26 August 2006

Lietuva - siegreich unter dem Korb ...

Als die litauische Basketball-Nationalmannschaft zum Auftakt der Weltmeisterschaften 2006 in Japan gleich die ersten beiden Spiele verlor (gegen Griechenland nach Verlängerung, gegen die Türkei mit zwei Punkten), dachten manche vielleicht schon an einen Niedergang des litauischen Basketballs. Auch die estnischen und lettischen Nachbarn mögen vielleicht ein wenig die Daumen gedrückt haben - beide Länder sind diesmal bei der WM nicht dabei, die Basketball-Begeisterung ist aber gleichermaßen weit verbreitet.

Doch die litauische Männermannschaft gab sich kämpferisch: seit den ersten beiden Spielen ging kein weiteres mehr verloren. Und dann wurde in einem äußerst spannenden Achtelfinalspiel Italien mit 71:68 geschlagen. Dramatik pur: beide Teams vergaben insgesamt neun (!) Freiwürfe, als nur noch 7 Sekunden auf der Uhr waren. Fünfmal Fehlschüsse davon nahmen die Italiener auf ihr Konto und ermöglichten damit den litauischen Sieg. "Ein siegreicher Nervenkrieg" titeln litauische Medien. Beste Spieler auf Seiten der Litauer waren Arvydas Macijauskas und Darjus Lavrinovic.

Nun wächst in
Litauen wieder die Zuversicht. Kann dieses Team unter Nationaltrainer Antanas Sireika wieder Ähnliches erreichen wie am 14.September 2003, als Litauen Basketball-Europameister wurde? "Die Litauer geben dem Fußball einen Korb", so titelte das ZDF damals. Wohl eine noch sehr harmlose Beschreibung für die Jubelszenen, die sich auf allen Straßen nicht nur in der Hauptstadt Vilnius abspielten.

Bei Olympia 2004 in Athen blieb Litauen sechs Spiele unbesiegt und schlug sogar das "Dreamteam" der USA - um dann an Italien zu scheitern. Klar also, dass der heutige Spielausgang eine Genugtuung war (siehe Bericht auf der Seite der LKL). jetzt kann es frisch drauflos weitergehen - der zweifache Weltmeister Serbien/Montenegro ist raus, es wird also auf jeden Fall einen neuen Weltmeister geben. Ob wohl Nowitzki-Nowitzki (einen anderen Starspieler von Format scheinen die Deutschen ja nicht zu haben), oder die unerschrockenen Litauer diesmal weiter kommen?

Nachtrag - 31.August 14.30 Uhr - 73:75 gegen Frankreich. Nun können also Litauen und das Nowitzki-Team unter sich klar machen, wer momentan die bessere Mannschaft ist. Es wird das Spiel um Platz 7 oder 8 bei der WM werden.

Weitere interessante Seiten zu Basketball in Litauen:
Ausführlicher Spielbericht und Kommentar zu Litauen-Italien (Litauisch)
Spielbericht und Kommentar zu den letzten Sekunden des Spiels bei Crossover-Online (Deutsch)
Litauische Basketball-Liga
Webseite Lietuvos Rytas
Webseite Žalgiris Kaunas
Euroleague Basketball
Baltic Women's Basketball League
Litauische Basketballvereinigung
Litauische Stiftung Männerbasketball
Frauenbasketballteam TEO VILNIUS
Wikipeda-Seite zu Arvydas Sabonis
NBA-Spielerstatistik zu Arvydas Sabonis
Litauische Basketball-Fanseite KREPSINIS-NET

17 August 2006

MTV startet Musikkanal

Auf SATNEWS.DE las ich heute, dass MTV einen Kanal für Litauen, Estland und Lettland gestartet hat. Erste Testsendungen sollen zu hören sein auf Satellit Sirius, 5° Ost, undüber die Frequenz 12.680 GHz horizontal (SR 7.440, FEC 7/8) auch in Deutschland zu empfangen.
Hat vielleicht jemand von unserer Leser/innen-Gemeinde schon Erfahrungen damit gemacht?

Es soll bisher unverschlüsselt zu empfangen sein. Satnews schreibt: "
MTV Baltics will neben Sendungen von MTV Central auch sprachregionale Shows anbieten, die jeweils per Untertitel oder über Tonkanäle übersetzt werden."
Auf der MTV-Seite (International) ist leider noch nichts davon zu lesen. Auf mehreren anderen Seiten findet sich aber mehr: EU-BUSINESS meldet, dass jeweils für jedes Land separate Musikkanäle gegründet werden sollen. Zielgruppe sollen vorwiegend 15- bis 35-Jährige sein, wovon etwa eine Million in der Region der baltischen Staaten identifiziert wurden (als Zielgruppe für die Werbung - natürlich). In Litauen selbst wird das Thema bereits im ZEBRA-FORUM diskutiert. Auch WIKIPEDA hat bereits einen Hinweis auf "MTV Baltics" ergänzt (zusammen mit vielen interessanten Infos zur Geschichte von MTV). Und der "SatKlub Thüringen" hat schlechte Nachrichten: neuerdings soll MTV Baltics doch nur codiert zu empfangen sein.

Wer weiß mehr?

11 August 2006

Europas Kulturhauptstadt Vilnius - erste Vorbereitungen

Für Litauen - und ganz besonders für Vilnius - wird das Jahr 2009 ganz sicher ein kultureller Höhepunkt werden: Vilnius selbst wird 1000 Jahre alt (1009 erste Erwähnung in den Quedlinburger Annalen), und Litauen hat erfolgreich Vilnius als Europäische Kulturhauptstadt 2009 beworben.

Es war eine gemeinsame Bewerbung mit Linz in Österreich im Rahmen eines neu eingeführten Verfahrens,
in dem sich immer eine Stadt aus einem "alten" EU-Mitgliedsland zusammen mit einem der seit 2004 neuen EU-Länder bewirbt. Und beide Städte nehmen die Vorbereitungsphase sehr ernst und sind bereits in die erste Phase der Aktivitäten gestartet.
Zwar sind noch nicht sehr viele Materialien in Deutsch oder Englisch herausgegeben worden, und auf der Webseite der Stadt Vilnius ist immer noch die alte allgemeine Ankündigung des Bewerbungskonzepts vom September 2005 zu lesen. Aber wer Vilnius kennt (die Altstadt ist ja Teil des Weltkulturerbes, und jeder Besuch bringt neue Einblicke), der ist sicher ganz gespannt auf das, was nun für 2009 "ausgebrütet" wird. "Kreativität und Vitalität" soll das Motto heißen.

Inzwischen hat auch Linz die ersten Gespräche in Vilnius geführt, denn beide Städte wollen ja mindestens im Jahr 2009 intensiv kooperieren.
Die Intendantin und studierte Kunsthistorikerin Giedrė Kabašinskienė weilte kürzlich einige Tage in Linz, und auch der stellvertretende Intendant des Teams aus Linz, Ulrich Fuchs, hat die litauische Haupststadt inzwischen schon besser kennengelernt. Ein Bericht dazu ist auf der Linzer Webseite nachzulesen. "Ich will in Vilnius nicht ziellos durch die Quartiere gehen, sondern spüren, wie die Stadt atmet und riecht", schreibt Ulrich Fuchs dort. Nun, Gerüche wird eine Webseite leider nicht wiedergeben können (außer man denkt an leckeres litauisches Essen ...), aber einige Themen, die beide Seiten so bewegen im Vorfeld, sind dort schon erfreulicherweise nachzulesen. Die Transparenz, die sich da von Seiten der "Macher" gegenüber dem "Publikum" andeutet, ist durchaus nicht bei allen Städten wiederzufinden, die Kulturhaupstadt schon waren oder es gerne noch werden wollen. Eher "bottom-up" als andersrum, da sind sich die Linzer Partner mit den litauischen Kulturschaffenden offensichtlich einig.

