20 August 2008

Viel zu tun in Litauen

Vor wenigen Tagen trat der neue Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Litauen, Hans Peter Annen, sein Amt in Vilnius an. Annen war zuvor als Botschafter in Albanien tätig, und war auch schon in New York, Budapest, Madrid und Kiew tätig gewesen.
Eine unruhige Zeit in Litauen -und das nicht, weil im Oktober Parlamentswahlen anstehen. Vor allem wegen dem Geschehen in Georgien ist dabei, die politische Gemütslage Litauens stark zu beeinflußen.

Das sieht auch der litauischen Außenminister Petras Vaitiekūnas ähnlich, der Annen am 20.August empfing. Bereits nächste Woche wird Bundeskanzlerin Angela Merkel zu Besuch in Litauen erwartet. Eigentlich wäre ja vielleicht eine Zwischenbilanz der unter dem Label "essentia-baltica" konzentrierten Kulturveranstaltungen vielleicht ein angenehmeres Gesprächsthema gewesen. Nun hat aber heute auch noch Polen eilig seine Unterschrift unter die US-amerikanische Raketenaufrüstung gegeben, und auch aus litauischer Sicht wächst die Besorgnis, was sich da wohl im Osten zusammenbraut. Der EU-Russland-Rat ist vorerst auf Eis gelegt, und die NATO beeilt sich Georgien eine Beitrittsperspektive zu versichern. Die litauische Regierung betont, dass eine friedliche Lösung in Georgien nur auf Basis der Unantastbarkeit georgischen Territoriums erfolgen könne.

Wichtig wird für Litauen weiterhin die Frage der Sicherung der Energieversorgung bleiben - auch das ist mit der zukünftigen Entwicklung des Verhältnisses mit dem östlischen Nachbarn Russland verknüpft. Mal sehen, welche Rolle Deutschland in dieser Hinsicht in der nächsten Zeit übernehmen wird. Ende 2009 soll die veraltete Anlage des Atomkraftwerks Ignalina endlich geschlossen werden - was danach kommt, bleibt weiterhin teilweise unklar. Zu erwarten ist vielleicht eher, dass beide Seiten die guten wirtschaftlichen Beziehungen allgemein loben werden. Kanzlerin Merkel wird sicher ein paar fotogene Orte in Litauen finden, um sich dort nächste Woche ablichten zu lassen ...

Pressemeldung des litauischen Außenministeriums zur Amteinführung von Botschafter Annen

Pressemitteilung der Deutschen Botschaft in Vilnius

Litauische Pressemitteilung zum NATO-Treffen mit Thema Georgien

Zusammenfassung der litauischen humanitären Hilfe für Georgien

14 August 2008

12 August 2008

Zeit der Besinnung - auf Freunde und Nachbarn

Hin und hergerissen, verunsichert, besorgt müssen wir verfolgen, was sich in Georgien tut. Aus litauischer Sicht ist es ein Top-Thema: am 9.August (Samstag) war der litauische Außenminister Petras Vaitiekūnas selbst zu Besuch in Georgien. Zurecht glaubte er sich am Ort eines wichtigen Geschehens und telefonierte eifrig, unter anderem mit Javier Solana, mit Repräsentanten der NATO, und bereitet einen Bericht fürs EU-Außenministertreffen vor. Die EU-Initiative einer unabhängigen Friedensmission wurde von ihm mit ausgearbeitet.Litauische Vermittlung - funktioniert das?
Am 10.August entschied sich
Vaitiekūnas, in Georgien zu bleiben, und bemühte sich als Vermittler. Allerdings: immer wenn in den Pressestatements die russische Seite erwähnt wurde, hieß es von litauischer Seite immer nur schlicht: "die Russen stellten ihre Haltung dar." Mich hätten ja mal für Details interessiert: Putin und Medwedjew hatten ja da schon Statements abgegeben, die Georgiens Präsident Saakaschwili als "Kriegsverbrecher" bezeichnen, und das militärische Vorgehen Georgiens gegenüber Südossetien verurteilen. Was sagt Zaakaschwili selbst dazu? Was hatte das georgische Militär vor, was haben sie tatsächlich gemacht? Auch da haben Menschen gelitten - aber dazu nichts von litauischer Seite. (ich kann nur sagen: es hätte die Welt interessiert). Eine Auseinandersetzung mit den russischen Anschuldigungen findet eher in Blogs (schon wieder diese Blogs!) einzelner Aktivisten statt, so z.B. hier.

