08 November 2010

Der blonde Standard

Litauen macht Schlagzeilen. Wo? Nein, weder in Litauen, noch in Deutschland. Allerdings in der internationalen Presse. Gäbe es eine Rubrik "verrückte Unwichtigkeiten", so würden diese Nachrichten hier landen. Oder dort, wo man gemeinhin das "Sommerloch" vermutet. 

Beamtenjogging
Manche Nachrichten scheinen auch geradezu durch die Welt zu reisen, als Produkt der Medienwelt. Da melden "Focus", "Hamburger Abendblatt", "Die Welt", "Spiegel" und viele mehr: "Staat setzt dicke Polizisten auf Diät". Oder ist es eher ein Produkt der gerade eben abgelaufenen ARD Themenwoche "Essen ist Leben"? Werde so Journalisten trainiert, aus dem großen Topf der täglichen Meldungen irgendwie Passendes zu liefern? Die NDR "Weltbilder" machen einen ganzen Filmbericht daraus. 
Die Themenwoche ist vorbei - die "Polizeidiät" hat offenbar Freunde gefunden. Der Redaktion der "Welt" zum Beispiel war es noch nicht genug, und berichtet nun über Litauen. Nicht über Cepelinai, nicht über schicke Restaurants in Vilnius, nicht einmal über das sonst im Herbst so beliebte Thema der Qualität litauischer Pfifferlinge. Nun sind es die Busfahrer, die angeblich zu dick sind. Das allein wäre ja noch keine Nachricht. Nun wird behauptet, eine litauische Firma wolle ihre Busfahrer nach Gewicht bezahlen: "Je dünner, desto fetter das Gehalt". Grundlage? Hm, das abgebildete Foto (ein städtischer Bus vor dem Hauptbahnhof von Vilnius) hat schon mal nichts damit zu tun. So klicken wir uns weiter, denn immerhin sind die Namen der betroffenen Firma (einem Busunternehmen aus Šiauliai), deren Chef und einer Gewerkschaftsvertreterin genannt. Auch die Quelle wird genannt: Ein Bericht der Regionalzeitung Šiaulių kraštas. Also: kein Witz leider, sondern nach den verschiedenen Berichten über deutsch-litauische Sozialprojekte und Hilftransporte in der vergangenen Woche auf Platz 3 der Litauen-Berichte.

Hauptsache Blond
Auf Platz 1 rangiert eine noch verrücktere Geschichte. Litauische Tourismuswerbung in Deutschland - da stellt man sich zunächst mal Kurische Nehrung, und vielleicht noch Vilnius vor. Jetzt hat es aber eine andere Schlagzeile in die internationalen Medien geschafft -nur schade, dass sie gar nicht in Litauen spielt. 
Schon Riga hatte in den vergangenen Jahren versucht, mit "Blondinen-Paraden" Aufsehen zu erzeugen. Aber was Lettland kann, das kann Litauen offenbar schon lange. Jetzt sorgt ein litauisch betriebenes Hotel für Ausehen, in dem ausschließlich nur blonde Mitarbeiterinnen vorzufinden seien.Der Betreiber ist die Firma Olialia“, verantwortlich eine Frau: Giedrė Pukienė. Allerdings gibt es das Hotel noch gar nicht: erst 2015 soll es auf den Malediven fertig gestellt werden, mit Hiilfe von Investoren aus Russland, Deutschland und England. Dem entsprechend stolz sind die Olialianer, dass Anfang Oktober das britische Boulevardblatt "Sun" die Geschichte mit großen Aufmacher herausbrachte - denn schließlich wären dessen Leser genau die potentiellen Kunden (siehe auch: BBC).
Zitiert wird in der britischen Presse gleichzeitig, dass es auf den Malediven Spannungen geben könnte, da konservative Islamisten diese touristischen Einrichtungen auf ihrer Insel wegen ihres offen propagierten exzessiven Alkoholausschanks kritisieren. Die blonde Kunde hat auch bereits die USA erreicht: auch CNN übernimmt offenbar gerne, was die litauischen Mangerin vorgibt: auch die anzustellenden Blondinen sollen mit einem speziellen Flugzeug zum Hotel gefolgen werden - assistiert von blonden Flugbegleiterinnen natürlich. Andererseits übernimmt "Olialia" gern, was andere schreiben: auch Kritik ist willkommen, ganz nach der Devise: Hauptsache jemand redet drüber.
Die Story zieht sich auch durch einen großen Teil der deutschen Medienlandschaft. Ob die einseitige Bevorzugung von Blondinen nicht "sexistisch" sein könnte, oder arbeitsrechtlich eine unrechtmäßige Bevorzugungen von Angestellten einer bestimmten Haarfarbe darstelle - es gibt viele schöne Argumente, über das Thema zu diskutieren (z.B. Frauenzimmer.de).
Und solange wie die Malediven noch "Zukunftsmusik" bleiben, bleibt "Olialia" aber nicht untätig. In Vilnius wurde ein "Olialia Blondinen-Nachtklub" eröffnet. Die Firma ist auf 75 verschiedenen Geschäftsfeldern tätig, von der "Olialia-Cola" bis zur IT-Branche.
Da fragt man sich doch langsam, wie abgehoben eine Tourismuswerbung noch sein kann - verglichen mit dem Litauen, was zumindest ich bisher kannte und schätzen lernte. Zwar sind die Cepelinai sowieso "blond", aber, liebe Litauerinnen, bleibt bitte wie ihr seid!