So ist auch der Wille beider Seiten vielleicht verständlich, dass nicht nur Events der Hochkultur das ereignisreiche Jahr 2009 prägen sollen, sondern auch soziale Themen. "Die Infrastruktur- und vor allem die sozialen Probleme in der litauischen Gesellschaft sind so gewaltig, dass es nicht einfach ist, deutlich zu machen, dass die besondere Herausforderung des Jahres 2009 auch dafür ein Katalysator sein kann", so drückt es Ulrich Fuchs in seinem Bericht aus.
Angekündigt wird auch, dass Judith Lewonig, die bereits seit einigen Jahren in Vilnius lebt, für die Linzer den Kontakt dort halten und auch von den Aktivitäten berichten wird. Ein bekanntes Gesicht für "Insider" und deutschsprachige Litauen-Fans also, denn sie war vorher für die inzwischen in finanzielle Schwierigkeiten gekommene "Baltische Rundschau" als Journalistin aktiv. Also: wir warten gespannt auf Neuigkeiten!

02 August 2006

Kennen Sie Litauen? Infoseiten, vor denen selbst die Autoren warnen ...

Sie möchten etwas über Litauen wissen und nutzen gerne das Internet? Naheliegend wäre da wohl, eine der beliebten Suchmaschinen zu nutzen, und per Suchwort das Gewünschte aufzustöbern zu versuchen. Auf diese Weise jedenfalls werden zum Beispiel diese Seiten (www.litauen-blogspot.com) am meisten genutzt.

Wer nicht gern bei den unter vielen Stichwörtern getarnten scheinbar informativen Seiten verschiedenster Reisefirmen im Internet hängenblieben möchte, schaut auch vielleicht in einer der virtuellen Bibliotheken nach, die unter verschiedenen Labeln angeboten werden - möglichst kostenfrei natürlich. Große Beliebtheit hat dabei WIKIPEDIA erlangt, eine Seite, die sich selbst als "freie Enzyklopädie" bezeichnet. Zum system gemacht wurde hier, dass alle Menschen, die etwas beitragen wollen zu bestimmten Wissensgebieten, generell Zugang haben zu den entsprechenden Beiträgen. Wenn zu einem Thema noch kein Beitrag vorhanden ist, können neue verfaßt werden, oder über bestehende Texte kann diskutiert werden, was vielleicht verbesserungswürdig oder unklar dargestellt sein könnte.

Diese Entwicklung dauert bereits einige Jahre. Offensichtlich hat sie jetzt eine Gegenbewegung ausgelöst: Leute, die von ewigen "Besserwissern" die Nase voll haben? Von der Infoflut im Netz Gefrustete? Oder vom Mainstream des oberflächlichen Geschreibsels Angeödete? Unter "Uncyclopedia" finden sich mit direktem Bezug zu den "Vorbildern" der Wikipedia inzwischen Witzbolde und Quergeister ihren Platz, um sich auzubreiten. Der bezeichnende Wahlspruch: the content-free encyclopedia that anyone can edit.

Inhaltsfrei? Gemeint ist, das merken die Leser schnell, wohl eher "sinnfrei". In der englischsprachigen Version hat sich ein Autor für eine Litauen-Seite gefunden, der vor den dort zu findenden Texten gleich mehrfach selbst warnt. Glücklicherweise scheint sein Wahlspruch aber zu sein: How to be funny and not just stupid :-))
Dort steht unter anderem nachzulesen: - die Wahrheit ist in der Regel lustiger, als irgendeinen Nonsens zu schreiben - Wiederholung einfacher Wahrheiten kann lehrreich sein - mache Dich lustig über ernste Dinge - sei ernsthaft in lustigen Dingen

Aber genug der Vorrede. Besuchen wir "Lithuania" also einmal. Seit Februar 2006 steht sie im Netz, und der Schöpfer hat offensichtlich bereits so viele Reaktionen darauf bekommen, dass er mehrfach warnt: Wenn Sie hier etwas zu verbessern finden, überlegen Sie bitte, ob Sie nicht lieber eine Seite bei WIKIPEDA schreiben wollen!
Wer Litauen kennt, dem wird auffallen, dass hier durchaus ein Kenner des Landes am Werk ist. Nicht nur die ironische Verwandlung der litauischen Nationalflagge und des Vytis-Wappens, die Betonung der Basketball-Erfolge, die Dominanz von Kirche und Religion - alles spiegelt sich hier wieder. Sollte jemals eine litauische Kulturgruppe auf die Idee kommen, wie Charakteristika des eigenen Landes im Ausland kabarettreif und witzig dargestellt werden können - hier können Ideen angezapft werden. Wer ein wenig "schockresistent" auch vor schlechteren Witzen ist, kann sich mindestens für ein paar Minuten amüsieren.

Ein paar Textbeispiele (übersetzt):
"Die wichtigsten großen Städte Litauens. 1. Riga. Obwohl viele Menschen noch nie in Litauen gewesen sind, sagen sie, sie waren schon mal in Riga. Wissenschaftler konnten bisher noch keine Erklärung finden für dieses Phänomen."

"Sprachen in Litauen: 50% Litauisch, 45% Propaganda, 5% andere."

"Musik in Litauen: Eurovision, in städtischen Regionen. Traditionelle Heavy Metall Folk Musik in ländlichen Gebieten."

"Empfehlung: Versuchen Sie besser nicht Litauisch zu verstehen, ohne ein oder zwei Bier bereits im Magen zu haben. Zu diesem Zweck taugt die regionale Marke Svyturis sehr gut, besser noch "bambalis" (eine große Plastikflasche billigen Biers)."

"Litauen wird regiert von Abonentas Brazauskinis. Um Abonentas Brazauskinis zu helfen, das Land zu regieren, wurden einige zusätzliche staatliche Institutionen geschaffen. Als zusätzlicher Nebeneffekt helfen diese Instutionen dabei, dass Litauen nach außen schön demokratisch aussieht. Wir könnten ihnen davon noch mehr Details erzählen, wir müssten Sie dann aber leider danach erschießen."

Na, zumindest mit dem Abonnement von Brazauskas auf den Chefsessel der Regierung ist es im wirklichen Litauen ja nun erstmal vorbei. Und auch bei "Uncyclopedia" gibt es Änderungen. Die Philosophie der Macher dieser Seiten ist es ja, dass jeder Interessierte mitschreiben und verändern darf. Auch Litauisch-sprachige Kommentare haben sich inzwischen auf der Diskussionsseite zuhauf angesammelt. "Bitte stell doch die erste Fassung deines Textes wieder her" beklagen sich inzwischen schon Leser. Na, vielleicht sollte da mal jemand erklären (funny, but not stupid, selbstverständlich), was "verschlimmbessern" auf Litauisch heißt ...

16 Juli 2006

Litauen als Zentrum des Weltkulturerbes - 9 ereignisreiche Tage

Das Stichwort vom "Weltkulturerbe" ist auch im deutschsprachigen Raum inzwischen etwas bekannter geworden. Was sonst auch von strengen Naturschutzmaßnahmen bekannt ist - das Erstellen von "roten Listen für besonders gefährdete Arten" - hat sich jetzt auch bewährt, um die Weltöffentlichkeit für die Erhaltung der wichtigsten Kulturgüter der Welt zu sensibilisieren. Auf einer solchen UNESCO-Liste geführt zu sein, gilt als Prestigesache. Gefürchtet dagegen die UNESCO-Warnungen vor diesen Status gefährende Entwicklungen. Die litauische Hauptstadt Vilnius war 9 Tage im Juli (8.-16.7.06) Versammungsort für die 30.Sitzung des UNESCO-Weltkulturerbe-Komitees.

