29 Mai 2009

Die Kommissarin geht um

So, nun ist es aber genug mit den Schablonen. Na gut, Dalia Grybauskaitė, ab Juli 2009 neue Präsidentin Litauens, war EU-Kommissarin für Finanzplanung, und es herrscht Wirtschaftskrise. Gewöhnlich wird da nach dem sogenannten "starken Mann" gefragt. Nun wurde es eine Frau - zumindest der deutschen und der internationalen Presse gefällt es, und die neue Präsidentin selbst scheint auch nichts gegen die gefälligen Wortschöpfungen zu haben, die dort in breiter Variation laut werden.

Eine Frau räumt auf?
"Eiserne Lady" (
Die Welt, N-TV, Westdeutsche Zeitung) "Power-Frau" (TAZ) "Karate-Lady" (t-online-Nachrichten, Sächsische Zeitung), "Retterin statt Grüßtante" (Handelsblatt) und auch "starke Mutterfigur" (wiederum Die Welt). Die Interpretationen, was die Wahl dieser Präsidentin zu bedeuten hat, unterscheiden sich da schon eher.

Grybauskaite studierte zu Sowjetzeiten politische Ökonomie an der Universität Leningrad, unterrichtete an der Hochschule der Kommunistischen Partei Vilnius. Sie war Vize-Außenministerin, bevor sie 2001 zur Finanzministerin ernannt wurde. Aber schon 1991 absolvierte sie auch ein Programm für Führungskräfte an der Georgetown University Washington. Botschafterin Litauens in den USA war sie auch schon, später also Litauens erste EU-Kommissarin.

"Das »Neue Europa« des Ex-US-Verteidigungsministers Donald Rumsfeld, das im Vorfeld des Irak-Krieges an der Seite Washingtons offen gegen Brüssel rebellierte, befindet sich in Auflösung," meint die sozialistisch orientierte "Junge Welt", und stört sich offenbar nicht daran, dass die neue Präsidentin ja auch sowohl einen Teil der Ausbildung wie auch einen Teil ihrer Ämter in den USA absolviert hat.Rechtfertigungen, Analysen, Erwartungen
In Litauen selbst hatte Grybauskaite sich eher wegen ihrer politischen Vergangenheit in der Sowjetzeit und sogar wegen ihrer privaten Verhältnisse rechtfertigen müssen. Die Präsidentin ist nicht verheiratet (wer absolviert bei Staatsbesuchen das "Damenprogramm"?) und hat keine Kinder ("sind Sie lesbisch?").

Die deutsche Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) zitiert in einem Bericht den bisher amtierenden Präsidenten Adamkus, der seine Enttäuschung über den langweiligen Präsidentschaftswahlkampf geäusert habe. "Es wurde nicht deutlich, wofür die einzelnen Kandidaten stehen", so zitiert KAS. Gemeint sei auch die Berichterstattung in den Medien, die den Kandidaten keine Plattform zur Darstellung ihrer Ziele geboten habe.

Während die KAS resümiert, hier sei eine "richtige Frau am richtigen Platz". Die russische Agentur NOWOSTI hofft auf bessere Beziehungen mit Russland. Auch Vergleiche mit dem russischen Präsidenten Putin werden gemacht, der die Vorliebe zum Kampfsport mit der zukünftig ersten Litauerin teilt. Andere wiederum hoffen auf Änderungen im litauischen Regierungskabinett, denn die litauische Verfassung gibt der Präsidentin relativ viele Vollmachten auch für eine aktive Rolle in der Politik.
Im bunten Strauß der Erwartungen ist auch die Hoffnung auf fiskalische Disziplin und die Einführung des Euros inbegriffen. Grybauskaite soll dies bis 2015 für möglich halten (der Standard).
Die "Junge Welt" sieht außerdem in Grybauskaite eine "Frau Brüssels" im Gegensatz zu Adamkus als "Mann Washingtons" ("ehemaliger US-Regierungsmitarbeiter"). Na ja.

Im Blog von LAPELIS lassen sich einige weitere Stimmen und Meinungsäußerungen mitverfolgen. Dort wird Lietuvos rytas-Korrespondentin Monika Bončkutė zitiert, die nun eine Chance zur Stärkung der Rechte der Frauen in Litauen sieht. Zitat: >>Litauen sei zwar sicherlich kein Scharia-Staat, dennoch sei Gewalt gegen Frauen ein großes und alltägliches Problem – besonders in den kleinen Städten und ländlichen Regionen, wo die Frauen versuchen müssten, „ein Kind großzuziehen und gleichzeitig den alkoholkranken Ehemann zu besänftigen.“<< Auch gegen Vorwürfe, sie sei mit dem KGB in Kontakt gewesen, musste ich Gribauskaite auseinandersetzen (zitiert z.B. in "Der Standard").

Stimmen "aus dem Volke"
Einige litauische Wortmeldungen sind auch bei der englischen BBC zu finden. "Alle sind gegenwärtig enttäuscht von unseren Politikern", meint dort Linas aus Vilnius. "Daher ist es keine Überraschung, dass Grybauskaite gewonnen hat, da sie von außen kam."
"Dalia Grybauskaite ist der litauische Obama!" begeistert sich Marius, ebenfalls aus Vilnius, während Audra aus Kaunas etwas weniger enthusiastisch sagt: "eine Präsidentin der Hoffnung".Und Edgar aus Vilnius ergänzt: "Litauen gehört zu derselben baltischen Region, die mit Ttarja Halonen in Finnland und Vaira Vike-Freiberga in Lettland auch schon starke Frauen als Präsidentinnen hatte."

Weitere Infos:

Zur Funktion und den Aufgaben des litauischen Präsidenten / der Präsidentin siehe auch: www.president.lt

Andere Infoquellen: zu den Eltern von Dalia Grybauskaite

Reinhard Veser in der FAZ mit einem Rückblick auf das Wirken von Valdas Adamkus

08 Mai 2009

Nichts Neues im Osten?

Welches Thema bringen litauische Regierungsstellen im Moment mit weitem Abstand am häufigsten in die Presse? Die Zahl der Pressemeldungen, die sich um Georgien, die Ukraine, Armenien, Weißrussland oder Moldavien kümmern möchten, ist nicht mehr zu zählen (ob sie dann in den Medien - besonders den nicht-litauischesprachigen - auch immer abgedruckt werden, ist eine andere Frage). Litauen scheint zu handeln nach dem Motto: Im Westen liegt die Schattenseite der globalen Finanzkrise, im Osten liegt die Zukunft für Litauen?
Nur Schönheitsreparaturen?
Was ist neu an der Europäischen Nachbarschaftspolitik? "Nichts" sagt ein Beitrag von Horst Bacia in der FAZ. Alles, was jetzt diskutiert werde, sei von der EU bereits spätestens mit der Erweiterung 2004 genau so vorgesehen gewesen. Russland gehört nicht dazu (zur Nachbarschaftspolitik), sondern ist gesonderter, strategisch wichtiger EU-Partner, um dessen Gunst sich ja ganze Sondergipfeltreffen streiten. Was jetzt also neu benannt werde, seien lediglich "Schönheitsreparaturen". Längst sei klar, dass die benannten Staaten zwar laut Bekundungen gerne auch in die EU wollen, dass es dem gegenüber aber lediglich zwei realistische Ziele gäbe: die Schaffung eines gemeinsam geordneten Wirtschaftsraums (ohne EU-Beitritt!), und irgendwann einmal die Abschaffung der Visumspflicht (wenn die Kriminalität und Schmuggel eingedämmt werden könnten). - Wenn solche Thesen stimmen, was macht dann noch Litauen, das sich in einer Sonderrollen als Vermittler zwischen den östlichen Nachbarstaaten und der EU sieht?

