03 September 2005

Litauer wandern aus - Arbeit finden, Steuern sparen

Die 80er Jahre waren schwierig - niemand glaubte ernsthaft an die Wiedererlangung der Unabhängigkeit, und wer dem Sowjetsystem nicht passte, wurde kalt gestellt.
Die 90er Jahre waren fast noch schwieriger - der Umbruch musste nach der ersten Euphorie erst einmal geschafft werden, und wer nicht gerade mit Trendy-Produkten gute Geschäfte macht, gehört schnell zu den Verlierern.
Erst im neuen Jahrtausend geht es in Litauen langsam aufwärts.

Ein Teil der Bevölkerung scheint die Konsequenzen jedoch bereits gezogen zu haben. Seit 1991 haben etwa 300.000 Menschen Litauen den Rücken gekehrt - das sind immerhin etwa genauso viele Menschen wie Kaunas Einwohner hat (in einem Land mit 3,4 Millionen Einwohnern). Diese Zahlen nennt die Journalistin Milda Seputyte in einem Beitrag für die
BALTIC TIMES. Ihrer Einschätzung nach habe jetzt aber das Thema wieder politische Kreise erreicht, denn bisher sei wenig getan worden, um eine Auswanderung in diesem Ausmaß zu verhindern.

"Ich bin beschämt, denn weder meine Partei noch unsere Regierung hat sehr viel dafür getan, dass Litauer in Litauen gut und in Ehren leben können", gibt sich Audronius Azubalis, Parlamentsabgeordneter der Konservativen Partei, selbstkritisch. Azubalis war kürzlich gemeinsam mit seinem Parlamentskollegen Gintaras Steponavicius (Liberale Zentrumspartei) Teilnehmer eines Kongresses der Litauischen Gemeinde in Irland - diese zählt inzwischen 100.000 Mitglieder. "Die Atmosphäre hier in Dublin fühlt sich schon recht Litauisch an, es ist, als ob die 100.000 Landsleute alle hier leben", äussert sich Steponavicius.

In einer schriftlichen Ansprache an die Dubliner Kongreßteilnehmer äusserte sich der Chef der Konservativen Partei Litauens, Andrius Kubilius, besorgt, das Land könne seine talentiertesten Mitbürger verlieren, die nie wieder nach Hause zurückkommen und deren Kinder dann nicht einmal mehr Litauisch sprechen werden.

Auf dem Dubliner Kongreß diskutiert wurden zum Beispiel Steuerprobleme. "Lieblingsländer" für ein "Arbeitsexil" sind für die Litauer neben Irland und Großbritannien auch Spanien. Die Einkommenssteuer betrage dort nur etwa 20% - wenn aber die Litauer in ihr Heimatland zurückkehrten, seien sie gezwungen, den Rest der Steuern (etwa 13%) nachzuversteuern. Ergänzend dazu sei das steuerfreie Mindesteinkommen in Irland etwa 25.000 Litas - in Litauen selbst aber nur 4.000 Litas. Wer nach Hause kommt, muss auch hier nachversteuern. Abgeschreckt davon, würden sehr viele entweder ihr wahres Einkommen verheimlichen, oder eben die Rückkehr nach Litauen hinauszögern.

Steponavicius sagte dazu, das litauische Finanzministerium bereite gegenwärtig eine Gesetzesänderung vor. Demzufolge soll es demnächst möglich sein, dass eine Doppelbesteuerung nach der Rückkehr ausgeschlossen wird, falls bereits vorher im Gastland Steuern gezahlt wurden. Stepanavicius äusserte die Hoffnung, dass dieses neue Gesetz bereits am 1.1.2006 in Kraft treten könne.

Bisher überqueren eine Menge Litauer mit großen Summen Bargeld die Grenzen, wenn sie auf Reisen gehen. Nicht nur die litauischen Banken - die natürlich für ihre eigenen Bankdienste werben wollen, hoffen, dass dies bald anders wird.

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