27 Juni 2007

Das Dorf wohnt in der Stadt

Darstellung des „Wilna-Bauern“

Schon deslängeren gibt es in Litauen die Diskussion über die “zwei Litauen”, vor allem um Stadt und Land. In seiner Juni-Ausgabe nimmt sich nun das Vilniusser Szene-Magazin “PRAVDA” www.pravda.lt dem Thema “Dorf” an. Und zeigt auf der letzten Seite den “Agrovilnietis Miesto Jurgis”, also etwas den “Wilna-Bauern Stadt-Schorsch”.

Immer noch schlägt das Bauernherz im Stadtbewohner, möge sich auch der Verkehr stauen, er im X-ten Stock eines gläsernen Hochhauses arbeiten und kein Basketballspiel seiner Lieblingsmannschaft verpassen.

Zitat: “Vom bezaubernden kleinen Dorfbewohner, dem der Lauf der Geschichte den Spitznamen “Rübe” verliehen hat, unterscheidet der Wilna-Bauer durch soziale Schizophrenie. Er ist ein rechter Provinz-Bure und stolz drauf, so wie auf Felder, Kleinviech und seine eigenhändig groß gezogenen Radieschen. Trotzdem glaubt Stadt-Schorsch, dass er sich nach 30 Jahren im Beton seiner vier Wände Repräsentant einer Metropole nennen kann, obwohl er sich im Herzen nur um die Schnappsbrennerei sorgt, die er sich in seiner Garage gebastelt hat.“

Charakteristika

  1. Religiös, aber doof.
  2. Trinkt gerne „mal `nen kleinen“...
  3. Stolzer Eigentümer einer Datscha, denn ohne Finger im Mutterboden fühlt er sich „wie amputiert“
  4. Widerspricht jeglicher sprachlichen Öknomie indem der Namen durch Verkleinerungsformen konsequent verlängert, z.B. die „Raimondchens, “Algirdilein“, „Leonchileinchen“
  5. Die Sätze beginnen mit dem sinnlosen „Shita“ (So...)
  6. Stadt-Schorsch ist Entwicklungs-Egon vom Dorfe, besonders in Beziehungen zu Frauen. Nach dem Fund von dreckigem Geschirr bringt er es sofort zur Mutti. Niemals würde er Essen machen. Spült nicht, kann aber hervorragend Dreck machen.
  7. Urlaub macht er im subtilen Kurort Palanga
  8. Geht in den Fastfoodableger „Chili Dorf“, dass speziell zur Nahrungsabnahme des Wilna-Bauern gegründet wurde.
  9. Bietet seinen Arbeitskollegen selbst sauer eingelegte Gurken an.
  10. Riecht als ob er selbst sauer eingelegt wäre
  11. Dem Wilna-Bauern haftet eine tierische Angst vorm Atomkrieg an. Wenn Ihr noch der Meinung seit, solchen eine Krieg wird’s nicht geben, dann besucht ihn in seinem Schuppen.
    Allein die Anzahl der Gläser „Eingelegte Beeren“ lässt Euch ernsthaft Sorgen um den Weltfrieden machen.
  12. Homophob. Er ist davon überzeugt, dass Werbung für die Menschenrechte für andere sexuelle Orientierungen zum Zusammenbruch seiner Familie führt.
  13. Geht nicht wählen. Aber wenn, dann wählt er na-Ihr-wisst-schon-wen...
  14. Macht den Löwenanteil der abendlichen Fernsehzuschauer aus.
    In seinem Handschuhfach stapeln sich „Popstars“- und „DSDS“-CDs
  15. Beim Küssen zieht er die Unterlippe zurück.“

Orginaltext: Carlo Mandrake

Bild: Rikka

Homepage der Zeitschrift “Pravda” (dort kann sich unten rechts auch die aktuelle Nummer als PDF-Datei herunterladen)

www.pravda.lt

Digitales Informationsprojekt für ländliche Gemeinden (mit kurzer Darstellung auch auf Englisch)

http://bendruomenes.lt/

25 Juni 2007

Schweizer streiten über Litauen

Litauen ist gegenwärtig selten in den Schlagzeilen der deutschsprachigen Presse. In Litauen werden keine Denkmäler spektakulär versetzt (sie sind längst versammelt im Grutas Parkas), nicht einmal Präsidenten oder Parlamente werden momentan gewählt. Da mutet es seltsam an, dass ausgerechnet in der so beschaulich anmutenden Schweiz neuerdings Litauen zum Zankapfel wird. Wie konnte das geschehen?

Neben den scheinbar unvermeidlichen Geschichten von abgefahrenen Reifen litauischer LKWs auf deutschen Autobahnen ist es eher die deutsche Regional- und Provinzpresse, die sich für litauische Themen interessiert. Meist sind Besuche von Gastgruppen oder Partnerschaften der Hintergrund. "Folkloristisch und romantisch" nennt das "Wiesbadener Tagblatt" den Auftritt des litauischen Chors VARPELIS in der hessischen Hauptstadt. "Die höchste Erhebung in Litauen beträgt 250 Meter," weiß inzwischen auch der Wolfenbütteler Bürgermeister Thomas Pink, der Gäste aus Sakiai empfing. "In Litauen gibt es keinen Bergbau", fügt die Berichterstatterin bei "Newsklick" hinzu. Da könnte man staunen, dass es in der deutschen Presse überhaupt eine Meldung wert ist.
Berichtet wird natürlich dann, wenn Deutsche für Litauen spenden. Ob in Bocholt ein Rettungswagen für Akmene, in Michelstadt die Ausrüstung für ein Altersheim in Lauksargiai, in Lemgo ein Krankentransportwagen für Kaunas, oder in Schrobenhausen die Hilfe für ein Behindertenheim ebenfalls in Kaunas.