Hilfe suchen bei den einen, als Spender einziehen bei den anderen
Der litauische Außenminister Vygaudas Ušackas dagegen sieht in der Verabschiedung der Erklärung von Prag zur EU-Initiave "östliche Partnerschaft" ein "neues Kapitel der Geschichte" begonnen (siehe Presseerklärung). Klar, welcher Politiker wollte nicht gerne "Geschichte schreiben" - oder sogar in Geschichtsbüchern genannt werden. Hier klingt plötzlich positiv, was westlich gewendet so dunkel aussieht: aus dem Westen betrachtet wirkt Litauen fast (staats-)bankrott, aus dem Osten betrachtet erscheint es dann schon fast wieder wie zumindest der Bote der Kunde von der Rettung vor genau derselben.

Zu vermuten ist, dass diese Geschichtsbücher zumindest in Deutschland und in Litauen doch weiterhin noch sehr unterschiedlich aussehen werden. Ist das Treffen von Prag überhaupt Thema im Auswärtigen Amt - neben "Schweingrippe", Afghanistan, und beginnenden Wahlkampf-Rochaden? Am 7.5.09 läßt Außenminister Steinmeier bekannt geben, dass er den Amtkollegen aus Israel, Avigdor Lieberman, in Prag getroffen habe (Pressemitteilung). Am 8.5. steht einsam auf des Außenministers Terminkalender: "Treffen mit EU-Kommissarin Benita Ferrero-Waldner". Zum Stichwort "Prag" ist aus der Sicht von Berlin wohl eher bekannt, dass auch die deutsche Außenpolitik die sich abzeichnende Zustimmung Tschechiens zum EU-Vertrag von Lissabon als "wichtigen Meilenstein" und "gut für Europa" empfindet.

Die Frankfurter Rundschau titelt sogar: "Staatschefs schwänzen Gipfel". Weder Großbritannien, Spanien, Italien, noch Österreich oder Luxemburg seien durch Staatschefs beim Prager "Ostunionsgipfel" vertreten gewesen.

Das neue Geschichtsbuch, dessen Seiten Litauen meint schon geöffnet und beschrieben zu finden, liegt wohl in diesem deutschen Amtsstuben eher noch in Hinterzimmern herum. Offenbar - das sagt schon das Stichwort "Lissabon" - wird aber noch an anderen europäischen Geschichtsbüchern geschrieben, die einige schon für beendet und allen bekannt hielten, während andere sich in der Rolle gefallen, am Inhaltsverzeichnis gerne noch Ergänzungen vornehmen zu wollen.

Mehr Infos:
- Webseite "Europäische Nachbarschaftspolitik"

- gemeinsame Abschlußerklärung des Prager Gipfels "östliche Partnerschaft" (PDF)

- EU-Partnerschaftsgipfel 7.5.09 in Prag - Programm, Dokumente, Materialien

02 Mai 2009

Litauen feiert in Quedlinburg

Die traditionsbewußte Stadt Quedlinburg hat sich auf das 1000-jährige Jubliläum der ersten urkundlichen Erwähnung Litauens gut eingestellt.
Auf der Internetseite der Stadt steht zu lesen: "Die erste urkundliche Erwähnung des Landes bezieht sich auf eine markante Eintragung in den Quedlinburger Annalen. Dort heißt es: 'Der heilige Erzbischof und Mönch Bruno, zubenannt Bonifacius, wurde an den Grenzen von Pruscia und Litauen von den Heiden mit 18 seiner Gefährten enthauptet und kam am 9. März im elften Jahre seiner Bekehrung in den Himmel.' Damit verdankt Litauen seine 1000-Jahr-Feier dieser Hinrichtung."

Neueste Forschungen vermuten übrigens, dass diese Quedlinburger Annalen höchstwahrscheinlich von einer Frau geschrieben wurden. Die wichtigsten Infos aus litauischer Sicht sind auf einer Internetseite lietuvai1000.lt - die allerdings noch etwas unvollständig wirkt ("German version under construction", und Projektbeschreibungen ausschließlich in Litauisch).

Der Quendlinburger Bürgermeister Eberhard Brecht empfing auch zum 1.Mai litauische Gäste, unter anderem Litauens Botschafter Mindaugas Butkus. Bis Ende des Jahres sind in Quedlinburg noch einige weitere Veranstaltungen mit Litauen-Bezug geplant (siehe Pressemitteilung). Ende August wird im Schloßmuseum eine Ausstellung zur Geschichte Litauens eröffnet, begleitet von einem Jubiläumskonzert im Rahmen des Quedlinburger Musiksommers. Ende Oktober ist dann noch "Art Quitilinga" zu beachten, ebenfalls mit Beteiligung aus Litauen.

22 April 2009

Gegen Rassismus: Eintreten, austreten, wegbleiben ... ?

Um das Fernbleiben der Vertreter der USA und der Bundesrepublik Deutschland bei der Konferenz der Vereinten Nationen (UN) in Genf (die sogenannte "Durban Review Conference") hat es einige Diskussionen gegeben. Thema ist eigentlich "gemeinsam gegen Rassismus", aber Irans Prädident Mahmoud Ahmadinejad nutzte sein Statement als Anklage gegen Israel und leugnet sogar den Holocaust. Argumente derjenigen, die wegblieben waren, man wolle derartigen Haßtiraden "kein Forum bieten" oder "nicht für anderweitige Interessen zu instrumentalisieren" (Presseerklärung Auswärtiges Amt).

Die Opposition im Deutschen Bundestag wendet dagegen ein, besser wäre gut fundierte Gegenargumentation auf der Veranstaltung gewesen (der Ablauf rund um die Rede ist auf der Webseite des STER
N per Video nachzuvollziehen). Auch von einer "einheitlichen Reaktion der EU-Staaten träumten einige; krass entgegengesetzt zum Beispiel das Verhalten des Schweizer Bundespräsidenten, der den Iranischen Amtskollegen sogar zu einem Treffen empfing - und gleichzeitig die Anwesenheit der internationalen Presse dabei für unerwünscht erklärte (20 Min).

