05 Juli 2009

Mehr als tausend Gäste

Am 6. Juli 2009 feiert Litauen seinen Nationalfeiertag und gleichzeitig auch die erste Erwähnung seines Namens vor 1000 Jahren. An diesem Tag soll im Jahre 1253 Mindaugas zum König gekrönt worde sein.
Die erste Erwähnung des Namens "Litauen" steht aber im Zusammenhang mit der christlichen Missionierung. Genau beschrieben wird dies aktuell in einer Mitteilung der Sächsischen Landesbibliothek Dresden. Zitat: In der mittelalterlichen Chronik der »Quedlinburger Annalen« notierte eine Quedlinburger Stiftsdame unter dem Jahr 1009, dass der Missionsbischof Brun von Querfurt, genannt Bonifacius, zusammen mit seiner Gefolgschaft im Grenzgebiet von Russland und Litauen erschlagen wurde (»in confinio Rusciae et Lituae«).
Eine Abschrift dieser seit Jahrhunderten verschollenen Originalhandschrift befindet sich im Besitz der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden und wird nun erstmals im Rahmen der Feierlichkeiten zum 1000-jährigen Namensjubiläum Litauens im Kunstmuseum in Vilnius gezeigt. Die obige Abbildung ist in guter Auflösung auf den Dresdner Webseiten zu sehen.

Sicherlich mehr als tausend Gäste sind bei den heutigen Feierlichkeiten in Litauen anwesend. Es ist eine der letzten Amtshandlungen des litauischen Präsidenten Valdas Adamkus, diese in Vilnius zu begrüßen. Sechs Tage später, am 12.Juli 2009, wird seine Nachfolgerin und neue litauische Präsidentin Dalia Grybauskaite ins Amt eingeführt.

Die offizielle Webseite der Feierlicheiten "lietuva1000" bietet leider für diejenigen, die nicht Litauisch sprechen, nur wenig Informationen. Auch die englischsprachigen Texte sind nur sehr allgemein gehalten. Also: man muss wohl am besten dabei gewesen sein (eine Reihe Politiker und Honorarkonsule waren eingeladen - die anderen müssen auf das Glück hoffen, gerade in dieser Woche ihren Urlaub in Litauen zu verbringen).

Das gilt auch für das vom 1.-6.Juli 2009 stattfindende litauische Sängerfest (in ungewohnter Konkurrenz zum baltischen Nachbarn Estland, dort ist am gleichen Wochenende REGULÄR das große Sängerfest). Kurze Filmclips davon sind hier zu sehen.

Außerdem wird der neu restaurierte alte Herrscherpalast der Großfürsten Litauens ebenfalls heute feierlich eröffnet - aber dessen Innenleben ist noch weit von d
er Fertigstellung entfernt, die Restaurierung innen musste mangels Finanzen abgebrochen werden, die Staatskassen sind leer. "Feier im Zeichen der Krise" titelt denn auch, darauf Bezug nehmend, die "Volksstimme" in Magdeburg. Allein schon das Bestreben, möglichst würdig zu feiern, wird ja auch eine Stange Geld gekostet haben: so werden heute die dänische Königin Margarethe II., Schwedens König Carl XVI. Gustaf und der norwegische Regent Harald V. in Litauen erwartet. Lettland, Polen, Georgien, die Ukraine und Finnland sind durch ihre jeweiligen Präsidenten vertreten, Deutschland lediglich durch Verteidigungsminister Franz Josef Jung (Quelle: Pressemitteilung Präsident Adamkus).

Schauen Sie heute mal in Ihre Tageszeitung: 1000 Jahre Litauen, für deutsche Medien kein Thema? (eine rare Ausnahme bildet "der Standard" mit der Überschrift "Litauen ... in Zusammenhang mit Hinrichtung erstmals urkundlich erwähnt" - schöne Schlagzeile?)

Ein anderer Gratulant war immerhin US-Präsident Obama (per Glückwunschschreiben, siehe Baltic Times)

26 Juni 2009

Litauische Taufe für deutsche Offshore-Technik

"Wind machen" - beziehungsweise Strom daraus - das ist das erklärte Ziel der BARD Engeneering GmbH mit Sitz in Bremen. Die Region Bremen und Bremerhaven entwickelt derzeit einen Technologieschwerpunkt für die zukünftigen Offshore-Windenergieanlagen, die weit draußen auf dem Meer stehen sollen und den Anteil der Windenergieerzeugung in Deutschland erhöhen sollen.
Um dieses Ziel erreichen zu können, müssen die neuen Anlagen demnächst auf dem offenen Meer installiert und gebaut werden. Dabei soll ein Spezialschiff helfen, dass jetzt im Auftrag der BARD Engeneering in Litauen getauft wurde: Erna Bekker, eine Tochter des BARD-Gesellschafters Dr. Arngolt Bekker, taufte das auf der litauischen Werft "Western Shipyard WSY" (Vakaru Laivu Gamykla) gebaute Schiff auf den Namen „Wind Lift I“ (Abbildung WSY).

Immerhin wurde noch eine Bank gefunden, die einen Kredit für den Bau zur Verfügung stellte (UniKredit, eine italienische Banken-Holding) - das muss in diesen schwierigen Zeiten vielleicht mal betont werden. Es wird aber kaum jemand in Frage stellen, dass Windenergie als Zukunftstechnologie gilt, wo gute Gewinne aus dieser Branche erwartet werden, wenn die nötigen Investititionen und Installationen erstmal erreicht sind und in Betrieb gehen können. Der in Planung befindliche Windpark soll nordwestlich der Insel Borkum entstehen, dafür müssen die einzelnen Anlagen in 30m Tiefe fest verankert werden.

Technische Details zur "Wind Lift 1", entnommen der Presseerklärung der Herstellerfirma: "Das selbst fahrende Kranschiff ist alles in allem fast 104 Meter lang und 36 Meter breit. Die „Wind Lift I“ wiegt rund 7.500 Tonnen wird von vier schwenkbaren Ruderpropellern mit je 1.100 kW Leistung angetrieben. Sie verfügt neben einem Schwerlast- und einem Hilfskran über eine besondere Konstruktion am Heck, mit der die drei bis zu 90 Meter langen Rammrohre der speziellen BARD-Fundamentstruktur exakt positioniert werden können."
Ab August 2009 sollen mit Hilfe des Schiffes bereits vor Borkum die ersten Fundamente gesetzt werden.