Was finden nun aber die Schweizer so aufregend?

Kennen Sie Frank A. Meyer? Nein? Ich bisher auch nicht. Wollen wir vorsichtig sein, vielleicht ist er ja auf der Finanzinsel Schweiz ein gefürchteter Wirtschaftsreformer. Kennen sie "BLICK"? Ja richtig, es soll so etwas wie das Gegenstück zur deutschen BILD sein. Oder? Frank A. Meyer können sie hier im Großfoto erleben. Frank A. Meyer überrascht uns mit der These, Litauen sei "erst vor kurzem befreit" worden (Sonntags-BLICK, 23.6.2007). Befreit? Von den Schweizern, der Schweizer Garde, oder dem Schweizer Käse?
Nein, nichts davon - von "Äpfeln und Birnen" meint Herr Meyer hier reden zu müssen. Zitiert wird eine Studie der Beratungsgesellschaft KPMG, der zufolge das Steuerniveau Litauens mit dem Schweizer Kanton Obwalden verglichen worden sein soll. "Litauen als Vorbild für die Schweiz?"
Nun, man könnte Herrn M. granteln lassen; wir erinnern uns dunkel, dass die Birnen im Schweizer Bergland sowieso recht winzig ausfallen - sonst könnte auch nicht ein so gehaltvollers Wässerchen daraus gebrannt werden. Warum also aufregen?
Besser stellen wir keine weiteren Spekulationen darüber an, was Herr M. noch alles "befreien" möchte.

Damit noch nicht genug. Auch im beschaulichen Obwalden gibt es vereinzelte Blogger, wie etwa "obwaldner blog". Aufgemacht mit dem schönen Spruch:
"Wer das Böse ohne Widerspruch hinnimmt, arbeitet in Wirklichkeit mit ihm zusammen." Martin Luther King (1929-1968).
Tja, nun wurde aber der Beitrag aus der BLICK hier kommentarlos wiedergegeben. Trotz einer schönen Illustration (siehe oben) leider kein Beweis eigener Intelligenz. Kein Nachweis, dass diese Sonntagsschweizer je in Litauen waren. Und auch leider keine Antwort auf die Frage, wer denn nun Litauen "befreit" haben soll .... :-(

15 Mai 2007

Chaos statt Kultur - Team der Kulturhauptstadt Europas 2009 tritt zurück

Es hatte schon länger rumort als am 15. Mai um 11 Uhr die Bombe platzte: Nach der Programmdirektorin Elona Bajorinienė trat auch Rūta Vanagaitė, die ausführende Leiterin der Öffentlichen Gesellschaft "Vilnius - Kulturhauptstadt Europas 2009" zurück. Beide protestierten damit gegen die mangelnden Führungsqualitäten der Generaldirektorin Giedrė Kabašinskienė, die damit alleine im Führungsgremium der Gesellschaft sitzt. Auch die am Dienstag morgen hektisch zusammengerufene Krisensitzung im Kultusministerium brachte keine Lösung. Rūta Vanagaitė forderte öffentlich im Radio eine neue Leitung des Prestige trächtigen Projektes.

Wie immer haben die Litauer spät mit ernsthaften Vorbereitungen begonnen. Das geplante Budget von 80 Mio. Litas (rund 23 Mio. Euro) nimmt sich im Vergleich zu den 60 Mio. Euro von Linz in Österreich, der zweiten Kulturhauptstadt Europas 2009, eher bescheiden aus. Bei den Litauern gibt es ein Sammelsurium von 130 Projekten. Die Direktorin trat schon mal im staatlichen Radio auf und ließ sich von anrufenden Rentnern belehren, dass Litauen sich mit Volksmusik und Mittelaltergeschichte und nicht mit irgendwelchem bunten "Lärm" darstellen solle.
Zu den wenigen bis jetzt sichtbaren Aktionen der zukünftigen Kulturhauptstadt zählen: Bilder von berühmten Komponisten auf öffentlichen Bussen und ein Straßenmusikfest, das allerdings von einem der berühmtesten litauischen Poprock-Musiker, Andrius Mamontovas, organisiert wurde.
Es ist also nicht verwunderlich, dass der Generaldirektorin
Führungsschwäche vorgeworfen wird. Als ihre einzige bedeutende Berufserfahrung gilt ihre vorherige Arbeit als als Kulturataché in Frankreich.
Der Kulturminister indes stellte sich demonstativ hinter die Direktorin und tat die Kritik als "persönliche Ambitionen" ab. Unter Kulturschaffenden hingegen wird das ganze staatlich organisierte Programm wiederrum als bürokratisches Monstrum kritisiert, von denen wie immer nur wenige profitieren.

Offizielle Seite "Culture Life 09"
Nachricht von www.delfi.lt
Straßenmusikprojekt von Andrius Mamontovas

08 Mai 2007

Chor ist eine Lebensschule

"Chor ist eine Lebensschule" - so zitiert das Wiesbadener Tagblatt Chorleiter Roman Twardy in der aktuellen Anküdigung der Konzerte des Knabenchores Wiesbaden für den 12.Mai und 3.Juni 2007.
Kurz vor Ostern 2007 war der Chor bei Partnerchören in Litauen zu Gast: in Kaunas, Šiauliai und Klaipeda. Ein ausführlicher Reisebericht ist jetzt im Internet nachzulesen.

