19 April 2007

Weiches Herz oder faule Haut

Nothlfe leisten, oder kaufen und genießen - so stark die sozialen Verhältnisse in Litauen auseinandergehen, so stark unterscheidet sich auch das Verhältnis vieler Deutscher zum Litauen von heute. Berichte aus vielen Einzelregionen Deutschlands bezeugen, dass vor allen Dingen auf dem Lande die Not sozialer Einrichtungen, sozial benachteiligter Gruppen, oder ganz einfach alter und kranker Menschen nach wie vor sehr groß ist. Lastwagenweise werden Spenden gesammelt, und diejenigen, die aus Deutschland zu ihren Projektpartnern in Litauen fahren, können auch eindrucksvoll erzählen, wie sehr die Hilfe bei den Empfängern in Litauen gebraucht wird. Auf der anderen Seite versucht Litauen sich als Urlaubsland attraktiv zu machen, und hier dominieren Argumente, die teilweise aus einer ganz anderen Welt zu kommen scheinen.

"In Litauen wird ihre Reisekasse wenig beansprucht," so meldete am 18.4.07 der Bundesverband deutscher Banken. Eine anschauliche Tabelle vereinfacht die vergleichenden Untersuchungen der Banken zur Kaufkraft des Euro in verschiedenen europäischen Ländern: während Deutsche in Großbritannien, Dänemark, Frankreich oder der Schweiz vergleichsweise wenig für den Euro erhalten können, ist die Kaufkraft in Polen und Litauen am höchsten. "Also nichts wie auf nach Litauen!" So könnte es da doch heißen. Doch besteht das südliche der baltischen Länder nun mal nicht nur aus der Kurischen Nehrung und der kommenden Kulturhauptstadt Vilnius.
"Es gibt immer Schönes und Interessantes, aber auch Nachdenkliches und Trauriges zu berichten, wenn ich nach Litauen fahre." So sieht es Ulla Amsler, Vorsitzende des Freundschaftsvereins "Hilfe für Plunge" in Menden (NRW). Die Mendener möchten ganz bewußt regionale Entwicklung unterstützten - Plunge liegt fern der litauischen Hauptstadt Vilnius, und die Kenntnisse vieler Deutscher über Litauen scheinen sich manchmal nur auf die Kurische Nehrung zu beschränken. Schließlich erreichen viele Touristen Vilnius per Flugzeug, während von der Hafenstadt Klaipeda aus der Weg zur Kurischen Nehrung kaum das übrige Litauen berührt.

So schwanken auch die Mendener zwischen der Begeisterung für die Herzlichkeit und Gastfreundschaft der Litauer, der sehenswerten Naturlandschaften, dem reichhaltigen Kulturleben - und der sozial sehr unausgewogenen Entwicklung im Partnerland. Aber es werden nicht nur Kleider gesammelt und gebrauchte Instrumente abgegeben: der Aufbau eines Kulturzentrums in Plunge wird aktiv unterstützt, und neue, medizinische Einrichtungen könnten ja auch für Deutsche nutzbar sein, meint Frau Amsler.
"Ich habe mir die medizinischen Angebote zum Beispiel in Reha-Kliniken in Palanga angesehen, die haben mir sehr gut gefallen," meint die engagierte Mendenerin, die Litauen gern auch als ihre "zweite Heimat" bezeichnet. "Das könnte doch auch für Deutsche, die eine Kur machen wollen, mal ein Tipp sein."
"Wir in Deutschland sind in der glücklichen Lage wirtschaftlich besser zu leben und können daher leichter materiell und finanziell unterstützen. - Die Litauer lassen uns an ihrer überaus reichen Musik und an ihrer sehr vielfältigen Kunst teilnehmen, am wichtigsten jedoch sind uns die vielen privaten Freundschaften."

Auch andere private Kontakte sind in den letzten Jahren zwischen Deutschland und Litauen entstanden. So berichtet Karen Schewina regelmäßig per eigenem Blog und Berichten in der örtlichen Tageszeitung ihrem Heimatort Bad Kreuznach von ihrem Litauen-Aufenthalt.
Rein auf den sozialen Hilfsgedanken konzentriert meldet auch die "Spargelstadt" Schrobenhausen (bei Augsburg) regelmäßige Kontakte durch die "Kinderhilfe Litauen". Ähnliches organisiert die Ökumenische Hilfe in Neunkirchen-Seelscheid (Bergisches Land) mit LKW-Ladungen voller Hilfmittel für Krankenhäuser, Altenheime und Kinderkliniken.
Auch Fläming und Havelland in Brandenburg unterstützen soziale Einrichtungen in Litauen, ebenso wie aus Aurich in Ostfriesland.
Diese zuletzt genannten Projekte beschränken sich in ihrer Öffentlichkeitsarbeit aber offensichtlich auf die Betonung der Hilfsbedürftigkeit ihrer Partner.

Aus Wolfenbüttel dagegen sind Erfahrungen aus einem Schüleraustausch zu vernehmen. "Die Schüler sind hier viel selbstbewußter," stellen litauische Gäste fest, die zur Vorbereitung der Reise offenbar von der Tatsache profitieren, dass deutsche Filme im litauischen Fernsehen im Original mit Untertiteln laufen. Vielleicht wird hier auf die sich natürlich entwickelnden Kontakte der jungen Generation gesetzt?
Auch das Gymnasium Münchberg in Franken pflegt einen regelmäßigen Schüleraustausch. "Wer hat Mut?" fragte dort Lehrer Gerhard Ströhla seine Schülerinnen und Schüler, und so knüpften 12 unternehmundslustige junge Leute im Jahr 2000 bereits die ersten Kontakte. "Von den Litauern haben wir Gastfreundschaft und Herzlichkeit gelernt," so Ströhla heute.

Vom persönlichen Kennenlernen zwischen einer Litauerin und einem Deutschen erzählt Laima Schrödel in der Frankenpost, und stellt gleichzeitig fest: "von der EU bekommt auch Litauen Geld für neue Projekte." Sie lobt vor allem den Straßenbau, ein Charakterzug, der bei vielen Litauern in Deutschland festzustellen ist.
Es bleibt zu hoffen, dass Kontakte zwischen beiden Ländern noch ein Stück normaler werden, und sich weder wegen sozialer Hilfe noch für sein Bedürfnis, im Sommer mal nur die schöne Landschaft zu genießen und auf der faulen Haut zu liegen in Zukunft jemand zu schämen braucht.