Aus Sicht Deutschlands und Österreichs war das Ereignis weitgehend von den Interessen einiger Städte verbunden, die entweder in die prestigeträchtige Liste des Weltkulturerbe aufrücken wollten (Regensburg), oder Befürchtungen hegten, die Beratungen der UNSECO-Gremien in der litauischen Hauptstadt könnte einen offiziellen Tadel für die kulturpolitischen und architektonischen Entwicklungen in ihrer Stadt ergeben (wie Köln, Dresden und Graz). Bisher umfasste die UNESCO-Liste des Welterbes bereits 812 Kultur- und Naturstätten in 137 Staaten (32 in Deutschland, darunter z.B. die Altstädte von Stralsund, Wismar, Bamberg, Quedlinburg, Lübeck, die Fossiliengrub in Messel, oder Rathaus und Rolandstatue in Bremen - siehe DER SPIEGEL).
Man braucht eigentlich nur auf die Liste der Neuaufnahmen der vergangenen Woche zu schauen, um die Vielfalt kultureller Leistungen zu erkennen, die hier versammelt sind: ein Panda-Reservat in der chinesischen Provinz Sichuan, die Insel Malpelo bei Kolumbien, zwei prähistorische Stätten von Steinkunst in Tansania und Malawi, die grenzübergreifenden Steinkreise von Gambia und dem Senegal, die mexikanische Algave- Landschaft, die Stadt Harar Jugol in Äthiopien sowie die Hafenstadt Port Louis auf der Insel Mauritius.

Im Bl
ickpunkt: Köln, Graz, Dresden, Regenburg
Leider wird die öffentliche Diskussion über das Welterbe-Thema in deutschsprachigen Medien meist nur von Schlagzeilen dominiert -
allerdings angesichts des oft mangelnden Interesses an kulturellen Werten vielleicht auch zumindest von lokalpolitischem Wert. So musste die Stadt Köln ihre nahe des Doms projektierten Hochhausplanungen erheblich ändern, um jetzt in Vilnius einen negativen Beschluß der UNESCO verhindern zu können - eine Einstufung als "gefährdetes Kulturerbe. Die für Köln positiven Nachrichten fanden dementsprechend in der Kölner Lokalpresse breiten Rückhall (Kölner Stadtanzeiger, KST-Chronologie der Ereignisse, Koeln.de).
Auch um das österreichische Graz gab es eine Diskussion: ein geplanter Kaufhausausbau in der Altstadt erhielt nicht das Placet der UNESCO-Kommissionen (Kleine Zeitung, der Standard). Von "Enterbung" war in Graz plötzlich die Rede, und ein Funktionär der Grazer Wirtschaftskammer ließ sich sogar hinreißen, "Einreiseverbot" für die Verantwortlichen für die UNESCO-Entscheidung zu fordern.
Die Diskussion beruhigte sich aber schnell wieder, und nun soll in den nächsten Monaten eine spezielle UNESCO-Kommission in Graz helfen, Kompromisse zu finden.

Ungeteilte Freude dagegen rief die Aufnahme der Altstadt Regensburgs in die Weltkulturerbeliste hervor (Frankenpost, SPIEGEL, DIE WELT). "Wir sehen einen Trend zu weniger Neuaufnahmen", zitierte die FRANKENPOST die litauische Komitee-Vorsitzende Ina Marciulionyte, "aber die Entscheidung für Regenburg war einfach und hat nur etwa sieben Minuten gedauert!"

Nicht im Sinne der sächsischen Regionalpolitiker kam dageben Dresden mit dem geplanten Bau der Waldschlößchen-Brücke weg. Die UNSECO sah das Projekt als Kulturerbe-gefährdend an. Zuvor hatte ein Volksentscheid in Dresden knapp für den Brückenbau entschieden. "Wir haben entschieden, wir sind das Volk. Punkt." So zitiert DIE WELT die Einstellung einflußreicher Politiker, die sich für die Brücke einsetzen (hier: Sachsens früherer Ministerpräsident Kurt Biedenkopf). Da werden Kritiker des Brückenprojekts, wie der Nobelpreisträger Günther Blobel, auch schon mal als "Verräter" gebrandmarkt (Lausitzer Rundschau). "Wir sind auch ohne den Welterbe-Titel ein
Tourismusmagnet", werden in der WELT wutschnaubende CDU- und FDP-Lokalpolitiker zitiert. Ob man diese Einstellung tatsächlich durchhalten will?

Konservieren, erhalten - warum eigentlich?
Überhaupt sind auch die kritische Stimmen mitzuverfolgen. "Welterbe der Menschheit, das ist ein Status, der nicht nur Ruhm und Zuschüsse einbringt, sondern auch Kosten verursacht. Die ausgezeichnete Kommune ist verpflichtet, den Erhalt des Denkmals zu garantieren - und das kostet viel Geld. Die Unesco gibt dafür keinen Cent," so war es in NEWSKLICK zu lesen. Und die TAZ meinte gar: "warum eigentlich bewahren?" und zeigte sich auch seltsam gleichgültig gegenüber der Diskussion um das Dresdner Elbtal - dessen Schönheit erschließe sich "sowieso nur von wenigen Aussichtspunkten aus". DIE WELT dagegen zitiert auch andere Beispiele der Vergangenheit, wo immer Kompromisse zwischen lokalen Bauprojekten und Erhaltung der traditionellen Bausubtanz gefunden werden konnten, so z.B. bei einem überdimensionierten Projekt der Deutschen Bahn in Potsdam.

Prestigegewinn für Litauen
Das weltweit beachtete Kulturthema brachte jedenfalls für Litauen - und auch wohl für Vilnius als Konferenzort - einen eindeutigen Gewinn an Ansehen und Beachtung. Zudem passt das Thema auch zur großen Bedeutung, die kulturelle Themen auch in Litauen selbst genießen
Schließlich wurde auch die Altstadt von Vilnius selbst bereits 1994 in die Welterbe-Liste aufgenommen.

Weitere Infos zum Thema:
- Pressemeldung der UNESCO zum Fall Dresden
- Litauisches Sekretariat zur UNESCO-Konferenz
- UNESCO Webseite zu World Heritage
- die Welterbe-Liste der UNESCO
- litauisches nationales UNESCO-Komittee (Seite nur in Litauisch)
- Webseite der Stadt Vilnius (englisch)

05 Juli 2006

Litauen: Ohne Euro, ohne stabile Regierung?

In Litauen ist was los im Parlament: Misstrauenvoten gegen den Parlamentspräsidenten, Abwahlanträge und Korruptionsverdacht gegen den Wirtschaftsminister, und Versuche von Koalitionsbildungen mit nur 50-60 von 141 Sitzen im Parlament - wo gibt es das sonst? Dennoch wahrscheinlich kein Grund, stolz darauf zu sein - weder politisch Interessierten aus dem Ausland, noch potentiellen litauischen Wähler/innen kann das Ränkespiel so richtig gelegen sein.

Rücktritte, Skandale, Gerüchte
Bis zum April 2006 hatte Litauen eine Regierung aus vier Parteien, ausgestattet auch mit einer Stimmenmehrheit im Parlament. Nach einem Mißtrauensvotum gegen den Neoliberalen Arturas Paulauskas zog sich dessen P
artei aber aus der Regierungskoaltion zurück, und Regierungschef Brazauskas konnte nach 18 Monaten Amtszeit nur noch auf die Unterstützung seiner eigenen Sozialdemokratischen Partei, zusammen mit der populistischen Arbeitspartei von Wirtschaftsminister Uspaskich, und der Bauernpartei/Neue Demokratie bauen. Auch das hielt nicht lange, die Meinungsverschiedenheiten wurden größer, und als am 31.Mai die Arbeitspartei auch ihre Minister aus der Regierung zurückrief, brach das Kartenhaus erst einmal zusammen. Die Büros der Arbeitspartei waren kurz zuvor von Mitarbeitern der litauischen Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf doppelte Buchführung durchsucht worden. Ausserdem gab es Gerüchte, wonach die Arbeitspartei von russischen Geheimdiensten finanziell ausgehalten werde (Novosti 31.5.06) - einen ähnlichen Vorwurf hatte es schon gegen den 2003 gewählten litauischen Präsidenten Paksas gegeben, der dann auch seines Amtes enthoben wurde. Ebenfalls schon vor zwei Jahren war dem damaligen Wirtschaftsminister Uspaskich Korruption bei der Verteilung von EU-Geldern vorgeworfen worden (Der Standard 3.6.06).