Das litauische Bemühen scheint mehr auf eine Stärkung der eigenen Rolle im europäischen Rahmen ausgerichtet zu sein. Vaitiekūnas telefoniert mit Steinmeier, mit Maris Riekstins, Radoslaw Sikorski, Alexander Stubb, Carl Bildt, Condoleezza Rice.
... und verspricht medizinische Hilfe für die georgische Stadt Gori. Beim
Democracy and Development Assistance Fund wird ein litauisches Sonderkonto für Georgien-Spenden eröffnet, ebenso beim litauischen Roten Kreuz. In einer Pressemtteilung am 10.August macht der litauische Außenminister unmißverständlich klar, wie er die Lage sieht: "eine offensichtliche Agression Russlands" sei im Gange. Dies müsse gestoppt werden, darüber seien sich die EU-Kollegen einig. "Unschuldige Zivilisten leiden darunter", so Vaitiekūnas.
Noch am gleichen Tag erreicht Präsident Adamkus ein Anruf von US-Präsident Bush. Adamkus informiert Bush darüber, dass er selbst zusammen mit den Präsidenten Estlands, Polens, und der Ukraine, sowie mit Regierungschef Godmanis aus Lettland in Kürze Tblissi besuchen wollen, um ihre so ihre Unterstützung für Präsident Saakaschwili zu zeigen.

Der nächste Schritt
Gut, nun also keine Vermittlung mehr, sondern Organisation der Georgien-Hilfe. Am 12.August kehrte
Vaitiekūnas nach Litauen zurück, dafür ist nun Adamkus in Georgien. Da die Webseiten der georgischen Regierung zeitweise nicht erreichbar waren (blockiert von Russland-freundlichen Hackern?). Das litauische Außenministerium schaltet auf der eigenen Webseite einen Hinweis: nutzen sie den Blog des georgischen Außenministeriums! Aha, so werden auch Minister zu Aushilfs-Bloggern. Seit dem 12.August schildert dort die georgische Regierungsseite ihre Sicht der Dinge.
Das von Russland verkündete "Ende der Kampfhandlungen" wird eilens von litauischer Seite so kommentiert, dass sich russische Truppen "aus ganz Georgien" zurückziehen müssten. Damit werden sie so schnell keine gemeinsame EU-Position aufbauen können.

Zeit der gemeinsamen Erklärungen
Bereits am 9.August - also bereits vor den oben beschriebenen Abläufen - hatten die Präsidenten Estlands, Lettlands, Litauens und Polens den Text einer gemeinsamen Erklärung veröffentlicht (Wortlaut). Darin wird festgestellt, man wolle gemeinsam alles tun, "damit es nicht still werde um die Agression Russlands gegen ein kleines Land in Europa". Gefordert wird quasi ein Stop der Verhandlungen um das neue EU-Russland Abkommen; das Aufkommen einer neuen "imperialistischen und revisionistischen Politik" in Osteuropa müsse verhindert werden. Weiterhin drückt die Erklärung gemeinsames Bedauern darüber aus, dass Georgien noch keine Beitrittsperspektive zur NATO eröffnet wurde. Mehr: die Ablehnung des NATO-Beitrittsgesuchs habe "grünes Licht gegeben für eine Agression in dieser Region". - Das kann - mit Verlaub, liebe Präsidenten - auch umgekehrt gesehen werden: mit Zaakaschwili wird es wohl keinen NATO-Beitritt geben, auch durch seine eigene Rolle bei den nun hoffentlich sich wieder beruhigenden Konflikten.

Einen Tag später, am 10.August, zogen die Parlamentspräsidenten Ergma (Estland), Daudze (Lettland) und Juršėnas (Litauen) mit einer eigenen Erklärung nach. Das, was im Moment in Georgien vorgehe, müsse in all jeden Ländern Besorgnis hervorrufen, in denen russische Staatsbürger wohnen. So steht es hier zu lesen. Die Regierungen der Unterzeichner seien nun aufgerufen Maßnahmen zu ergreifen - in Kooperation mit NATO und EU - damit es ähnliche Vorgänge in Zukunft nicht mehr geben könne.


Doch im Eifer des Gefechts (im wahrsten Sinne des Wortes) waren auch manche Töne zu hören, welche die Besorgnis nicht so schnell schwinden lassen.
Angesichts dessen, was die USA an "sicherheitspolitischen Maßnahmen" so alles in Osteuropa kürzlich veranstaltet hat (Raketenstationierung, Militärberater für Georgien), ist anzunehmen, dass Russlands Reaktion im Fall Georgien auch Sympathisanten hat - nicht nur unter den ethnischen Russen.

"Die EU muss dem russischen Agressor klar machen, dass er zu weit gegangen ist." Das meint ein Kommentar in der "Financial Times". Deutlich zu vernehmen sind aber auch Stimmen, die meinen, insbesondere der georgische Präsident Saakaschwili habe sich "verspekuliert" und wohl angenommen, die NATO käme ihm zuhilfe, wenn er die internen Konflikte Georgiens auf militärische Art und Weise zu lösen beginnt.
Abseits von allen Aufgeregtheiten bleibt hoffentlich klar: Europa muss in erster Linie an der Erhaltung des Friedens interessiert sein.

06 August 2008

Kaunas kommt groß raus

"Istorinis Kauno laimėjimas" - so jubeln die Sportfans in der zweitgrößten litauischen Stadt Kaunas. Aus verschiedenen Gründen wurden in dieser Woche Erinnerungen an bessere Zeiten im litauischen Männerfußball wach. Der "Fußball- und Baseball-Klub Kaunas" schlug in der Qualifikation zur Championsleague immerhin Glasgow Rangers (Hinspiel in Schottland 0:0, Rückspiel in Kaunas 2:1).