Welche Rolle spielt ein kleineres Land wie Litauen dabei? Wie wichtig wird das Thema "Anti-Rassismus" (auch ein Thema in Litauen!) und die Fragen rund um Palestina und Israel genommen?
Litauen war dabei in Genf. Der Litauische Repräsentant und Botschafter bei den Vereinten Nationen,
Eduardas Borisovas, definierte die litauische Position am 20.4. in einer Presseerklärung. Dort heißt es, Litauen unterstütze die multilateralen Bemühungen zum Kampf gegen Rassismus und Rassendiskriminierung und spreche sich damit auch für die Werte aus, für welche die Europäische Union eintrete. In dieser Erklärung findet sich auch ein Satz wie dieser: "die Meinungsfreiheit sollte nicht unter dem Deckmantel der Defamierung von Religionen begrenzt werden", gleichzeitig sei eine Leugnung des Holocaust nicht akzeptabel. Wie das gemeint war, im Hinblick auf die absehbaren Ereignisse in Genf, bleibt wohl litauisches Geheimnis. Einen Rückzug von der Konferenz deuten die Litauer an dieser Stelle nur für den Fall an, wenn das Abschlußdokument nicht akzeptabel sei.

Nur wenige Stunden später ziehen die Litauer gemeinsam mit Vertretern vieler anderer Länder aus dem Konferenzsaal in Genf während der Rede von Mahmoud Ahmadinejad aus. Nun ist die Reihe an Außenminister Vygaudas Ušackas selbst, die litauische Position erneut zu erklären (Presseerklärung 21.4.). Nunmehr wird die iranische Hassrede als "inakzeptabel, provokant und für Israel und das Jüdische Volk beleidigend" erkärt. Nur für das jüdische Volk, Herr Minister? Bekanntlich sieht Litauen ja Juden generell als "Angehörige eines 'anderen' Volkes" an, selbst wenn sie in Litauen leben. Also tritt Litauen wohl großmütig für die Interessen Israels ein, sieht aber offenbar litauische Werte nicht beleidigt. Ušackas erklärt außerdem, die Arbeit auf der Genfer Konferenz fortsetzen zu wollen. Weiterhin wird ein Rückzug lediglich für den Fall für möglich erklärt, sollte das Abschlußdokument nicht den ins Auge gefassten gemeinsamen Zielen entsprechen. Ein Rückzug also erst, wenn schon alles vorbei ist? Die litauische Presseerklärung betont lediglich, Botschafter Borisovas sei während der iranischen Rede aus Protest aus dem Saal gegangen.

Am selben Tag noch muss das litauische Außenministerium vor dem eigenen Hof fegen. Eine Lieferung von Holz aus Litauen nach Israel war beim Empfänger hübsch verziert mit antisemitischen Sprüchen angekommen (Presseerklärung). Offizielle Erklärung: Litauen toleriert keine rowdyhaften antisemitischen Aktionen und verurteilt diese. Auf welchem Teil dieses Satzes liegt hier die Betonung, fragt man sich.

Zu den Grundlagen der Beziehungen zwischen Litauen und dem Iran sagt eine Presseerklärung anläßlich der Vorstellung des litauischen Botschafters im Iran am 20.5.2008 mehr. Im Jahre 1930 wurde ein Freundschaftsvertrag abgeschlossen, der 1991 von iranischer Seite bekräftigt wurde. Offiziell wieder aufgenommen wurden die gegenseitigen Beziehungen im Oktober 1993.

Derweil gab das Simon-Wiesenthal-Zentrum eine Liste der momentan meistgesuchten Nazi-Kriegsverbrecher heraus. Beigefügt sind auch Bewertungen, welche Länder diese Personen festzusetzen versuchen, und welche Länder in diesem Bestreben eher weniger Bemühungen zeigen. Auf dieser Liste bekommt Litauen schlechte Noten - das wird wohl hauptsächlich an der litauischen Haltung zum Fall Algimantas Dailide liegen, was sich allerdings als gemeinsames deutsch-litauisches Thema erweist (siehe Presseartikel dazu Frankfurter Rundschau, die Welt, Morgenpost).

Ein schwieriges Parkett, das diplomatische. Wie sich ja nicht nur anhand der litauischen, sondern auch anhand der deutschen Diplomatie zeigt.

Bericht zur Genfer Konferenz bei "Mut gegen rechte Gewalt"

07 April 2009

Neue Reiserouten im Netz

Ergebnisse eines EU-finanzierten Projekts lassen sich jetzt auch für die allgemeine (Litauen-)interessierte Öffentlichkeit im Internet abrufen: REISEROUTEN LITAUEN (Lietuvos marsrutai) bietet Informationen zu 19 touristischen Routen in Litauen, auch in deutscher Sprache. Damit sind diese Inhalte nicht nur als CD oder DVD, sondern auch im Internet frei zugänglich.

Geboten werden neben 19 verschiedenen mit Fotos illustrierten Routenbeschreibungen auch eine aktuelle Wetterübersicht, eine Liste von touristischen Informationsstellen in Litauen, Panoramafotos und Videos aus Litauen, und natürlich Informationen zum Projekt selbst. In den Routenbeschreibungen enthalten sind vor allem Übernachtungs- und Freitzeittipps (leider ohne Fotos). Die interessierten Internet-Leser/innen können sich auch in den Rubriken "was wir essen" oder "was wir feiern" Tipps zu Orten mit landestypischem Gerichten oder turnusgemäßen Feierlichkeiten geben lassen.
Für eine erste Übversicht allemal geeignet!


04 April 2009

Arbeitsplatz: Supermarkt in Litauen

Praktikum bei Hyper-Maxima - das war das erklärte Ziel von Auszubildenden der Beruflichen Schulen Norderstedt. "Leonardo da Vinci" machts möglich - das Förderprogramm der Europäischen Union für lebenslanges Lernen. 11 angehende Kaufleute im Bereich Einzelhandel machten sich im März 2009 nach Klaipeda in Litauen auf.

Mitteilung der Beruflichen Schulen Norderstedt

27 März 2009

Champagnerluft zum Fußballtraining

"Champagnerluft und Tradition" - so wirbt die Stadt Bad Homburg für ihre Reize. Als Wohnort sicherlich einer der exklusivsten "Außenbezirke von Frankfurt" (für automobile Pendler mit Lust auf einen Landsitz). Für litauische Sportler offenbar nun Ort der Wahl zur Einstimmung auf international anspruchsvolle Aufgaben.

Drei Tage lang bereitete sich die Fußball-Nationalmannschaft im "Sportzentrum Nordwest" in Bad Homburg auf die am Wochenende anstehenden schweren Qualifikationsspiele gegen Frankreich vor. Wo sonst eher Kuren gebucht werden, forderten jetzt die Litauer "eine Flutlichtanlage, Umkleidekabinen, zwei bewegliche Tore, exklusive Nutzung des Platzes und einen ständig bereit stehenden Platzwart", so kündigte es der Pressedienst der Gastgeber an. Dennoch scheint auch die Verbindung zwischen "Kur Royal" und Sportlerschweiß durchaus beabsichtigt zu sein: "zuletzt hatte Tennis-Profi Rainer Schüttler, früher ein Bad Homburger, im Kur Royal Aktiv vor seinen Matches trainiert", verkündt Kurdirektor Rolf Wolter nicht ohne Stolz.