Am 1.Juni trat Algirdas Brazauskas als Regierungschef zurück, nicht ohne zu betonen, seine Partei sei jetzt für eine Regierungsumbildung nicht am Zuge, sondern "diejenigen, welche die bisherigen Regierung zerstört" hätten. Der litauischen Verfassung gemäß muss der Präsident nach Rücktritt einer Regierung im Laufe der darauf folgenden 15 Tage einen neuen Kandidaten als Regierungschef vorschlagen.

Glorreiche Pläne, Rückzugsgefechte
Eigentlich hätte der Mai 2006 zu einem strahlenden Erfolgsmonat für Litauen werden sollen. Litauen hatte noch Ende April eine förmliche Bewerbung an den Präsidenten der EU-Kommission, Jose Manuel Barroso, sowie an EZB-Präsident Jean-Claude Trichet abgeschickt - der Euro sollte zum Januar 2007 auch in Litauen eingeführt werden. Warnungen gab es in der internationalen Presse schon sehr früh: "schlechte Karten" attestierte "
Europolitan" den Litauern, "Erweiterung mit gebremstem Schaum" sagte die Börsenzeitung schon Anfang April voraus, und REUTERS prognostizierte treffsicher für Litauen "einen weiteren Rückschlag". Punktgenau zusammengefasst hat es dann die DEUTSCHE WELLE mit der Schlagzeile: "Baltische Erfolgsgeschichten ohne Happy End."
Erstaunlich dabei nur, dass Litauen sich wegen 0,1% zu hoher Inflationsrate sich nicht so leicht schrecken ließ, und zunächst sogar erreichte, dass manche Kommentatoren an den Beitrittskriterien zum Euroland zu zweifeln begannen - so z.B. die F
AZ "vom Nutzen der Euro-Regeln" (22.3.06). Das HANDELSBLATT zitierte eine kritische Stellungnahme des ehemaligen Chefvolkswirts der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD), Willem Buiter, schon am 15.März in vollem Wortlaut. Und am 17.Mai kommentierte Michael Moravec im österreichischen STANDARD: "Realitätsverlust? Litauen leidet eher nicht darunter."

Hannes Gamillscheg zitierte in DIE PRESSE am 22.5. zurecht Litauens glänzendes Abschneiden bei den übrigen Kriterien zur Euro-Einführung: "Das öffentliche Defizit beträgt 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (drei Prozent wären erlaubt), und die Verschuldung ist mit 18,7 Prozent des BIP (Kriterium: 60 Prozent) niedriger als in allen Euro-Staaten außer Luxemburg."

Auch EU-Haushaltskommissarin Dalia Grybauskaite aus Litauen setzte sich natürlich argumentativ im Sinne der litauischen Euro-Wünsche ein, und fand sogar noch Unterstützung sowohl beim tschechischen Kommissar für Beschäftigung und Soziales, Vladimír Spidla, sowie der aus Polen stammende Kommissarin für Regionalpolitik, Danuta Hübner. Zwischenzeitlichen Erfolg hatte Litauen im Europaparlament am 1.Juni, als die EU-Parlamentarier mit Mehrheit gegenüber der EU-Kommission "eine Strategie für den schnellen Beitritt Litauens zur Eurozone" forderten.

Am Tag vor dieser Sitzung des Europaparlaments war die Regierung Brazauskas aber bereits zurückgetreten. Der konservative Oppositionsführer im litauischen Parlament, Andrius Kubilius, hatte schon einen Monat zuvor verkündet: "die litauische Regierung ruiniert die Euro-Einführung".

Alles weiter wie gehabt?
Die Regierungsbildung gestaltete sich als erwartet schwierig. Präsident Adamkus meinte zunächst in Finanzminister Zigmantas Balcytis einen geeigneten neuen Regierungschef gefunden zu haben, aber im Parlament fiel er mit nur 52 von 141 Stimmen glatt durch (DIE WELT 21.6.). Eine Nachwirkung seiner vermeintlichen Mitverantwortung beim Debakel um den Euro? Dann stieg Verteidigungsminister Gediminas Kirkilas in den Ring. Wie Brazauskas und Balcytis ist es nun, nach allem Hin und Her, doch wieder ein Sozialdemokrat, der die Fäden zusammenhalten soll. Die Abstimmung am 4.Juli erbrachte 85 Ja-Stimmen bei nur 13 Gegenstimmen.

Was lernen wir daraus? Etwa, dass Litauen - unter der Decke von brüchiger Zusammenarbeit unter den demokratischen Parteien - ein sich stabil entwicklendes Land ist? Oder, dass es die EU vielleicht noch eines Tages bereuen wird, den Euro in Litauen nicht einfach geräuschlos eingeführt zu haben? Jedenfalls werden deutsche Touristen an der Kurischen Nehrung, in Vilnius oder in Kaunas weiterhin nicht ohne Litas in der Tasche auskommen können. Und die Frage: "Wie lange wird die neue Regierung halten" ist vielleicht eine der unbeliebtesten Fragen im litauischen Lande zur Zeit.

Am 6.Juli feiert Litauen jetzt erstmal den Jahrestag der Krönung von König Mindaugas - vielleicht ein symbolischer Tag im richtigen Moment. Der neue Regierungschef heißt immerhin Gediminas mit Vornamen - nach dem litauischen Großfürsten, dem immerhin die Gründung von Vilnius zugeschrieben wird. Was Kirkilas aber in nächster Zeit wirklich erreichen kann, das wagt wohl gegenwärtig kaum jemand vorherzusagen.

11 Juni 2006

Innenansichten aus dem Studentenleben in Vilnius

Am 8.Juni 2006 war Andreas Schmidt, Student des internationalen Studiengangs Politikmanagement an der Hochschule Bremen, noch Gast in der Radiosendung BALTISCHE STUNDE, Wer diese Sendung verpasst hat, oder nicht auf zukünftige Podcast-Möglichkeiten dieser Sendung warten möchte, kann auch mal reinschauen in die reichhaltig bebilderten Infoseiten von Andreas Schmidt. Dort hat er einige Eindrücke aus Vilnius festgehalten - vom Innenleben eines litauischen Wohnheims bis zu Rundgängen auf Märkten, in Museen und Kirchen, und Zusammentreffen mit litauischen Politikern.

"Ich wollte immer schon mal eines der baltischen Länder näher kennenlernen", so begründete Andreas seinen Entschluß, für ein Gastsemester nach Vilnius zu gehen.
Die Fotos zu seinem Aufenthalt zeigen, dass es vor allem ein Winterhalbjahr war, das er in Vilnius erlebte. So lassen sich ein litauisches Faschingsfest und der Unabhängigkeitstag gut mal aus der Nähe erleben.
"Wir haben aber auch in Palanga am Strand gelegen, und auch dabei kann man für's Studium lernen", erzählt Andreas.

Auch Fotos von der Unterkunft im Studentenheim sind auf den Webseiten von Andreas zu sehen. Eher überraschende Entdeckungen scheinen das Frank-Zappa-Denkmal oder die Ballettaufführung "Acid City" gewesen zu sein.

