eben das Stichwort von "Grazolyte" die Runde - der Name der angeblichen Siegerziege (wer nur die deutschen Beiträge liest). Das Thema kam auch in die litauischen Medien. Dort wird allerdings wesentlich mehr landwirtschaftlich "fachgesimpelt", zum Beispiel bei Diena.lt, und es wird klar, dass hier mehrere Siegertitel verliehen wurden.

Während Ziegen also offenbar in Litauen gerade "in" sind, haben Biber einen ganz anderen Ruf. Mehrfach positionierten sich Litauer als potentielle Biber-Jäger. Als diesen Sommer in Riga eine Diskussion um Biber entstand, die sich im Rigaer Stadtpark mitten in der Stadt angesiedelt hatten, boten sich schließlich Litauer als ambitionierte Jäger an: "Bei uns werden die abgeschossen und zu Pelzen verarbeitet," hieß es da.Ähnliches berichtet jetzt "die Presse" in Österreich: nicht nur das litauische Forstbeamte Biber zur "Nagetier-Plage" erklären, sondern im wahrsten Sinne des Wortes schmackhaft zu machen. Als eßbare Delikatesse. Geräucherter Biberschwanz als litauische Delikatesse? Es wird vermutlich nicht vorwiegend positive Reaktionen verursachen. In Deutschland ist der Biber eine geschützte Tierart.

Nicht nur schöne Ziegen
Nein, wenn es um Schönheiten geht, hat Litauen aber nicht nur Ziegen zu bieten. Stolz verkündet das Außenministerium dieser Tage in einer Pressemeldung von neuen Maßnahmen im Kampf gegen Menschenhandel und Gewalt gegen Frauen. Die fürs Publikum gewohnten Laufstege kamen bei "Mrs Universe 2010" zum Einsatz.
Bei Youtube kann man bewundern, wie es jetzt offenbar im litauischen Außenministerium zugeht. Aber im Ernst: mehr Aufmerksamkeit für diese Thematik kann nicht schaden. Wenn schon die litauische Diplomatie so große Schwerigkeiten hat im Umgang mit engagierten Bürgern und unabhängig organisierten Initiativen (NGOs - siehe NGO FORUM Litauen), dann funktioniert es vielleicht eher bei Gelegenheiten, wo nach außen hin eigentlich nicht mehr als ein optischer Schönheitswettbewerb erwartet wird? Zumindest in Litauen war beiden Veranstaltungspartnern mehr Aufmerksamkeit gewiss.
Aber wo sind beim angesprochenen Problemthema eher die Schuldigen und die Verursacher zu suchen? Die schönen Frauen Litauens sind es nicht. Der Blick in die deutschsprachige Presse zum gleichen Thema aber irritiert: die "Badische Zeitung" berichtet zum Stichwort "Miss Universum" über schöne Frauen in Venezuela und missverständlche Kostümierung in Peru. "Die Presse" berichtete schon 2009 nach der Wahl einer Venezolanerin davon, dass diese davon schwärmte wie toll die US-Amerikaner ihr Kriegsgefangenencamp in Guantánamo organisierten. Alle anderen Presseberichte dieser Tage gehen davon aus, dass "Miss Universe 2010" in diesen Tagen in Las Vegas gewählt wird. Die gwohnten einschlägigen Fotos begleiten das Ganze, nirgendwo wird auf die Gefahr von Zwangsprostitution hingewiesen. Aber dann wird es auch "Spätzündern" klar: hier geht es nicht um junge Mädchen, sondern eher um "schöne Mütter"! Nicht "Miss", sondern "Mrs.". Schade, dass über diese Idee und die zugrunde liegenden Rahmenbedingungen (Sponsoren?) auf der Webeseite der Veranstalter wenig bis gar nichts zu lesen steht.
Eine Kandidatin aus Deutschland gab es übrigens in Litauen auch. Olena Koch spricht nach Angaben der Veranstalter fließend Ukrainisch, Weißrussisch, Russisch und Englisch. Das rundet das Bild ab, dass es sich hier offenbar eher um eine osteuropäische Veranstaltung handelt, die den Weg in die deutschen Medien dementsprechend nicht gefunden hat.

