31 Juli 2008

Auf nach China - oder auch nicht?

Wie hält es Litauen mit den olympischen Spielen? Nun, Präsident Adamkus hat verlauten lassen, er werde nicht zur Eröffnungsfeier fahren. Ob das irgend etwas mit einer "Free-Tibet"-Sympathie zu tun hat, blieb offen.
Regierungschef Kirkilas dagegen reist mit Frau gleich eine ganze Woche an: vom 17. - 25.August weilen die beiden in Peking. Der Ma
nn ist Optimist: am 16.8., 18.8. wird die Basketball Vorrunde zu sehen sein, am 20.8. Basketball Viertelfinale, am 22.8. Halbfinale, am 24.August Finale. Dazwischen, am 19.August, noch das Finale im Diskuswerfen. Nur die Radrennen der Frauen werden schon zwischen dem 9. und 13.8. ausgetragen - auch hier waren gerade Litauerinnen oft schon mit vorne zu finden.

Auch Basketball-Sponsor DNB-Nord-Bank möchte mit litauischem Basketballerfolgen in Peking werben: pro Sieg der Krepsinis-Jung soll es 0,1% Zinserhöhung auf entsprechend vorher platzierte Einlagen geben. Schon 2007 habe das gut funktioniert: 29 Millionen Litas seien auf einem speziellen Basketball-Fonds angelegt worden, und das Team habe 12 Siege eingefahren, also 1,2% Zinsgewinn.

Bei der Eröffnungszeremonie wird Basketballstar Šarunas Jasikėvičius die litauische Fahne tragen - zur Teilnahme nominiert sind bisher 70 litauische Sportlerinnen und Sportler. "Möge die Liebe zu Litauen hell in unseren Herzen brennen!" schreibt Artūras Poviliūnas, Präsident des litauischen NOC, in der Olympiabroschüre. Und weiter, fast schon US-pathetisch: "i believe you can do it!" - Was "es" zu bedeuten hat, dürfte klar sein: auch Litauen möchte möglichst Medaillen erreichen.

Mehr dazu:
litauisches Olympiateam (PDF-Datei)

Olympiageschichte Litauens (PDF)

Litauisches olympisches Komittee

Olympischer Zeitplan

29 Juli 2008

Litauische Eisbären für Bremerhaven

Drei minus eins plus eins gleich drei - kompliziert, und doch so einfach: seit 2001 trainiert der Litauer Šarūnas Sakalauskas die Basketballmannschaft der Bremerhavener Eisbären. 2005/2006 wurde Sakalauskas sogar zum "Trainer des Jahres" in der deutschen Basketball-Bundesliga gewählt. Zuvor hatte der "Basketball-Doktor" die Bremerhavener Mannschaft aus der 2.Liga bis ins Halbfinale um die deutsche Meisterschaft geführt.
Und jedes Jahr fürchten die Bremerhaven
er, ihr litauischer Sportlehrer könnte auch noch zu höheren Ehren berufen werden: zum Beispiel für den Job des litauischen Nationaltrainers.

Für die neue Saison 2008/2009 wird es aber vorerst auf der Trainerbank nur eine Änderung geben:
für die Fitness wird künftig Kestutis Laurinskas zuständig sein, nachdem Vorgänger Vidmantas Slapokas zum litauischen Spitzenclub Lietuvos Rytas Vilnius wechselte; Assistenzcoach bleibt neben Sakalauskas weiterhin Algirdas Milonas. "Der 26 Jahre alte Absolvent der Medizinischen Universität in Kaunas (Fachgebiete Public Health und Rehabilitation/Kinesiotherapie) verfügt trotz seines jungen Alters über erstaunlich viel Erfahrung in seiner Heimat Litauen," so steht es auf der Homepage der Eisbären zu lesen, und weiter: "... so gehört er unter anderem zum medizinischen Betreuerstab für die Olympischen Spiele in Peking im kommenden August." Ein "halber" Bremerhavener Olympiateilnehmer also. Ein rein litauisches Spitzentrio. Und mit Arturas Valeika wurde auch wieder mal ein litauischer Spieler zu den Eisbären geholt (bisher: Zygimantas "Zygi" Jonušas). Glückliches Bremerhaven!

Homepage Eisbären Bremerhaven

Fanseite
Eisbären-Power e.V.

21 Juli 2008

Muss Litauen die USA beschützen?