02 November 2010

West-östliche Partnerschaft: Last, but not least


Als letztes, aber deshalb nicht als geringer wertiges Land der Europäischen Union besucht der deutsche Außenminister Guido Westerwelle heute Litauen. Auch Bundeskanzlerin Merkel besuchte zuletzt erfreulicherweise nicht "das Baltikum", sondern jedes Land in einer sinnvollen aktuellen Perspektive. Dass die drei baltischen Staaten manchmal nur allzu neidisch aufeinander schauen, ist die eine Sache. 

Aber muss ein litauischer Regierungschef nervös werden, wenn ein deutscher Außenminister nach seinem Amtsantritt zunächst nur Estland besucht? Ich meine: Nein. So wie es damals für Westerwelle Sinn gemacht haben mag, nach Estland nach Asien weiterzu reisen, so ist es diesmal mit Litauen und Weißrussland. Litauen versteht sich längst als Mittler zwischen den EU-Staaten und den Staaten der "östlichen Nachbarschaft". In einer Reihe von Konferenzen und Arbeitsbesuchen hat Litauen Kompetenz aufgebaut, hier ein Netzwerk der Kooperation zu schaffen - und wenn nicht Zusammenarbeit, denn wenigstens Kennenlernen. Und es dürfte auch davon auszugehen sein, dass Ažubalis und Westerwelle sich bereits intensiv kennengelernt haben, da die Strukturen der EU-Zusammenarbeit eng gefasst sind: erst am 25.10. fand ein Treffen der EU-Außenminister zur östlichen Partnerschaft statt. Und als stellvertretenden litauischen Außenminister findet Westerwelle heute den langjährigen litauischen Botschafter in Berlin, Evaldas Ignatavičius wieder. Dessen vorrangige Aufgabe ist es heute, den litauischen Beitrag zur Partnerschaft mit den Ländern in der östlichen Nachbarschaft der EU mit zu entwickeln. Also widmet sich die Presse zurecht auch den gemeinsamen Problemzonen zu, wie zum Beispiel also Weißrussland. 

Westerwelle selbst sieht seinen Besuch in Litauen - wie es offenbar abgestimmte Position der gesamten Bundesregierung ist - in engem Zusammenhang der deutschen Beziehungen zu Russland. Dies zeigt schon die extra vom Amt herausgegebene "Reisekarte": vor dem Russland-Besuch nach Lettland zu reisen, oder in diesem Fall nach dem Besuch nach Litauen, das macht aus deutscher Sicht Sinn. Ebenso schlüssig ist es, den Besuch in Weißrussland gemeinsam mit dem polnischen Außenminister Sikorski zu bestreiten. 


Nur ein Wunsch bleibt noch offen: nennt doch bitte - denn unaussprechlich ist er nicht - die litauische Hauptstadt beim Namen, den sie hat: Vilnius.