Presseberichte im Internet:
Pressemitteilung des Bundesverbandes Deutscher Banken
Verein "Hilfe für Plunge e.V."
Blog Karen Schewina "Im Osten was Neues"
Bericht Karen Schewina in der Allgemeinen Zeitung / Rhein-Main-Presse
Bericht DONAUKURIER zur Kinderhilfe Schrobenhausen
Bericht zur Hilfaktion in Neunkirchen-Seelscheid
Bericht der Märkischen Allgemeine zum Hilfstranport nach Litauen
Bericht der Ostfriesischen Nachrichten zu den von Aurich unterstützten Projekten
Bericht zum Schüleraustausch des Gymnasiums Wolfenbüttel
Bericht zum Schüleraustausch in Münchberg
Laima Schrödel: von Litauen nach Rehau

05 April 2007

Auswanderung aus Litauen

Die dunkle Seite der EU

"Wo bist du - in Paris, London ... oder auf den Plantagen Spaniens?"

So klingt es im Lied "Cafe Emigrant" gesungen von einer bunten Mischung von litauischen Schlagersängern.
Mag die Musik auch überkandidelt herzergreifend klingen, so trifft sie doch ein aktuelles Problem. Schätzungsweise 10-20 Prozent der litauischen Bevölkerung ist weg. Zahlen, die mit der Massen-Deportation der Litauer nach Sibirien im Zuge des Anschlusses an die Sowjetunion vergleichbar sind. Unklar, was in 50 Jahren über die EU in litauischen Geschichtsbüchern stehen wird. Aber dazu später mehr.
Innerhalb der europäischen Union sind die Grenzen zwar offen, da aber immer noch in den meisten Ländern Begrenzungen für Arbeitnehmer gibt, sind die meisten illegal.
"Der unsrigen sind so wenige übrig, hier im Herzen Litauens" - singen Nijole Narmontaite, Romas Dambrauskas, Edmondas Čivinskas und die Musikgruppe "Vairas". Wer im Sommer mit offenen Augen durch die Dörfer im Hinterland fährt, der sieht Alte, Kinder, vielleicht ein paar Betrunkene.
In London hingegen werden litauisch sprachige Grundschullehrer gesucht.

Die jungen, die ein bisschen Grips in der Birne haben, sind weg. Und so sieht die übliche litauische Schwarz-Weiß-Malerei aus: Die noch übrig sind, sind entweder in Beziehungsgeflechten etabliert oder schlicht und einfach zu blöd.
Und so ist es schon bemerkenswert, dass auf einer Veranstaltung zu Ehren der Punk-Rock Gruppe "Greenday", die Organisatoren allen ernstes dafür dankten, dass sie noch da sein. "Auch in Litauen kann man etwas machen".

Gefährlichere Tendenzen

"Verlust der litauischen Sprache und Kultur" heißt die wieder hoch kochende Angst auf der anderen Seite. Hatte "Multikulti" in Deutschland lange Zeit viele Fürsprecher, ist das in Litauen anders. An dieser Stelle würde der deutsche Nazi-Begriff der "Überfremdung" sehr gut passen. So sehe mehr sich täglich die Zahl der jungen Litauer mit Bomberjacken und Litauenflagge am Arm, die vor einigen Jahren noch völlige Exoten waren. Und in den Straßen tauchen Plakate mit der Aufschrift "Alle, die anders sind, sind unnütz" auf (was man inhaltlich am besten mit "Fremde sind hier nicht erwünscht" übersetzt). Verunglimpft werden Juden, Schwarze und Asiaten (letztere werden als Heuschrecken dargestellt). Zum Semesteranfang verteilte die "Litauische Nationale Front" an Studenten kostenlose Stundenpläne in einer Auflage von mehreren Hunderttausenden.

Geht die braune Saat auf?
Das sind die Zeichen. Die Diskussion um die "Zwei Litauen" - um die Gewinner und Verlierer des Wandels, vor allem um Dorf und Stadt - ist schon einige Jahre alt. Der Fall Rolandas Paksas, der als Präsident von Parlament und Verfassungsgericht abgesetzt wurde, um dieses Jahr als strahlender Sieger der Kommunalwahl zurück zu kehren, gehört dazu. Es ist die Entfernung zwischen den Regierenden, "der Macht" wie man in Litauen sagt, und den einfachen Menschen. Denen man das Gefühl gibt, Verlierer zu sein. Die Sündenböcke suchen.
Und leider muss man sagen, dass des soganannte "Brain drain" - der Abfluss von Hirnmasse - spürbar ist.
Trotz dieser litauisch gefärbten Schwarzmalerei die positive Nachricht: Was dabei herauskommt ist unklar. Genau so blüht die alternative Szene, mit bunten Punks und schwarzen "Grufties". Hinzu kommt, dass die Jugend des 21. Jahrhunderts weitgehend ideologiefrei und und undogmatisch ist. Wie schwach oder wie stark die Selbstheilungskräfte der jungen litauischen Zivilgesellschaft, wird sich zeigen müssen.
Auch was mir dieser Angst des Verlustes der "eigenen" Kultur in Europa - und vor allem in Mittel und Osteuropa - noch passieren wird. "Leitkultur, Islamo-Faschismus, No-Go-Areas" sind die Schlagwörter, die in Deutschland dazu benutzt werden. Zeit, mal ernsthaft darüber nachzudenken, was hier passsiert.

Links
Lied "Cafe Emigrant" hören
online oder als download (mp3) auf der russischsprachigen Seite zaycev.net
SKA RASTA FUNK PUNK Scene Vilnius
(auch "Antifa")
"Litauische Nationale Front"

03 April 2007

Litauens ewige Europameisterin

Litauen hat wieder eine neue Europameisterin. Rūta Paškauskienė heißt sie, und sie wird ihren Titel voraussichtlich nicht einmal wieder abgeben müssen.

Ruta Paskauskiene (geb. Garkauskaite) spielt Tischtennis, und sicherte sich zusammen mit dem Serben Karasevic bereits zum dritten Mal (nach 2000 und 2005) den Europameister-Titel im Mixed - einer Disziplin, die voraussichtlich bei den zukünftigen Meisterschaften - mangels Teilnahmeinteresse der Sportler, so heißt es - nicht wieder ausgetragen werden wird.

Im Finale wurde das russische Paar Fedor Kuzmin/Oxana Fadejewa 4:0 geschlagen.