Weitere Berichte zum Projekt:
Frankfurter Rundschau

Wirtschaftswoche

Die Welt

Lietuvas Rytas (mit Fotos von der Schiffstaufe!)

DIE ZEIT

Werft "Vakaru Laivu Gamykla"

Stiftung Offshore Windenergie

BARD Engeneering

25 Juni 2009

Bayern spielt in Litauen

Bayern München spielt in Litauen? Mit der besten Mannschaft? Kann das wahr sein? Ja, erstens ist es Tatsache, und zweitens wird es schon in diesem Sommer passieren. Es geht um die Frauen-Fußballmannschaft des FC Bayern München, die in Deutschland Vice-Meister geworden ist und nun eine Qualifikation zur Champions-League bestreiten muss.

Der Fußballverband UEFA hat diese "Frauen-Königinnen-klasse" neu geschaffen (siehe UEFA-Info dazu). Zum Treffen von litauischen und deutschen Fußballerinnen kommt es durch die vom 30.Juli bis 4.August 2009 in Litauen stattfindenden Qualifikationsspiele zur Championsleague. Neben Bayern München als deutschem Vicemeister, den Schottinnen von Glasgow City LFC und dem Frauenteam von Norchi Dinamoeli aus Tblisi in Georgien nehmen aus Litauen die mehrfachen Frauenfußballmeisterinnen von "Gintra Universitetas" aus dem nordlitauischen Šiauliai teil. Auch 2008 war Gintra schon Teilnehmerin dieser Qualifikationsrunde, kam als Gruppenzweiter aber leider nicht weiter (verlor nur gegen das russische Team aus Perm, die es anschließend bis ins Endspiel schafften).

Frauenfußball in Litauen? Viel ist darüber bisher nicht bekannt in Deutschland. Der Club "Gintra Universitetas" immerhin findet sich auf allen gängigen internationalen Fußballseiten (Weltfußball) eine Kurzinfo. "Gintra" ist im nordlitauischen Šiauliai beheimatet, und hat mit Raimonda Kudytė eine der erfahrensten litauischen Fußballspielerinnen in ihren Reihen.
Aber auch Karin Danner vom FCB gibt auf der Vereins-Webseite zu:
"Über den Spielort, die dortigen Verhältnisse sowie die Gegner Gintra und Norchi wissen wir noch sehr wenig."

"Tubukas" - offensichtlich Gintra-Fan - hat im Internet einige Fotos von den Matches der Gintra ins Netz gestellt.
Bei deutschen Sportfreunden der "Netzathleten" dagegen ist von einem "Abenteuer Litauen" zu lesen, als stärkster Gegner für Bayern-Frauen werden hier die Schottinnen aus Glasgow angesehen.

18 Juni 2009

Kein Exportschlager: Radioaktives Heizmaterial

Aktuell geht es in dieser Woche in der deutschen Presse bezüglich Litauen um weniger erfreuliche Schlagzeilen. Wieder einmal ist von Radioaktivität die Rede, glücklicherweise nicht von Unfällen in Atomkraftwerken.

Es geht um Holzpellets, also Heizmaterial, dass von Litauen nach Italien exportiert wurde. Mehrere zehntausend Tonnen mussten jetzt in Italien vom Markt genommen werden, da sich bei ihnen eine Belastung mit dem hochgiftigen Cäsium 137 gezeigt hatte. 250 Lastwagenladungen wurden bereits von der italienischen Polizei beschlagnahmt. Gefährlich wird es bei den belasteten Produkten, sobald die Pellets verbrannt werden

Einige Nachrichtenagenturen und -Portale berichten ausführlich dazu (DPA, AFP, N-TV). Produziert worden seien diese Pellets von der Firma Uab Granul Invest im litauischen Alytus. Die Firma gehört zum Konzern STORAENSO, ist eigenen Angaben zufolge der größte Hersteller von Holzpellets in den baltischen Staaten und produziert unter anderem auch noch im estnischen
Imavere und im lettischen Launkalne. Das Gesamtunternehmen möchte gern größter Pellets-Produzent Europas werden - so ist es auf der FirmenWebseite zu lesen. Die Pellets werden offenbar unter dem schön klingenden Namen NATURKRAFT verkauft.

Der deutsche Energiepellet-Verband (DEPV) beeilt sich zu erklären, dass derzeit auf dem deutschen Markt keine Holzpellets aus Litauen verwendet werden (Presseerklärung). Nach Angaben von DEPV-Geschäftsführer Martin Bentele könne der Bedarf nach Holzpellets in Deutschland komplett vom heimischen Markt gedeckt werden. Der Verband hatte vor kurzem erst, gemeinsam mit dem Umweltverband NABU,
ökologische Richtlinien und Mindeststandards für die Produktion dieser Pellets gefordert und gemeinsam mit dem NABU gemeinsame Leilinien dafür vorgeschlagen. Holzpellets werden zumeist aus Holzspäne hergestellt, die in Sägewerken entstehen und dann zu Pellets gepresst werden.

Gerne werden auch Tests zitiert, dass Heizen mit Holzpellets klimaneutral erfolgt, also die Umwelt weniger schädigen als Heizssysteme mit Öl oder Gas (Solarserver).

Wer allerdings Holzpellets aus Litauen beziehen möchte, kann dies sicherlich tun, auch ohne das der Energiepellet-Verband davon Kenntnis haben müsste. Das zeigt auch eine Herstellerliste, die bei FORDAQ und IHB im Internet einsehbar ist - dort sind ganze 61 Hersteller aus Litauen verzeichnet.
Es sind daher auch Warnungen zu lesen, die darauf hinweisen, deutsche Nutzer von Holzpellets könnten ihren Bedarf auch durch Bestellungen im Internet oder bei Ebay decken.

Nun wird spekuliert, woher die Verunreinigung der litauischen Holzpellets mit Caesium 137 kommen kann. Südtirol online zitiert den
Chef der Landesumweltagentur Südtirol, Luigi Minach, mit der Aussage, seiner Meinung stamme das verwendete Holz aus Beständen, die beim Reaktorunglück von Tschernobyl 1986 verseucht worden seien.

