27 Oktober 2005

Adamkus steht Schröder auf der (Gas-)Leitung



Was macht eigentlich Gerhard Schröder?
Das fragten sich in dieser Woche einige deutsche Medien.
Noch ist Kanzler Schröder im Amt. Einige hatten ihm gar empfohlen, sich in Litauen mal ein Beispiel zu nehmen, wie ein Regierungschef auch dann in Ruhe weiterregieren kann, wenn er nicht Chef der stärksten Partei im Parlament ist.
Aber Litauen wird wohl nicht das Lieblingsland des nun bald ehemaligen Kanzler-Gerhards werden. Der litauische Präsident Adamkus fand anläßlich seines Staatsbesuchs in Deutschland überraschend deutliche Worte.

Beim neu gewählten Bundestagspräsident Lammert war Adamkus als erster Staatsgast überhaupt zu Gast gewesen. Hier sollen - laut einer Pressemitteilung des Bundestages - eher kulturelle Fragen, die wissenschaftliche Zusammenarbeit, und ein beabsichtigter verstärkter Jugendaustausch die Gesprächsthemen gewesen sein.

Offene Worte
"Russlands langen Schatten" sah die Deutsche Welle über Adamkus' Deutschlandbesuch schweben. Seit der überraschenden Bekanntgabe des Projekts des russischen Gaskonzerns Gazprom und der deutschen Energiekonzerne Eon-Ruhrgas und BASF, eine Gaspipeline auf 1200 km länge durch die Ostsee zu bauen (vom russischen Wyborg bis nach Greifswald), knirscht es vernehmlich in den Beziehungen Deutschlands mit einigen mittelosteuropäischen Staaten. Litauen ist, wie Lettland, die Ukraine oder Polen, sonst traditionelles Transitland für die Gas- und Ölpipelines. "Das es das Projekt gibt, ist gar nicht mal das Problem," so hiess es schon seit Wochen aus Kreisen der Botschaften Estlands, Lettlands und Litauens in Berlin, "aber das man uns vorher nicht einmal informiert oder kontaktiert hat, das ist schon ungewöhnlich." Das Schröder kurzzeitig gar in einer zukünftigen Funktion als "Berater" bei Gazprom im Gespräch gewesen sein soll, verschärft das Misstrauen der Balten eher noch.

Teure deutsch-russische Träume?
Litauens Präsident kann sich also sicher sein, dass ihn eine ganze Reihe der von den deutsch-russischen Sonderabsprachen betroffenen Staaten unterstützen, vielleicht daher die neue Offenheit. Ökologische und ökonomische Bedenken werden ins Feld geführt: Lecks seien unter Wasser schwerer zu entdecken, und der völlige Neubau einer so langen Pipeline werde um ein Vielfaches teurer werden als die Modernisierung bestehender Pipelines z.B. durch Lettland, Litauen und Polen. Adamkus spekulierte gegenüber litauischen Medien offen mit einer geänderten Haltung der neuen Bundesregierung in Berlin: noch seien Änderungen möglich.
Auch Vertreter der Wirtschaft, die mit anderen Gaskonzernen in Osteuropa zusammenarbeiten, hatten in der letzten Zeit bereits Kritik am hohen ökonomischen Risiko der Ostseepipeline gewarnt. "Natürlich ist es nicht gut, wenn wirklich Alternativrouten existieren", so Vertreter der Energiewirtschaft im Handelsblatt.

Adamkus offensiv
"Völlige Unkenntnis nachbarschaftlicher Beziehungen im Streit um die Ostsee-Pipeline" -das bescheinigte, Spiegel-online und DIE WELT zu folge, Adamkus dem deutschen Noch-Bundeskanzler. "In keiner Weise gerechtfertigt" sei diese Kritik, so Schröder zu Adamkus. So etwas nennt man wohl im Diplomaten-Deutsch eine "offene Gesprächsatmosphäre". "Kanzler macht noch Politik", wundert sich denn auch die Berliner Morgenpost. Der litauische Präsident wies - Presseberichten zufolgen - auch auf die Gefahren der noch in der Ostsee lagernden große Mengen Explosivstoffe und Chemikalien, darunter Senfgas, hin. Wenn das bei den Bauarbeiten zufällig berührt werde, könne es auch zu großen ökologischen Schäden kommen. Wolle man diese Stoffe aber alle vorher beseitigen - das treibe ja in jedem Fall die Kosten in die Höhe.