Damit bleibt Paškauskienė auch weiterhin Litauens beste Tischtennisspielerin (Weltranglistenplatz 105).

30 März 2007

Litauer am Arbeitsplatz stark belastet

Belastungen am Arbeitsplatz, und deren Verhältnis zu Familie und Privatleben, das war Thema einer kürzlichen Untersuchung von TNS Infratest, einer Firma mit deutschem Sitz in Bielefeld und Partnern auch in Litauen.
Im Dezember 2006 wurden 26.800 Bürgerinnen und Bürger in 25 EU-Mitgliedsstaaten befragt. Zur Wahl gestellt wurden folgende Aussagen:

1) Meine Arbeit ist zu anstrengend und belastend

2) Ich arbeite unter gefährlichen und ungesunden Bedingungen

3) Meine Arbeit ermöglicht ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Beruf, Familie und Privatleben

Gut, wie üblich bei Umfragen wäre einzuwenden, warum nur so krass unterschiedliche Alternativen zur Auswahl stehen. Schließlich gibt es häufig Probleme im Beruf, mit denen man dann aber fertig zu werden gelernt hat. Und auch das Verhältnis zwischen Aufgaben und Entlohnung wird hier leider nicht weiter beleuchtet.
Jedenfalls stellt sich bei den Antworten, nach Ländern geordnet, Litauen als Spitzenreiter heraus. 71% der befragten Litauer bezeichnen ihr Arbeitsverhältnis als anstrengend und belastend. Es folgen Griechen und Rumänen mit 70%.
Auf der anderen Seite sind es nur 24% der Niederländer und 25% der Finnen, die sich von ihrer Arbeit belastet fühlen. Im EU-Durchschitt sind es 41%.

Link: Eurobarometer - Untersuchungen zur öffentlichen Meinung in den EU-Mitgliedsstaaten

11 März 2007

Zweifel an öffentlichen Ausschreibungen

Zweifel an den Durchführungsmodalitäten öffentlicher Auftragsvergaben in Litauen äusserte jetzt die Schweizerisch-Baltische Handelskammer SBCC (Pressemitteilung vom 7.3.07). Eine neue Untersuchung auf der Grundlage von 100 untersuchten litauischen Firmen habe gezeigt, so die SBCC, dass öffentliche Ausschreibungen häufig zu Gunsten von bestimmten Firmen gemacht werden, "zu deren Gunsten jemand die Fäden ziehe". So stünden Gewinner von Ausschreibungen von vornherein fest.

Das sind sicher schwerwiegende Vorwürfe, denn gerade die SBCC setzt sich ja für vermehrte Geschäftskontakte mit Litauen ein. Die gemeinsam mit der litauischen "Interaktyvios Verslo Sistemos" und dem litauischen Büro von "Transparency International" durchgeführte Untersuchung besagt, dass 16% der befragten Firmen davon ausgehen, Zuschläge in öffentlichen Ausschreibungen stünden bereits vorher fest. Weitere 40% halten dies für wahrscheinlich. Weitere Erkenntnisse aus der Firmenbefragung sagen aus, dass 39% erklären, für eine Beteiligung an Ausschreibungen über zu wenig Informationen zu verfügen.



27 Februar 2007

Wundersame Rückkehr. Ehemaliger Präsident nächster Bürgermeister von Vilnius?

Es ist nicht zu fassen: er war Bürgermeister von Vilnius (für die Liberale Partei). Er war zwei Mal Premierminister (ein Mal für die Konservativen, ein Mal für die Liberalen). Er war sogar Präsident der Republik Litauen - bevor ihm als erster Präsident der demokratischen Welt das Amt entzogen wurde. Überhaupt war sein Abgang in keinem der Fälle ehrenvoll... Aber egal: Er ist wieder da!

Rolandas Paksas, Beruf: Pilot.

So heißt der Gewinner der Wahl um die litauische Hauptstadt. "Litauen braucht heute am meisten Ordnung und Gerechtigkeit. Wählen Sie deshalb meine Partei 'Ordnung und Gerechtigkeit' (Liberaldemokraten)" So klang es mit der monoton-markigen Stimme die vergangenen Tage im Radio.
Und wie oft sie ihn auch niederschlugen: Er steht immer wieder auf.
An seiner Seite stehen die Rentner. Sie glauben fest an die Verschwörung der "korrumpierten Eliten" gegen ihren Präsidenten. An dieser Stelle muss man nur kurz daran erinnern, dass er "als Gefährdung der nationalen Sicherheit" vom Parlament aus dem Präsidentenamt entfernt wurde, da sein Wahlkampf im Wesentlichen von einem russischen Waffenhändler finanziert wurde...

Und natürlich ist diese Wahl alles andere als ein Lob der Demokratie:
Schon ihm vorneherein gab es mehrere Fälle von Stimmenkauf. Nach Aussagen der Staatlichen Wahlkommission wird die Wahl vielleicht in einigen Landkreisen auch für ungültig erklärt.
Überhaupt lag die Wahlbeteiligung bei unter 40 Prozent (in Vilnius 42,9%)

Die meisten Wahlaussagen hätten eher karnevalistischen Wert, wenn sie nicht ernst gemeint gewesen wären:
Während Noch-Amtsinhaber Arturas Zuokas die Idee einer Straßenbahn sowie kostenloser "Orangener Fahrräder" wieder hervorzog, forderten die Christdemokraten gleich eine U-Bahn ("nur der Wind ist schneller").
Die postkommunistischen Sozialdemokraten täumten von einer "Übername Vilnius" wie einst 1940 (als die Litauer es nach der Zerschlagung Polens durch die Nazis wiederbekamen).

Überhaupt ging es im Wesentlichen um ein Wer-GEGEN-wen: Alle gegen Zuokas, der sich in Korruptionsvorwürfe nicht nur verstrickt hatte, sondern sogar rechtskräftig verurteilt wurde. Und in Vilnius mischten neben Zuokas und Paksas noch Vizebürgermeister Masiulis (Konservative) und Petras Austrevicius mit, letzteret ehemals litauischer Chefunterhändler für den EU-Beitritt und jetzt mit einer neuen liberalen Partei.

Nun geht es um ein wer-MIT-wem: Auch der strahlene Sieger Paksas kommt in Vilnius auf gerade einmal 25 Prozent, gefolgt von der Vaterlandsunion/Litauens Konservative (rund 20 Prozent)
Schon kündigten Konservative, Liberale, Sozialdemokraten, Republikaner-Liberale, Liberademokraten und Liberalcentristen für verschiedene Koalitionen Verhandlungen an.