Die Zeitschrift "Markt & Trends" veröffentlichte 2007 einen Branchenbericht zum Thema "Holzpellets aus dem Baltikum". Dort wird beschrieben, dass die Hersteller in Litauen wie auch in Lettland nur vom Export leben können (meist verschifft über den Hafen Klaipeda), da der einheimische Markt noch schlecht entwickelt sei (was zur These passt, Litauen habe eigene Anstrengungen im Energiebereich zu lange und zu einseitig nur auf Atomkraft fixiert). Bekannt waren um die Jahrtausendwende, als die Verwendung von Holzpellets in Litauen eingeführt wurde, eher einfache Hackschnitzel aus Holz. "Markt & Trend" damals: "die Länder sind reine Produktionsstandorte für mitunter transnational agierende Großproduzenten." Hier ist auch von Holz die Rede, das aus der Ukraine oder Weißrussland zur Produktion von Pellets nach Litauen eingeführt wird.

In verschiedenen Internetforen wird derzeit diskutiert, was die Konsequenz aus den jetzt aufgedeckten Problemen sei. Ein interessanter Gedankengang ist dabei, dass - wenn schon radioaktiv belastete Hölzer zu Heizmaterial verarbeitet werden - dann sei auch deren Verarbeitung zu Brettern oder Möbeln wahrscheinlich. Also: Augen auf behalten!

Und zum Schluß die Überraschung: Pellets aus Litauen beziehen? Mit ein klein wenig suchen war sogar eine deutschsprachige Seite für die Direktbestellung (eine Firma in Stuttgart) auffindbar. Inklusive eines protzenden Werbefilms, eingestellt bei YouTube. Es gibt sogar einen Blogger (Mürztal), der behauptet, die Verseuchung der Holzpellets sei den litauischen Herstellern sogar bekannt. Na dann: viel Spaß damit!


Infos zum Thema:

Stiftung Warentest

05 Juni 2009

Wenig Wahlfreude vorab

Nur wenige Litauerinnen und Litauer haben sich im Vorfeld der Europawahlen an der Möglichkeit der Briefwahl vorab beteiligt. Insgesamt seien es (bis zum heutigen Datum) laut Mitteilung der Litauischen Staatlichen Wahlkommission nur 12.778 Personen oder 0,47% der Wahlberechtigen gewesen.
Vielleicht fordern diese Zahlen zum Vergleich mit anderen Ländern auf - zum Beispiel mit Estland (siehe Estland-Blog).
Interessant auch, dass zwar die absolut (also zahlenmäßig) höchsten Beteiligungszahlen aus Vilnius vermeldet werden (2401 Personen), das sind jedoch nur 0,57%. Die prozentual höchsten Zahlen gibt es in Neringa (1,03%) und Anyksciai (1,00%).
In Estland haben - E-Voting und Briefwahl zusammengenommen - bereits 14,3% gewählt! (Zahlen der estn. Wahlkommission). Ist das zu glauben, so krasse Unterschiede? (die Möglichkeit zur Wahl per Internet - also E-Voting - gibt es in Litauen nicht)

Nun warten wir mal ab, wie hoch die Wahlbeteiligung insgesamt sein wird. Die Wahlergebnisse sind dann hier abzurufen.

Liste aller in Litauen zur Wahl stehenden Kandidat/innen
oder hier in englisch

04 Juni 2009

Was machen Sie am Sonntag?

Sigitas Parulskis hat ein Buch geschrieben. Am Sonntag sind auch in Litauen Europawahlen. Was hat beides miteinander zu tun?

Parulskis Buch heißt "Drei Sekunden Himmel" (siehe auch: Baltischer Buchblog), handelt von des Autors eigener Militärzeit, stationiert im Osten Deutschlands, in der damaligen DDR-Region Cottbus.
Parulskis wird vom Verlag auch angekündigt mit dem Satz "Liebe, Gewalt und Sex - ein Roman über alles, was heilig ist". Die Leser können sich auf etwas gefasst machen. Dass Alltag beim Militär kann ganz schön trist aussehen kann, na ja, das war nicht neu. In sofern soll man auch vom Inhalt des Buchs nicht enttäuscht sein.


Allein das Thema scheint interessant. Zum wiederholten Mal wird Parulskis in deutschen Medien ausführlich zu diesem Buch interviewt: am 3.März war es DIE ZEIT, jetzt ist es das Deutschlandradio. Auch diesmal wird wenig gefragt nach den Helden und der Geschichte des Romans, nach Zielen des Autors, dessen Schreibstil oder bestimmten Textstellen.
Eine Frage sticht heraus - ganz im Sinne des Themas dieser Woche (alle deutschen Medien scheinen sich kurzfristig doch mal was zu "Europa" zu überlegen, und so den Eindruck wiederlegen zu wollen, die Medien würden sich dafür nicht interessieren und so das Desinteresse der Bürger/innen fördern).
Sigitas Parulskis wird gefragt, ob er am kommenden Sonntag wählen gehen wolle. Seine Antwort (auch Leser seines Buches könnten in etwa dieser Tonlage antworten, glaube ich - wer sich von dem Buch zu sehr einfangen lässt): "Das weiß ich noch nicht genau. Ich war schließlich jetzt zwei Monate im Ausland und habe die Dinge nicht so ganz genau verfolgt. Entweder ich trinke oder ich gehe wählen."

29 Mai 2009

Die Kommissarin geht um

So, nun ist es aber genug mit den Schablonen. Na gut, Dalia Grybauskaitė, ab Juli 2009 neue Präsidentin Litauens, war EU-Kommissarin für Finanzplanung, und es herrscht Wirtschaftskrise. Gewöhnlich wird da nach dem sogenannten "starken Mann" gefragt. Nun wurde es eine Frau - zumindest der deutschen und der internationalen Presse gefällt es, und die neue Präsidentin selbst scheint auch nichts gegen die gefälligen Wortschöpfungen zu haben, die dort in breiter Variation laut werden.

Eine Frau räumt auf?
"Eiserne Lady" (
Die Welt, N-TV, Westdeutsche Zeitung) "Power-Frau" (TAZ) "Karate-Lady" (t-online-Nachrichten, Sächsische Zeitung), "Retterin statt Grüßtante" (Handelsblatt) und auch "starke Mutterfigur" (wiederum Die Welt). Die Interpretationen, was die Wahl dieser Präsidentin zu bedeuten hat, unterscheiden sich da schon eher.

Grybauskaite studierte zu Sowjetzeiten politische Ökonomie an der Universität Leningrad, unterrichtete an der Hochschule der Kommunistischen Partei Vilnius. Sie war Vize-Außenministerin, bevor sie 2001 zur Finanzministerin ernannt wurde. Aber schon 1991 absolvierte sie auch ein Programm für Führungskräfte an der Georgetown University Washington. Botschafterin Litauens in den USA war sie auch schon, später also Litauens erste EU-Kommissarin.