Andreas im Interview der Baltischen Stunde: "Ich kann allen Studierenden einen Gastautenthalt in Vilnius nur empfehlen!" Wer Kontakt aufnehmen möchte, hier ist die Email-Adresse:
andi.schmidt@web.de

11 Mai 2006

Linux-Fans entdecken litauisches Bier

Manchem mag die Abkürzung LINUX genauso unbekannt vorkommen, wie anderen die Namen litauischer Kleinstädte. Glücklicherweise gibt es etwas so verrücktes wie eine LINUX-BIER-WANDERUNG, und dank dieses wagemutigen Unternehmens werden einige Freunde dieses speziellen Computer-Betriebssystems (also keine Freunde von Bill Gates!) nun auch mal die Gegend um den Nationalpark Aukstaicija in Litauen kennenlernen.

Gegründet worden soll das Unternehmen "Bier-Wanderung" 1999 im deutschen Pottenstein. Zu erklären, wo dieser mystische Ort nun überhaupt liegt, da geben sich die Linux-Freunde auf ihrer internetseite erst gar keine große Mühe. Um so mehr machen sie allerdings bereits vorab Reklame für die zu erwartenden Getränke und Speisen. Große Fotos von Bier, Zeppelini und mehr sollen für das Treffen Mitte August 2006 werben, zu dem sich nach Angaben der Veranstalter jedes Jahr um die 80 Leute aus verschiedenen Ländern einfinden.

"Die LBW lebt von der aktiven Beteiligung der Teilnehmer, welche die Programmpunkte selbständig anbieten und durchführen," so stellt es ein Teilnehmer von deutscher Seite heraus (Christopher Arndt). "Jeder kommt für seine eigene Unterkunft, Verpflegung, und Aufwendungen selbst auf", ist dort zu lesen. Neben Ausflügen und Sehenswürdigkeiten ist dann aber eine angemietete Halle vor Ort der Aktionsmittelpunkt. Die Teilnehmer, die wohl alle mindestens einen Laptop dabei haben dürften (womit zu erwarten ist, dass in Aukstaicija zu diesem Anlaß ein Rekord an Technologieansammlung zu verzeichnen gäbe), wollen ihre Hardware natürlich untereinander vernetzen, so dass Erfahrungsaustausch, Seminare und Präsentationen erleichtert werden.

Also: nichts wie auf nach Litauen, lieber Computerfreaks und Linux-Fans! Eine erste Sprachhilfe in Form einer Wortliste Englisch-Litauisch liefern die Organisatoren auch schon mit. Interessenten, die nicht sicher sind, ob sie im August Zeit haben nach Litauen zu kommen, können sich auch auf eine Mailingliste zur Benachrichtigung über weitere Aktivitäten setzen lassen.

04 Mai 2006

Der Ball ist rund - und es geht immer mal wieder gegen Polen ...

Regierungskrise in Litauen? Beitritt zur Euro-Zone wahrscheinlich gescheitert? Wer mag sich denn schon mit solchen Schlagzeilen beschäftigen wollen, wenn es doch immer wieder angenehme Sportereignisse gibt.
Zwar werden Sportwettkämpfe gegen den Nachbarn Polen nicht so verbissen geführt wie gegen östlichen Nachbar-Goliath Russland. Und schließlich war die litauische Fußball-Nationalmannschaft - von der auch heute noch nur der ehemalige HSV-Spieler Valdas Ivanauskas so richtig bekannt ist - in der Qualifikation zur WM in Deutschland gescheitert
(Ergebnisse Litauen). Aber vermutlich ist es doch gut für die litauische Seele, wenn selbst im größten deutschen Fußball-Magazin steht: "Litauen überrascht Polen" (Kicker 2.5.06).

Was ist passiert? Polen, stolzer WM-Teilnehmer und am 14.Juni 2006 Gruppengegner Deutschlands, patzte beim Vorbereitungsspiel im zentralpolnischen Braunkohlerevier von Belchatów gegen Litauen mit 0:1. Fußball-Polen, eigentlich am sensationellen 3.Platz bei der Fußball-WM 1974 orientiert (die ebenfalls in Deutschland stattfand), ist ratlos. "Schlechter geht es nicht", zitieren auch deutsche Medien polnische Fußballexperten (Berliner Morgenpost 4.Mai).

Dabei werden die litauischen Sieger allerdings auch nicht mit Ruhm überhäuft - jedenfalls nicht in den deutschen Medien. "Eine zusammengewürfelte Truppe aus Billiglohn-Profis", so meint die Berliner Morgenpost. Die FAZ dagegen zitiert den litauischen Trainer Algimantas Liubinskas mit den Worten: "Die Presse hatte den Polen leichtes Spiel mit uns versprochen." Unterschätzung des Gegners also? Die Fußballsprache hat noch ein anderes Argument zur Entschuldigung parat: Es fehlten zu viele Stammspieler. (Fussball24.de) "Schlechter geht es nicht", urteilen dennoch die Medien. Gegenüber REUTERS warnte der polnische Nationaltrainer vor einem frühen WM-Aus, wenn seine Mannschaft nicht besser spiele als gegen Litauen. Trockener Kommentar des litauischen Nationaltrainers Liubinskas: "Für die Polen war es eine Überraschung, für uns nicht."

Und was macht eigentlich Valdas Ivanauskas? 2004 startete er eine Trainerkarriere beim FBK Kaunas. Im März 2006 wurde er zum Trainer des
schottischen Erstligisten Heart of Midlothian ernannt. Hintergrund: Besitzer des schottischen Klubs ist der litauische Multimillionär Wladimir Romanow. Dessen vermögen wird, Presseberichten zufolge, auf 80 Millionen Euro geschätzt. Ob solches Kapital nicht auch noch mal für die litauische Nationalmannschaft eingesetzt werden kann?

Mehr zu litauischem Fußball: - Fanseite von
Almantas 'Almis' Lauzadis
- Litauischer Fußballverband (Seite nur Litauisch)
- FC Ekranas Vilnius
- FBK Kaunas

25 April 2006

Österreichs Erfurcht vor Litauen

Der Frühling naht - aber noch spielt der Wintersport in allen drei baltischen Staaten gegenwärtig die Hauptrolle. Im Mai findet in der lettischen Hauptstadt Riga die Eishockey-WM statt - ein mit dem Fußball-Hype in deutschen Landen für lettische Verhältnisse durchaus vergleichbares Ereignis. Zuvor jedoch werden in zwei Spielgruppen die beiden Aufsteiger in die Eliteklasse gesucht, die dann 2007 in Moskau um die WM mitspielen dürfen. Die eine Gruppe wird in Frankreich ausgetragen (dort tritt auch Deutschland an), die andere spielt in dieser Woche ihre Spiele in der Saku Suurhall im estnischen Tallinn.

Sowohl Litauen wie auch Estland sind in Tallinn dabei, neben Turnierfavorit Österreich. Nach acht Jahren in der Elite des Eishockey und der Pleite bei der Heim-WM im Vorjahr soll für die österreichische Nationalmannschaft die Zweitklassigkeit nur kurz sein - so wünschen es sich auch die österreichischen Medien. Die meisten halten Polen für den härtesten Gegner, den Österreichs Spielbilanz ist gegen die Polen mit 19:24 negativ. Trainer Boni warte trotzdem vor möglicher Arroganz gegenüber vermeintlich leichten Gegnern. Und mit ungewohnten Verhältnissen muss sich das Austria-Team anfreunden: Das Auftaktspiel gegen Kroatien gewannen die "Ösis" zwar klar 6:0, spielten aber vor nur 400 Zuschauern in der 7600 Zuschauer fassenden Suurhall. 100 Österreicher, und nur 10 Kroaten (nach angeblich 48-stündiger Zugfahrt in Tallinn angekommen) zählte die Wiener Zeitung. Vielleicht lag es daran, dass es - ungewöhnlich für Estland - für den Ticketkauf im Internet zwar eine Webseite gibt, das aber nur in Estnisch gehalten.