Das alte und das neue Europa - die letzten Monate der Amtszeit des US-Präsidenten Bush hinterlassen noch die Spuren dieses einst so abschätzig gemeinten Spruches. Noch hinken die neuen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union dem Wohlstandsniveau von Westeuropa weit hinterher - konsumieren aber soviel sie können, zur Not auch auf Pump. Da bieten sich andere Betätigungsfelder, wo man "ganz vorn" sein kann, und sich soweit interessanter machen kann, dass man Gegenstand einer internationalen Diskussion wird. Kurz gesagt: was nützen Litauen die gegenwärtigen Verhandlungen um die Stationierung eines US-amerikanischen Raketenabwehrsystems in Osteuropa?

Litauen bietet sich an
In manchen Medien taucht bereits das böse Wort von der "Agressionspolitik" auf - so im Schweizmagazin. Ob Litauen sich für den Fall bereit hält, dass Polen einer Stationierung der US-Raketen nicht zustimmt, darüber spekuliert die Öffentlichkeit bereits seit einiger Zeit, je nach politischer Sichtweise. Mittelbar könnte auch der Konflikt um eine mögliche NATO-Mitgliedschaft Georgiens der Hintergrund für vermehrte Aktivitäten sowohl von US-amerikanischer wie von russischer Seite sein - und Litauen steht dazwischen (als ausgewiesener Georgien-Unterstützer, so zum Beispiel als Mitbetreiber eines georgischen NATO-Informationszentrums).

Schon im Mai 2007 reagierten russische Duma-Abgeordnete sensibel auf Ankündigungen des litauischen Verteidigungsministers Juozas Olekas, er könne sich vorstellen, Elemente des US-Raketenabwehrsystems auch in Litauen aufzustellen (so zitiert es jedenfalls die russische RIA Novosti, auch Russland.ru). Bereits kurz darauf wurde gemeldet, dass Russland nun ebenfalls eine neue Interkontinentalrakete namens SS-24 bzw. SS-27 testen würde (russland.ru). Und ebenso aufmerksam wurde registriert, dass alle drei baltische Staaten demnächst von der US-Rüstungsfirma Lockheed mit neuen (konventionellen) Raketenabwehrsystemen ausgerüstet werden, um das gemeinsame Luftverteidigungssystem BALTNET zu stärken.

Die Entwicklung der vergangenen Monate fasste am 8.Februar 2008 ein Beitrag in der Neuen Züricher Zeitung zusammen: als "Antworten der NATO auf neue Gefahren" werden hier, bezug nehmend auf die litauische Sichtweise, auch Cyberattaken (wofür Estland als Beispiel genannt wird), aber auch Unterbrechungen der Energieversorgung genannt. Angesichts der als Willkür der russischen Seite empfundenen Unterbrechung der Rohölversorung für die Raffinerie Mažeikiai, der rasanten Verteurung anderer aus Russland gelieferter Energieträger (wie z.B. Gas), und der bevorstehenden Abschaltung des veralteten Atomkraftwerks in Ignalina sieht sich Litauen offenbar in die Enge getrieben - auch sicherheitspolitisch. Trotz schon lange bestehender Auflagen der EU will man nun über die Abschaltung des AKW Ignalina am 10.Oktober - parallel zu den Parlamentswahlen - ein Referendum abhalten. Und was die virtuelle Sicherheit angeht, so wurde es kürzlich dann auch noch auf litauischen Internetseiten ein wenig turbulent: auf hunderten von Seiten hatten Hacker sowjetische Symbole platziert.

Wer hilft wem?
Litauen sieht sich also in der Wahrung der eigenen Interessen bedroht, und bietet sich also auch als Standort für US-Raketenbasen an - rein propaganatechnisch geht aber Russland weiterhin voran. Die Schlagzeilen der staatlichen russischen Nachrichtenagentur reichen von "USA will Russland mit Raketenbasen einkreisen" bis "Polen manipuliert die USA". Unklar blieb dabei, in wieweit Polen und Litauen im Gespräch miteinander sind. Sucht nun die USA eine Alternative, um Polen zum Einverständnis zu bewegen, oder sucht Litauen eine Möglichkeit, stärkere Partner zu gewinnen für die Vertretung der eigenen Interessen in Europa?