"Das »Neue Europa« des Ex-US-Verteidigungsministers Donald Rumsfeld, das im Vorfeld des Irak-Krieges an der Seite Washingtons offen gegen Brüssel rebellierte, befindet sich in Auflösung," meint die sozialistisch orientierte "Junge Welt", und stört sich offenbar nicht daran, dass die neue Präsidentin ja auch sowohl einen Teil der Ausbildung wie auch einen Teil ihrer Ämter in den USA absolviert hat.Rechtfertigungen, Analysen, Erwartungen
In Litauen selbst hatte Grybauskaite sich eher wegen ihrer politischen Vergangenheit in der Sowjetzeit und sogar wegen ihrer privaten Verhältnisse rechtfertigen müssen. Die Präsidentin ist nicht verheiratet (wer absolviert bei Staatsbesuchen das "Damenprogramm"?) und hat keine Kinder ("sind Sie lesbisch?").

Die deutsche Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) zitiert in einem Bericht den bisher amtierenden Präsidenten Adamkus, der seine Enttäuschung über den langweiligen Präsidentschaftswahlkampf geäusert habe. "Es wurde nicht deutlich, wofür die einzelnen Kandidaten stehen", so zitiert KAS. Gemeint sei auch die Berichterstattung in den Medien, die den Kandidaten keine Plattform zur Darstellung ihrer Ziele geboten habe.

Während die KAS resümiert, hier sei eine "richtige Frau am richtigen Platz". Die russische Agentur NOWOSTI hofft auf bessere Beziehungen mit Russland. Auch Vergleiche mit dem russischen Präsidenten Putin werden gemacht, der die Vorliebe zum Kampfsport mit der zukünftig ersten Litauerin teilt. Andere wiederum hoffen auf Änderungen im litauischen Regierungskabinett, denn die litauische Verfassung gibt der Präsidentin relativ viele Vollmachten auch für eine aktive Rolle in der Politik.
Im bunten Strauß der Erwartungen ist auch die Hoffnung auf fiskalische Disziplin und die Einführung des Euros inbegriffen. Grybauskaite soll dies bis 2015 für möglich halten (der Standard).
Die "Junge Welt" sieht außerdem in Grybauskaite eine "Frau Brüssels" im Gegensatz zu Adamkus als "Mann Washingtons" ("ehemaliger US-Regierungsmitarbeiter"). Na ja.

Im Blog von LAPELIS lassen sich einige weitere Stimmen und Meinungsäußerungen mitverfolgen. Dort wird Lietuvos rytas-Korrespondentin Monika Bončkutė zitiert, die nun eine Chance zur Stärkung der Rechte der Frauen in Litauen sieht. Zitat: >>Litauen sei zwar sicherlich kein Scharia-Staat, dennoch sei Gewalt gegen Frauen ein großes und alltägliches Problem – besonders in den kleinen Städten und ländlichen Regionen, wo die Frauen versuchen müssten, „ein Kind großzuziehen und gleichzeitig den alkoholkranken Ehemann zu besänftigen.“<< Auch gegen Vorwürfe, sie sei mit dem KGB in Kontakt gewesen, musste ich Gribauskaite auseinandersetzen (zitiert z.B. in "Der Standard").

Stimmen "aus dem Volke"
Einige litauische Wortmeldungen sind auch bei der englischen BBC zu finden. "Alle sind gegenwärtig enttäuscht von unseren Politikern", meint dort Linas aus Vilnius. "Daher ist es keine Überraschung, dass Grybauskaite gewonnen hat, da sie von außen kam."
"Dalia Grybauskaite ist der litauische Obama!" begeistert sich Marius, ebenfalls aus Vilnius, während Audra aus Kaunas etwas weniger enthusiastisch sagt: "eine Präsidentin der Hoffnung".Und Edgar aus Vilnius ergänzt: "Litauen gehört zu derselben baltischen Region, die mit Ttarja Halonen in Finnland und Vaira Vike-Freiberga in Lettland auch schon starke Frauen als Präsidentinnen hatte."

Weitere Infos:

Zur Funktion und den Aufgaben des litauischen Präsidenten / der Präsidentin siehe auch: www.president.lt

Andere Infoquellen: zu den Eltern von Dalia Grybauskaite

Reinhard Veser in der FAZ mit einem Rückblick auf das Wirken von Valdas Adamkus

08 Mai 2009

Nichts Neues im Osten?

Welches Thema bringen litauische Regierungsstellen im Moment mit weitem Abstand am häufigsten in die Presse? Die Zahl der Pressemeldungen, die sich um Georgien, die Ukraine, Armenien, Weißrussland oder Moldavien kümmern möchten, ist nicht mehr zu zählen (ob sie dann in den Medien - besonders den nicht-litauischesprachigen - auch immer abgedruckt werden, ist eine andere Frage). Litauen scheint zu handeln nach dem Motto: Im Westen liegt die Schattenseite der globalen Finanzkrise, im Osten liegt die Zukunft für Litauen?
Nur Schönheitsreparaturen?
Was ist neu an der Europäischen Nachbarschaftspolitik? "Nichts" sagt ein Beitrag von Horst Bacia in der FAZ. Alles, was jetzt diskutiert werde, sei von der EU bereits spätestens mit der Erweiterung 2004 genau so vorgesehen gewesen. Russland gehört nicht dazu (zur Nachbarschaftspolitik), sondern ist gesonderter, strategisch wichtiger EU-Partner, um dessen Gunst sich ja ganze Sondergipfeltreffen streiten. Was jetzt also neu benannt werde, seien lediglich "Schönheitsreparaturen". Längst sei klar, dass die benannten Staaten zwar laut Bekundungen gerne auch in die EU wollen, dass es dem gegenüber aber lediglich zwei realistische Ziele gäbe: die Schaffung eines gemeinsam geordneten Wirtschaftsraums (ohne EU-Beitritt!), und irgendwann einmal die Abschaffung der Visumspflicht (wenn die Kriminalität und Schmuggel eingedämmt werden könnten). - Wenn solche Thesen stimmen, was macht dann noch Litauen, das sich in einer Sonderrollen als Vermittler zwischen den östlichen Nachbarstaaten und der EU sieht?