Viele der litauischen Fußballprofis verdienen ihr Geld inzwischen nicht mehr in (der Basketball-Hochburg) Litauen. Aus Schottland, Rumänien, Polen, Russland reisen sie an, und daher ist die Nähe des Flugdrehkreuzes Frankfurt/Main durchaus das beste Argument für die Ortswahl.

Litauen spielt am 28.März in Kaunas und am 1.April in Paris gegen Nationalmannschaft Frankreichs. Bad Homburgs Kurdirekter jedenfalls wirbt öffentlich um seine litauischen Gäste: "Wir werden es ihnen schwer machen, nicht wieder her zu wollen", so Wolter in der Frankfurter Rundschau. Dem Lokelreporter der Taunus-Zeitung ist auch Klaus Thomforde aufgefallen, früher Kult-Keeper bei St.Pauli, heute Torwartrainer der Litauer. Auch Jens Schmadtke, ebenfalls mal Bundesliga-Torhüter, wird als "Praktikant" bei den Litauern ausgemacht.
Auf der Webseite der Litauischen Volksgemeinschaft in Deutschland verrät der deutsche Manager der litauischen Fußballer, Tony Päffgen: „Fußball-Profis sind wie Kinder, wenn sie sich an einem Ort wohlfühlen, dann ist das schon die halbe Miete.“
Ein wenig Lokalpresse hat sich auch schon eingestellt. "die Litauer bevorzugen bissfeste Nudeln", verkündet 'Rhein-Main-Net'. -


Na, allen Erfahrungen mit Sportlern zufolge, ist ein wenig "Aberglaube" ja immer dabei. Sollten die Litauer gegen Frankreich gewinnen oder zumindest ein gutes Spiel machen, dann wird auch Bad Homburg in guter Erinnerung bleiben. Vorausgesetzt natürlich, die "Miete" ist nicht unbezahlbar.
Interessante Vergleiche stellte zum Abschluß wieder die "Frankfurter Rundschau" an: während die Franzosen an der Cote d'Azur trainieren, gewöhnen sich die Litauer in Bad Homburg eher an Eis und Schnee. Wer wohl die Wetterkarte von Kaunas und Paris besser studiert hat?









Webseite des litauischen Fußballverbands

Infos zur litauischen Fußball-Nationalmannschaft (lit.)

06 März 2009

Vilnius stellt sich in Bremen vor

Selten sind die litauischen Farben so deutlich in Bremen zu sehen: den Bremer Roland kleidet das litauische Ambiente eigentlich ganz gut, so mag sich vielleicht auch die Delegation mit Verkehrsminister Eligijus Masiulis gedacht haben, die am 5.März zur Eröffnung der litauischen Kulturwoche in der Hansestadt weilte.

Nicht um die Hanse, wohl aber um Schiffahrt, Verkehr, Logistik, Häfen und Transportwege ging es bei den Gesprächen mit der Bremer Handelskammer, die der abendlichen Eröffnungsveranstaltung vorausgingen. Vorsichtige Fragen nach möglichen Auswirkungen der globalen Finanzkrise begegneten die litauischen Unternehmer durchweg mit Optimismus: gerade solche Zeiten seien ja dazu da, die Sachlage einmal sorgfältig zu analysieren. Die Effektiviät könne in vielen Bereichen noch gesteigert werden, und in manchen Bereichen sei es zu beobachten, dass sich auch Warenströme weniger Richtunge Asien und China, sondern zurück Richtung Westeuropa orientierten.

Nicht zum ersten Mal war bei dieser Gelegenheit von litauischer Seite zu hören, das Land biete sich auch als Drehscheibe und Brücke in die mittelosteuropäische Region an: wo noch vor 10 Jahren deutsche Unternehmer in den baltischen Staaten lediglich einen Trittstein nach Russland sahen, ist nun auch von der Ukraine oder Belorussland die Rede - eine demokratische Entwicklung dort natürlich vorausgesetzt.
Eine Belastung gerade für neue Planungen und Projekte sei es allerdings, dass in Litauen die Banken kaum noch Kredite vergeben. Da schien bei der etwas scherzhaft geäusserte Frage, ob sich nicht deutsche Banken hier stärker "einkaufen" wollten, auch ein ernsthafter Hintergrund durchzuschimmern. Angeblich habe die Deutsche Bank schon konkrete Überlegungen unternommen, sei dann aber durch die Finanzkrise vorläufig gestoppt worden.
5 Milliarden Litas (ca. 1,44 Milliarden Euro) Defizit weise gegenwärtig der litauische Staatshaushalt auf, so Minister Masiulis. 2 Milliarden davon wolle die neue litauische
Regierung durch eine Steuerreform herunterschrauben. Für Unternehmer werde es aber keine wesentlichen Steuererhöhungen geben, kündigte Masiulis an.

Der Litas ist fest an den Euro gebunden, für den litauischen Export ist ein starker Euro daher nicht unbedingt ideal. Aber nicht alle vorhandenen Kapazitäten zwischen Deutschland und Litauen seien momentan voll genutzt - darauf hoffen diejenigen Unternehmer, die hier einsteigen wollen. Der Besuch in Bremen habe auch der Erkundung neuer Verkehrsverbindungen, insbesondere im mLuftverkehr, gegolten, war aus Delegationskreisen zu hören. Da darf man gespannt sein, was die nächste Zukunft bringt. Der Europäischen Kulturhauptstadt Vilnius könnte es jedenfalls gut tun, wenn das gerade erwachende Interesse potentieller Besucher nicht durch weitere ökonomische Wellentäler abgebremst werden würde.

Mehr zur Litauischen Kulturwoche "Rendezvous mit Vilnius" in Bremen: vilnius-bremen

20 Januar 2009

nun auch hier

Nun auch hier. So drücken es manche Litauer aus, die ähnlich wie die Letten einige Tage zuvor sich plötzlich mit zornigen, aber auch mit gewaltbereiten Menschen vor ihren Parlamentsgebäuden zu tun bekommen. Nun auch hier. Importiert mit westlicher Lebensart, zusammen mit den bunten Kaufhäusern, den Freizeit-Vergnügungsparks, sexuellen Freiheiten, und den Sportwagen auf Abzahlung? Oder ist es so eine "Mode", ähnlich der Pressekonferenz wo US-Präsident Bush mit einem Schuh beworfen wurde, und anschließend sowohl der tatsächliche Verkäufer genau dieser Schuhmarke reißende Nachfrage meldte, wie auch anderswo auf der Welt plötzlich phantasievolle Schuhaktionen gemeldet wurden?