Links zum Thema:

Wiesbadener Knabenchor, Infos zu den Gastchören aus Litauen

Konzertankündigungen

Reisebericht Litauen 2007

Partnerchöre:
VARPELIS (Kaunas)
Dagilėlis – (Šiauliai)
Gintarėlis – (Klaipeda)

07 Mai 2007

DGB: Vorbild Litauen?

Bei der Familienförderung lohne ein Blich nach Litauen - so äusserten sich kürzlich Vertreter/innen des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) gegenüber der Nachrichtenagentur DPA (nachzulesen bei MV Regio).

Lisanne Straka vom DGB- Projekt Work-Life-Balance im Ostseeraum sagt es dort so: "In Litauen bekommen beispielsweise Eltern in der Elternzeit im ersten Lebensjahr ihres Kindes 85 Prozent ihres Lohnes weiter gezahlt, ab Mitte des Jahres soll dieses Elterngeld für das erste halbe Jahr sogar auf 100 Prozent angehoben werden."

Litauen sei stark von Auswanderung von Fachkräften betroffen, so hat es der DGB erkannt. Deshalb gäbe es auch Kündigungsschutz für Ehepaar bis zum 4.Lebensjahr ihres Kindes.

Kulturhauptstädte machen Europa

Am 24.-26.April 2007 fand in Essen die dritte gemeinsame Tagung der aktuellen und zukünftigen Kulturhauptstädte statt. Erstmals wurde eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht, deren Wortlaut auf jetzt auf der Webseite "Kultur macht Europa" nachzulesen ist.
Gleich zwei Städte aus den baltischen Staaten haben bei der Erklärung mitgewirkt: Außer Liverpool und Stavanger (Kulturhauptstädte 2008), Essen, Pécs, und Istanbul (2010), auch Linz und Vilnius für 2009 und Turku und Tallinn (2011 ).

Betont wird unter anderem, dass:
- über die Rolle der Kultur in der urbanen Gesellschaft neu nachgedacht werden soll
- eine nachhaltige Erneuerung der Kulturpolitik angestrebt wird,
- eine Balance der Betonung von Lokalem und Europäischen versucht werden soll, und
- Veränderungen im Zuge der Globalisierung und Digitalisierung nicht mehr aufzuhalten seien, und daher der kreative Sektor vorangebracht werden muss, auch indem man voneinander lernt.


Am 7. und 8.Juni findet in Berlin der Kongreß "Kultur macht Europa" statt. (das Programm dazu findet sich
HIER)

Unterdessen trafen sich der litauische Ministerpräsident Gedeminas Kirkilas und der österreichische Bundeskanzler Alfred Gusenbauer in Wien zu Gesprächen zur wirtschaftlichen und kulturellen Zusammenarbeit beider Länder (siehe auch: Österreich-Journal). Die Perspektive ist auch hier auf die beiden Kulturhauptstädte Linz und Vilnius im Jahr 2009 ausgerichtet.

Österreich würde in Litauen vor allem wegen seiner Literatur und seiner Musik geschätzt, so zitiert das Österreich-Journal. Die Berge, die Berge, wo aber bleiben die Berge? Außer der landschaftlichen Schönheit hängen für die Litauer damit ja wohl auch noch ein paar Arbeitsplätze in der Gastrowirtschaft er Alpen damit zusammen, oder?

19 April 2007

Weiches Herz oder faule Haut

Nothlfe leisten, oder kaufen und genießen - so stark die sozialen Verhältnisse in Litauen auseinandergehen, so stark unterscheidet sich auch das Verhältnis vieler Deutscher zum Litauen von heute. Berichte aus vielen Einzelregionen Deutschlands bezeugen, dass vor allen Dingen auf dem Lande die Not sozialer Einrichtungen, sozial benachteiligter Gruppen, oder ganz einfach alter und kranker Menschen nach wie vor sehr groß ist. Lastwagenweise werden Spenden gesammelt, und diejenigen, die aus Deutschland zu ihren Projektpartnern in Litauen fahren, können auch eindrucksvoll erzählen, wie sehr die Hilfe bei den Empfängern in Litauen gebraucht wird. Auf der anderen Seite versucht Litauen sich als Urlaubsland attraktiv zu machen, und hier dominieren Argumente, die teilweise aus einer ganz anderen Welt zu kommen scheinen.

"In Litauen wird ihre Reisekasse wenig beansprucht," so meldete am 18.4.07 der Bundesverband deutscher Banken. Eine anschauliche Tabelle vereinfacht die vergleichenden Untersuchungen der Banken zur Kaufkraft des Euro in verschiedenen europäischen Ländern: während Deutsche in Großbritannien, Dänemark, Frankreich oder der Schweiz vergleichsweise wenig für den Euro erhalten können, ist die Kaufkraft in Polen und Litauen am höchsten. "Also nichts wie auf nach Litauen!" So könnte es da doch heißen. Doch besteht das südliche der baltischen Länder nun mal nicht nur aus der Kurischen Nehrung und der kommenden Kulturhauptstadt Vilnius.
"Es gibt immer Schönes und Interessantes, aber auch Nachdenkliches und Trauriges zu berichten, wenn ich nach Litauen fahre." So sieht es Ulla Amsler, Vorsitzende des Freundschaftsvereins "Hilfe für Plunge" in Menden (NRW). Die Mendener möchten ganz bewußt regionale Entwicklung unterstützten - Plunge liegt fern der litauischen Hauptstadt Vilnius, und die Kenntnisse vieler Deutscher über Litauen scheinen sich manchmal nur auf die Kurische Nehrung zu beschränken. Schließlich erreichen viele Touristen Vilnius per Flugzeug, während von der Hafenstadt Klaipeda aus der Weg zur Kurischen Nehrung kaum das übrige Litauen berührt.