Hilfe suchen bei den einen, als Spender einziehen bei den anderen
Der litauische Außenminister Vygaudas Ušackas dagegen sieht in der Verabschiedung der Erklärung von Prag zur EU-Initiave "östliche Partnerschaft" ein "neues Kapitel der Geschichte" begonnen (siehe Presseerklärung). Klar, welcher Politiker wollte nicht gerne "Geschichte schreiben" - oder sogar in Geschichtsbüchern genannt werden. Hier klingt plötzlich positiv, was westlich gewendet so dunkel aussieht: aus dem Westen betrachtet wirkt Litauen fast (staats-)bankrott, aus dem Osten betrachtet erscheint es dann schon fast wieder wie zumindest der Bote der Kunde von der Rettung vor genau derselben.

Zu vermuten ist, dass diese Geschichtsbücher zumindest in Deutschland und in Litauen doch weiterhin noch sehr unterschiedlich aussehen werden. Ist das Treffen von Prag überhaupt Thema im Auswärtigen Amt - neben "Schweingrippe", Afghanistan, und beginnenden Wahlkampf-Rochaden? Am 7.5.09 läßt Außenminister Steinmeier bekannt geben, dass er den Amtkollegen aus Israel, Avigdor Lieberman, in Prag getroffen habe (Pressemitteilung). Am 8.5. steht einsam auf des Außenministers Terminkalender: "Treffen mit EU-Kommissarin Benita Ferrero-Waldner". Zum Stichwort "Prag" ist aus der Sicht von Berlin wohl eher bekannt, dass auch die deutsche Außenpolitik die sich abzeichnende Zustimmung Tschechiens zum EU-Vertrag von Lissabon als "wichtigen Meilenstein" und "gut für Europa" empfindet.

Die Frankfurter Rundschau titelt sogar: "Staatschefs schwänzen Gipfel". Weder Großbritannien, Spanien, Italien, noch Österreich oder Luxemburg seien durch Staatschefs beim Prager "Ostunionsgipfel" vertreten gewesen.

Das neue Geschichtsbuch, dessen Seiten Litauen meint schon geöffnet und beschrieben zu finden, liegt wohl in diesem deutschen Amtsstuben eher noch in Hinterzimmern herum. Offenbar - das sagt schon das Stichwort "Lissabon" - wird aber noch an anderen europäischen Geschichtsbüchern geschrieben, die einige schon für beendet und allen bekannt hielten, während andere sich in der Rolle gefallen, am Inhaltsverzeichnis gerne noch Ergänzungen vornehmen zu wollen.

Mehr Infos:
- Webseite "Europäische Nachbarschaftspolitik"

- gemeinsame Abschlußerklärung des Prager Gipfels "östliche Partnerschaft" (PDF)

- EU-Partnerschaftsgipfel 7.5.09 in Prag - Programm, Dokumente, Materialien

02 Mai 2009

Litauen feiert in Quedlinburg

Die traditionsbewußte Stadt Quedlinburg hat sich auf das 1000-jährige Jubliläum der ersten urkundlichen Erwähnung Litauens gut eingestellt.
Auf der Internetseite der Stadt steht zu lesen: "Die erste urkundliche Erwähnung des Landes bezieht sich auf eine markante Eintragung in den Quedlinburger Annalen. Dort heißt es: 'Der heilige Erzbischof und Mönch Bruno, zubenannt Bonifacius, wurde an den Grenzen von Pruscia und Litauen von den Heiden mit 18 seiner Gefährten enthauptet und kam am 9. März im elften Jahre seiner Bekehrung in den Himmel.' Damit verdankt Litauen seine 1000-Jahr-Feier dieser Hinrichtung."

Neueste Forschungen vermuten übrigens, dass diese Quedlinburger Annalen höchstwahrscheinlich von einer Frau geschrieben wurden. Die wichtigsten Infos aus litauischer Sicht sind auf einer Internetseite lietuvai1000.lt - die allerdings noch etwas unvollständig wirkt ("German version under construction", und Projektbeschreibungen ausschließlich in Litauisch).

Der Quendlinburger Bürgermeister Eberhard Brecht empfing auch zum 1.Mai litauische Gäste, unter anderem Litauens Botschafter Mindaugas Butkus. Bis Ende des Jahres sind in Quedlinburg noch einige weitere Veranstaltungen mit Litauen-Bezug geplant (siehe Pressemitteilung). Ende August wird im Schloßmuseum eine Ausstellung zur Geschichte Litauens eröffnet, begleitet von einem Jubiläumskonzert im Rahmen des Quedlinburger Musiksommers. Ende Oktober ist dann noch "Art Quitilinga" zu beachten, ebenfalls mit Beteiligung aus Litauen.

22 April 2009

Gegen Rassismus: Eintreten, austreten, wegbleiben ... ?

Um das Fernbleiben der Vertreter der USA und der Bundesrepublik Deutschland bei der Konferenz der Vereinten Nationen (UN) in Genf (die sogenannte "Durban Review Conference") hat es einige Diskussionen gegeben. Thema ist eigentlich "gemeinsam gegen Rassismus", aber Irans Prädident Mahmoud Ahmadinejad nutzte sein Statement als Anklage gegen Israel und leugnet sogar den Holocaust. Argumente derjenigen, die wegblieben waren, man wolle derartigen Haßtiraden "kein Forum bieten" oder "nicht für anderweitige Interessen zu instrumentalisieren" (Presseerklärung Auswärtiges Amt).

Die Opposition im Deutschen Bundestag wendet dagegen ein, besser wäre gut fundierte Gegenargumentation auf der Veranstaltung gewesen (der Ablauf rund um die Rede ist auf der Webseite des STER
N per Video nachzuvollziehen). Auch von einer "einheitlichen Reaktion der EU-Staaten träumten einige; krass entgegengesetzt zum Beispiel das Verhalten des Schweizer Bundespräsidenten, der den Iranischen Amtskollegen sogar zu einem Treffen empfing - und gleichzeitig die Anwesenheit der internationalen Presse dabei für unerwünscht erklärte (20 Min).