Phantomschmerzen oder kultureller Bruch?
In Litauen werden in diesen Tagen vielen die Löhne gekürzt, die litauische Fluggesellschaft FlyLaL ist pleite (Pressemeldungen: "fast 30.000 Flugtickets mit Ziel Kulturhauptstadt Vilnius sind wertlos"), überall werden Stellen abgebaut und Leute entlassen, Steuern werden erhöht (statt sie "konsumfreundlich" zu senken), und die Preise drohen weiterhin nahe des zweistelligen Bereichs zu steigen. Nun auch bei uns - ach nein, alle diese schwierigen Lebenssituationen gibt es doch eigentlich schon ein paar Jahre lang! Nun auch bei uns.
Litauer wie Ruslanas Iržikevičius, der in Vilnius lebt und seine Gedanken in seinem "Lituanica"-Blog aufschreibt, der sich als zugehörig einer "Perestroika-Generation" fühlt die sich damals immer Freiheit und Demokratie gewünscht hat, Ruslanas bezeichnet die unruhigen Tage etwas despektierlich als "Egg riots" (Eier-Unruhen). Dennoch sagt auch er, es seien die "ernsthaftesten politischen Aktionen seit dem Wiedergewinn unserer Unabhängigkeit" gewesen. Er weist auch auf Rita Grumadaite hin, Pressesprecherin von Präsident Adamkus. Sie hatte die Unruhen vom 16.Januar mit den Worten kommentiert, die Regierung möge nochmals die Belastungen überprüfen, die im Zuge des neuesten "Krisenbekämpfungsplans" den Geschäftsleuten und allen Einwohnern auferlegt worden wären.

Wer eher sarkastische Töne bevorzugt, könnte auch sagen: nun, wir haben uns (als Außenstehende) immer schon gefragt, woher dieser ganze neue Reichtum kam (an bestimmten Orten, bei bestimmten Bevölkerungsschichten - eher in den Städten als auf dem Lande). Bei so relativ geringen Löhnen teure Autos fahren, Neubauwohnungen nicht nur mieten sondern kaufen, immer das neueste Spielzeug für die Kinder kaufen, und all die vielen neuen Kneipen, Diskos und Bars von Zeit zu Zeit frequentieren - wie konnten sich das Litauerinnen und Litauer leisten? Sind es nur Phantomschmerzen der zukünftig ausbleibender Konsumvergnügungen, die nun zum medienträchtigen Protest treiben?
Sicher, es gibt eine gewissen Schicht neureicher Jungunternehmer, die solchen Lebensstil führen könnten, und in gewissen politischen Kreisen ließen sich solche Eindrücke auch sammeln - charakteristisch für "Durchschnitts-Litauer" sind sie nicht.

Frust und Randale - wo bleiben die "Sänger" der Revolution?
Ein anderes Kennzeichen der öffentlichen Proteste in Litauen war es, dass Demonstrationen nicht nur in Vilnius stattfanden: auch in Klaipeda, Siauiliai, Kaunas, in anderen Städten (Fotos der Aktionen in Klaipeda z.B. auf www.balsas.lt). Aber wer demonstriert da?
Es sind litauische Stimmen zu hören, die sagen: "So etwas gab es bisher bei uns nicht." So etwas? Ach ja, erinnern wir uns: die Massenproteste gegen das Sowjetregime Ende der 1980er Jahre waren unglaublich gewaltlos (die "singende Revolution"). Friedlich, geduldig, ja oft sogar mehrere Gruppen verschiedener Meinung in wenigen Hundert Meter Abstand erduldeten die gegenseitige Existenz und hofften auf die eigene Überzeugungskraft der Ideen. Für einen Außenstehenden (Deutschen) wie mich mutete das damals unglaublich demokratisch (die "Grünen" würden sagen: "basisdemokratisch") an. Nun könnten wir diskutieren, ob die damaligen Aktionen mehr von den durch Gorbatschows nur teilweise absichtlich gemachten Schritten hin zu mehr selbständigem Denken, oder von dem damit verursachten politischen Vakuum ausgelöste waren, oder mehr durch die Umsetzung eigener Ideen und Arbeitsformen der "Sajudis"-Bewegung. Aber offenbar hat niemand dieser damaligen Protestgeneration es weitergeben können: vor dem Parlament, DER Institution der erkämpften Demokratie in Litauen, treffen sich heute eher Mutlose und Frustrierte.

Schon sind Stimmen zu hören, denen zufolge die Protestierenden sich ja angeblich aus "Besoffenen, Vorbestraften und reisenden Chaoten" zusammengesetzt hätten. (in Lettland, noch besorgniserregender, sind wieder Sprüche zu hören, man hätte auf den gewalttägigen Demos "ja nur Russisch gehört" - Schuldige suchen, statt aufzuarbeiten, auch ein viel beobachteter Reflex). Zudem wird gerne darauf verwiesen, die meisten Litauer hätten eben keine Zeit zu demonstrieren, die müssten sich "ihren eigenen Problemen" widmen, und sie würden sowieso von den Politikern nichts halten ("alles Leute, die sich nur selbst bereichern").
Bei solcher Sachlage muss doch die Sorge erlaubt sein, wo Litauen hinsteuert. Wie stabil ist die Demokratie? Wie ausgeprägt ist auch das Bewußtsein der übrigen europäischen Länder für das, was inzwischen gemeinsam erreicht wurde? Werden plus und minus nicht mehr nur den betroffenen Ländern zur gefälligen Lösung zugeschoben, sondern ist ein gemeinsames Verantwortungsgefühl vorhanden? Schön wäre, auch in einigen anderen Punkten, die demokratischen Aufbruch sichtbar machen würden, ebenfalls sagen zu können: nun auch hier.

16 Januar 2009

Glückwunsch, Evaldas!

Das litauische Außenministerium teilte per Pressemeldung am 15.Januar 2009 die Besetzung der leitenden Posten im neu formierten litauischen Außenministerium mit. Dem zufolge wird Deutschland einen erfahrenen Diplomaten, eloquenten Gesprächspartner und aktiven Förderer litauischer Interessen in Deutschland leider verlieren:
Evaldas Ignatavičius war seit 2004 Botschafter seines Landes in Deutschland, und wurde nun von Außenminister Vygaudas Ušackas als Unterstaatssekretär ins Außenministerium berufen.

Künftig wird Ignatavičius unter anderem zuständig sein für die Stärkung der nachbarschaftlichen Beziehungen Litauens mit den osteuropäischen Nachbarn, die Entwicklung von multi- und bilateralen Beziehungen mit Russland, dem Südkaukasus sowie Zentralasien. Also alles wichtige außenpolitische Themen. Aber wer den engagierten 42-jährigen gebürtigen Ukmergėr in Deutschland erlebt hat, der wird ihm auch eine starke Rolle für diese zukünftigen Aufgaben ohne weiteres zutrauen.
Und zu hoffen bleibt auch, dass
Ignatavičius weiterhin als Gesprächspartner und Förderer des deutsch-litauischen Austausches erhalten bleibt, so wie seiner energischen Unterstützung zu verdanken war, dass während seiner Amtszeit die notwendigen Schritte zur Gründung eines Deutsch-Litauischen Forums in Deutschland, und der entsprechenden Partnerorganisation Litauisch-Deutsches Forum unternommen werden konnten.