Und noch zwei Dinge gibt es zu bemerken:
Erstens: Landesweit die größten und einzigen stabilen Parteien sind die Konservativen (Vaterlandsunion), der Nachfolger der Litauischen Unabhängigkeitsbewegung Sajudis, die die meisten Stimmen auf sich vereinen sowie die Postkommunisten, die jetzt "Litauische Sozialdemokratische Partei" heißen, die insgesamt die meisten Mandate gewonnen haben.
Zweitens: In vielen Orten sitzen lokale "Fürsten" fest im Sattel. Deren Parteibuch ist egal, und so entsteht ein sehr bunter Flickenteppich.

Quellen:
Staatliche Wahlkommission
Internetnachrichten DELFI.LT
Litauisches Radio und Litauisches Fernsehen

22 Februar 2007

Litauen digital vorn - oder wo?

Über Litauen ist nicht gerade viel in Deutschland bekannt. Man könnte die Frage stellen: welches der drei Länder (Estland, Lettland, Litauen) wird noch immer am häufigsten mit einem der anderen verwechselt?

Sagen wir mal, es steht 1 : 0 für Litauen (oder gegen Litauen)? DIGITAL FERNSEHEN stellte am 21.2.07 einen so genialen Beitrag ins Internet, der sollte als Modellbeispiel fachidiotischer Schnellschreiberei in die Archive eingehen.

Satz für Satz ein Genuß.

Die Überschrift: "Litauen startet DVB-T und IPTV"
das klingt ja schon mal vielversprechend.

Doch dann, Satz 2: "Riga, Litauen -Nun gibt es auch in Litauen digitales Fernsehen via Antenne und Breitbandinternet. Eine entsprechende Vereinbarung traf der Rigaer Telekommunikationskonzern TEO mit Scientific Atlanta."
Riga in Litauen? Oder ist von Lettland die Rede? Wir müssen den Beitrag zu Ende lesen - und werden leider nicht schlauer:

"TEO, der landesweit größte Anbieter von Festnetztelefonie und DSL, greift dazu auf das digitale Headend des Content-Providers zurück. Zunächst umfasst das Programmangebot 20 Sender, die in MPEG-2 komprimiert werden. Technisch ist aber auch MPEG-4 möglich. TEO gab zudem den Ausbau seines WiFi-Netzes auf 20 000 Hotspots im Jahr 2009 bekannt. Grund sei die rapide gestiegene mobile Internetnutzung in dem baltischen EU-Mitgliedsstaat. Allein im Januar 2007 habe es 130 000 Hotspot-Zugriffe gegeben, während es im Januar 2006 nur 9 000 gewesen seien. Vorteile soll es für TEO-Festnetzkunden geben, die bei der Benutzung eines 'Zebra'-Hotspots nur 9,99 Litas, also zirka 2,90 Euro pro Monat zahlen sollen."
Viel Fachchinesisch, das uns nichts über Zusammenhänge sagt. Kein Link angegeben, keine Quelle, kein Bezug. Aber Litas? Also doch eher Litauen?

Da hilft nur ein Hinüberwechseln zu Google. Und siehe da, die Autoren hätten es besser wissen können: beim Manager Magazin (Spiegel online) steht ein Beitrag zum selben Thema in aller Ausführlichkeit. Wer bis hierhin vorgedrungen ist, lernt, dass tatsächlich Litauen gemeint ist (Die TEO LT, AB Group ist der größte Anbieter von Festnetztelefonie und Internet-Diensten in Litauen).
Weitere korrekte Zitate derselben Information:
- Finanztreff.de
- Westdeutsche Allgemeine Zeitung
- InfoSat

Also: Man hätte es wissen können! (es liegt in diesem Fall nicht an Litauens Image in Deutschland, oder?).
Bei DIGITAL FERNSEHEN war wohl ein Hobby-Literat am Werk, der sich mit dem Dazu-Dichten ein klein wenig verhauen hat ...

11 Februar 2007

Zuokas blogt, Paksas lauert, Uspaskich schmollt - Litauen wählt

Litauen im Wahlkampf. Aber im Gegensatz zu den Nachbarländern Estland oder Lettland erzeugt offensichtlich ein litauischer Kommunalwahlkampf keinerlei internationale Schlagzeilen.
Ausnahmen stellen nur durch andere Ereignisse bereits bekannte Personen dar: Zuokas, Paksas und Uspaskich.

Viktor Uspaskich (lit: Viktoras Uspaskichas) war Vorsitzender des litauischen Unternehmerverbands gewesen, und wurde durch verschiedene ökonomisch erfolgreiche Firmen von seinem Heimatort Kedainiai unter anderem als "Gurkenkönig" bekannt (dort holte er 64% der Stimmen).
Er gründete 2003 die "Darbo Partija" (Arbeitspartei) als Abspaltung von den litauischen Sozialliberalen, die bei den Parlamentswahlen 2004 28,4% erreichte. Neun Monate war er bis Juni 2005 als Wirtschaftsminister im Amt, bis er wegen zahlreicher Merkwürdigkeiten (u.a. Fälschung eines Teils seiner Zeugnisse) zurücktreten musste.
Inzwischen steht auch die Arbeitspartei in der Kritik, vor allem wegen Unklarheiten in den Parteifinanzen. Uspaskich selbst setzte sich nach Russland ab und verkündete von dort, eine Rückkehr käme nicht in Frage, da er den litauischen Behörden nicht trauen könne. Viktor Uspaskich - "der lebende Beweis für den Erfolg unseriöser Wahlversprechen" (Tagesspiegel, 2004). Auch zu den Kommunalwahlen am 25.Februar 2007 hat sich Uspaskich wieder als Kandidat der Arbeitspartei regierstrieren lassen (Baltic Times). Seine Immunität ist gerichtlich inzwischen aufgehoben worden - er könnte also verhaftet werden, wenn er sich in Litauen aufhält. Stoff genug für neue Schlagzeilen?