Dabei sind litauische Fußballer in Schottland nichts Unbekanntes. Der FBK Kaunas wird gesponsert von der
Ūkio-Bank, dessen Hauptanteilseigner der russische Unternehmer Vladimir Romanov ist (Vladimiras Romanovas - der SPIEGEL nannte ihn mal "Mini-Abramowitsch ohne Herz", die BBC "former soviet nuklear submariner"). Romanov ist auch Eigentümer des schottischen Klub "Hearts of Midlothian", und hat so schon für den einen oder anderen Transfer von Litauen nach Schottland gesorgt. Hat sich nun also genug Kenntnis über den schottischen Fußball in Litauen angesammelt? (Auch die Ūkio-Bank hat Filialen in Schottland...) Die UEFA-Webseite zur Championsleague titelt: "Kaunas überrascht ganz Europa", und verrät gleichzeitig, dass der FBK seit wenigen Wochen einen neuen Trainer hat, einen Portugiesen.

Der bisher bekannteste Trainer der Litauer war ihr bisheriger Nationaltrainer Algimantas Liubinskas. Ja richtig, derjenige, der 2003 die litauische Nationalmannschaft auch zum 1:1 im Länderspiel gegen Deutschland führte. Nun schmeisst Liubinskas seinen Job hin und wechselt in die Politik - zumindest kandidiert er zunächst mal, und zwar bei den litauischen Parlamentswahlen im Oktober auf der Liste er Partei "Tvarka ir Teisingumas" (Ordnung und Gerechtigkeit), dessen Vorsitzender der skandalumwitterte Rolandas Paksas ist. Nun muss der ehemalige Nationaltrainer zumindest mehr Offenheit üben, als es früher mit Mannschaftsaufstellungen und Trainingsmethoden nötig war: auf der Wahlliste seiner Partei steht er immerhin mit Email und Telefonnummer.
Ein Amt soll ihm, verschiedenen Medienberichten zufolge, schon sicher sein: das des Sportbeauftragten des Bezirks Vilnius.

Webseite FBK Kaunas

02 August 2008

Wer nach China fährt, müsste Mamontovas heißen!

"Nereikalingi žmonės - das mag gewöhnlichen Deutschen durchaus ähnlich wie chinesisch klingen. Aber gerade in China ist dieses litauische Kulturprodukt seit kurzem am besten bekannt. Es ist der Titel eines Films, der im Juni 2008 beim Filmfestival in Schanghai (einem der größten Filmfestivals der Welt) gleich zwei Preise gewann: beste Regie und beste Filmmusik. Der erste Preis auf einem internationalen A-Festival für einen litauischen Film.

Ein Film über Irland. Eine irisch-litauische Koproduktion, die stolz darauf verweist, der erste 100%ig privat finanzierte litauische Film zu sein. Der bald nach seinem Kinostart Anfang 2008 Rekorde an litauischen Kinokassen aufstellte. Mit Maris Martinsons ein Regisseur aus Lettland, der sich auch im litauischen TV in litauischsprachigen Interviews gut schlägt. Irland, ein Thema in Litauen spätestens mit dem Aufkommen der Insel als Zielland für Arbeitssuchende. Und Musik aus Litauen - auch über Irland. Nun hat auch Andrius Mamontovas seine "Rose of Irland" geschrieben. Soundtracks hat der ehemalige FOJÉ-Leadsänger und Mamlet-Darsteller schon einige geschrieben. Und bei der Eurovision ist er auch schon aufgetreten - relativ erfolgreich (LT United).

Mamontovas selbst spielt einen Priester in "Loss" (so der englische Filmtitel). Auch Kostas Smoriginas
ist wieder dabei - und so erinnert die Thematik auch etwas an "Geflüsterte Sünden", der mit Jurga Ivanauskaites Themen (und Mithilfe) entstandene Film. Wieder geht es um zwei zentrale und sehr unterschiedliche Frauen, aber letztlich auch um ein Kind. Um Illusionen und Zukunftshoffungen, Emigration und Heimat.

Regisseur Martinsons äusserte zur Szene der Filmproduktionen in Litauen wie in Lettland: "Ein geschlossener Kreis von Direktoren und Produzenten rund um das Ministerium für Kultur, die sich das Geld untereinander aufteilen." Martinsons zog zusammen mit seiner (zweiten) lettischen Frau Linda Krukle nach Litauen und gründete die Filmproduktionsfirma ARTeta. "Ich habe mich auch in Vilnius verliebt", sagt er. "Manchmal fahren wir noch nach Riga und besuchen das 'Osiris', unser Lieblingsrestaurant dort. In Litauen kann man eigentlich eher ein berühmter Basketballspieler oder Wissenschaftler werden. Aber wir können ja reisen."

Erfolge in China - also länderübergreifend möglich, unter der Flagge Litauens.

Mehr Infos zum Film

Intervieww mit Maris Martinsons, Linda Krukle und Andrius Mamontovas bei "Vilnius now" (Alfa.lt, engl.)

"Loss" bei Wikipeda

TV-Interviews zum Film (litauisch)

Filmrezension (litauisch)