So schwanken auch die Mendener zwischen der Begeisterung für die Herzlichkeit und Gastfreundschaft der Litauer, der sehenswerten Naturlandschaften, dem reichhaltigen Kulturleben - und der sozial sehr unausgewogenen Entwicklung im Partnerland. Aber es werden nicht nur Kleider gesammelt und gebrauchte Instrumente abgegeben: der Aufbau eines Kulturzentrums in Plunge wird aktiv unterstützt, und neue, medizinische Einrichtungen könnten ja auch für Deutsche nutzbar sein, meint Frau Amsler.
"Ich habe mir die medizinischen Angebote zum Beispiel in Reha-Kliniken in Palanga angesehen, die haben mir sehr gut gefallen," meint die engagierte Mendenerin, die Litauen gern auch als ihre "zweite Heimat" bezeichnet. "Das könnte doch auch für Deutsche, die eine Kur machen wollen, mal ein Tipp sein."
"Wir in Deutschland sind in der glücklichen Lage wirtschaftlich besser zu leben und können daher leichter materiell und finanziell unterstützen. - Die Litauer lassen uns an ihrer überaus reichen Musik und an ihrer sehr vielfältigen Kunst teilnehmen, am wichtigsten jedoch sind uns die vielen privaten Freundschaften."

Auch andere private Kontakte sind in den letzten Jahren zwischen Deutschland und Litauen entstanden. So berichtet Karen Schewina regelmäßig per eigenem Blog und Berichten in der örtlichen Tageszeitung ihrem Heimatort Bad Kreuznach von ihrem Litauen-Aufenthalt.
Rein auf den sozialen Hilfsgedanken konzentriert meldet auch die "Spargelstadt" Schrobenhausen (bei Augsburg) regelmäßige Kontakte durch die "Kinderhilfe Litauen". Ähnliches organisiert die Ökumenische Hilfe in Neunkirchen-Seelscheid (Bergisches Land) mit LKW-Ladungen voller Hilfmittel für Krankenhäuser, Altenheime und Kinderkliniken.
Auch Fläming und Havelland in Brandenburg unterstützen soziale Einrichtungen in Litauen, ebenso wie aus Aurich in Ostfriesland.
Diese zuletzt genannten Projekte beschränken sich in ihrer Öffentlichkeitsarbeit aber offensichtlich auf die Betonung der Hilfsbedürftigkeit ihrer Partner.

Aus Wolfenbüttel dagegen sind Erfahrungen aus einem Schüleraustausch zu vernehmen. "Die Schüler sind hier viel selbstbewußter," stellen litauische Gäste fest, die zur Vorbereitung der Reise offenbar von der Tatsache profitieren, dass deutsche Filme im litauischen Fernsehen im Original mit Untertiteln laufen. Vielleicht wird hier auf die sich natürlich entwickelnden Kontakte der jungen Generation gesetzt?
Auch das Gymnasium Münchberg in Franken pflegt einen regelmäßigen Schüleraustausch. "Wer hat Mut?" fragte dort Lehrer Gerhard Ströhla seine Schülerinnen und Schüler, und so knüpften 12 unternehmundslustige junge Leute im Jahr 2000 bereits die ersten Kontakte. "Von den Litauern haben wir Gastfreundschaft und Herzlichkeit gelernt," so Ströhla heute.

Vom persönlichen Kennenlernen zwischen einer Litauerin und einem Deutschen erzählt Laima Schrödel in der Frankenpost, und stellt gleichzeitig fest: "von der EU bekommt auch Litauen Geld für neue Projekte." Sie lobt vor allem den Straßenbau, ein Charakterzug, der bei vielen Litauern in Deutschland festzustellen ist.
Es bleibt zu hoffen, dass Kontakte zwischen beiden Ländern noch ein Stück normaler werden, und sich weder wegen sozialer Hilfe noch für sein Bedürfnis, im Sommer mal nur die schöne Landschaft zu genießen und auf der faulen Haut zu liegen in Zukunft jemand zu schämen braucht.

Presseberichte im Internet:
Pressemitteilung des Bundesverbandes Deutscher Banken
Verein "Hilfe für Plunge e.V."
Blog Karen Schewina "Im Osten was Neues"
Bericht Karen Schewina in der Allgemeinen Zeitung / Rhein-Main-Presse
Bericht DONAUKURIER zur Kinderhilfe Schrobenhausen
Bericht zur Hilfaktion in Neunkirchen-Seelscheid
Bericht der Märkischen Allgemeine zum Hilfstranport nach Litauen
Bericht der Ostfriesischen Nachrichten zu den von Aurich unterstützten Projekten
Bericht zum Schüleraustausch des Gymnasiums Wolfenbüttel
Bericht zum Schüleraustausch in Münchberg
Laima Schrödel: von Litauen nach Rehau

05 April 2007

Auswanderung aus Litauen

Die dunkle Seite der EU

"Wo bist du - in Paris, London ... oder auf den Plantagen Spaniens?"