Bericht über Linas Kleiza bei Spox.com
Webseite zur Basketball-WM 2010

Webseite von Ramygala
Webseite der "Ziegenparade" (Ožkų parade)
Ziegenparade bei YouTube 

Webseite "Mrs Universe Litauen2010" 
Webseite "Miss Universe"

03 August 2010

"Lietuviškos knygos" vor dem Aus?


Als "Books from Lithuania" - Bücher aus Litauen - oder mit der litauischen Bezeichnung "Lietuviškos knygos" warb Litauen für die Literatur, die Schriftsteller und für Übersetzungen in viele Sprachen. Damit soll nun, einer Pressemeldung der Einrichtung zufolge, Schluß sein. Von 1998 bis 2010 bestand unter diesem Label ein nichtkommerzieller Verein mit mehreren Angestellten, die für Interessierte und Projektpartner in vielen Partnerländern zur Verfügung standen. Auch deutsche Verlage, die sich für ein Nischenprodukt einer litauischen Literaturübersetzung entschieden, hatten in "Books from Lithuania" einen kompetenten und verlässlichen Gesprächspartner zu Verfügung. Highlight aus deutscher Sicht war sicher der Litauen-Schwerpunkt der Buchmesse Frankfurt 2002 - ohne "Books from Lithuania wäre er kaum denkbar gewesen. Ohnehin fragte man sich, ob ein so kleines Land wie Litauen einen eigenen Schwerpunkt auf der Welt grösster Buchmesse zu bilden wert ist - nachdem überall sonst in Deutschland ein sonderbares "Baltikum" angeboten wird, ein Gemisch aus drei verschiedenen Ländern, Kulturen und Sprachen, das mit der Wirklichkeit vor Ort wenig zu tun hat. 
"Books from Lithuania" bewies, das etwas möglich ist. Nicht nur auf Messen und Ausstellungen (außer 2002 in Frankfurt auch mit Litauen-Schwerpunkt 2005 in Göteborg und 2007 in Turin), sondern auch durch tatkräftige Unterstützung bei Einzelveranstaltungen, Lesungen, und in Ergänzung der Arbeit der Kulturattachés in den Botschaften Litauens. 
Diese Arbeit wird nun wohl eingestellt. "Die finanzielle Krise bewog das Kulturministerium Litauens unsere Einrichtung zu schließen", heisst es in der Pressemitteilung. Viele der bisherigen Ansprechpartner gerade in Deutschland werden das sicherlich bedauern. Zwar soll eine Übersetzungsförderung und die PR für litauische Literatur international natürlich nicht eingestellt werden, aber es ist doch sehr zu bezweifeln, ob die ministerial mit mehr Wohlwollen ausgestatteten Menschen von "e-koperator" die bisherigen Kontakte - gerade im nicht-englischsprachigen Bereich - genauso gut werden pflegen können. Zu dem ist für Deutschland zu befürchten, dass vieles an Unterstützung für litauische Kulturveranstaltungen in Deutschland noch etwas mehr zusammenbrechen wird, wenn die gegenwärtige in der Berliner Botschaft arbeitenden sehr engagierte Ansprechpartnerin Rasa Balcikonyte einmal in Richtung anderer Aufgaben Deutschland verlassen wird. 
Da scheint das "E" vor dem Namen doch eher Programm zu sein: Kontakte werden rein virtueller Natur sein. Ich vermute, Newsletter in Englisch wird es geben, und Ausschreibungstexte für Wettbewerbe, wo dann vielleicht zwei oder drei von den vielen Antragstellern eine Förderung finden werden (nach dem Motto: auch ein blindes Huhn...). Ein wenig fühle ich mich auch erinnert an das Kulturhauptstadtjahr 2009, dass mit einem (teuren) Feuerwerk in Vilnius und hochfliegenden Plänen begann, und dann mit der Entlassung von Kulturverantwortlichen und drastischen Einsparungen bis knapp über die Handlungsunfähigkeit beschnitten wurde. 
Da passt es nur ins Bild, dass das litauische Außenministerium jetzt die Rolle der "Deutschen aus Litauen" wieder stärker herausstellt. Wo Kulturkontakte, kompetente Kulturaktivisten und Fördergelder weggespart werden, da sollen offenbar "geborene Vermittler" (zunehmenden Alters, wie bei allen entsprechenden Vereinen, die eher auf geschichtlicher Vergangenheit und verblichener kultureller Bedeutung aufbauen) noch einmal zu Ehren kommen. "Menschliche Brücken" seien sie, so drückte es der stellvertretende Außenminister Šarūnas Adomavičius aus bei seinem Besuch bei einer Versammlung der “Landsmannschaft der Deutschen aus Litauen e. V., die sich in Vilnius traf. Nichts gegen diese Vereinigung - die eigentlich aus Deutschen besteht die heute in Deutschland leben. Aber eine Raute ist eine Raute, und sollte nicht zum Feigenblatt werden.