Welche Rolle spielt ein kleineres Land wie Litauen dabei? Wie wichtig wird das Thema "Anti-Rassismus" (auch ein Thema in Litauen!) und die Fragen rund um Palestina und Israel genommen?
Litauen war dabei in Genf. Der Litauische Repräsentant und Botschafter bei den Vereinten Nationen,
Eduardas Borisovas, definierte die litauische Position am 20.4. in einer Presseerklärung. Dort heißt es, Litauen unterstütze die multilateralen Bemühungen zum Kampf gegen Rassismus und Rassendiskriminierung und spreche sich damit auch für die Werte aus, für welche die Europäische Union eintrete. In dieser Erklärung findet sich auch ein Satz wie dieser: "die Meinungsfreiheit sollte nicht unter dem Deckmantel der Defamierung von Religionen begrenzt werden", gleichzeitig sei eine Leugnung des Holocaust nicht akzeptabel. Wie das gemeint war, im Hinblick auf die absehbaren Ereignisse in Genf, bleibt wohl litauisches Geheimnis. Einen Rückzug von der Konferenz deuten die Litauer an dieser Stelle nur für den Fall an, wenn das Abschlußdokument nicht akzeptabel sei.

Nur wenige Stunden später ziehen die Litauer gemeinsam mit Vertretern vieler anderer Länder aus dem Konferenzsaal in Genf während der Rede von Mahmoud Ahmadinejad aus. Nun ist die Reihe an Außenminister Vygaudas Ušackas selbst, die litauische Position erneut zu erklären (Presseerklärung 21.4.). Nunmehr wird die iranische Hassrede als "inakzeptabel, provokant und für Israel und das Jüdische Volk beleidigend" erkärt. Nur für das jüdische Volk, Herr Minister? Bekanntlich sieht Litauen ja Juden generell als "Angehörige eines 'anderen' Volkes" an, selbst wenn sie in Litauen leben. Also tritt Litauen wohl großmütig für die Interessen Israels ein, sieht aber offenbar litauische Werte nicht beleidigt. Ušackas erklärt außerdem, die Arbeit auf der Genfer Konferenz fortsetzen zu wollen. Weiterhin wird ein Rückzug lediglich für den Fall für möglich erklärt, sollte das Abschlußdokument nicht den ins Auge gefassten gemeinsamen Zielen entsprechen. Ein Rückzug also erst, wenn schon alles vorbei ist? Die litauische Presseerklärung betont lediglich, Botschafter Borisovas sei während der iranischen Rede aus Protest aus dem Saal gegangen.

Am selben Tag noch muss das litauische Außenministerium vor dem eigenen Hof fegen. Eine Lieferung von Holz aus Litauen nach Israel war beim Empfänger hübsch verziert mit antisemitischen Sprüchen angekommen (Presseerklärung). Offizielle Erklärung: Litauen toleriert keine rowdyhaften antisemitischen Aktionen und verurteilt diese. Auf welchem Teil dieses Satzes liegt hier die Betonung, fragt man sich.

Zu den Grundlagen der Beziehungen zwischen Litauen und dem Iran sagt eine Presseerklärung anläßlich der Vorstellung des litauischen Botschafters im Iran am 20.5.2008 mehr. Im Jahre 1930 wurde ein Freundschaftsvertrag abgeschlossen, der 1991 von iranischer Seite bekräftigt wurde. Offiziell wieder aufgenommen wurden die gegenseitigen Beziehungen im Oktober 1993.

Derweil gab das Simon-Wiesenthal-Zentrum eine Liste der momentan meistgesuchten Nazi-Kriegsverbrecher heraus. Beigefügt sind auch Bewertungen, welche Länder diese Personen festzusetzen versuchen, und welche Länder in diesem Bestreben eher weniger Bemühungen zeigen. Auf dieser Liste bekommt Litauen schlechte Noten - das wird wohl hauptsächlich an der litauischen Haltung zum Fall Algimantas Dailide liegen, was sich allerdings als gemeinsames deutsch-litauisches Thema erweist (siehe Presseartikel dazu Frankfurter Rundschau, die Welt, Morgenpost).

Ein schwieriges Parkett, das diplomatische. Wie sich ja nicht nur anhand der litauischen, sondern auch anhand der deutschen Diplomatie zeigt.

Bericht zur Genfer Konferenz bei "Mut gegen rechte Gewalt"

07 April 2009

Neue Reiserouten im Netz

Ergebnisse eines EU-finanzierten Projekts lassen sich jetzt auch für die allgemeine (Litauen-)interessierte Öffentlichkeit im Internet abrufen: REISEROUTEN LITAUEN (Lietuvos marsrutai) bietet Informationen zu 19 touristischen Routen in Litauen, auch in deutscher Sprache. Damit sind diese Inhalte nicht nur als CD oder DVD, sondern auch im Internet frei zugänglich.

Geboten werden neben 19 verschiedenen mit Fotos illustrierten Routenbeschreibungen auch eine aktuelle Wetterübersicht, eine Liste von touristischen Informationsstellen in Litauen, Panoramafotos und Videos aus Litauen, und natürlich Informationen zum Projekt selbst. In den Routenbeschreibungen enthalten sind vor allem Übernachtungs- und Freitzeittipps (leider ohne Fotos). Die interessierten Internet-Leser/innen können sich auch in den Rubriken "was wir essen" oder "was wir feiern" Tipps zu Orten mit landestypischem Gerichten oder turnusgemäßen Feierlichkeiten geben lassen.
Für eine erste Übversicht allemal geeignet!


04 April 2009

Arbeitsplatz: Supermarkt in Litauen

Praktikum bei Hyper-Maxima - das war das erklärte Ziel von Auszubildenden der Beruflichen Schulen Norderstedt. "Leonardo da Vinci" machts möglich - das Förderprogramm der Europäischen Union für lebenslanges Lernen. 11 angehende Kaufleute im Bereich Einzelhandel machten sich im März 2009 nach Klaipeda in Litauen auf.

Mitteilung der Beruflichen Schulen Norderstedt

27 März 2009

Champagnerluft zum Fußballtraining

"Champagnerluft und Tradition" - so wirbt die Stadt Bad Homburg für ihre Reize. Als Wohnort sicherlich einer der exklusivsten "Außenbezirke von Frankfurt" (für automobile Pendler mit Lust auf einen Landsitz). Für litauische Sportler offenbar nun Ort der Wahl zur Einstimmung auf international anspruchsvolle Aufgaben.