So klingt es im Lied "Cafe Emigrant" gesungen von einer bunten Mischung von litauischen Schlagersängern.
Mag die Musik auch überkandidelt herzergreifend klingen, so trifft sie doch ein aktuelles Problem. Schätzungsweise 10-20 Prozent der litauischen Bevölkerung ist weg. Zahlen, die mit der Massen-Deportation der Litauer nach Sibirien im Zuge des Anschlusses an die Sowjetunion vergleichbar sind. Unklar, was in 50 Jahren über die EU in litauischen Geschichtsbüchern stehen wird. Aber dazu später mehr.
Innerhalb der europäischen Union sind die Grenzen zwar offen, da aber immer noch in den meisten Ländern Begrenzungen für Arbeitnehmer gibt, sind die meisten illegal.
"Der unsrigen sind so wenige übrig, hier im Herzen Litauens" - singen Nijole Narmontaite, Romas Dambrauskas, Edmondas Čivinskas und die Musikgruppe "Vairas". Wer im Sommer mit offenen Augen durch die Dörfer im Hinterland fährt, der sieht Alte, Kinder, vielleicht ein paar Betrunkene.
In London hingegen werden litauisch sprachige Grundschullehrer gesucht.

Die jungen, die ein bisschen Grips in der Birne haben, sind weg. Und so sieht die übliche litauische Schwarz-Weiß-Malerei aus: Die noch übrig sind, sind entweder in Beziehungsgeflechten etabliert oder schlicht und einfach zu blöd.
Und so ist es schon bemerkenswert, dass auf einer Veranstaltung zu Ehren der Punk-Rock Gruppe "Greenday", die Organisatoren allen ernstes dafür dankten, dass sie noch da sein. "Auch in Litauen kann man etwas machen".

Gefährlichere Tendenzen

"Verlust der litauischen Sprache und Kultur" heißt die wieder hoch kochende Angst auf der anderen Seite. Hatte "Multikulti" in Deutschland lange Zeit viele Fürsprecher, ist das in Litauen anders. An dieser Stelle würde der deutsche Nazi-Begriff der "Überfremdung" sehr gut passen. So sehe mehr sich täglich die Zahl der jungen Litauer mit Bomberjacken und Litauenflagge am Arm, die vor einigen Jahren noch völlige Exoten waren. Und in den Straßen tauchen Plakate mit der Aufschrift "Alle, die anders sind, sind unnütz" auf (was man inhaltlich am besten mit "Fremde sind hier nicht erwünscht" übersetzt). Verunglimpft werden Juden, Schwarze und Asiaten (letztere werden als Heuschrecken dargestellt). Zum Semesteranfang verteilte die "Litauische Nationale Front" an Studenten kostenlose Stundenpläne in einer Auflage von mehreren Hunderttausenden.

Geht die braune Saat auf?
Das sind die Zeichen. Die Diskussion um die "Zwei Litauen" - um die Gewinner und Verlierer des Wandels, vor allem um Dorf und Stadt - ist schon einige Jahre alt. Der Fall Rolandas Paksas, der als Präsident von Parlament und Verfassungsgericht abgesetzt wurde, um dieses Jahr als strahlender Sieger der Kommunalwahl zurück zu kehren, gehört dazu. Es ist die Entfernung zwischen den Regierenden, "der Macht" wie man in Litauen sagt, und den einfachen Menschen. Denen man das Gefühl gibt, Verlierer zu sein. Die Sündenböcke suchen.
Und leider muss man sagen, dass des soganannte "Brain drain" - der Abfluss von Hirnmasse - spürbar ist.
Trotz dieser litauisch gefärbten Schwarzmalerei die positive Nachricht: Was dabei herauskommt ist unklar. Genau so blüht die alternative Szene, mit bunten Punks und schwarzen "Grufties". Hinzu kommt, dass die Jugend des 21. Jahrhunderts weitgehend ideologiefrei und und undogmatisch ist. Wie schwach oder wie stark die Selbstheilungskräfte der jungen litauischen Zivilgesellschaft, wird sich zeigen müssen.
Auch was mir dieser Angst des Verlustes der "eigenen" Kultur in Europa - und vor allem in Mittel und Osteuropa - noch passieren wird. "Leitkultur, Islamo-Faschismus, No-Go-Areas" sind die Schlagwörter, die in Deutschland dazu benutzt werden. Zeit, mal ernsthaft darüber nachzudenken, was hier passsiert.

Links
Lied "Cafe Emigrant" hören
online oder als download (mp3) auf der russischsprachigen Seite zaycev.net
SKA RASTA FUNK PUNK Scene Vilnius
(auch "Antifa")
"Litauische Nationale Front"

03 April 2007

Litauens ewige Europameisterin

Litauen hat wieder eine neue Europameisterin. Rūta Paškauskienė heißt sie, und sie wird ihren Titel voraussichtlich nicht einmal wieder abgeben müssen.

Ruta Paskauskiene (geb. Garkauskaite) spielt Tischtennis, und sicherte sich zusammen mit dem Serben Karasevic bereits zum dritten Mal (nach 2000 und 2005) den Europameister-Titel im Mixed - einer Disziplin, die voraussichtlich bei den zukünftigen Meisterschaften - mangels Teilnahmeinteresse der Sportler, so heißt es - nicht wieder ausgetragen werden wird.

Im Finale wurde das russische Paar Fedor Kuzmin/Oxana Fadejewa 4:0 geschlagen.

Damit bleibt Paškauskienė auch weiterhin Litauens beste Tischtennisspielerin (Weltranglistenplatz 105).