Bezüglich der aktiven Unterstützung die originäre litauische Kultur bleibt momentan nur, noch einmal ausdrücklich DANKE und Ačiū zu sagen für die bisherige Arbeit der engagierten Menschen bei "Lietuviškos knygos". Den an litauischer Literatur interessierten Initiativen in Deutschland wird vielleicht erneut die Rolle zufallen müssen, mehr einzufordern, wenn die Politiker beider Länder mal wieder sich nur auf erfüllten Einsparvorgaben auszuruhen gedenken.

19 Juni 2010

Auch Litauen möchte "nordisch" werden

Die Politik Litauens zielt darauf ab, eine gemeinsame Wertegemeinschaft mit den fünf nordischen und den drei baltischen Staaten zu bilden - das sagte zumindest der litauische Außenminister Audronius Ažubalis. Vielleicht war es auch die Art und Weise, WIE er es sagte: es wurde per "Telekonferenz" nach Tallinn zu einem Treffen der nordisch-baltischen Zusammenarbeit übermittelt.
Litauen nordisch? Nun, damit kann ja nicht nur gemeint sein, Nutznießer finanzieller Aufbauhilfe zu sein (wobei auch Norwegen eine wichtige Rolle für Litauen spielt). Ažubalis nannte den Austausch von Fernsehprogrammen sowie engere Zusammenarbeit von Historikern als Beispiel. Da gilt es aufzupassen, liebe Dänen, Schweden, Finnen, Isländer und Norweger: werden demnächst litauische Tele-Novelas über eure Bildschirme flimmern, oder werden mehr die schon in Deutschland so sattsam bekannten Naturfilme über die Kurische Nehrung herhalten müssen?

Der lettische Ex-Premier Valdis Birkas und der frühere dänische Verteidigungsminister Søren Gade bekommen nun die Aufgabe, die nordisch-baltischen Beziehungen zu evaluieren und dazu die Städte und Gemeinden, Universitäten und Geschäftsleute und Firmen besuchen und sie um ihre Meinung und Vorschläge bitten. Gade war erst vor wenigen Monaten in Dänemark als Minister zurückgetreten und hatte angekündigt, die Politik ganz verlassen zu wollen. Ein Evaluierungsbericht soll nun bis zum nächsten sogenannten "NB8-Treffen" (Treffen der nordischen und baltischen Regierungschefs) erstellt werden, das im August in Lettland stattfinden wird.

Doch die Balten sind besorgt, kommentiert der "Economist" die Lage. Zwar sind sie alle drei Mitglieder der NATO (Finnland und Schweden nicht) und auch in der EU (Norwegen nicht, Island noch nicht). In letzter Zeit sei unter den nordischen Nachbarn eine Art Wettbewerb ausgebrochen, wer die besseren Beziehungen zu Russland habe, konstatiert das britische Wochenblatt, so dass bei nordisch-baltischen Treffen nicht mehr viel Neues diskutiert werde. Welchen nordisch-baltischen Gemeinsamkeiten Litauen da nacheifern möchte - vielleicht werden es auch die Litauer erst noch herausfinden müssen.