Drei Tage lang bereitete sich die Fußball-Nationalmannschaft im "Sportzentrum Nordwest" in Bad Homburg auf die am Wochenende anstehenden schweren Qualifikationsspiele gegen Frankreich vor. Wo sonst eher Kuren gebucht werden, forderten jetzt die Litauer "eine Flutlichtanlage, Umkleidekabinen, zwei bewegliche Tore, exklusive Nutzung des Platzes und einen ständig bereit stehenden Platzwart", so kündigte es der Pressedienst der Gastgeber an. Dennoch scheint auch die Verbindung zwischen "Kur Royal" und Sportlerschweiß durchaus beabsichtigt zu sein: "zuletzt hatte Tennis-Profi Rainer Schüttler, früher ein Bad Homburger, im Kur Royal Aktiv vor seinen Matches trainiert", verkündt Kurdirektor Rolf Wolter nicht ohne Stolz.

Viele der litauischen Fußballprofis verdienen ihr Geld inzwischen nicht mehr in (der Basketball-Hochburg) Litauen. Aus Schottland, Rumänien, Polen, Russland reisen sie an, und daher ist die Nähe des Flugdrehkreuzes Frankfurt/Main durchaus das beste Argument für die Ortswahl.

Litauen spielt am 28.März in Kaunas und am 1.April in Paris gegen Nationalmannschaft Frankreichs. Bad Homburgs Kurdirekter jedenfalls wirbt öffentlich um seine litauischen Gäste: "Wir werden es ihnen schwer machen, nicht wieder her zu wollen", so Wolter in der Frankfurter Rundschau. Dem Lokelreporter der Taunus-Zeitung ist auch Klaus Thomforde aufgefallen, früher Kult-Keeper bei St.Pauli, heute Torwartrainer der Litauer. Auch Jens Schmadtke, ebenfalls mal Bundesliga-Torhüter, wird als "Praktikant" bei den Litauern ausgemacht.
Auf der Webseite der Litauischen Volksgemeinschaft in Deutschland verrät der deutsche Manager der litauischen Fußballer, Tony Päffgen: „Fußball-Profis sind wie Kinder, wenn sie sich an einem Ort wohlfühlen, dann ist das schon die halbe Miete.“
Ein wenig Lokalpresse hat sich auch schon eingestellt. "die Litauer bevorzugen bissfeste Nudeln", verkündet 'Rhein-Main-Net'. -


Na, allen Erfahrungen mit Sportlern zufolge, ist ein wenig "Aberglaube" ja immer dabei. Sollten die Litauer gegen Frankreich gewinnen oder zumindest ein gutes Spiel machen, dann wird auch Bad Homburg in guter Erinnerung bleiben. Vorausgesetzt natürlich, die "Miete" ist nicht unbezahlbar.
Interessante Vergleiche stellte zum Abschluß wieder die "Frankfurter Rundschau" an: während die Franzosen an der Cote d'Azur trainieren, gewöhnen sich die Litauer in Bad Homburg eher an Eis und Schnee. Wer wohl die Wetterkarte von Kaunas und Paris besser studiert hat?









Webseite des litauischen Fußballverbands

Infos zur litauischen Fußball-Nationalmannschaft (lit.)

06 März 2009

Vilnius stellt sich in Bremen vor

Selten sind die litauischen Farben so deutlich in Bremen zu sehen: den Bremer Roland kleidet das litauische Ambiente eigentlich ganz gut, so mag sich vielleicht auch die Delegation mit Verkehrsminister Eligijus Masiulis gedacht haben, die am 5.März zur Eröffnung der litauischen Kulturwoche in der Hansestadt weilte.

Nicht um die Hanse, wohl aber um Schiffahrt, Verkehr, Logistik, Häfen und Transportwege ging es bei den Gesprächen mit der Bremer Handelskammer, die der abendlichen Eröffnungsveranstaltung vorausgingen. Vorsichtige Fragen nach möglichen Auswirkungen der globalen Finanzkrise begegneten die litauischen Unternehmer durchweg mit Optimismus: gerade solche Zeiten seien ja dazu da, die Sachlage einmal sorgfältig zu analysieren. Die Effektiviät könne in vielen Bereichen noch gesteigert werden, und in manchen Bereichen sei es zu beobachten, dass sich auch Warenströme weniger Richtunge Asien und China, sondern zurück Richtung Westeuropa orientierten.

Nicht zum ersten Mal war bei dieser Gelegenheit von litauischer Seite zu hören, das Land biete sich auch als Drehscheibe und Brücke in die mittelosteuropäische Region an: wo noch vor 10 Jahren deutsche Unternehmer in den baltischen Staaten lediglich einen Trittstein nach Russland sahen, ist nun auch von der Ukraine oder Belorussland die Rede - eine demokratische Entwicklung dort natürlich vorausgesetzt.
Eine Belastung gerade für neue Planungen und Projekte sei es allerdings, dass in Litauen die Banken kaum noch Kredite vergeben. Da schien bei der etwas scherzhaft geäusserte Frage, ob sich nicht deutsche Banken hier stärker "einkaufen" wollten, auch ein ernsthafter Hintergrund durchzuschimmern. Angeblich habe die Deutsche Bank schon konkrete Überlegungen unternommen, sei dann aber durch die Finanzkrise vorläufig gestoppt worden.
5 Milliarden Litas (ca. 1,44 Milliarden Euro) Defizit weise gegenwärtig der litauische Staatshaushalt auf, so Minister Masiulis. 2 Milliarden davon wolle die neue litauische
Regierung durch eine Steuerreform herunterschrauben. Für Unternehmer werde es aber keine wesentlichen Steuererhöhungen geben, kündigte Masiulis an.

Der Litas ist fest an den Euro gebunden, für den litauischen Export ist ein starker Euro daher nicht unbedingt ideal. Aber nicht alle vorhandenen Kapazitäten zwischen Deutschland und Litauen seien momentan voll genutzt - darauf hoffen diejenigen Unternehmer, die hier einsteigen wollen. Der Besuch in Bremen habe auch der Erkundung neuer Verkehrsverbindungen, insbesondere im mLuftverkehr, gegolten, war aus Delegationskreisen zu hören. Da darf man gespannt sein, was die nächste Zukunft bringt. Der Europäischen Kulturhauptstadt Vilnius könnte es jedenfalls gut tun, wenn das gerade erwachende Interesse potentieller Besucher nicht durch weitere ökonomische Wellentäler abgebremst werden würde.