30 März 2007

Litauer am Arbeitsplatz stark belastet

Belastungen am Arbeitsplatz, und deren Verhältnis zu Familie und Privatleben, das war Thema einer kürzlichen Untersuchung von TNS Infratest, einer Firma mit deutschem Sitz in Bielefeld und Partnern auch in Litauen.
Im Dezember 2006 wurden 26.800 Bürgerinnen und Bürger in 25 EU-Mitgliedsstaaten befragt. Zur Wahl gestellt wurden folgende Aussagen:

1) Meine Arbeit ist zu anstrengend und belastend

2) Ich arbeite unter gefährlichen und ungesunden Bedingungen

3) Meine Arbeit ermöglicht ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Beruf, Familie und Privatleben

Gut, wie üblich bei Umfragen wäre einzuwenden, warum nur so krass unterschiedliche Alternativen zur Auswahl stehen. Schließlich gibt es häufig Probleme im Beruf, mit denen man dann aber fertig zu werden gelernt hat. Und auch das Verhältnis zwischen Aufgaben und Entlohnung wird hier leider nicht weiter beleuchtet.
Jedenfalls stellt sich bei den Antworten, nach Ländern geordnet, Litauen als Spitzenreiter heraus. 71% der befragten Litauer bezeichnen ihr Arbeitsverhältnis als anstrengend und belastend. Es folgen Griechen und Rumänen mit 70%.
Auf der anderen Seite sind es nur 24% der Niederländer und 25% der Finnen, die sich von ihrer Arbeit belastet fühlen. Im EU-Durchschitt sind es 41%.

Link: Eurobarometer - Untersuchungen zur öffentlichen Meinung in den EU-Mitgliedsstaaten

11 März 2007

Zweifel an öffentlichen Ausschreibungen

Zweifel an den Durchführungsmodalitäten öffentlicher Auftragsvergaben in Litauen äusserte jetzt die Schweizerisch-Baltische Handelskammer SBCC (Pressemitteilung vom 7.3.07). Eine neue Untersuchung auf der Grundlage von 100 untersuchten litauischen Firmen habe gezeigt, so die SBCC, dass öffentliche Ausschreibungen häufig zu Gunsten von bestimmten Firmen gemacht werden, "zu deren Gunsten jemand die Fäden ziehe". So stünden Gewinner von Ausschreibungen von vornherein fest.

Das sind sicher schwerwiegende Vorwürfe, denn gerade die SBCC setzt sich ja für vermehrte Geschäftskontakte mit Litauen ein. Die gemeinsam mit der litauischen "Interaktyvios Verslo Sistemos" und dem litauischen Büro von "Transparency International" durchgeführte Untersuchung besagt, dass 16% der befragten Firmen davon ausgehen, Zuschläge in öffentlichen Ausschreibungen stünden bereits vorher fest. Weitere 40% halten dies für wahrscheinlich. Weitere Erkenntnisse aus der Firmenbefragung sagen aus, dass 39% erklären, für eine Beteiligung an Ausschreibungen über zu wenig Informationen zu verfügen.



27 Februar 2007

Wundersame Rückkehr. Ehemaliger Präsident nächster Bürgermeister von Vilnius?

Es ist nicht zu fassen: er war Bürgermeister von Vilnius (für die Liberale Partei). Er war zwei Mal Premierminister (ein Mal für die Konservativen, ein Mal für die Liberalen). Er war sogar Präsident der Republik Litauen - bevor ihm als erster Präsident der demokratischen Welt das Amt entzogen wurde. Überhaupt war sein Abgang in keinem der Fälle ehrenvoll... Aber egal: Er ist wieder da!

Rolandas Paksas, Beruf: Pilot.

So heißt der Gewinner der Wahl um die litauische Hauptstadt. "Litauen braucht heute am meisten Ordnung und Gerechtigkeit. Wählen Sie deshalb meine Partei 'Ordnung und Gerechtigkeit' (Liberaldemokraten)" So klang es mit der monoton-markigen Stimme die vergangenen Tage im Radio.
Und wie oft sie ihn auch niederschlugen: Er steht immer wieder auf.
An seiner Seite stehen die Rentner. Sie glauben fest an die Verschwörung der "korrumpierten Eliten" gegen ihren Präsidenten. An dieser Stelle muss man nur kurz daran erinnern, dass er "als Gefährdung der nationalen Sicherheit" vom Parlament aus dem Präsidentenamt entfernt wurde, da sein Wahlkampf im Wesentlichen von einem russischen Waffenhändler finanziert wurde...

Und natürlich ist diese Wahl alles andere als ein Lob der Demokratie:
Schon ihm vorneherein gab es mehrere Fälle von Stimmenkauf. Nach Aussagen der Staatlichen Wahlkommission wird die Wahl vielleicht in einigen Landkreisen auch für ungültig erklärt.
Überhaupt lag die Wahlbeteiligung bei unter 40 Prozent (in Vilnius 42,9%)

Die meisten Wahlaussagen hätten eher karnevalistischen Wert, wenn sie nicht ernst gemeint gewesen wären:
Während Noch-Amtsinhaber Arturas Zuokas die Idee einer Straßenbahn sowie kostenloser "Orangener Fahrräder" wieder hervorzog, forderten die Christdemokraten gleich eine U-Bahn ("nur der Wind ist schneller").
Die postkommunistischen Sozialdemokraten täumten von einer "Übername Vilnius" wie einst 1940 (als die Litauer es nach der Zerschlagung Polens durch die Nazis wiederbekamen).

Überhaupt ging es im Wesentlichen um ein Wer-GEGEN-wen: Alle gegen Zuokas, der sich in Korruptionsvorwürfe nicht nur verstrickt hatte, sondern sogar rechtskräftig verurteilt wurde. Und in Vilnius mischten neben Zuokas und Paksas noch Vizebürgermeister Masiulis (Konservative) und Petras Austrevicius mit, letzteret ehemals litauischer Chefunterhändler für den EU-Beitritt und jetzt mit einer neuen liberalen Partei.