Heimvorteil: Estland. Oder doch Litauen?
Die zweite große Hürde hätten also für die Österreicher im 2.Spiel die einheimischen Esten sein können (die Halle war ausverkauft!). 3:1 hieß es dann doch für das Team Austria - doch am selben Tag schaffte Litauen die Überraschung: sie schlugen Polen mit 2:1. Es war der erste Sieg der Litauer in ihrer Länderspielgeschichte im Eishockey gegen das südliche Nachbarland. Nun gerät die Kalkulation aus österreichischer Sicht etwas durcheinander: soll man sich nun freuen, dass man Polen nun einen Vorteil voraus hat, oder muss Litauen gefürchtet werden als nächster Gegner? (Spiel am 26.4. um 12 Uhr).
Sport1 hat es in Österreich ganz genau recherchiert: in Litauen seien 689 Eishockey-Spieler registriert, 16 männliche Schiedsrichter seien aktiv, und es gäbe fünf litauische Eisplätze (drei Hallen, zwei Freiluft). In Österreich seien es immerhin über 9.000 Spieler und über 100 Spielplätze. Wenn doch solche Statistik zu automatischen Siegen führen könnte!
Es scheint eher doch etwas Überheblichkeit sich auszubreiten. Als "Riverhockey auf einem zugefrorenen Teich" charakterisierte Austria-Teamchef Boni das 6:0 Spiel gegen Kroatien (Wiener Zeitung). Doch kennt er wirklich seine Gegner? Polen kenne er gut, schreibt DER STANDARD, von ihnen habe er sich "via DVD ein Bild gemacht."

Gute Vorbereitung? Am Mittwoch wird sich zeigen, ob Grund zu neuer sportlicher Erfurcht Östereichs gegenüber Litauen besteht.

11 April 2006

Internet in Litauen - Nutzung weniger verbreitet als in restlicher EU

Estland gilt als IT-Vorreiter, auch Lettland betreibt e-government-Projekte, aber wie sehr nutzen die Litauer eigentlich das Internet? Eine neue Studie von Eurostat, dem Statistischen Amt der Europäischen Gemeinschaften, enthält Interessantes: trotz allen Erfolgen beim Wirtschaftswachstum in Litauen hängen die Privatpersonen und sogar die Unternehmen in dem südlichsten der drei baltischen Staaten den Trends in der übrigen EU hinterher.

Zahlen für Private und Unternehmen

Der EUROSTAT-Bericht, veröffentlicht per Pressemeldung am 6.April 2006, weist eine Internet-Nutzung in der neuen, erweiterten EU der 25 von durchschnittlich 40% aus. Diese 40% geben eine Nutzung des Internets mindestens einmal wöchentlich an (alle Zahlen auf Grundlage des 1.Quartals 2005). 91% der Unternehmen hatten im Bereich der EU Internetzugang, 63% verfügten über einen Breitbandanschluß.

Bei den Privathaushalten gehen die Schwankungen am weitesten auseinander, und hier kommt Litauen erstmals ins Bild: die meisten Privathaushalte haben in den Niederlanden eigenen Internetzugang (78%), die wenigsten in Litauen (nur 16%). In Estland sind es 39%, in Lettland sogar 42%, in Deutschland 62%..
Auch bei den im Lande tätigen Unternehmen liegt Litauen weit hinten: Spitzenreiter bei der Internetnutzung durch Unternehmen ist mit 98% Finnland, in Litauen sind es nur 86% (dahinter kommen nur noch Zypern mit 85% und Ungarn mit 78%). Hier liegen die entsprechenden Zahlen für Lettland bei 75% und Estland bei 90% (Deutschland 94%).

62% der Unternehmen in den EU25-Ländern sind selbst im Internet durch eine Webseite präsent, in Litauen sind es nur 41% (in Lettland sogar nur 29%, in Estland 53%, Deutschland 72%)

Beim Breitbandanschluß führen erneut die Privathaushalte der Niederlande (54%), bei den Unternehmen ist es Schweden (83%). In Litauen verfügen nur 12% über so einen "schnellen Draht ins Netz" (Lettland 13%, Deutschland 23%, Estland 30%!)


Männer und Frauen - virtuelle und tatsächliche Unterschiede
Speziell für Litauen wie auch für Lettland ist noch, dass dort Männer wie Frauen gleichmäßig oft das Internet nutzen, während es durchschnittlich in der übrigen EU 49% der Männer aber nur 38% der Frauen sind. In Deutschland ist dieser Unterschied sehr hoch: 62% der Männer gaben an, das Internet mindestens einmal pro Woche zu nutzen, bei den Frauen waren es nur 47%.

Die Untersuchung gibt auch Zahlen dafür an, wie groß der Anteil derjenigen ist, die noch niemals das Internet bisher genutzt haben. In Litauen sind das durchschnittlich 61% der Einwohner, allerdings nur 4% der Schüler/innen und Studierenden. In Deutschland haben immerhin noch 29% bisher nie das Internet genutzt, aber bei den Studierenden ist diese Zahl so klein, dass sie nicht mehr extra in die Statistik aufgenommen wurde (wie auch in Estland).

23 März 2006

Kein Euro für Litauen?

Mit großer Mehrheit haben sich die Menschen in Litauen per Volksabstimmung für den Beitritt zur Europäischen Union (EU) zum 1.Mai 2004 ausgesprochen. Schon damals kündigte die litauische Regierung öffentlich an: wenn ihr euch für die EU entscheidet, dann ist damit auch der stufenweise Übergang zum Euro verbunden, also der Abschied von der eigenen Währung (Litas).

Baltischer Wettbewerb
Alle drei baltischen Staaten, also Estland, Lettland und auch Litauen, hatten in den zurückliegenden Jahren ein stetiges Wirtschaftswachstum zu verzeichnen (Prozentzahlen mehrfach über 5%). Das versuchen die drei kleinen Länder auch jeweils für ihr internationales Image zu nutzen - und zwar, nicht unbedingt "baltischen Schwestern" gemäß - möglichst jeder für sich. Oft stand in diesem Wettrennen um Auslandinvestitionen und neue Technologien eine Art "Schönheitswettbewerb" an: nimm mich zuerst, ich bin bereit.

Auch mit der Einführung der gemeinsamen europäischen Währung scheint es wieder ähnlich zu laufen. Anfangs kündigten alle drei Staaten an, die Euro-Einführung zu 2007 in Auge zu fassen. Der einzige Staat, der dies im Moment noch konkret betreibt, ist nunmehr Litauen.

Litauen hält derzeit die Vorgaben für Staatsverschuldung, Zinsen und Wechselkurs ohne Mühe ein, und verfehlte die Obergrenze für die zulässige Inflationsrate im Februar von 2,6 Prozent nur um ein Zehntel. In den beiden baltischen Nachbarländern dagegen ist nichts von Eile zu verspüren. Lettlands Zentralbankchef Ilmārs Rimšēvičs äusserte kürzlich öffentlich Zweifel, ob der Übergang zum Euro für Lettland überhaupt 2008 zu schaffen sei (Neatkariga Rita Avize 15.3.06). In Lettland ist Parlamentswahlkampf, und da schätzt der Banker wohl die Tendenz der gewöhnlichen Politiker richtig ein: es werden wahrscheinlich Lohnerhöhungen versprochen werden, und das wird die Inflationsrate nicht unbedingt senken helfen.

Der lettische Regierungschef Kalvitis zitierte seinen estnischen Kollegen Andrus Ansip (LETA, 28.2.06) mit der Aussage, den Euro "nicht unter allen Umständen" einführen zu wollen. Damit nahm Ansip sicherlich Rücksicht auch auf die Äusserungen von EU-Währungskommissar Joaquín Almunia (NZZ 19.1.06) und dem Vizepräsident der EU-Kommission, Günther Verheugen (Financial Times Deutschland, 1.2.06). Beide hatten Estland wegen zu hoher Inflationsrate für "noch nicht Euro-reif" erklärt.