Vielleicht würde man sich positivere Themen wünschen, um das litauische Image in Europa zu verbessern. Bald sind Olympische Spiele - da könnte es wieder mehr um Basketball oder Diskuswurf gehen. Aber vorerst schreiben Zeitungen wie die FAZ noch davon, dass die USA angeblich auf einen Abschluß der Gespräche um den "Raketenschild" noch vor Ende der Amtszeit von Präsident Bush dränge (18.6.08). Polen wolle US-Militärhilfe in möglichst großer Höhe heraushandeln (Reuters zufolge in Höhe von "Milliarden Dollar"). Aber was will Litauen? Da wird von russischer Seite (RIAN 26.6.08) auch schon mal behauptet, die angeblichen Gespräche Litauens mit den USA seinen nur eine polnische Erfindung zur Verbesserung der eigenen Verhandlungsposition. Russland dagegen denkt angeblich bereits über eine Verstärkung der eigenen Truppen im Gebiet Kaliningrad nach (Russland-Aktuell, 3.7.08). Nach Meinung des Schweizer Tagesanzeigers wiederum ist der Vertrag Polens mit der USA inzwischen abschlußreif, die ORF in Österreich meint dazu, Litauen schüre anti-russische Stimmungen, und die Junge Welt publiziert (am 12.7.) Gerüchte, ein Raketenstandort nahe Palanga sei bereits gefunden.

Wo soll das noch enden?
In Tschechien hat die Regierung inzwischen, im Gegensatz zu Polen, den US-amerikanischen Vorschlägen zugestimmt. Das dortige Parlament muss allerdings noch zustimmen - und manche hoffen nun auf Präsidentschaftskandidat Obama, der dieses Thema angeblich völlig anders angehen wolle. Bei Telepolis (heise.de) werden außerdem interessante Parallelen zwischen der Iran-Propaganda und der USA-Propaganda aufgezeigt, und in einem zweiten Beitrag wird zitiert, dass nur 36% der Polen die US-Raketenstationierung willkommen heißen würden (Telepolis 9.7.08). Umfragen in Litauen gibt es wohl noch keine. Derweil verkündet DIE WELT: "Auch Deutschland könnte vom Iran erpresst werden" (13.7.) und hält den Widerstand Russland gegen den geplanten Raktenschild für "irrational".

Da hilft es wohl auch wenig, auf all die Behauptungen hinzuweisen, die vor dem Irakkrieg so von denen in Umlauf gebracht wurden, die ein militärisches Einschreiten befürworteten. Blogger Ruslanas (ein Litauer), ein genauer Beobachter der Ereignisse in seinem Heimatland, beschreibt in seinem Blog Lituanica ebenfalls die polnisch-litauischen Irritationen. "Aber kein Rauch ohne Feuer", sagt auch er, und sorgt sich ebenfalls um die Sicherheitsinteressen von Litauen. Da liegt auch das Wort vom "Spiel mit dem Feuer" nicht mehr weit.

01 Juli 2008

Gefährliche Straßen

Nicht zum ersten Mal werden Statistiken bekannt, nach denen Litauen das Land mit den meisten Verkehrsunfällen in Europa ist. Warum? Ist das immer noch dem Umstand zuzuschreiben, dass Litauer mit Vorliebe PS-starke Westmarken kaufen, um sie dann rücksichtlos (und möglichst noch in angetrunkenem Zustand) über ihre staubigen Straßen zu jagen? Das kann ja wohl nicht sein. Oder doch? Der Europäische Verkehrssicherheitsrat (ETSC) gab dieser Tage eine Statistik für das Jahr 2007 heraus, der zufolge in Litauen die Zahl der Verkehrstoten immer noch ansteigt - trotz aller internationalen Bemühungen um die Verkehrssicherheit. Zitat: "Litauen hält in Europa den Negativrekord". Interessant nur, dass sich die Situation beim Nachbarn Lettland - bislang ebenso betroffen von hohen Unfallzahlen - langsam verbessert.

Kommentare von litauischer Seite finden sich bisher selten. Auf der Webseite der litauischen Gemeinschaft in Frankfurt/Main wird die Tatsache lediglich vermeldet. Imagefördernd kann es allerdings kaum sein, wenn deutsche Medien schon seit Jahren schreiben, in Litauen sei es am gefährlichsten, sich in den Straßenverkehr zu wagen (z.B. Spiegel online 10.10.2007). Dabei gilt in Litauen ein ziemlich strenges Alkoholverbot im Straßenverkehr (o,4 Promille), während in Lettland immerhin 0,5 Promille im Blut noch keine Strafen mit sich bringt. Doch wo fast nichts erlaubt ist, erregen dann krasse Übertretungen wiederum besonderes Aufsehen: mit über 7 Promille im Blut sollen bei einem litauischer LKW-Fahrer schon mal festgestellt worden sein, zitiert genüsslich der "JuraBlog".