Nun geht es um ein wer-MIT-wem: Auch der strahlene Sieger Paksas kommt in Vilnius auf gerade einmal 25 Prozent, gefolgt von der Vaterlandsunion/Litauens Konservative (rund 20 Prozent)
Schon kündigten Konservative, Liberale, Sozialdemokraten, Republikaner-Liberale, Liberademokraten und Liberalcentristen für verschiedene Koalitionen Verhandlungen an.

Und noch zwei Dinge gibt es zu bemerken:
Erstens: Landesweit die größten und einzigen stabilen Parteien sind die Konservativen (Vaterlandsunion), der Nachfolger der Litauischen Unabhängigkeitsbewegung Sajudis, die die meisten Stimmen auf sich vereinen sowie die Postkommunisten, die jetzt "Litauische Sozialdemokratische Partei" heißen, die insgesamt die meisten Mandate gewonnen haben.
Zweitens: In vielen Orten sitzen lokale "Fürsten" fest im Sattel. Deren Parteibuch ist egal, und so entsteht ein sehr bunter Flickenteppich.

Quellen:
Staatliche Wahlkommission
Internetnachrichten DELFI.LT
Litauisches Radio und Litauisches Fernsehen

22 Februar 2007

Litauen digital vorn - oder wo?

Über Litauen ist nicht gerade viel in Deutschland bekannt. Man könnte die Frage stellen: welches der drei Länder (Estland, Lettland, Litauen) wird noch immer am häufigsten mit einem der anderen verwechselt?

Sagen wir mal, es steht 1 : 0 für Litauen (oder gegen Litauen)? DIGITAL FERNSEHEN stellte am 21.2.07 einen so genialen Beitrag ins Internet, der sollte als Modellbeispiel fachidiotischer Schnellschreiberei in die Archive eingehen.

Satz für Satz ein Genuß.

Die Überschrift: "Litauen startet DVB-T und IPTV"
das klingt ja schon mal vielversprechend.

Doch dann, Satz 2: "Riga, Litauen -Nun gibt es auch in Litauen digitales Fernsehen via Antenne und Breitbandinternet. Eine entsprechende Vereinbarung traf der Rigaer Telekommunikationskonzern TEO mit Scientific Atlanta."
Riga in Litauen? Oder ist von Lettland die Rede? Wir müssen den Beitrag zu Ende lesen - und werden leider nicht schlauer:

"TEO, der landesweit größte Anbieter von Festnetztelefonie und DSL, greift dazu auf das digitale Headend des Content-Providers zurück. Zunächst umfasst das Programmangebot 20 Sender, die in MPEG-2 komprimiert werden. Technisch ist aber auch MPEG-4 möglich. TEO gab zudem den Ausbau seines WiFi-Netzes auf 20 000 Hotspots im Jahr 2009 bekannt. Grund sei die rapide gestiegene mobile Internetnutzung in dem baltischen EU-Mitgliedsstaat. Allein im Januar 2007 habe es 130 000 Hotspot-Zugriffe gegeben, während es im Januar 2006 nur 9 000 gewesen seien. Vorteile soll es für TEO-Festnetzkunden geben, die bei der Benutzung eines 'Zebra'-Hotspots nur 9,99 Litas, also zirka 2,90 Euro pro Monat zahlen sollen."
Viel Fachchinesisch, das uns nichts über Zusammenhänge sagt. Kein Link angegeben, keine Quelle, kein Bezug. Aber Litas? Also doch eher Litauen?

Da hilft nur ein Hinüberwechseln zu Google. Und siehe da, die Autoren hätten es besser wissen können: beim Manager Magazin (Spiegel online) steht ein Beitrag zum selben Thema in aller Ausführlichkeit. Wer bis hierhin vorgedrungen ist, lernt, dass tatsächlich Litauen gemeint ist (Die TEO LT, AB Group ist der größte Anbieter von Festnetztelefonie und Internet-Diensten in Litauen).
Weitere korrekte Zitate derselben Information:
- Finanztreff.de
- Westdeutsche Allgemeine Zeitung
- InfoSat

Also: Man hätte es wissen können! (es liegt in diesem Fall nicht an Litauens Image in Deutschland, oder?).
Bei DIGITAL FERNSEHEN war wohl ein Hobby-Literat am Werk, der sich mit dem Dazu-Dichten ein klein wenig verhauen hat ...

11 Februar 2007

Zuokas blogt, Paksas lauert, Uspaskich schmollt - Litauen wählt

Litauen im Wahlkampf. Aber im Gegensatz zu den Nachbarländern Estland oder Lettland erzeugt offensichtlich ein litauischer Kommunalwahlkampf keinerlei internationale Schlagzeilen.
Ausnahmen stellen nur durch andere Ereignisse bereits bekannte Personen dar: Zuokas, Paksas und Uspaskich.