Mehr zur Litauischen Kulturwoche "Rendezvous mit Vilnius" in Bremen: vilnius-bremen

20 Januar 2009

nun auch hier

Nun auch hier. So drücken es manche Litauer aus, die ähnlich wie die Letten einige Tage zuvor sich plötzlich mit zornigen, aber auch mit gewaltbereiten Menschen vor ihren Parlamentsgebäuden zu tun bekommen. Nun auch hier. Importiert mit westlicher Lebensart, zusammen mit den bunten Kaufhäusern, den Freizeit-Vergnügungsparks, sexuellen Freiheiten, und den Sportwagen auf Abzahlung? Oder ist es so eine "Mode", ähnlich der Pressekonferenz wo US-Präsident Bush mit einem Schuh beworfen wurde, und anschließend sowohl der tatsächliche Verkäufer genau dieser Schuhmarke reißende Nachfrage meldte, wie auch anderswo auf der Welt plötzlich phantasievolle Schuhaktionen gemeldet wurden?

Phantomschmerzen oder kultureller Bruch?
In Litauen werden in diesen Tagen vielen die Löhne gekürzt, die litauische Fluggesellschaft FlyLaL ist pleite (Pressemeldungen: "fast 30.000 Flugtickets mit Ziel Kulturhauptstadt Vilnius sind wertlos"), überall werden Stellen abgebaut und Leute entlassen, Steuern werden erhöht (statt sie "konsumfreundlich" zu senken), und die Preise drohen weiterhin nahe des zweistelligen Bereichs zu steigen. Nun auch bei uns - ach nein, alle diese schwierigen Lebenssituationen gibt es doch eigentlich schon ein paar Jahre lang! Nun auch bei uns.
Litauer wie Ruslanas Iržikevičius, der in Vilnius lebt und seine Gedanken in seinem "Lituanica"-Blog aufschreibt, der sich als zugehörig einer "Perestroika-Generation" fühlt die sich damals immer Freiheit und Demokratie gewünscht hat, Ruslanas bezeichnet die unruhigen Tage etwas despektierlich als "Egg riots" (Eier-Unruhen). Dennoch sagt auch er, es seien die "ernsthaftesten politischen Aktionen seit dem Wiedergewinn unserer Unabhängigkeit" gewesen. Er weist auch auf Rita Grumadaite hin, Pressesprecherin von Präsident Adamkus. Sie hatte die Unruhen vom 16.Januar mit den Worten kommentiert, die Regierung möge nochmals die Belastungen überprüfen, die im Zuge des neuesten "Krisenbekämpfungsplans" den Geschäftsleuten und allen Einwohnern auferlegt worden wären.

Wer eher sarkastische Töne bevorzugt, könnte auch sagen: nun, wir haben uns (als Außenstehende) immer schon gefragt, woher dieser ganze neue Reichtum kam (an bestimmten Orten, bei bestimmten Bevölkerungsschichten - eher in den Städten als auf dem Lande). Bei so relativ geringen Löhnen teure Autos fahren, Neubauwohnungen nicht nur mieten sondern kaufen, immer das neueste Spielzeug für die Kinder kaufen, und all die vielen neuen Kneipen, Diskos und Bars von Zeit zu Zeit frequentieren - wie konnten sich das Litauerinnen und Litauer leisten? Sind es nur Phantomschmerzen der zukünftig ausbleibender Konsumvergnügungen, die nun zum medienträchtigen Protest treiben?
Sicher, es gibt eine gewissen Schicht neureicher Jungunternehmer, die solchen Lebensstil führen könnten, und in gewissen politischen Kreisen ließen sich solche Eindrücke auch sammeln - charakteristisch für "Durchschnitts-Litauer" sind sie nicht.

Frust und Randale - wo bleiben die "Sänger" der Revolution?
Ein anderes Kennzeichen der öffentlichen Proteste in Litauen war es, dass Demonstrationen nicht nur in Vilnius stattfanden: auch in Klaipeda, Siauiliai, Kaunas, in anderen Städten (Fotos der Aktionen in Klaipeda z.B. auf www.balsas.lt). Aber wer demonstriert da?
Es sind litauische Stimmen zu hören, die sagen: "So etwas gab es bisher bei uns nicht." So etwas? Ach ja, erinnern wir uns: die Massenproteste gegen das Sowjetregime Ende der 1980er Jahre waren unglaublich gewaltlos (die "singende Revolution"). Friedlich, geduldig, ja oft sogar mehrere Gruppen verschiedener Meinung in wenigen Hundert Meter Abstand erduldeten die gegenseitige Existenz und hofften auf die eigene Überzeugungskraft der Ideen. Für einen Außenstehenden (Deutschen) wie mich mutete das damals unglaublich demokratisch (die "Grünen" würden sagen: "basisdemokratisch") an. Nun könnten wir diskutieren, ob die damaligen Aktionen mehr von den durch Gorbatschows nur teilweise absichtlich gemachten Schritten hin zu mehr selbständigem Denken, oder von dem damit verursachten politischen Vakuum ausgelöste waren, oder mehr durch die Umsetzung eigener Ideen und Arbeitsformen der "Sajudis"-Bewegung. Aber offenbar hat niemand dieser damaligen Protestgeneration es weitergeben können: vor dem Parlament, DER Institution der erkämpften Demokratie in Litauen, treffen sich heute eher Mutlose und Frustrierte.

Schon sind Stimmen zu hören, denen zufolge die Protestierenden sich ja angeblich aus "Besoffenen, Vorbestraften und reisenden Chaoten" zusammengesetzt hätten. (in Lettland, noch besorgniserregender, sind wieder Sprüche zu hören, man hätte auf den gewalttägigen Demos "ja nur Russisch gehört" - Schuldige suchen, statt aufzuarbeiten, auch ein viel beobachteter Reflex). Zudem wird gerne darauf verwiesen, die meisten Litauer hätten eben keine Zeit zu demonstrieren, die müssten sich "ihren eigenen Problemen" widmen, und sie würden sowieso von den Politikern nichts halten ("alles Leute, die sich nur selbst bereichern").
Bei solcher Sachlage muss doch die Sorge erlaubt sein, wo Litauen hinsteuert. Wie stabil ist die Demokratie? Wie ausgeprägt ist auch das Bewußtsein der übrigen europäischen Länder für das, was inzwischen gemeinsam erreicht wurde? Werden plus und minus nicht mehr nur den betroffenen Ländern zur gefälligen Lösung zugeschoben, sondern ist ein gemeinsames Verantwortungsgefühl vorhanden? Schön wäre, auch in einigen anderen Punkten, die demokratischen Aufbruch sichtbar machen würden, ebenfalls sagen zu können: nun auch hier.