Also, von dieser Stelle aus: "Ačiū", "Viso gero", und auch: "Laime!"

Pressemitteilung des lit. Außenministeriums dazu (engl.)

13 Januar 2009

Litauen - Tummelplatz für Hollywood-Stars?

In Deutschland taucht es nur am Rande in den Klatschspalten auf, aber in der englischsprachigen Presse ist es offenbar ein breiter dargestelltes Thema: die Beteiligung von Hollywood-Stars an Filmproduktionen in Litauen. Während das "Yellow-Net" (gibts das eigentlich, parallel zur "Yellow-press", im Internet auch?) lediglich meldet: "Liev Schreiber und Daniel Craig albern am Set rum" (Bang Media), ist in englischsprachigen Quellen weitaus mehr dazu veröffentlicht.

Der Grund, über Liev Schreiber (der Mann von Naomi Watts) und Daniel Craig (James-Bond-Darsteller) zu schreiben, ist für manche ein ganz banaler. Da in den Wäldern des östlichen Litauen gedreht wurde, sei die einzige Möglichkeit gegen Kälte gewesen, große Mengen Wodka zu trinken. Wer's glaubt. Dass die beiden US-Schauspieler ein jüdisches Geschwisterpaar spielen, das sich während des Zweiten Weltkriegs vor den Nazis im Wald versteckt, klingt schon interessanter (James Bond nun auch gegen die Nazis?).

Yahoo-News schöpft seine Quellen zu diesem Thema (englischsprachig) aus Reuters und den Hollywood-News ab, und weiß zu berichten, dass der neue Film "Defiance" heißen wird (würde, wörtlich übersetzt, laut Lexikon "Herausforderung", "Mißachtung"
oder "Trotz" heißen). Und zu diesem Titel wiederum sind im Netz bereits viele Einzelheiten zu finden: der Film soll in diesem Frühjahr auf den Markt kommen, und sei bereits für den Golden Globe nominiert (der Soundtrack!). Da die aktuelle Preisverleihung ja gerade über die Bühne ging, ist dazu nur zu sagen: nominiert, aber nicht ausgezeichnet.

"Für meine Brüder, die niemals aufgaben" - so der Untertitel im fertigen Filmtrailer. Schon Anfang Februar ist der Start in den Kinos geplant. Die Story spielt eigentlich in Weißrussland - aber die Landschaft sei in Litauen ähnlich, und die politischen, produktionstechnischen und infrastrukturellen Rahmenbedingungen in Litauen besser, so ist von der Produktionsfirma zu lesen.

"Lithuania plays a starring role" - diese Schlagzeile werden die Litauerinnen und Litauer wahrscheinlich doch gerne lesen, auch wenn aktuell die Wirtschafts- und Finanzkrise den Alltag natürlich mehr bestimmt. Aber dazu war Film ja immer schon ganz gut tauglich - und Hollywood sowieso: Illusionen zu liefern, Träume und Stories, die vom tristen Alltag ablenken.

Weitere Meldungen dazu:

zur Story des Films ein Beitrag bei Moviemates

Ausführliche Story bei Yahoo-News (engl.)


Trailer zum Film bei ProSieben

weiterer Trailer bei YouTube (engl.)

Beitrag "Readers Edition" zu "Neue Filme mit Thema Holocaust"

Diskussion zum Film im "Film-Blog" des Guardian (engl.)

30 Dezember 2008

Schöne Aussichten

Um die Jahreswende herum sind viele wohl verleitet, Ereignissen eine höhere Bedeutung zuzumessen als gewöhnlich. Also, aus litauischer Sicht: was bedeutet es, wenn?
Ist daraus
auf eine Tendenz für 2009 zu schließen?

Weihnachtsbaum-Politik
Wenn also - wie dieser Tage das litauische Außenministerium berichtet, in der georgischen Hauptstadt Tblissi seien am 28.12. die Lichter eines Weihnachtsbaum aus Litauen entzündet wurden. Was soll uns das verkünden? "Für die Kinder in Georgien," so sagt es Außenminister Vygaudas Ušackas. Oder ist ein anderes Detail dieser Pressemeldung vielleicht wichtiger? 10 Tage brauchte der Baum für den Transport von Litauen nach Georgien - ein Hinweis für die westlichen Alliierten, sich um "strukturverbessernde Maßnahmen" zu kümmern? Oder sollen - auch möglich - im kommenden Jahr alle Kulturhaupstadtsweihnachtsbäume nach dem litauischen Weihnachten dann am 28.12. irgendwo anders aufgestellt werden? Als kulturelle Kunde an die übrige Welt? -
Bisher waren wir ja gewohnt, dass Litauen selbst den Fer
nsehturm in Vilnius schmückt und Jahr für Jahr geduldig verkündet, dieser sei der größte Weihnachtsbaum der Welt.

Kulturhauptstadt auf Sparflamme
Weitaus mehr Sorgen machen da schon die angekündigten drastischen Budgetkürzungen für die Programme der Kulturhauptstadt Vilnius. Hoffentlich gilt hier nicht die Regel: Pech hat, wer erst im November oder Dezember seinen Auftritt hat.



Versöhnung und Erinnerung
Positiver wirken da schon die Gespräche zwischen Litauen und Israel. Außenminister Ušackas empfing den israelischen Botschafter Chen Ivri, der allerdings in Riga residiert. Es gab einige naheliegende Gesprächsthemen, wie die Streitfragen rund um das Gelände des ehemaligen jüdischen Friedhof in Šnipiškės, und die litauischen Bemühungen, das Leiden der litauischen Juden im 2.Weltkrieg und den Holocaust zum Unterrichtsthema des litauischen Bildungswesens zu machen. Ušackas äußerte außerdem die Hoffnung, dass auch bald eine israelische Botschaft in Vilnius eröffnet werden könne, und er zeigte sich erfreut, dass im August 2009 der "World Litvak Congress" in Litauen stattfinden werde. (Ergänzung dazu: Stellungnahme Litauens zu den gewaltsamen Konflikten im Gaza-Streifen)

Sparen und Steuern einnehmen - möglichst gleichzeitig
Nicht ganz einig scheinen sich dagegen Präsident Adamkus und der frisch ins Amt gekommene Regierungschef Kubilius zu sein. Optimismus äußerte Kubilius im Rahmen einer Pressekonferenz für 2009; falls der Plan zur Bekämpfung der ökonomischen Krise vom Parlament angenommen werde, könnten auch für Litauen schlimmere Folgen verhindert werden. Nur kurze Zeit später stoppte Präsident Adamkus eine Kürzung der Zahlungen des litauischen Rentenfonds durch sein Veto.
Nicht gestoppt hat Adamkus dagegen einen Gesetzentwurf, nach dem alle litauischen Autobesitzer in Zukunft eine Art "Monatsgebühr" für die Nutzung ihres fahrbaren Untersatzes zahlen sollen - von 15 bis 20 Litas monatlich ist die Rede (4,40-5,80 Euro). Sicher ist bereits, dass für Firmenwagen ab Januar noch mehr fällig werden wird (150 Litas).