Und dann ist da auch noch Rolandas Paksas. Ehemals Bürgermeister von Vilnius, Ministerpräsident, als litauischer Präsident per Parlamentsvotum 2004 abgesetzt, aber mit eigener Partei und beständiger Anhängerschaft weiterhin aktiv. Als Präsident brachte ihn ungeklärte Beziehungen zu zweifelhaften Günstlingen und Sponsoren zu Fall, aber sein liebstes Hobby charakterisiert ihn vielleicht ausreichend: als Pilot und Kunstflieger hat er ebenfalls genug Aufsehen erregt. Auf Fanseiten im Internet sind immer noch die präsidentialen Aktivitäten Paksas' gesammelt, genauso wie poltische Ziele, Fotos von öffentlichen Auftritten, sowie Werbespots. Seine Partei, die Liberaldemokraten (LDP) wirbt mit Kunstfliegern als Symbolen - Identifikation pur? Paksas wird nicht müde anzukündigen, dass er noch einmal Bürgermeister von Vilnius werden möchte. Die Anklagen auf Verrat von Staatsgeheimnissen focht er teilweise erfolgreich an. Vielleicht wird er auch noch einmal Präsident, wer weiß?

Und schließlich ist da noch Arturas Zuokas, amtierender Bürgermeister von Vilnius. Nach starkem Absinken seiner Popularität - so schildern es jedenfalls verschiedene litauische Quellen - scheint er nun vor allem durch seinen persönlichen Web-Blog Aufsehen zu erregen. Angeblich wird in Litauen derzeit in jeder zweiten Polit-Sendung in den Medien der Zuokas-Blog zitiert (politik digital). Blog-Motto von Zuokas: "Ein Mann, der keine Fehler macht, macht nicht unbedingt überhaupt etwas." Mal sehen, ob die Image-Reparatur funktioniert. Die Aussichten auf repräsentative Funktionen in Vilnius sind vielversprechend: nicht nur, dass die litauische Hauptstadt 2009 Kulturhauptstadt Europas sein wird - mindestens genauso hoch angesiedelte Feiertage werden es 2011 sein, wenn die Stadt Austragungsort der Basketball-Europameisterschaften sein wird.

Also: Kommunalwahlen am 25.1.2007 scheinen da eine sehr kleine Hürde zu sein. Ob es aber überhaupt das Interesse des Wahlvolks bewegt?
Umstritten ist inzwischen offensichtlich die Frage, ob zu Kommunalwahlen weiterhin nur solche Kandidatinnen und Kandidaten antreten können, die auf Parteilisten registriert werden.
Pressemeldungen zufolge überprüft das litauische Verfassungsgericht inzwischen diese Bestimmung.

19 Januar 2007

Schweinchenparade zu Weihnachten

Interessante Eindrücke aus Litauen sind in einem Bericht der "Allgemeinen Zeitung" in Bad Kreuznach nachzulesen. Karen Schewina (die auch das Foto unten gemacht hat) kommentierte für die heimatliche deutsche Lokalpresse litauische Weihnachts- und Neujahrsbräuche.Einen Weihnachtsmarkt haben die deutschen Augen dabei beim Besuch in Kaunas vergeblich gesucht, selber Plätzchen zu backen kam ihren litauischen Gastgebern eher erstaunlich vor - dafür aber wurden Verkaufsstände mit deutschem Glühwein gefunden, und die Dominanz englischer Weihnachtsmusik im litauischen Radio bemerkt.

"Weihnachten ist in Litauen ein wenig wie Karneval", erzählt Karen Schewina. Die 19-jährige Deutsche absolviert ein
Praktikum im Rahmen
des Europäischen Freiwilligendienst, kurz EFD. Ihre litauischen Arbeitskollegen haben sie offensichtlich mit dieser Verkleidung, als gemeinsamer Auftritt mit dem Weihnachtsmann, überrascht. Aber auch die Anmerkungen zu Essen und Trinken in Litauen geben vielleicht den einen oder anderen Hinweis an interessierte Deutsche, was sie in Litauen erwarten könnte. Kümmel im Brot, einheimische Milchprodukte, viel Rote Beete und "alles, was sich anbauen läßt" (Kartoffeln, Kohl, Karotten). Natürlich Cepeliniai ("Zeppelini"), die manchmal "wie ein Stein im Magen liegen" - aber Kartoffelklößchen mit Quarkfüllung oder Mayonaise zur Pizza, das waren offensichtlich eher die außergewöhnlichen kulinarischen Besonderheiten. Egal. ob abschreckend oder zum Nachmachen motivierend - es wird noch eine ganze Reihe solcher Berichte brauchen, um das gemeinsame Verständnis zwischen Litauern und Deutschen zu fördern.

08 Januar 2007

Europäische Kulturerziehung - auf Litauisch

Vilnius unternimmt derzeit vieles, um die eigenen Einwohner an den Status einer europäischen Kulturhauptstadt zu erinnern. Schließlich möchten sich die Litauer weltoffen und kulturfreundlich geben, und dazu wird wohl auch Akzeptanz für die sehr verschiedenen Arten kultureller Tätigkeiten benötigt. Kultur war und ist längst Alltag im Leben von Litauern - aber nun wird sie auch Teil von Werbekampagnen, Plakatserien, und bald wohl auch Konsumoffensiven.

Vorerst stellt sich Vilnius den Besuchern noch als Stadt mit vielen Brüchen und Verwerfungen dar. Das wird besonders deutlich in Šnipiškės, dem Stadtteil der alten privaten Holzwohnhäuser, und dem Baugrund für hochfliegende Geschäftsideen. Hier trifft noch mancher Lebensentwurf direkt aufeinander.

Nur wenige Schritte von den Hauseingängen der Menschen entfernt, die hier noch wohnen (und wohnen bleiben wollen?), hat im neuen Gebäude der Stadtverwaltung Vilnius die Stadtplanungsbehörde einer Kindergruppe Platz gelassen für eine Zukunftsvision. Allerdings: Das hier aufgestellte Modell wirkt eher so, als ob die zuständigen Betreuer die Gebäude vorgegeben haben, und ein paar ausgesuchte Kinder durften dann das Ganze ein wenig bunt anmalen. Gewagte Fantasien sind hier nicht zu finden - weder ein McDonalds, der die Stadt beherrscht (manche Kulturkritiker mögen diese Vision ja haben), noch Stadtviertel in traditioneller litauischer Volkssymbolik (eine nationalistische Vision?).

Vielleicht waren die Städtväter (oder -mütter) ja auch nicht wirklich davon überzeugt, dass Vilnius einfach so ins gesamteuropäische Bildungsideal passt. Wer ein Stück Klaviermusik hört, und anschließend entscheidet: "das kann nur Čiurlionis sein," oder wer einen Vytis aus dem Gedächtnis malen kann (na, liebe Europäer, was ist das?) - der muss sich noch nicht automatisch als Kultur- hochburg-geeignet qualifiziert haben.
Also, was tun?