Litauen provoziert Streit in der EU - trotz Befolgung der Vorgaben
Bis zum 1.Januar 2007 bleibt nicht mehr viel Zeit. Litauens Finanzminister Zigmantas Balcytis reichte also am 16.März 2006 seine Unterlagen zur Euro-Einführung offiziell ein. (BALTIC TIMES) "Trotz Warnung der Europäischen Komission" - meinte REUTERS zu wissen. Am Fall Litauens könnte sich nun ein Streit über die Auslegung der Konvergenzkriterien entzünden. Wie FINANZNACHRICHTEN.DE richtig betont, haben neben der Europäischen Zentralbank (EZB) und der Europäischen Kommission dann die EU-Finanzminister die endgültige Entscheidung über einen Aufnahmeantrag in der Hand. Beim Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs am 15. und 16 Juni in Brüssel soll die Entscheidung stehen.

EUROPOLITAN und N24 berichten ausserdem von weiteren Äusserungen von Almunia im Einklang mit dem deutschen Finanzminister Steinbrück. Der Deutsche, selbst auch nicht gerade bekannt durch sorgfältiges Einhalten von EU-Finanzkriterien, legte Litauen "mehr Diplomatie" nahe. Will heißen: Antrag nur, wenn die Zustimmung als sicher erscheint. Aber die Balten scheinen wieder einmal keine Lobby unter den etablierten EU-Ländern zu haben (die sich dann immer wundern, warum baltische Kontakte in die USA so gut funktionieren ...).

Die Fachleute, die teilweise auch von der deutschen Presse zitiert werden (z.B. Handelsblatt), kommen aber auch zu abweichenden Ergebnissen. Als "unsinnig" werden die Maßstäbe, welche die Europäische Zentralbank nun im Fall von Litauen offensichtlich anzuwenden gedenkt, von Marko Skreb bezeichnet, Bankenberater und ehemaligen Gouverneur der kroatischen Nationalbank. Auch Erik Nielsen, Europa-Chefvolkswirt von Goldman Sachs, hält die minimalen Schwächen bei der Inflationsrate Litauens für keinen ausreichenden Grund, die Einführung des Euro zu verweigern. Und Vermögensberater Jörg Peisert wird im Handelsblatt mit der Aussage zitiert: "Ich halte es für problematisch, Litauen bei anderer Gelegenheit als europäischen Musterknaben zu loben, jetzt aber aufgrund eines (einzigen) Kriteriums das Land einfach abzuweisen."

Eine sehr zurückhaltende Haltung der etablierten EU-Länder meint auch das MANAGER MAGAZIN zu erkennen (22.3.). Es zeige sich hier, wie problematisch es ist, bei immer mehr Mitgliedern eine gemeinsame Geldpolitik für alle zu machen. Der Autor dieses Beitrag geht bereits von der Annahme aus, dass 2007 noch keines der neuen EU-Länder den Euro wird einführen können. Ähnlich spekuliert auch DIE WELT: Die Finanzminister würden sich kaum über eine negative Entscheidung von EU-Kommission und EZB hinwegsetzen wollen. Da werden auch die in der FAZ dargelegten eher philosophischen Überlegenungen (22.3.) über "den Nutzen der Euro-Regeln" wenig nutzen.
Die Konsequenz wird ebenfalls gesehen: in den Ländern könnte der politische Widerstand gegen die Abschaffung einer eigenen Währung auch wieder wachsen.

14 März 2006

Strahlende Zukunft für Litauen?

Symbol Ignalina - auf dem Weg zur litauischen Unabhängigkeit
In den 80er Jahren wurde das marode Atomkraftwerk Ignalina bei Visaginas im nord-östlichen Litauen zum Symbol: spätestens das Unglück von Tschernobyl hatte 1986 gezeigt was es heißt, auf die Versprechungen der Atomindustrie zu vertrauen. Zudem schienen solche überdimensionierten Planungen geradezu eine charakteristische Ausgeburt des zerfallenden Sowjetsystems zu sein: größenwahnsinnig, unehrlich und an den Interessen der Menschen vor Ort vorbei. (Foto oben: Bauzustand der Anlage in Ignalina im Jahre 1995).

Im April 2006 wird der wird der Unfall von Tschernobyl 20 Jahre her sein - das Gedenken daran macht in Litauen gegenwärtig eher die kleineren Schlagzeilen.
Das Unglück kostete über 4.000 Tote, und drei Millionen Menschen leiden an den gesundheitlichen Folgen, so stand es z.B. schlicht in der Baltic Times. Das AKW Ignalina ist baugleich.Es wurde in den 90er Jahren mit Millionen Euro west- europäischer Partner so gut wie möglich sicherheits- technisch nachgerüstet, verbunden mit dem der litauischen Regierung abgerungenen Versprechen, die gesamte Anlage bis 2009 zu schließen.

Wer ohne die Nachbarn plant ....

Was ihr könnt, können wir schon lange! So scheinen die drei Regierungschefs Brazauskas, Kalvitis und Ansip zu denken, als sie am 27.Februar 2006 eine gemeinsame Erklärung herausgaben. Nachdem der russisch-deutsche Deal zum Bau einer direkten Pipeline durch die Ostsee von Ex-Bundeskanzler Schröder und dem russischen Autokraten Putin lieber ohne Konsultation der direkt betroffenen baltischen Nachbarn durchgezogen worden war, sieht sich jetzt die baltische Atomlobby im Aufwind. Den ungleichen Preiskampf der Ukraine um russisches Gas (siehe TAZ v.7.1.06) hatte die Öffentlichkeit der baltischen Staaten ebenso beängstigt verfolgt wie auch den offensichtlichen Diktatoren-Preisnachlaß Russlands für Lukaschenko's Weißrussland.

Globalisierte Kooperation mit baltischem Einschlag
Mit dem litauischen Regierungschef Algirdas Brazauskas an der Spitze verkünden nun also die drei baltischen Staaten, nach Schließung des AKW Ignalina an gleicher Stelle ein neues AKW bauen zu wollen. .
"Latvenergo", "Eesti Energia" und "Lietuvos Energia AB" sollen da gemeinsam ins Rennen gehen, was angesichts der Tatsache, dass auch hier die großen Konzerne wie E-ON oder RUHRGAS bereits Beteiligungen gekauft haben, die scheinbar nationalen Beweggründe wenigstens teilweise zu entkräften scheint. Was die zunächst überraschend große Zustimmung im Nachbarland Lettland für die Atompläne angeht, so ist dies bereits im Lettland-Blog nachzulesen.

Die gemeinsame Abschlußerkläung eines am 26./27.Januar 2006 in Vilnius durchgeführten estnisch-lettisch-litauischen Seminars zur Sicherung der Energieversorgung aller drei Länder konstatiert, die Energieversorgung sei unter den gegenwärtigen Umständen spätestens nach 2015 unsicher. Dies ist Wasser auf die Mühlen einer Reihe von litauischen Lokalpolitikern, die bereits seit längerer Zeit den Niedergang der Stadt Visaginas an die Wand malen. Von der EU fühlt man sich in die Ecke gedrängt (im wahrsten Sinne des Wortes, denn die Region Ignalina liegt nun direkt an der Ostgrenze der Europäischen Union). Mit der Abschaltung bis 2009 sieht eine ganze Region den endgültigen Niedergang voraus, denn die meisten Auslandsinvestitionen gehen in die Hauptstadt Vilnius oder ni das auch bei West-Touristen leichter zugängliche West-Litauen.