Auch Sport treiben wird teurer
Ebenfalls nicht einig mit der Regierungspolitik zeigten sich einige der populärsten Menschen Litauens: die Sportstars der litauischen Basketballliga. Aus Protest gegen neue Steuerregelungen wurden vor Weihnachten einige Spiele abgesagt. Es ist vorgesehen, dass Sportler zusätzlich zu den gegenwärtig 15% Einkommenssteuer auch 6% für die Gesundheitsvorsorge und nochmals 1% für Sozialversicherungen zu zahlen haben. Auch eine Tätigkeit als Trainer wird jetzt mehr besteuert werden, dazu kommen noch Mehrbelastungen auch für die Sportclubs.

Krise im Nachbarland größer?
Eine Frage bleibt denen, die nicht nur Litauen, sondern auch Lettland und Estland mit Interesse beobachten. Warum eigentlich scheinen die Folgen der Weltwirtschaftskrise auf die beiden baltischen Nachbarländer stärker durchzuchlagen als auf Litauen? In Lettland z.B. ging die Parex-Bank pleite, die Inflation ist nach wie vor hoch, und es gibt Gerüchte um eine Abwertung des Lat - Vergleichbares gab es bisher in Litauen nicht. An einer Analyse versucht sich ein Artikel im Handesblatt: Litauen sei einfach bei den Exporten erfolgreicher - ein Schwachpunkt der beiden Nachbarstaaten. Im Jahresvergleich seien die Exporte Litauens von Januar bis September 2008 um 34 Prozent gestiegen.

Also: suchen wir uns das Positive raus, wie immer. Damit wir als Optimisten ins Jahr 2009 gehen können.

Ach ja, und übrigens: an alle
Mitarbeiter/innen des diplomatischen Dienstes der Republik Litauen werden 2009 einheitliche Anstecker verteilt (siehe Abbildung links). Entworfen hat sie die Künstlerin Ilona Kukenytė schon vor 10 Jahren - die Diplomaten sollen so für ein einheitliches "Branding" des Kulturhauptstadtjahres sorgen.

26 Dezember 2008

Weihnachtliche Litauerfahrt vor Australien

Es klingt ein wenig verspätet, wenn jetzt noch zur "Millenium Odysee" aufgerufen wird. Aber die Crew ist ja auch bereits seit Oktober 2008 unterwegs, und möchte mit der Segeljacht "Ambersail" den Namen Litauens in alle Winkel der Erde tragen. Aha - jetzt wird es klar - es ist ein anderes Millenium gemeint, das litauische. 1000 Jahre ist es her, dass der Name Litauen zuerst urkundlich erwähnt wurde (in den Quedlinburger Annalen). Daher feiert die Bernsteinseglertruppe dieses Jahr Weihnachten in ... Australien.

Am 8.Oktober 08 hatte die "Ambersail" einen Tag in Kiel Station gemacht (dort auch bekannt durch den "Baltic Sprint Cup"). Ansonsten geht die weite Reise meist entlang englisch- oder französischsprachiger Länder. Am 17.Dezember hatte der litauische Außenminister Vygaudas Ušackas die jetzige Besatzung in Litauen verabschiedet, und Weihnachten wird nun in Adelaide in Australien gefeiert, zusammen mit etlichen Litauern, die dorthin ausgewandert sind.

Insgesamt werden während 9 Reisemonaten des Segelbootes (ca. 200 Segeltagen) sich 120 verschiedene litauische Skipper auf dem Boot abwechseln. Das Schiff wird auf seiner Reise insgesamt 24 verschiedene litauische Volksgemeinschaften in 19 Ländern besuchen.

Die Route der Ambersail live online verfolgen

Webseite der Millenium-Reise

20 Dezember 2008

Ein litauischer Jimi Hendrix

Woran sind "junge Autoren" zu erkennen? Na, vielleicht an den Antworten auf die Frage, wieviel Zeit sie zum Schreiben ihrer Werke benötigen. Zwei Jahre, drei Jahre, das könnte die Antwort sein - versehen mit dem Zusatz: "inzwischen ist ja ganz schön viel passiert". Ungewöhnlich früher Erfolg bringt turbulente Lebensführung - so stellen es sich vielleicht diejenigen vor, die es gern nachahmen würden.
Was macht man an einem Abend (19.12.08), wo Wladimir Kaminer in der Stadt ist? Vielleicht mal JUNGE Autor/innen einladen, dachte sich vielleicht auch das Team der Schwankhalle in Bremen. Erstaunlich also, dass auch hier der Saal gut gefüllt und das Interesse groß war. Das anwesende Publikum traf Theresa Bäuerlein, Alina Bronsky und Benedikt Wells zum ersten Mal - und diese sich gegenseitig wohl gleichermaßen.

Alle drei haben sich inter-kulturelle Themen vorgenommen in ihren Büchern: Alina Bronsky die Lebenswelten von Russlanddeutschen in Deutschland, Theresa Bäuerlein den Blick einer jungen Deutschen auf das Alltagsleben in Israel. Benedict Wells, 24 Jahre alt, spiegelt in seinem Erstling "Becks letzter Sommer" einen alternden Musiklehrer ("Beck"), der einen Teil seiner verblichenen Jugendträume in einem unscheinbaren Schüler seiner Klasse heranreifen sieht - Rauli, ein Außenseiter aus Litauen. Aber als Solist an der E-Gitarre "besser wie Jimi Hendrix", wie sein Lehrer erstaunt feststellt. Aus Litauen? Ja, doch. Allerdings sind die osteuropäischen Versatzstücke (im Gegensatz zu den beiden Büchern von Alina Bronsky und Theresa Bäuerlein) auch eher etwas künstlich zusammengebastelt. Im Gespräch gibt Wells offen zu, noch nie in Litauen gewesen zu sein. Seine eigene Schulrealität hat er in drei verschiedenen bayrischen Internaten verbracht, glücklich, wie er sagt.

Warum also Litauen? Ein Land, das zwar 2002 schon mal Buchmessenschwerpunkt in Frankfurt war, aber sich doch die internationale Berühmtheit eigener Autor/innen immer wünscht, so dass der Name Litauen in die Welt hinausgetragen wird?
"Mir war klar, die Figur dieses Rauli muss ein Ausländer sein," sagt Wells, danach befragt. "Ein Außenseiter in der Klasse." Litauer in Deutschland also vor allem Außenseiter? Gut, die Frage wäre an die Litauer selbst zu stellen. "Ich wollte dem Lehrer Beck eine Chance geben, damit dieser Schüler sich überhaupt mit ihm abgibt und um ihn kümmert - so ein cooler deutscher Schüler, das hätte eben nicht gepasst."