Eine Aufklärungs- Kampagne muss her!
So wird also langsam aber sicher zunächst einmal das Stichwort "Kulturhauptstadt 2009" ins Stadtbild eingebracht. Zunächst einmal da, wo die staatlichen Institutionen uneingeschränkten Zugriff haben: bei den öffentlichen Einrichtungen. Nun fahren also alle neueren Busse mit einem entsprechenden Logo durch die Stadt, und am Straßenrand machen Plakatserien auf sich aufmerksam, die durchaus dopptelten Lerncharakter haben. Weltweit bekannte Kulturgrößen in litauischer Schreibweise: Bitte hängen lassen bis 2009, liebes Organisationskommittee!




09 Dezember 2006

Verbessern was gut ist

Wie kann die deutsch-litauische Zusammenarbeit wieder verbessert werden? Die über 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer von den Botschaften beider Länder und dem litauischen Außenministerium unterstützten Konferenz am 4.Dezember 2006 in Vilnius gingen vorsichtig miteinander um. "Litauen und Deutschland - neue alte Nachbarn" hieß das Motto. Eingeladen waren neben verschiedenen offiziellen Funktionsträgern der deutschen und litauischen Diplomatie auch Unternehmer, Vertreter von Stiftungen und Kultureinrichtungen, Wissenschaftler und in Partnerschaftsprojekten engagierte Bügerinnen und Bürger beider Länder.

Veranstalter war das "Litauisch-Deutsche Forum", dessen Gründung auf eine Anregung der Präsidenten beider Länder, Adamkus und Köhler, zurückgeht. Im September hatte sich der deutsche Zweig der neuen Organisation im Rahmen einer Veranstaltung in Berlin vorgestellt.

Unterschiedliche Erwartungen?
Zeit genug blieb diesmal, Erwartungen und Wünsche auf litauischer Seite an eine Zusammenarbeit mit Deutschland zu hören. Allzu selbstverständlich ist dieses geg
enseitige Zuhören nicht: die meisten Litauer verbinden mit Deutschand nicht viel mehr als ein paar Schlagworte wie Schiller & Goethe, Helmut Kohl und Michael Schumacher, so stellten zur Konferenz vorgelegte Umfrageergebnisse fest. Es sei auch gar nicht so einfach gewesen, überhaupt genug geeignete Simultanübersetzer/innen für die Konferenz zu finden, so die Organisatoren.
Von litauischer Seite wurde deutlich, dass dort Aktivitäten eines "Litauisch-Deutschen Forums" vor allem als für die Unterstützung von staatlicher und politischer Seite geeignet ansieht. Da wirkte es nicht ganz glücklich, dass auf deutscher Seite zwei von drei Bundestagsabgeordneten ihre Teilnahme an der Konferenz kurzfristig absagten: Konferenzteilnehmer Gerd Höfer wurde so zum viel gefragten Gesprächspartner, da sein Kollege Henry Nitsche kurzfristig erkrankt war und Dr. Christel Happach-Kasan schlichtweg ihr Flugzeug verpaßt hatte.

Miteinander ins Gespräch kommen

Deutsche Teilnehmer waren - abgesehen vom Vorstand des in G
ründung befindlichen "Deutsch-Litauischen Forums" und abseits der eingeladenen Referent/innen - nur wenig vertreten. Dennoch galt es Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Verständnis aktueller Themen auszuloten, und das wurde in Form von drei Arbeitsgruppen versucht. Zumindest war es leicht möglich, einmal der litauischen Seite zuzuhören, wie die Erwartungen an eine Zusammenarbeit mit Deutschland aussehen.
Im Bereich Wirtschaft wurde klar, dass die zahlenmäßig starke Arbeitsemigration von Litauern ins Ausland im eigenen Land weiterhin stark diskutiert wird. Sind dies nur experimentierfreudige junge Leute, die nach einiger Zeit zurückkommen, oder muss Litauen mit einer längerfristigen Auswandererwelle rechnen? Im Vergleich sind litauische Löhne mit denjenigen anderer EU-Länder, die ihre Arbeitsmärkte für Arbeitnehmer aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten geöffnet, nicht konkurrenzfähig. Gleichzeitig steht spätestens mit einer erneuten Erweiterung der EU ein Zustrom von arbeitssuchenden Menschen aus Ländern wie Rumänien, Bulgarien oder der Ukraine bevor. Da ist es wohl schon als Fortschritt zu sehen, wenn deutsche Geschäftspartner solche Perpektiven in Litauen überhaupt wahrnehmen, und längerfristig ihre ökonomischen Strategien so aufbauen, dass auch der litauische Partner seine Stellung im eigenen Lande stärken kann.

Bunte Kulturprojekte
Hartmut Holzapfel, als Kultusminister 1994 Unterzeichner der hessisch-litauischen Vereinbarung zur Zusammenarbeit und heute Landtagsabgeordneter in Hessen, fasste als Berichterstatter aus dem Arbeitskreis Kultur verschiedene Ideen für die zukünftige Arbeit des Deutsch-Litauischen Forums zusammen. Eine der Perspektiven ist ja bereits allgemein bekannt: 2009 wird Vilnius Europäische Kulturhauptstadt sein. Also könnte eine der Zielsetzungen sein, Litauen und seine Hauptstadt auch in Deutschland bekannter zu machen. Aber auch Konferenzen von Studierenden, litauische Sonntagsschulen, und bildungspolitische Initiativen wurden als Themen für Aktivitäten benannt. Auch die Zukunft der Baltistik an deutschen Hochschulen wurde bereits diskutiert.