Viktor Uspaskich (lit: Viktoras Uspaskichas) war Vorsitzender des litauischen Unternehmerverbands gewesen, und wurde durch verschiedene ökonomisch erfolgreiche Firmen von seinem Heimatort Kedainiai unter anderem als "Gurkenkönig" bekannt (dort holte er 64% der Stimmen).
Er gründete 2003 die "Darbo Partija" (Arbeitspartei) als Abspaltung von den litauischen Sozialliberalen, die bei den Parlamentswahlen 2004 28,4% erreichte. Neun Monate war er bis Juni 2005 als Wirtschaftsminister im Amt, bis er wegen zahlreicher Merkwürdigkeiten (u.a. Fälschung eines Teils seiner Zeugnisse) zurücktreten musste.
Inzwischen steht auch die Arbeitspartei in der Kritik, vor allem wegen Unklarheiten in den Parteifinanzen. Uspaskich selbst setzte sich nach Russland ab und verkündete von dort, eine Rückkehr käme nicht in Frage, da er den litauischen Behörden nicht trauen könne. Viktor Uspaskich - "der lebende Beweis für den Erfolg unseriöser Wahlversprechen" (Tagesspiegel, 2004). Auch zu den Kommunalwahlen am 25.Februar 2007 hat sich Uspaskich wieder als Kandidat der Arbeitspartei regierstrieren lassen (Baltic Times). Seine Immunität ist gerichtlich inzwischen aufgehoben worden - er könnte also verhaftet werden, wenn er sich in Litauen aufhält. Stoff genug für neue Schlagzeilen?

Und dann ist da auch noch Rolandas Paksas. Ehemals Bürgermeister von Vilnius, Ministerpräsident, als litauischer Präsident per Parlamentsvotum 2004 abgesetzt, aber mit eigener Partei und beständiger Anhängerschaft weiterhin aktiv. Als Präsident brachte ihn ungeklärte Beziehungen zu zweifelhaften Günstlingen und Sponsoren zu Fall, aber sein liebstes Hobby charakterisiert ihn vielleicht ausreichend: als Pilot und Kunstflieger hat er ebenfalls genug Aufsehen erregt. Auf Fanseiten im Internet sind immer noch die präsidentialen Aktivitäten Paksas' gesammelt, genauso wie poltische Ziele, Fotos von öffentlichen Auftritten, sowie Werbespots. Seine Partei, die Liberaldemokraten (LDP) wirbt mit Kunstfliegern als Symbolen - Identifikation pur? Paksas wird nicht müde anzukündigen, dass er noch einmal Bürgermeister von Vilnius werden möchte. Die Anklagen auf Verrat von Staatsgeheimnissen focht er teilweise erfolgreich an. Vielleicht wird er auch noch einmal Präsident, wer weiß?

Und schließlich ist da noch Arturas Zuokas, amtierender Bürgermeister von Vilnius. Nach starkem Absinken seiner Popularität - so schildern es jedenfalls verschiedene litauische Quellen - scheint er nun vor allem durch seinen persönlichen Web-Blog Aufsehen zu erregen. Angeblich wird in Litauen derzeit in jeder zweiten Polit-Sendung in den Medien der Zuokas-Blog zitiert (politik digital). Blog-Motto von Zuokas: "Ein Mann, der keine Fehler macht, macht nicht unbedingt überhaupt etwas." Mal sehen, ob die Image-Reparatur funktioniert. Die Aussichten auf repräsentative Funktionen in Vilnius sind vielversprechend: nicht nur, dass die litauische Hauptstadt 2009 Kulturhauptstadt Europas sein wird - mindestens genauso hoch angesiedelte Feiertage werden es 2011 sein, wenn die Stadt Austragungsort der Basketball-Europameisterschaften sein wird.

Also: Kommunalwahlen am 25.1.2007 scheinen da eine sehr kleine Hürde zu sein. Ob es aber überhaupt das Interesse des Wahlvolks bewegt?
Umstritten ist inzwischen offensichtlich die Frage, ob zu Kommunalwahlen weiterhin nur solche Kandidatinnen und Kandidaten antreten können, die auf Parteilisten registriert werden.
Pressemeldungen zufolge überprüft das litauische Verfassungsgericht inzwischen diese Bestimmung.

19 Januar 2007

Schweinchenparade zu Weihnachten

Interessante Eindrücke aus Litauen sind in einem Bericht der "Allgemeinen Zeitung" in Bad Kreuznach nachzulesen. Karen Schewina (die auch das Foto unten gemacht hat) kommentierte für die heimatliche deutsche Lokalpresse litauische Weihnachts- und Neujahrsbräuche.Einen Weihnachtsmarkt haben die deutschen Augen dabei beim Besuch in Kaunas vergeblich gesucht, selber Plätzchen zu backen kam ihren litauischen Gastgebern eher erstaunlich vor - dafür aber wurden Verkaufsstände mit deutschem Glühwein gefunden, und die Dominanz englischer Weihnachtsmusik im litauischen Radio bemerkt.

"Weihnachten ist in Litauen ein wenig wie Karneval", erzählt Karen Schewina. Die 19-jährige Deutsche absolviert ein
Praktikum im Rahmen
des Europäischen Freiwilligendienst, kurz EFD. Ihre litauischen Arbeitskollegen haben sie offensichtlich mit dieser Verkleidung, als gemeinsamer Auftritt mit dem Weihnachtsmann, überrascht. Aber auch die Anmerkungen zu Essen und Trinken in Litauen geben vielleicht den einen oder anderen Hinweis an interessierte Deutsche, was sie in Litauen erwarten könnte. Kümmel im Brot, einheimische Milchprodukte, viel Rote Beete und "alles, was sich anbauen läßt" (Kartoffeln, Kohl, Karotten). Natürlich Cepeliniai ("Zeppelini"), die manchmal "wie ein Stein im Magen liegen" - aber Kartoffelklößchen mit Quarkfüllung oder Mayonaise zur Pizza, das waren offensichtlich eher die außergewöhnlichen kulinarischen Besonderheiten. Egal. ob abschreckend oder zum Nachmachen motivierend - es wird noch eine ganze Reihe solcher Berichte brauchen, um das gemeinsame Verständnis zwischen Litauern und Deutschen zu fördern.