Lieber mit Herrn Köhler - oder später mit Frau Merkel
"Begeistert" habe sich Adamkus dagegen gezeigt von einem "sehr, sehr interessanten" Treffen mit Bundespräsident Horst Köhler (Spiegel-online).
Er habe viel Verständnis dafür geäussert, dass auch kleine Staaten gehört werden müssen. Zwar sei Russland militärisch für Litauen durch die Neuordnung in Europa keine Bedrohung mehr, aber auf dem Gebiet der Wirtschaft sei das durchaus nicht so klar, sagte Adamkus anläßlich einer von der Deutschen Welle organisierten Podiumsdiskussion. Wirklich unsicher fühle man sich aber gegenüber dem vom diktatorisch regierenden Präsdident Lukaschenko beherrschten Weißrussland, mit dem Litauen eine 600km lange Grenze hat. "Wenn du morgens aufwachst, weiß du nie, was in Minsk passiert ist", so wird Adamkus in der WELT zitiert.

Manche Medien - wie die Heidenheimer Zeitung - zählen nun schon die restlichen Tage und Termine ab, die Schröder vor der Wahl einer neuen Kanzlerin noch wahrnimmt. Der litauische Präsident jedenfalls kann sich zuschreiben, anläßlich seines Deutschlandbesuchs ein paar deutliche Worte zu rechten Zeit gesagt zu haben.

09 Oktober 2005

Litauen erleben in Hamburg und Bremen

Lieben Sie Litauen?
Mit diesem Wahlspruch bieten sich Liebhabern und kulturellen Entdeckern im Oktober 2005 vor allem in Hamburg viele Möglichkeiten. Vom 12. -23.Oktober hat die Litauerin Rita Valiukonyte einen bunten Strauss an Angeboten, von Jazz über neue Filme, Literatur bis zur Popmusik zusammengestellt.
Am Dienstag, den 11.Oktober gibt es zunächt in Bremen einen Litauen-Treffpunkt: um 19.00 Uhr eine Lesung mit der litauischen Schritftstellerin Jurga Ivanauskaite (Bild).
Ort: der Historische Schwurgerichtssaal an der Domsheide. Vorgestellt wird der Roman >Placebo<. Veranstalter ist hier "Lietuvos Knygos" mit dem Verein INFOBALT.

Kurz darauf hat in Hamburg Rita Valiukonyte (die als Kulturmanagerin von der Robert Bosch Stiftung gefördert wird) eine breite Zusammenarbeit verschiedener Kultureinrichtungen und Institutionen zustande gebracht:
der Robert Bosch Stiftung, der Kulturbehörde Hamburg, der Botschaft der Republik Litauen, der Behörde für Angelegenheiten der nationalen Minderheiten und Emigranten, und dem Honorarkonsul der Republik Litauen Hans-Friedrich Saure. Ein "heftiger Flirt mit Litauen" - so schrieb es DIE WELT am 6.10. in ihrer Vorankündigung, und auch das HAMBURGER ABENDBLATT empfahl: "Wie man Litauen schnell lieben lernt."

Hier die einzelnen Veranstaltungstermine:

Literaturhaus Hamburg Musikalisch-literarischer Salon
Mi. 12.10, 20.00 Uhr

Zu Gast: der litauische Jazzmusiker und Multi-Instrumentalist Petras Vysniauskas und Klaus Kugel (Schlagzeug). Stephan Benson und Rainer Strecker lesen Texte aus dem Roman Blanchisserie oder Von Mäusen, Moder und Literatursalons, Athena 2004, von Jurgis Kuncinas (1947–2002) und der Geschichtensammlung Friedenstaube. Sieben Vilniusser Geschichten, Athena 2001, von Ricardas Gavelis (1950–2002).

Literaturhaus Hamburg

Lesung mit Jurga Ivanauskaite
Do. 13.10, 20.00 Uhr.
Claudia Sinnig moderiert, Susanne Wolff liest.

Hamburger Handelskammer
Ausstellung 29.09 – 23.11 "Gardens of Memory" – Fotografien von Romualdas Pozerskis
Mo. – Do. 9.00 – 17.00 Uhr, Fr. 9.00 – 16.00

Künstlerhaus FRISE
Fotokünstler Vytautas Michelius-Michelkevicius
15.10 – 30.10.2005

Club LOGO
Konzert der litauischen Band SKAMP
So. 15.10, 21.00 Uhr

Metropolis Kino
Litauische Kinoabende (Eintritt: 6,- € / Bonuskarte für alle vier Kinoabende 16,- €)
Do 20.10.-So 23.10. 2005

Weitere Details finden sich im Internet auf der Seite des Hamburger Literaturhauses oder des Kino Metropolis. Auf einer Infoseite der Hamburger Kulturbehörde ist eine Programmübersicht in PDF-Format einsehbar.