Zwischen Vilnius, Brüssel und Berlin
Politische Interessen offen zu diskutieren, fiel da deutlich schwerer. Von litauischer Seite wurden wiederholt große Erwartungen an die Große Koalition zwischen CDU und SPD formuliert, was offensichtlich vor allem auf einer Überschätzung der Machtposition einer konservativen Kanzlerin beruhte. Träume von einer neuen "konservativ-liberalen Bewegung" waren ja schon durch die Abwesenheit eines Teils der Bundestagsabgeordneten der entsprechenden deutschen Parteien konterkariert. Hoffnungen, dass Europa im Sinne Litauens auch einmal "mit einer Stimme sprechen" könne (und solle), richtete die litauische Seite vor allem auf den Bereich der Energiepolitik (im Sinne des litauischen Wunsches einer Wiederbelebung der Atomenergie).
Aber Andreas von Below (für die Adenauer-Stiftung) sowie Werner Jostmeier (für die CDU in NRW) machten deutlich, dass zum Thema eines EU-Beitritts der Türkei zumindest die CDU in Deutschland eine andere Position vertrete als die litauische Regierung.
Mehr Einigkeit bestand da schon in Fragen der Zusammenarbeit der Länder an der zukünftigen EU-Ostgrenze, und auch gegenüber dem litauischen Wunsch nach mehr Sensibilität für litauische Belange gegenüber Russland herrschte großes Verständnis.

Gründungsprozess abgeschlossen?
Mit dieser ersten gemeinsamen Veranstaltung des deutschen und litauischen Teils des Deutsch-Litauischen Forums könnte der Gründungsprozeß der neuen Vereinigung als fast abgeschlossen angesehen werden. Einzig die wirklich aktive Einbeziehung von Aktiven aus den vielen privaten deutsch-litauischen Projekten steht erst am Anfang. Auf litauischer Seite zeigten bisher eher Diplomaten, Beamte und Unternehmer Interesse an den litauisch-deutschen Kontakten, und auf deutscher Seite steht die erste Mitgliederversammlung erst noch bevor.

13 November 2006

Sportliche Studentin

Von einer engagierten Sportstudentin aus Litauen berichtete jetzt die "Allgemeine Zeitung" der Region Mainz. Rasa Sasnauskaite trainiert seit ein paar Monaten den sportlichen Nachwuchs der "Kasteler Ruder- und Kanugesellschaft". 10 Jahre nach Ende einer eigenen Laufbahn als Kanutin versucht sie jetzt Kinder und Jugendliche für diesen Sport zu begeistern.

Was die deutsche Regionalzeitung an der sportlichen Litauerin begeistert, ist aber offensichtlich deren Vielseitigkeit: Studentin der Sprachwissenschaft, Betriebswirtschaft und Informatik, spricht sie sieben Sprachen.
Interessant auch die zitierte Bemerkung, sie haben in 13 Jahren Deutschlandaufenhalt (anfangs als Au-pair-Mädchen) - abgesehen von der Ausländerbehörde - hier noch nie schlechte Erfahrungen gemacht.

Na dann: weiter so, und immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel!

Kontaktadresse Kanuabteilung Kastel hier.

09 November 2006

Einig beim Bier: Litauen, Deutschland, Lettland und Tschechien

Ganz genau beobachtet haben die (biertrinkenden?) und europafreundlichen Redakteure der WELT die Diskussionen der Finanzminister der Europäischen Union. "Heldenhaft" hätte sich dort die Fachminister aus Deutschland, Tschechien, Litauen und Lettland gemeinsam gegen eine Erhöhung der Biersteuer gewehrt, berichtet die WELT (und findet Widerhall in den FINANZNACHRICHTEN). "Da verschwinden Ländergrenzen", jubelt das Hamburger Nachrichtenblatt. Worum geht es? Kommen jetzt vielleicht Städtepartnerschaften zwischen Cesis, Warstein, Pilsen und Birzai? (Foto: DIE WELT)

Nein, die "Bierhauptstädte" der beteiligten Staaten werden den Finanzministern eventuell nicht einmal bekannt gewesen sein. Aber dem Druck der EU-Kommission, die Steuererhebungen in den EU-Ländern anzugleichen, konnte vorerst standgehalten werden. "Bier wird in Deutschland nicht als Alkohol, sondern als Nahrungsmittel angesehen", so soll Finanzminister Steinbrück argumentiert haben.

In Deutschland hätte sich der Bierpreis bei einer Steuerangleichung jedoch lediglich um einen Cent (in Zahlen = 1) pro halber Liter erhöht, wenn die Minister dem Vorschlag der EU-Kommission gefolgt wären. So aber kann nicht nur in Litauen und Deutschland in Ruhe weitergetrunken werden. Leider ist nicht überliefert, wieviel der bayrische Vorsitzende der CSU-Europagruppe, Markus Ferber, bereits getrunken hatte, als er den Vorgang wiefolgt kommentierte: "Die Vernunft hat die Oberhand behalten."

08 November 2006

Adamkus in Bern - auf dem richtigen Weg?

Der litauische Präsident Valdas Adamkus ist zu einem Besuch in der Schweizer Haupstadt Bern eintroffen. Positive Grundstimmung erzeugt dabei sicherlich dias weiter ansteigende Handelsvolumen zwischen der Schweiz und Litauen - Schweizer Medienberichten zufolge beliefen sich der Wert der Schweizer Warenausfuhren und Dienstleistungen nach Litauen auf 106,9 Millionen Franken, die Einfuhren auf 49,3 Millionen Franken. Die Bilanz ist also aus litauischer Sicht negativ - Grund genug, daran etwas verbessern zu wollen. Interessanterweise war in Bern auch die Energiepolitik Thema - allerdings ohne "heiße Eisen" wirklich öffentlich zu erwähnen. (Foto: Keystone)

Werbung um gegenseitiges Vertrauen
Adamkus ist gegenwärtig (Umfragen zufolge) der glaubwürdigste litauischer Politiker - so sehen es seine Landsleute. Wenn litauische Medien über den Besuch in der Schweiz berichten, werden sie das Wort "Kohäsionsfonds" übersetzen müssen.
Die Neue Züricher Zeitung (NZZ) erklärte es in einem Beitrag vom 8.11. ihren Leser/innen so: "„Osteuropa boomt, jedenfalls was die Wachstumszahlen angeht. Das durchschnittliche Wachstum in den neuen EU-Ländern zwischen 1996 und 2005 übertraf mit 4,4 Prozent bei weitem jenes der Schweiz von 1,5 Prozent.“ Aha, daher könnte also auch ein Kontakt mit Litauen interessant sein. Die meisten „Hilfegelder“ (EU-Anpassungshilfen, Strukturhilfen) haben ja seit dem EU-Beitritt Litauens 2004 eine ganz andere Grundvoraussetzung: sie liefen entweder aus, oder müssen neu konzeptioniert werden.