Und warum ein Lehrerschicksal? "Alles so vorgeplant, vorhersehbar" - so Wells über das seiner Meinung nach typische Berufsbild der Lehrkörper- "Mittelmaß gegen Genie" als Themenentwurf. Und "Ich kannte einen Lehrer sehr gut, der in den 30ern war." Eine Ausnahme von dieser selbst aufgestellten "Langeweiler"-Regel? Dieser Lehrer
hat, so Wells, auch die ersten Fassungen des Buches gelesen und Ratschläge gegeben. Das wird keine leichte Arbeit gewesen sein: denn so sprudelnd Wells redet und sich reden hört ("ich vergesse manchmal schon, dass ich das geschrieben habe, was ich vorlese"), viel und lang schreibt er offenbar. Mit vielen Schmerzen und nach vielen Diskussionen auch mit den Lektoren musste ein Entwurf von 1500 auf 450 Seiten "eingedampft" werden. Selbst die Stelle wo vom Sterben eines alten Mannes die Rede ist, liest Wells rasch, ungeduldig, eher so, als ob es um eine Verfolgungsjagd im offenen Sportwagen ginge.

Und wie geht es jetzt weiter mit Benedict Wells? "Ja es stimmt, auch für den Musiker aus Litauen gab es Vorbilder," sagt er. "Der war auch relativ erfolgreich (in Litauen), spielte bei 'Flamingo' (verließ diese später aber), und wohnt in der Nähe von Vilnius. Nächstes Jahr, wenn Vilnius Kulturhauptstadt ist, will ich ihn unbedingt mal besuchen."
Dass aus dieser Begegnung dann sehr bald wieder Bücher werden, darauf dürfen die geneigten Fans leider kaum hoffen. Wells hat sein zweites Buch längst fertig und schreibt gegenwärtig an seinem dritten. Der Rest ist wohl eher Verlagspolitik oder Verkaufsmanagement, den jungen Autor ständig im Gespräch zu halten - Musiker können eine CD nach der anderen herausgeben, "junge Autoren" werden langsam aufgebaut. Stoff zum Schreiben scheint es aber genug zu geben.
Und wie fühlt es sich so an, als junges Mitglied im Literatur-Verkaufsgeschäft? "Manche Kritiker mögen mich nicht," hat auch Wells erkannt. "Es sind nicht viele - aber bei Google schwimmen sie leider oben wie Fettaugen in der Suppe."


Mehr:

Theresa Bäuerlein und "Das war der gute Teil des Tages"

Alina Bronsky und "Scherbenpark"

Benedict Wells und "Becks letzter Sommer"


Die litauische Gruppe "Flamingo"

Das Buch "Becks letzer Sommer" wird in der nächsten Sendung der "Baltischen Stunde" (Radioweser.tv) am Donnerstag, den 15.Januar 2009 ausführlich vorgestellt werden.

13 Dezember 2008

Kultur- und Mentalitätsforscher unterwegs

Was bedeutet es, eine Fremde oder ein Fremder zu sein? Diese Perspektive auf künstlerische Weise zu erforschen, haben sich Tomas Čiučelis und Jovita Ambrazaitytė (Foto rechts) vorgenommen. Dafür gehen sie zunächst auf Reisen: unterschiedliche Perspektiven müssen "erarbeitet" werden. Das Projekt erreichte am Freitag, den 12.Dezember 2008 - nach vorangegangenen Stationen in verschiedenen Orten Litauens und dem polnischen Krakau die Hansestadt Bremen. "MES VISI SKRITINGI, VISI VIENODI" (Wir sind alle verschieden, alle gleich), so lautete ihr Arbeitsmotto.

Was die beiden Künstler dann als Projektion auf Großleinwände zaubern, ist eine Kombination aus Fotos von möglichst verschieden aussehender Menschen und von Wörtern, in zufällig wechsender Kombination einfache Sätze bilden. So entstehen in zufälliger Reihenfolge entweder plötzlich logische Aussagen, wie auch fantasievolle zum Nachdenken anregende Behauptungen.

Das ganze Projekt erforderte eine Menge Vorarbeit. Angefangen damit, so erzählt die Kuratorin Rimantė Černiauskaitė, dass in Litauen gegenwärtig aufgrund der internationalen Banken- und Finanzkrise vor allem Kulturetats zusammengestrichen werden. Gerade die kleineren Projekte hätten darunter zu leiden, so die Projektinitiatorin, die für das Litauisch-Deutschen Forum aktiv ist. Aber sogar die Mittel für das Programm der Europäischen Kulturhauptstadt Vilnius sollen nun um 8 Mill. Litas gekürzt werden (Bericht dazu)

Die Künstler möchten mit ihrem Projekt ihre Mitmenschen provozieren, sich Gedanken zu machen über tiefverwurzelte Stereotypen, eigene und fremde Sichtweisen, oder möglichen Veränderungen und Gemeinsamkeiten zwischen Menschen. Grundlage der Projektionen sind Fotowerkstätten, in deren Rahmen als Ergebnis die Fotos von Menschen entstehen, die sich bereit erklärt haben mitzumachen - und so Teil des Projektes zu werden. Jede und jeder tritt so auf, wie sie oder er sich selbst wohlfühlt: allein oder zu zweit, in Volkstracht oder in Arbeitskleidung, mit Kind oder in Porträtform. "Fremdartig" oder auch vertraut wirken die Fotos als Bestandteil der Projektionen unter freiem Himmel erst durch die unterschiedlichen Aufführungsorte: in Bremen durfte also geraten werden, welche Fotos wohl in Litauen und welche in Polen entstanden waren. Als Projektpartner hatte sich die Medienwerkstatt im Bremer Kulturzentrum Schlachthof bereit gefunden.

"Und was passiert jetzt weiter?" Das wurden die drei "Kulturreisenden" am Ende der Vorführung gefragt. Das Publikum war auf den Geschmack gekommen: wie spannend doch Fotos und einfache Sätze sein können!
"Jetzt fahren wir erstmal nach Hause!" In dieser Antwort klang auch ein wenig Stolz mit, dass dieses Projekt trotz kleinen Budgets am Ende doch in drei Ländern durchgeführt werden konnte. Aber schon in wenigen Wochen beginnt das Jahr 2009 - und Europäische Kulturhauptstadt wird Vilnius sein. Da werden wir gespannt sein, was wir von diesen drei kreativen Menschen noch erwarten können und erleben dürfen!

mehr:
Projektselbstdarstellung bei "Tom Chatter" (litauisch)


Bericht bei Vtv.lt (Litauisch)

Bericht bei Alfa.lt (Litauisch)