Die EU hat sich zum Ziel gesetzt, die Zahl der Verkehrstoten - Ausgangsjahr ist hier 2001 - bis 2010 zu
halbieren. Den jetzt vorgelegten Zahlen für 2007 zufolge werden das in dieser Zeit aber voraussichtlich nur Frankreich, Portugal und Luxemburg erreichen. Dank einer seit 2001 langsam sinkenden Zahl von Verkehrstoten in Lettland wird das Erreichen dieses Zieles hier für 2015 prognostiziert (ebenso Deutschland).Die litauische Straßenbauverwaltung stellt diese Statistiken und Prognosen offenbar in einen ganz anderen Zusammenhang. Ganz nach dem Motto "Schuld waren unsere Vorgänger" werden hier die Unfallzahlen seit 1980 aufgelistet. Damit verglichen, wären die Unfallzahlen heute wieder etwa auf dem Stand von 1981 (6600 gegenüber 6329 damals), die Zahl der Toten im Straßenverkehr sogar kleiner (739 im Jahr 2007, 836 im Jahr 1980, mit einer Spitze von 1173 Toten im Jahr 1991 - da bekommt der Satz von der "road to independence" eine ganz neue Bedeutung ...).
Verletzte im Straßenverkehr gab es offenbar, diesen Zahlen zufolge, vor 25 Jahren weniger: 4673 waren es im Jahr 1980, 1991 ein Anstieg auf 6558, um im Jahr darauf wieder auf 4194 abzusinken, und heute bei 8234 Verletzten zu landen.
Verursacher von Verkehrsunfällen sind mit steigender Prozentzahl zu 75% die Autofahrer (14,9% Fußgänger, 6,9% Radfahrer).

Die Zahlen des Europäischen Verkehrssicherheitsrats ETSC hingegen beruhen weitgehend nur auf den Statistiken seit dem Jahr 1992. Im Zeitraum von 1992 bis 2006 seien im Straßenverkehr in Litauen insgesamt 10.000 Menschen getötet und etwa 60.000 verletzt worden, heißt es hier. Eine der häufigsten Unfallarten - neben überhöhter Geschwindigkeit (200 Tote hierdurch 2007), Alkohol am Steuer und Unachtsamkeit des Fahrers - seien immer noch Unfälle mit Fußgängern. Also: Augen auf besonders für diejenigen, die zu Fuß sich in Litauen bewegen! Die Zahl der Unfälle mit Radfahrern ging zuletzt leicht zurück (73 getötete Radler im Jahr 2007). Beim Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit gehen die Unfallzahlen auf den Autobahnen und Schnellstraßen zurück, während sie auf den Landstraßen steigen.

Vielleicht liegen die steigenden Unfallzahlen auch einfach in der wachsenden Anzahl von Autos auf litauischen Straßen begründet? Im Jahr 2000 waren in Litauen noch
1,28 Millionen Autos registriert (348 pro 1.000 Einwohner), 2007 ist die Zahl auf 1,97 Millionen angewachsen (585 Autos auf 1.000 Einwohner). (Quelle)

Im Laufe des Jahres 2003 reduzierte Litauen die erlaubte Geschwindigkeit innerhalb von Ortschaften von 60km/h auf 50km/h, was eine sofortige Reduzierung der schweren Unfälle um 12% für die restlichen Monate diesen Jahres und nochmals um 4% für 2004 mit sich brachte. In vielen Städten gibt es auch Zonen mit 40km/h Geschwindigkeitsbegrenzung, man überlegt zur Zeit eine Reduzierung auf 30km/h. Gemäß Aussagen der ETSC ist die gegenwärtig gültige Begrenzung auf 130 km/h auf Schnellstraßen noch zu hoch angesetzt - verglichen mit dem Straßenzustand.

Mut machen immer wieder die radelnden deutschen Touristen in Litauen. "Man kann ja auf einsame Nebenstraßen ausweichen", das ist immer noch der meistgelesene Rat für Furchtsame auf diversen Radler-Blogs und Infoseiten. Na denn: hoffen wir auf (zunehmend) einsichtige Autofahrer!

Weitere Infos:
Europäischer Verkehrssicherheitsrat (ETSC): Fact Sheet Lithuania (PDF-Datei, engl.)

Download der gesamten Studie zur Verkehrssicherheit in Europa 2008 (PDF-Datei)

Übersichtskarte der litauischen Straßenbauverwaltung zu besonders unfallträchtigen Stellen im litauischen Straßennetz