Am 26.November 2006 wird in der Schweiz abgestimmt. Die frühere „Osthilfe“ soll wieder aufgenommen werden – lesen wir noch einmal in der NZZ nach: „Das Gesetz ist Rechtsgrundlage für die klassische Osthilfe in den Staaten Südosteuropas und gewisser Länder der ehemaligen Sowjetunion, aber auch für Kohäsionsbeiträge zum Abbau der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten in der erweiterten EU. Für Letzteres sollen bezogen auf einen Zeitraum von fünf Jahren Beiträge im Umfang von insgesamt einer Milliarde Franken an die zehn neuen EU-Länder ausgerichtet werden. Die Auszahlung wird sich über zehn Jahre hinweg erstrecken. Diese sogenannte Kohäsionsmilliarde ist für die Gegner des Gesetzes der Stein des Anstosses.“Valdas Adamkus wird nun mit Worten des Lobes für die Schweizer „Großzügigkeit“ zitiert – nicht ohne die Nebenbemerkung, dass selbstverständlich auch bei einem Schweizer „nein“ bei der Volksabstimmung die Beziehungen beider Ländern unbeeinträchtigt blieben. Aber: für einen Einstieg des Nicht-EU-Mitglieds Schweiz in den litauischen Markt wäre es doch zumindest für die Geschäftswelt von großem Vorteil.


Wofür wird das Geld verwendet?
 

Schweizer Medien zitieren durchweg die Aussage des Schjweizer Bundespräsidenten Moritz Leuenberger, der die in Aussicht stehenden 71 Millionen SFr in Litauen zur technischen Nachbesserung litauischer Heizkraftwerke verwendet sehen will. Doch wird nicht Litauen selbst entscheiden, wofür das Geld verwendet wird?In Litauen steht energiepolitisch gegenwärtig ganz klar die Frage im Vordergrund, ob nach Schließung des technisch veralteten AKWs bei Ignalina erneut ein Atommeiler gebaut werden soll. Diese Schließung war einmal von der EU benannte Bedingung für den EU-Beitritt Litauens - und viele Millionen Euro flossen dafür aus Brüssel.
Erst kürzlich einigten sich aber die drei Präsidenten Adamkus (Litauen), Vike-Freiberga (Lettland) und Ilves (Estland) auf eine gemeinsame Erklärung, in der ein Bau eines neuen AKWs von allen drei Staaten befürwortet wird (siehe Berichte
Deutschlandradio, Baltic Times, u.a.). In Lettland stimmte in dieser Woche erstmals eine Grüne Partei in Europa einer Regierungserklärung zu, in der ebenfalls ein AKW-Neubau geplant wird (auch damit ist ein AKW in Litauen gemeint). Und was wird da ein litauischer Präsident in der Schweiz verhandeln wollen, wenn es um Energiepolitik geht?Greenpeace Schweiz sieht auch die Perspektiven Schweizerischer Energiepolitik für noch nicht gesichert an - die Entwicklung erneuerbarer Energien müsse ganz klar Vorrang haben, so Greenpeace. Vielleicht setzen die Schweizer aber auch eher auf Versprechungen der Internationalen Energieagentur IEA, die einen Ausbau der Atomkraft fordert - das gefiel der Schweizer Atomlobby gar nicht. Ein "Forum Energieperspektiven" in der Schweiz forderte kürzlich einen ganz klaren Vorrang für erneuerbare Energien für die Schweiz.
Soviel werden sich die Schweizer also noch überlegen müssen. "Osthilfe" ja, aber wofür? Und wird die Öffentlichkeit, wenn überhaupt informiert wird, tatsächlich über die Hintergründe der Wirtschaftsinteressen informiert, die eigentlich das Geschehen dominieren? Vielleicht werden ja längst Schweizer Bankgarantien für die litauischen strahlenden Bautvorhaben verhandelt?

 Presseberichte dazu:
Nachrichten.ch
Zentralschweiz online
Schweizer Fernsehen
Basler Zeitung
Der Bund
Swiss Txt

Kommentare der NZZ zur geplanten Schweizer "Osthilfe":
"Osthilfe ist eine gute Investition"
"Chancen im wachsenden Europa sichern"

02 November 2006

Leben aus der Portokasse?

Nachdem die großen Banken Westeuropas sich in den vergangenen Jahren, nach langem Zögern, Partner in den baltischen Staaten gesichert haben, wird inzwischen auch versucht, potentielle Kunden mit Informationen über diese Länder zu versorgen. Zudem gibt es ja auch Unternehmer, die sich im Rahmen von Privatisierungen oder Geschäftsteilhaben ein Standbein zum Beispiel in Litauen sichern. Auch die Österreichische Landesbank (OeNB) versorgt ihre Kunden inzwischen mit Zahlen und Fakten über Litauen und stellt fest: Litauen ist dasjenige EU-Mitgliedsland, in dem die Einwohner am wenigsten Spareinkommen zur privaten Verfügung haben.

Die Landesbank stellt in einer Presseerklärung vom 16.10.2006 gleichzeitig heraus, dass Österreich in einigen Ländern Osteuropas inzwischen sogar auf Platz 1 der Direktinvestitionen gelandet ist: in Bosnien, Kroatien, Bulgarien und Slowenien. In Litauen liegt Österreich auf dieser Liste auf Platz 9. Interessant sind auch die Angaben zur Rendite dieser Investitionen: hier liegen mit der höchsten Rendite die Investitionen in Ländern wie Irland und Island vorn. Estland folgt auf Platz 4, Litauen auf Platz 7, Lettland erst auf Platz 9. In der österreichischen Presse (Kurier, Neues Volksblatt, Networld.at, Salzburger Nachrichten) wird ein weiterer Ländervergleich der OeNB zur "verfügbaren Volksvermögen" zitiert. Für die Medien Österreichs scheinen dabei zwar andere Schlagzeilen Vorrang zu haben ("Dänen sind doppelt so reich wie Österreicher"), aber Litauen taucht in dieser Statistik als dasjenige Land auf, das mit nur statistisch 3110 Euro pro Kopf an verfügbarem Geldvermögen in Europa an letzter Stelle liegt. Jedem Niederländer stehen dagegen im statistischen Mittel 93.415 Euro zur Verfügung, jedem Dänen noch 90.580 Euro und jedem Briten 88.573 Euro. In den Niederlanden macht das Geldvermögen insgesamt fast das Dreifache des Bruttoinlandsprodukts des Landes aus. Alles Geldvermögen zusammengerechnet, kommt Litauen nur auf 11 Milliarden Euro und ist auch hier europäisches Schlußlicht.