Die Schlußfolgerung der drei Baltenstaaten ist dabei nicht nur, dass die eigenen Länder eines neuen Energieversorgungskonzepts bedürfen. Schließlich hat man mit dem Letten Piebalgs erstens einen EU-Kommissar, und zweitens einen Atomjünger in den eigenen Reihen. Bei den internationalen Begrifflichkeiten ist man sich ebenso sicher, und so wird denn eine "Road map" der nachhaltigen und ausgewogenen Energieversorgung gefordert, die einen guten "Energiemix" enthalten müsse.
Drei Milliarden Euro soll der Bau eines neuen litauischen AKW kosten, das dann nach 6 - 8 Jahren Bauzeit eine Kapazität von 700-1,600 Megawatt haben soll. Damit sei man in der Lage, auch Verbraucher in Skandinavien oder Deutschland zu versorgen, so litauische Regierungsvertreter gegenüber der Presse (BALTIC TIMES).
Während EU-Energiekommissar Piebalgs verlauten ließ, er sei gegen staatliche Unterstützung für den Bau von privat betriebenen Kraftwerken, hat der litauische Wirtschaftsminister Kestutis Dauksys da offensichtlich anderes im Sinn: "mindestens 34% der Aktien" solle der litauische Staat in seinen Besitz bringen, so Dauskys Presseberichten zufolge.

Nach dem Atomrausch: wohin mit dem Müll?
Nunmehr ist nur noch davon die Rede, dass Litauen ja Erfahrung habe mit dem Betrieb und der Sicherung von atomaren Anlagen.
Auf eines kann zumindest die litauische Regierung bauen: die Bewohner der Region Ignalina werden wohl kaum auf die Barrikaden gehen, sollte ein AKW-Neubau in Angriff genommen werden. Und welche andere Region kann das schon von sich behaupten?
Allerdings: auch den atomaren Abfall wird Litauen entsorgen müssen. Litauen plant nach der endgültigen Stilllegung des Kernkraftwerkes Ignalina den Bau eines Atommüll-Endlagers nahe der weißrussischen Grenze. Da kommt das gegenwärtige Aussehen um die wenig demokratischen Wahlen im östlichen Nachbarland offenbar propagandastrategisch gerade recht: es scheint wenig wahrscheinlich, dass Proteste des Lukashenko-Regimes gegen diese wenig (umwelt-)freundliche Absichten im Westen Gehör finden werden.
Zwar berichteten DEUTSCHE WELLE und das Internet-Portal BELARUS-NEWS entsprechend eindeutig, und zitieren eine wissenschaftliche Mitarbeiterin des radiochemischen Labors der Staatlichen Belarussischen Universität mit ihren Sorgen. Doch wer will das gegenwärtig hören? Gefahren für Belarussische Kurorte? Wer kennt schon belarussische Kurorte, scheinen sich die maßgeblichen Politiker zu sagen.


Die Frage ist vielleicht: gibt es wirklich nur kritiklose Atom-Jünger in Litauen, die sich durch die Folgen der sowjetischen Energieversorgungspolitik so dermaßen in die Irre führen lassen? Und gibt es wirklich nur Ignoranten im übrigen Europa, die sich um die eigenständige Entwicklung auch der ländlichen Regionen in Litauen nicht kümmern, damit dann die wirtschaftlich in die Enge Getriebenen aus angeblich unvermeidlichen Zwängen heraus Projekte mit langfristigen Folgen akzeptieren, die auf Generationen hin weder den Finanzbedarf noch die Sorgen um Umwelt und Gesundheit irgendwie kleiner werden lassen?

27 Februar 2006

Keine Briefe aus Litauen ...

"Litauer schauen nicht in ihren Briefkasten", so berichtet Christiane Fenske aus einer "Ethnologie"-Ecke des Berliner TAGESSPIEGEL. Warum nicht? "Weil sie keine Briefe schreiben", so Fenskes These, die zu begründen ihr die anerkannte Zeitung Raum gegeben hat.
Kann das stimmen? Oder ist es vielleicht im Zeitalter von Internet und Email eine eher allgemeine Tendenz?

Die Argumente lesen sich eigentlich widersprüchlich: einerseits habe man dank Billigtarifen in sowjetischen Zeiten endlose Telefongespräche führen können, und Briefe seien ja oft von der Zensur geöffnet worden, lesen wir da. Andererseits habe aber kaum jemand privat ein Telefon gehabt. Waren die Telefoninhaber also alles staatstragende Leute? Und konnten nicht gerade Telefongespräche ebenfalls prima abgehört werden?
Aber vielleicht hatte man sich ja daran gewöhnt, weder in Briefen die ganz krassen Formulierungen zu verwenden, noch am Telefon über die Regierung zu schimpfen ...


Heute darf man wohl beides. Nur: Telefonieren über Festnetz ist in Litauen manchmal teuerer als über Handy, und wenn sich Weihnachtspost in einem litauischen Briefkasten findet, dann stammt sie oft von einer Behörde - jedenfalls den Recherchen von Fenske zufolge.

Ob die deutsch-litauische Kommunikation unter dieser angeblich Brieffaulheit leiden wird? "Ich bin aus Litauen, ich suche Freunde um die Briefe zu schreiben" - so drückt es Edita aus Litauen im Internetforum "Deutsch als Fremdsprache" aus. Allerdings: Auch dieses Gesuch hat sie wohl als Email geschrieben! Und: Ob sie noch jemand finden wird, der wirklich "Briefe schreiben" will?

Vielleicht sind es die Kirchengemeinden, in denen die wahren Briefeschreiber sitzen. "Die partnerschaftlichen Beziehungen zwischen der Pfarrei St. Marien in Elektrenai/Litauen und unserer Gemeinde bestehen nun seit zweieinhalb Jahren. Seitdem gibt es einen regen Briefwechsel und gegenseitige Besuche," schreibt Monika Rattunde aus der Pfarrei St. Albert in Freiburg. Aber ob es tatsächlich handgefertigte Sackpost war, lässt auch diese Formulierung offen. Aber vielleicht ist der folgende Satz auch ein Tipp, wie Briefe attraktiv verpackt doch noch ihre Empfänger finden: "Zu Ostern schickten wir als Zeichen der Verbundenheit eine Kerze nach Litauen."

"Du kannst nicht Monate lang nur Briefe schreiben und Dich dann beschweren das Du nicht weiter kommst!" - wo findet man solche Sätze? Und wer schreibt wohl monatelang Briefe? Richtig, das ist eine Partnervermittlung (True Love), und der Beschwerdeführer (ein "Holger" aus Berlin) will auch hier vom Briefeschreiben weg, und endlich "mehr" (er hat die Adressen pro Stück bezahlt). Die Agentur verspricht unter anderem auch "baltische Schönheiten" aus Litauen - aber wer hier Geld ausgibt, ist wohl selbst Schuld.

Im "Forum Brieffreundschaften" suchen die Anfragenden denn auch vorsichtshalber auch schon gleich "Mailfreundschaften", oder drohen gar: "Wer will mit mir in den Emailkrieg treten?"

Was aber lesen wir in Emails? Unter der winterlichen Überschrift "Bibber" teilt Michelle uns mit:
"Es ist schon erstaunlich, wie mich ein Wintersemester im eiskalten litauen so abgestumpft hat, dass mir überhaupt nicht aufgefallen ist, dass ich den ganzen september gefroren habe. heute wurden dann erstmals ein paar übrig gebliebene holzscheite verheizt und ich bin total euphorisch, weil meine hände und füße nicht eiskalt sind, weil ich mich nicht in eine decke einwickeln muss und weil das ganze haus von einer wohligen wärme erfüllt ist." Wer würde da nicht gern zum tröstenden "Mailfreund" werden?

Die Freunde des realen Papierschreibens haben sich auch im Internet längst organisiert. Die "International Pen Friends" (IPF) unterhalten deutsche wie auch internationale Webseiten. Und hier kommen die Schreiberlinge zu doppelten Ehren: handgeschriebenes wird nun auch virtuell einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Wo also keine Briefe mehr geschrieben werden, da können sich die Beteiligten über ehemals geschriebenen Werke endlos weiter austauschen ....